Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 22»
Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-781-5
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Inhalt
Nr. 421
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 422
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 423
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 424
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 425
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 426
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 427
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 428
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 429
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 430
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 431
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 432
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Nr. 433
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 434
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 435
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 436
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 437
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 438
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 439
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 440
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
1.
Das Wasser der Bucht war so ruhig, als sei nie etwas Außergewöhnliches geschehen. Zumindest verdeutlichte es, daß sich die Natur einen feuchten Kehricht darum scherte, wenn sich die Menschen gegenseitig die Köpfe einschlugen.
Sir Edward Tottenham lehnte an den mächtigen Luftwurzeln einer Mangrove und blickte auf die Bucht hinaus. Nur die Masten der Kriegsgaleonen „Orion“ und „Dragon“ ragten noch aus dem Wasser. Der Angriff dieses schwarzhaarigen Rasseweibes war tollkühn gewesen, das mußte man anerkennen, wenn es auch noch so schmerzte.
Sir Edward hatte sich von den Männern abgesondert und sich an einen abseits gelegenen Winkel des Strandes begeben. Er brauchte Ruhe, um seine Gedanken wieder in Ordnung zu bringen. Was sein Innerstes an diesem 23. August des Jahres 1594 aufwühlte, war nicht allein der Verlust seines Schiffes, der „Orion“.
Nein, für Sir Edward Tottenham hatte dieser Tag etwas Schicksalhaftes – aus Gründen, über die er erst noch Klarheit gewinnen mußte. Alle Äußerlichkeiten hatten für ihn plötzlich keinen Belang mehr. Es störte ihn nicht, daß seine Kapitänsuniform verdreckt und an verschiedenen Stellen eingerissen war. Die Macht der Sonne, die erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel brannte, spürte er kaum, obwohl er unter anderen Umständen lieber einen schattigen Platz aufgesucht hätte.
Der Grund seiner Tiefsinnigkeit lag auch nicht darin, daß es mit mörderischen Anstrengungen und Gefahren verbunden sein würde, jemals das heimatliche England wiederzusehen. Sir Edward ahnte, daß es einen anderen Grund für seine sonderbare Stimmung geben mußte. Vage ahnte er überdies, daß er in sich selbst nach jenem Grund forschen mußte. Denn da war eine Empfindung, die er nie zuvor in seinem Leben gekannt hatte.
Es war das Gefühl, keine Zukunft mehr zu haben.
Aber woher, um Himmels willen, rührte dieses Gefühl? Hatte er etwa falsche Entscheidungen getroffen? Oder mit seinen Entscheidungen zu lange gezögert? Diese Fragen ließen ihm keine Ruhe.
Von Anfang an hatte diese Reise in die Neue Welt unter einem unguten Stern gestanden. Möglicherweise hatte es schon daran gelegen, daß die Kompetenzen zu keinem Zeitpunkt eindeutig abgegrenzt worden waren. Sir Edward verstand bis heute nicht, warum sich die Königin in dieser Frage nicht klar und deutlich festgelegt hatte, wie es sonst ihre Art war.
Sir Andrew hatte sich ganz als Befehlshaber gebärdet. Und er, Sir Edward, hatte vielleicht nicht genügend Energie gehabt, solchem Gehabe wirkungsvoll entgegenzutreten. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild der spanischen Galeone „Santa Cruz“, die bereits die Flagge gestrichen hatte und dennoch zusammengeschossen worden war – von der „Dragon“ und der „Lady Anne“.
Sir Edward war nicht entgangen, daß sich seine Geschützmannschaften auf der „Orion“ merklich zurückgehalten und absichtlich danebengeschossen hatten. Gewiß, dagegen war er nicht eingeschritten, aber er hatte auch nicht jene Courage an den Tag gelegt wie die Kapitäne Rooke und Wavell, die einfach nicht mehr mitgespielt und mit ihren Galeonen „Centurion“ und „Eagle“ den Verband verlassen hatten.
Vielleicht hatten Rooke und Wavell das einzig Richtige getan – sicherlich aus ihrer aufrechten Haltung heraus. Sir Edward haßte sich heute dafür, daß er seinerzeit geneigt gewesen war, Rooke und Wavell als Meuterer zu betrachten. Aber zu dem betreffenden Zeitpunkt hatte er auch noch zu sehr unter dem Einfluß von Sir Andrew gestanden. Daß ihm erst jetzt nach und nach die Augen aufgingen, wertete er allerdings nicht als Entschuldigung für sich selbst.
Es blieb die bedrückende Gewißheit, in vielen Punkten versagt zu haben.
Die Männer von der „Orion“ waren indessen voller Hoffnung. Sir Edward hörte es aus ihren Stimmen heraus, und er las es aus der Entschlossenheit, mit der sie seit dem Untergang des Schiffes ans Werk gingen. Für sie war dieses kleine Eiland der östlichen Grand Cays nicht gleichbedeutend mit einem besiegelten Schicksal. Sie hatten Waffen, Munition, Proviant, Ausrüstung und vor allem die sechs Jollen. All das verdankten sie der Umsicht von Marc Corbett.
Jene letztere Tatsache mußte Sir Edward Tottenham neidlos und unumwunden zugeben. Verdankte nicht auch er einiges der Entschlußfreudigkeit und Umsicht seines Ersten Offiziers?
Wie so oft bewahrheitete sich das Sprichwort, daß der nicht weit ist, von dem gerade in Worten oder Gedanken die Rede ist. Sir Edward hörte das mahlende Geräusch von Schritten im Sand. Erstaunt wandte er den Kopf nach links.
Marc Corbett, der schlanke Mann mit dem scharfgeschnittenen Gesicht, dem dunklen Haar und den graugrünen Augen, war sichtlich erfreut, seinen Kapitän gefunden zu haben.
„Ich möchte Sie nicht unbedingt stören, Sir Edward“, sagte der Erste Offizier der „Orion“, „aber es gibt einige Dinge, die ich gern mit Ihnen besprechen würde.“
Tottenham verschränkte die Arme vor der schmalen Brust und nickte ermunternd.
„Nur zu, Mister Corbett. Sie stören nicht im mindesten. Lassen Sie sich gesagt sein, daß ich über Ihre Anwesenheit durchaus froh bin.“
Corbett zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Die so unvermutete Offenheit des Kapitäns brachte ihn in Verlegenheit. Deshalb ging er nicht darauf ein, sondern wandte sich dem Grund seines Auftauchens zu.
„Wenn ich Sie mit einer Angelegenheit behelligen darf, die ich selbst zu verantworten habe“, sagte er gedehnt.
Nun war es Tottenham, der sein Erstaunen nicht verbergen konnte.
„Das klingt ja beinahe so, als ob Sie sich etwas vorzuwerfen hätten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, weshalb. Nicht bei Ihnen, Mister Corbett.“
Der Erste Offizier senkte geschmeichelt den Kopf. Ihm war nicht entgangen, daß sich in Sir Edward seit dem Untergang der „Orion“ offenbar eine Wandlung vollzogen hatte. In seinem ganzen Verhalten wirkte er jetzt bestimmter und geradliniger. Gleichzeitig gab es aber auch Momente, in denen er von tiefer Nachdenklichkeit gepackt wurde. So war es der Fall gewesen, als er sich hierher abgesondert hatte.
Marc Corbett gab sich innerlich einen Ruck, nahm wieder Haltung an und blickte dem hageren Mann offen in die Augen.
„Es handelt sich um die Gefangenen von der ‚Lady Anne‘, Sir Edward, die achtundzwanzigköpfige Crew des Sir John Killigrew. Ich kann mir Selbstvorwürfe in dieser Beziehung nicht ersparen. Die Dinge entwickeln sich auf eine Art und Weise, wie ich es nicht erwartet habe.“
„Weil Sie die Kerle aus der Vorpiek befreit haben?“ entgegnete Sir Edward stirnrunzelnd. „Deshalb trifft Sie doch keine Schuld. Im Gegenteil.“
„Sicher war es richtig, Sir, die Kerle nicht wie Ratten absaufen zu lassen. Insofern gebot es schon die Christenpflicht, sie über Bord zu jagen, als feststand, daß der Untergang der ‚Orion‘ nicht mehr abzuwenden war.“
„Meine Rede“, sagte Tottenham mit bekräftigendem Nicken. „Dieser Christenpflicht haben Sie genügt. Und nicht nur das. Ihnen gebührt noch besonderes Lob dafür, daß Sie als einziger an Bord der ‚Orion‘ daran gedacht haben, die hilflosen Gefangenen zu retten. Denn hilflos waren sie in diesem Moment, einerlei, was man ihnen auch sonst alles zur Last legen kann.“
„Ich weiß, Sir Edward“, sagte Marc Corbett leise. „Und ich danke Ihnen aufrichtig. Aber ich hätte vorhersehen müssen, wie sich die Kerle hier an Land aufführen. Ein Umstand, der mir erhebliche Sorgen bereitet.“
Sir Edward rieb sich das Kinn mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand.
„Ich verstehe. Aber auch in dem Punkt meine ich, Sie beruhigen zu müssen. Erstens gab es keine Möglichkeit, die Killigrew-Kerle hier auf der Insel sofort wieder zu fesseln und zu bewachen. Dafür waren wir alle zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Zweitens haben wir meines Erachtens keine ernsthaften Schwierigkeiten zu befürchten, da unsere Mannschaft zahlenmäßig weit überlegen ist. Und wir verfügen über Waffen und Munition, mein lieber Corbett – was wir wiederum auch Ihrer Umsicht verdanken.“
„Sie sollten mir nicht zu sehr schmeicheln, Sir Edward. Ich habe nur meine Pflicht getan.“
„Ehre, wem Ehre gebührt. Ich habe jedenfalls meine Gründe, wenn ich jetzt, in dieser Situation, einiges sage, was ich früher nie gesagt habe.“
Marc Corbett starrte ihn Atemzüge lang ungläubig an.
„Sir Edward!“ rief er dann voller Bestürzung. „Wenn ich Ihnen durch mein Verhalten das Gefühl gegeben haben sollte, ihre Autorität anzuzweifeln, dann bitte ich um …“
Tottenham unterbrach ihn mit einer energischen Handbewegung.
„Unsinn. Wenn Sie so wollen, haben Sie mir vielleicht ein wenig die Augen geöffnet. Etwas, wofür ich Ihnen dankbar sein muß. Aber davon wollen wir nicht reden. Nicht jetzt.“ Sein Blick wanderte für einen Moment auf die Bucht hinaus. Dann sah er wieder den Ersten Offizier an. „Was bereitet Ihnen solches Unbehagen in Zusammenhang mit Killigrews Strolchen?“
„Ich vermute, daß sie sich mit Mister Stewart verbünden werden.“
„Ja, und?“
„Daraus könnte dann doch eine ernsthafte Gefahr entstehen.“
Sir Edward sah den Ersten Offizier an, als studiere er dessen Gedanken.
„Ihre Rechnung weist einen kleinen Denkfehler auf, Mister Corbett. Sie dürfen die achtzig Mann von der Crew der ‚Dragon‘ nicht zusammen mit Stewart und den Killigrew-Kerlen in einen Topf werfen. Mit den adligen Gentlemen noch viel weniger.“
Marc Corbett schwieg sekundenlang. Er mußte zugeben, daß er diesen Gesichtspunkt nicht erwogen hatte. Aber wäre Sir Edward früher in der Lage gewesen, solche Überlegungen anzustellen? Es war das Erstaunliche, das mit seiner rätselhaften Wandlung zu tun haben mußte – mit eben jener Wandlung, die wiederum mit ihrem gerade beginnenden Dasein als Schiffbrüchige zusammenzuhängen schien.
„Sie meinen, Sir Edward, die ‚Dragon‘-Crew würde sich nicht unbedingt mit Killigrews Leuten verbünden?“
„Genau das. Kennen Sie nicht den Unterschied zwischen anständigen Seeleuten und durchtriebenen Küstenhaien? Wissen Sie denn nicht, zu welcher Sorte diese Sippschaft in Cornwall gehörte?“
„Doch, Sir, das ist mir durchaus bekannt.“
„Na also. Dann sollten Sie aufhören, diesen Punkt überzubewerten. Ich denke, es gibt zur Zeit Vordringlicheres, mit dem wir uns beschäftigen müssen.“
„Allerdings, Sir“, erwiderte der Erste und konnte abermals sein Erstaunen nicht verbergen. Sir Edward entwickelte eine Art von praktischem Denken, die einem geradezu unheimlich erscheinen konnte. „Die Männer haben eine erste Bestandsaufnahme abgeschlossen. Alle sechs Jollen befinden sich in seetüchtigem Zustand, einschließlich der Besegelung.“
„Ausgezeichnet. Und weiter?“
„Waffen und Munition konnten wir ebenfalls in genügender Menge bergen. Ich habe veranlaßt, daß die Pulverfässer an einen geschützten und doch ausreichend luftigen Platz in Strandnähe gebracht werden – vorläufig, bis wir eine bessere Lagermöglichkeit haben. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen, Sir.“
Tottenham lächelte, denn er ahnte bereits, auf was dieser stets praktisch denkende Mann hinaus wollte.
„Wie sieht es mit den Waffen aus, Mister Corbett?“
„Musketen, Tromblons und Pistolen in ausreichender Zahl, Sir. Wir können jeden Mann mit mindestens einer Waffe ausrüsten, etliche sogar mit Muskete und Pistole zugleich, wenn es sein muß. Wir haben außerdem bereits Äxte, Sägen und andere Werkzeuge geborgen. Die Proviantvorräte werden für die nächsten paar Tage reichen. Ich meine aber, wir sollten schon heute die erste Gruppe von Männern mit Musketen losschicken. Wir sollten so rasch wie möglich feststellen, ob es auf der Insel jagdbares Wild gibt.“
„Der Meinung bin ich auch“, sagte Kapitän Tottenham.
„Außerdem“, fuhr Corbett fort, „sollten wir unverzüglich mit dem Bau von Hütten beginnen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Sir. Es klingt vielleicht so, als hätte ich vor, mich für einen längeren Aufenthalt auf der Insel einzurichten. Ich halte die Hütten aber aus Gründen der Zweckmäßigkeit für angebracht. Zum einen wären natürlich die Männer vor Sturm und Regen geschützt. Wichtiger erscheint mir aber, daß wir unsere gesamte Ausrüstung sicher unter Dach und Fach haben. Ich denke also auch an ein kleines Munitionsdepot, das besonders bewacht werden müßte.“
Sir Edward nickte und dachte eine Weile darüber nach.
„Ich stimme Ihnen zu“, erwiderte er dann. „Was ich über Killigrews Meute gesagt habe, soll nicht heißen, daß ich das Risiko etwa unterschätze. Ihr Vorschlag ist gut, Mister Corbett. Hütten sind für uns auf jeden Fall von Vorteil.“
„Dann können wir also mit den Vorbereitungen zum Bau beginnen?“
„Selbstverständlich.“ Sir Edward nickte. Dann hob er die rechte Hand. „Eins wollen wir dabei aber nicht vergessen, Mister Corbett: Wir müssen den Mannschaften sagen, warum wir die Hütten bauen. Eben als Wetterschutz und letztlich aus Sicherheitsgründen. Denn wenn die Männer das Gefühl haben, wir müßten uns für einen längeren Aufenthalt auf der Insel einrichten, dann könnte das eine demoralisierende Wirkung haben. Wir müssen Ihnen immer wieder vor Augen halten, daß wir so bald wie möglich versuchen werden, eine größere Insel zu finden – wie es ironischerweise die schwarzhaarige Lady des Zweideckers empfohlen hat.“
Erneut mußte Marc Corbett im stillen zugeben, daß Tottenham auf einen Punkt hingewiesen hatte, an den er selbst noch nicht gedacht hatte. Natürlich – der Arbeitseifer der Männer würde im wesentlichen davon bestimmt werden, wie sie ihre Zukunftsaussichten einschätzten. Neben dem Arbeitseifer spielten Loyalität und Verteidigungswille eine nicht minder bedeutende Rolle.
„Danke für den Hinweis, Sir“, sagte Corbett. Er zögerte einen Augenblick. Doch dann sagte er sich, daß er mit jener Offenheit antworten konnte, wie sie Sir Edward auch ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte. „Ich bitte Sie, Sir, alle erforderlichen Maßnahmen zu überwachen. Ich möchte nicht gern den Eindruck erwecken, daß ich eigenmächtig über Dinge entscheide, die in Ihre Zuständigkeit fallen.“
Eine Sekunde lang war das schmale Gesicht des Kapitäns wie eine Maske. Marc Corbett fürchtete fast, nun richtig ins Fettnäpfchen getreten zu sein. Doch er täuschte sich. Unvermittelt löste sich Tottenhams scheinbare Anspannung in ein Lachen auf, und er klopfte seinem Ersten Offizier sogar auf die Schulter.
„Reden Sie getrost, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist, Corbett. Sie erwarten von mir ein bißchen mehr als zuvor, und Sie haben recht damit. Ein Mensch sollte Kritik vertragen können. Das will ich mir hinter die Ohren schreiben.“
„So habe ich es aber nicht gemeint, Sir“, sagte Marc Corbett erschrocken. „In erster Linie wollte ich zum Ausdruck bringen, daß ich nicht gern meine Kompetenzen überschreite.“
„Ich weiß, ich weiß.“ Sir Edward klopfte ihm abermals auf die Schulter. „Lassen Sie es gut sein.“ Er stieß sich von der Mangrovenwurzel ab. „Gehen wir jetzt zu den anderen. Ich meine, wir sollten es dem Schiffszimmermann übertragen, die Beschaffung von Bauholz zu leiten. Andere Gruppen können unterdessen die Bauplätze für die einzelnen Hütten vorbereiten.“
„Ich bin sicher, wir werden schon am Abend die ersten Dächer über dem Kopf haben!“ rief der Erste begeistert. Am liebsten hätte er sich revanchiert und seinem Kapitän ebenfalls einen Hieb auf die Schulter versetzt. Aber er beherrschte sich gerade noch rechtzeitig. Bei aller guten Kumpanei wäre das denn doch ein Schritt zu weit gewesen.
Ein anderer Gedanke beschäftigte Marc Corbett, als sie den Lagerplatz der „Orion“-Crew erreichten.
„Ist Ihnen bekannt, Sir, daß sich Mister Stewart die beiden Goldkisten aus dem Besitz von Sir Henry angeeignet hat?“
Sir Edward blieb stehen und blickte den Ersten entgeistert an.
„Nein! Sind Sie sicher?“
„Völlig sicher, Sir. Mehrere Männer und auch ich selbst haben gesehen, wie Stewart nach dem Angriff des Zweideckers mit seiner unbeschädigten Jolle zur ‚Dragon‘ pullte und die beiden Kisten aus dem Achterdeck bergen ließ. Sir Henry hatte keine Chance, sich dagegen aufzulehnen.“
Tottenham konnte sich eines Lächelns, nicht erwehren. Der sehr ehrenwerte Duke of Battingham war bis zuletzt kreischend auf dem Achterdeck der „Dragon“ herumgehüpft, aber niemand hatte auch nur einen Gedanken daran verschwendet, ihn zu retten.
Einer der riesenhaften Kerle von dem fremden Zweidecker hatte den Zitternden schließlich aufgefordert, den Großmars zu räumen. Dorthin hatte sich der Hochwohlgeborene geflüchtet, nachdem die „Dragon“ auf Grund gegangen war.
Daß es unter seiner Würde wäre, sich schwimmend fortzubewegen, hatte Sir Henry immer wieder hinausposaunt. Den Denkzettel dafür hatte er erhalten, denn nun befand er sich als Gefangener an Bord des Zweideckers. Daß man sich sein Gezeter dort nicht sehr lange anhören würde, stand wohl fest.
„Wegen der Goldkisten könnten sich allerdings Komplikationen ergeben“, sagte Sir Edward düster. „Die Raffgier gewisser Personen ist nicht zu unterschätzen. Wir müssen auf jeden Fall ständig Wachen einteilen, auch während der Bauarbeiten.“
Für Marc Corbett gab es nichts mehr hinzuzufügen. Er war froh, jetzt einen Kapitän an seiner Seite zu haben, auf den er sich verlassen konnte. So wunderte es ihn auch nicht, als Tottenham kurze Zeit später mit einer der Arbeitsgruppen losmarschierte, um Bäume zu fällen. Jede Hand wurde gebraucht, und am Beispiel ihres Kapitäns orientierten sich auch Corbetts Offizierskameraden. Der alte Gemeinschaftsgeist der „Orion“-Crew war in vollem Umfang wieder erwacht.