Gefahr im Odenwald

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Gefahr im Odenwald
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Birgid Windisch

Gefahr im Odenwald

Liebe kennt keine Zeit

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Impressum neobooks

Prolog

Birgid Windisch

Gefahr im Odenwald

Liebe kennt keine Zeit

Teil 3

Roman

Was bisher geschah:

Lene, eine Frau unserer Zeit, fiel im Wald durch morsche Balken in ein Loch, wo sie auf Wernher traf, einen Mann aus dem 15. Jahrhundert. Er war von seinen Ziehbrüdern in eine Falle gelockt und hinuntergestürzt worden, mit der Absicht, ihn zu töten. Zusammen fanden sie einen Weg heraus und bestanden gefährliche Abenteuer in seiner Zeit und verliebten sich dabei ineinander. Durch glückliche Fügung, gelangten sie wieder zurück ins 21. Jahrhundert und richteten sich froh, miteinander in Lenes Zeit ein.

Zufällig entdeckten sie kurz darauf bei Recherchen im Internet, dass Wernhers totgeglaubte Mutter in seiner damaligen Zeit noch gelebt hatte und erst kurz nach Wernhers Zeitreise, durch gemeine Intrigen umgekommen war. Aufgeregt suchten sie weiter und begaben sich schließlich zusammen wieder ins 15. Jahrhundert, wo sie seine Mutter tatsächlich ausfindig machen und unter dramatischen Umständen sogar retten konnten – sowie seine ihm bis dahin unbekannte Schwester und zwei Hunde. Einer davon - Willi - war Wernhers damaliger Hund gewesen, bei dem anderen handelte es sich um die berühmte Melampus - eine Hündin, die sogar in unserer Zeit noch als Sagengestalt der Starkenburg verehrt wird. Auf der Flucht half ihnen ein Mönch, der Wernhers Schwester liebte und sich ihnen anschloss.

Zusammen mit ihren Freunden, Wernhers wiedergefundener Familie und Lenes Oma, begannen sie nun ein glückliches Leben voller Liebe - bis – ja, bis sie bei einem Besuch der Starkenburg, mit Lenes Oma und deren Lebensgefährten, einem Mann aus Wernhers Vergangenheit begegneten, oder jemandem der ihm sehr ähnlich sah – im 15. Jahrhundert Wernhers Todfeind – seinem Ziehbruder Hans von Bache.

Aufgeregt lief Lene den Waldweg hoch. Weg war leicht übertrieben - ohne die Hunde hätte sie den unscheinbaren Pfad nie gefunden. Links und rechts lagen alte Buntsandsteine. Wahrscheinlich von dem niedergegangenen Dorf, Hausen hinter der Sonne, dachte Lene. „Dann bin ich auf dem richtigen Weg“, erklärte sie den Hunden, Melampus und Willi, die sie begleiteten und aufmerksam ansahen. Aufgeregt zog Willi sie nach links und schnüffelte in einem losen Steinhaufen. Sofort tat es ihm Melampus nach.

Seit ihr Herrchen verschwunden war, fanden sie keine Ruhe mehr, genau wie Lene - und spürten, dass ihm etwas Schlimmes passiert sein musste. Die beiden scharrten und Lene grub mit. Es hatte lange nicht geregnet und die Erde war trocken und staubig. Sie hob den Kopf – komisch – kein Vogelgezwitscher mehr. Ihr wurde ganz unheimlich zumute. Melampus winselte leise. Plötzlich roch Lene Pfeifenrauch. Sie fröstelte. Willi knurrte und Melampus stellte die Nackenhaare. Lene packte die beiden intuitiv und zog sie von der Stelle weg. Sie würde sie erst einmal nachhause bringen und später allein wiederkommen, nachdem sie daheim Bescheid gegeben hatte.

Sie konnte die hochträchtige Melampus unmöglich in Gefahr bringen. Sie war zwar selbst schwanger, aber sollten sie wirklich an eine Stelle geraten sein, mit einem Durchgang zur Vergangenheit, wäre es verheerend, mit den bald auf die Welt kommenden Hundebabys an einer Stelle festzusitzen, wo sie in Gefahr wären. Sie selbst könnte immer noch, weglaufen und ihr Kind zu tragen. Dabei vergaß sie ganz, dass es früher nicht immer so einfach war, nach einer Geburt. Aber ihr geliebter Wernher war in Gefahr und das Denken funktionierte nicht mehr rationell - die Gefühle hatten die Oberhand gewonnen! Entschlossen zog sie die widerstrebenden Hunde den Berg hinab und ließ den seltsamen Pfeifengeruch und das beklemmende Gefühl hinter sich.

Für alle Odenwaldliebhaber und Träumer

Kapitel 1

Die Liebe hat immer recht - Wie du warst vor aller Zeit – der feige Ziehbruder

Aufgelöst kam Oma zu Wernher gerannt. „Wer war denn das?“ „Ich kenne ihn auch, Oma, aber ich komme nicht darauf, woher“, mischte sich Lene ein. „Ich kenne ihn“, erklärte Wernher grimmig. „Und ganz sicher nicht erst seit heute. Er sieht meinem Ziehbruder Hans so ähnlich, als sei er ihm aus dem Gesicht geschnitten. Sogar Mimik und Gestik stimmen genau überein!“

„Wie ist das möglich?“ Lene sah Wernher entsetzt an. „Bist du wirklich sicher, dass es Hans war?“ Wernher nickte bitter. „Ganz sicher, die Visage gibt es nicht noch einmal. Ich würde meinen sogenannten Bruder immer und überall erkennen!“ „Mir kam er auch bekannt vor“, gab Lene zögernd zu. „Ich habe ein Bild von ihm im Internet gesehen, ein Gemälde, aber er ist wirklich sehr gut getroffen.“ Wernher zog Lene und Oma zur Seite und sah sie durchdringend an. „Wir müssen hier weg! Wenn Hans sich hier aufhält, hat das einen Grund und wie ich ihn kenne, hat er mit Gold und Reichtümern zu tun und nichts Gutes für uns zu bedeuten.“ Lene stupste ihn aufgeregt in die Seite und rief: „Ehrlich gesagt, habe ich in letzter Zeit öfter das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Sogar die Hunde haben manchmal geknurrt, aber weil mir nichts aufgefallen ist, habe ich mir nichts dabei gedacht.“ Wernher sah sie vorwurfsvoll an. „Das hättest du mir sagen müssen! Wer weiß, was er im Schilde führt. Etwas Gutes bestimmt nicht.“ Willi knurrte zustimmend und Melampus zog an der Leine, in die Richtung des Turmes. Helga sah sich unbehaglich um, sie konnte die Beklemmung, die sie befallen hatte, nicht abschütteln. „Ich möchte gehen“, sagte sie mit zitternder Stimme und sah einen nach dem anderen bittend an. „Ich spüre ganz deutlich, dass dieser Mann gefährlich ist und möchte nicht, dass wir in seiner Nähe sind.“ „Aber Oma“, meinte Lene beruhigend, „wir sind zu Mehreren und er allein, dazu haben wir noch die Hunde. Er könnte uns ebenso gut zuhause belauern, ohne dass wir es merken würden!“ Oma sah sie entsetzt an.

 

„Jetzt nicht mehr“, erklärten Horst und Wernher bestimmt. Nie würden sie zulassen, dass ihren Frauen etwas geschah. „Er soll nur kommen“, brummte Wernher wütend. „Wir empfangen ihn dann schon gebührend“, grollte auch Horst und nahm seine Helga beschützend in den Arm, die sich sofort dankbar hineinschmiegte.

„Du hast mir doch erzählt, dass dein Ziehbruder ein hinterlistiger, feiger Geselle ist“, stieß Lene finster hervor und fixierte das Gebüsch, hinter dem Hans verschwunden war, voller Zorn. „Er wird nie und nimmer von vorne kommen, sondern stets von hinten und erst dann, wenn wir es nicht mehr erwarten, zuschlagen!“ Eine Gänsehaut lief ihr bei dem Gedanken den Rücken hinunter. Schutzsuchend drängte sie sich an Wernher, die Hunde dicht an beiden Seiten. „Dann hilft nur eins“, Wernher sah sich voller Wut um. „Wir müssen ihm zuvorkommen!“ Lene sah ihn unglücklich an. Das hatte sie sich bereits gedacht. Sie kannte ihren Mann inzwischen gut genug, dass sie ihm zutraute, sich bedenkenlos in Gefahr zu begeben, um sie zu beschützen. „Aber nicht Hals über Kopf! Du bist kein Einzelkämpfer mehr, du hast jetzt mich und unsere gemeinsame Familie! Wir stehen das zusammen durch und werden ihn besiegen. Hast du das gehört, mein Schatz?“ Sie sah ihn durchdringend an. Wernher gab ihren Blick zurück, ohne zu lächeln, was Lene noch mehr beunruhigte.„Mach dir keine Sorgen, mein Lieb. Die längste Zeit hat der feine Herr Hans seinen Spaß gehabt, doch wer zuletzt lacht, lacht am besten!“ Er ballte die Faust. Lene schüttelte den Kopf. „Oma, Horst, sagt doch auch mal etwas! Wir müssen diesen Sturkopf vor sich selber schützen!“

Oma hub mit zitternder Stimme an: „Ich möchte heim, ich habe Angst. Von eueren Abenteuern zu hören ist eine Sache, aber dann einem euerer Widersacher leibhaftig zu begegnen, etwas ganz anderes. Bitte, ich möchte heimfahren!“ „Tun wir das“, grollte Horst und schob Oma vor sich auf den Weg nach unten zurück. Lene und Wernher drehten sich auch um und zogen die widerstrebenden Hunde mit. Melampus und Willi knurrten leise und hatten immer noch das Nackenfell gesträubt. Lene schauderte – so hatte sie sich den Sonntagsausflug nicht vorgestellt, auf den sie sich so gefreut hatte.

Kapitel 2

Hals über Kopf

Aufgeregt liefen sie den Burgweg hinunter bis zum Auto, sich immer wieder umblickend. „Da hat der werte Herr Freude, wenn er unsere Angst sieht!“, erregte sich Wernher. „Unsere Angst, nicht deine“, meinte Lene begütigend. „Lass ihm doch den Spaß! Bald wird er ihm nämlich vergehen“, meinte Lene augenzwinkernd. „Wie meinst du das?“ Ein misstrauischer Blick von Wernher traf sie beim Einsteigen. „Na, du und Horst werdet schon zu verhindern wissen, dass er etwas gegen uns unternehmen kann“, meinte Lene mit unschuldigem Gesichtsausdruck. Wernher wusste aus Erfahrung, dass Lene nicht zu trauen war, wenn sie ihn so ansah, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Sie war alles andere als brav und brütete sicher bereits an einem Plan, wie man Hans beikommen konnte. Irgendwie stand es für keinen außer Frage, dass es sich um genau denselben handelte.

„Du wirst gar nichts tun, hast du verstanden Lene?“ Wernher sah ihr bezwingend in die Augen. „Wenn, dann werden Horst und ich etwas tun, wir sind die Männer und für euch verantwortlich. Ist das klar?“ Er zog die Augenbrauen zusammen. „Sonnenklar mein Schatz“, flötete Lene, liebreizend mit den Wimpern klimpernd und Oma rief lachend aus dem Fond: „Lene, ich kenne diesen Tonfall, aber nun hast du hoffentlich deinen Meister gefunden und bist vernünftig. Schließlich bist du jetzt nicht mehr allein!“

Lene sah gedankenvoll auf ihren sich wölbenden Bauch. Verstanden die anderen das denn nicht? Gerade deshalb, weil sie nun für dieses kleine Wesen verantwortlich war, das vollkommen von ihr abhängig war, konnte sie diese Sache nicht auf sich beruhen lassen. Insgeheim schwor sie sich, diese Gefahr endgültig zu bannen. Sie würde nie zulassen, dass ihrem Kind etwas passierte! Wernher sah genau, was hinter ihrer Stirn vor sich ging, weil er wahrscheinlich die gleichen Gedanken hegte. Doch bevor dieses unvernünftige Weib etwas Unüberlegtes täte, würde er die Sache in die Hand nehmen und ein für alle Mal erledigen. Seiner Familie und vor allem seiner Lene, die er über alles liebte, durfte nichts passieren. „Gut, dass du den Führerschein gemacht hast“, lachte sie ihn breit an. „Wenn ich noch dicker werde, passe ich fast nicht mehr hinter das Lenkrad!“

Oma schaltete sich ein: „Ach Lenchen, hast du eine Ahnung, du bist ja erst im achten Monat, da geht noch was!“ Sie lächelte sie liebevoll an. Erschrocken sah ihr Lene in die Augen. „Echt? Mir würde das schon reichen so.“ Wernher streichelte sie vorsichtig über den Bauch. „Dann hast du endlich mal was auf den Rippen und ich habe noch mehr von dir!“ kniff er sie zärtlich in die Seite. „Hey mein Schatz, lass meinen Speck in Ruhe, sonst fühl ich mich sonst gleich noch dicker“, brummelte Lene, gespielt beleidigt und Wernher sah seinen Schatz voller Liebe an. Sie konnte ihn nicht hinters Licht führen - er wusste, dass sie gar nicht in der Lage dazu war, wegen solcher Kleinigkeiten beleidigt zu sein. Behutsam legte er den Gang ein und fuhr los. Horst und Oma verdrehten die Köpfe, um einen Blick zurück zu werfen und womöglich noch einmal Hans zu entdecken, da rief Lene schon aufgeregt: „Da, seht mal!“ Wie auf Kommando, fuhren alle Köpfe in Richtung, Lenes deutenden Zeigefinger. Hinter einem Busch sahen sie Hans hervorlugen. „Wenn das ein Fremder gewesen wäre, würde er uns nicht so heimlich belauern“, meinte Wernher. „Das ist genau seine Art, immer schön aus dem Hinterhalt. Gerade heraus kann er nicht, weil er ein feiger Hund ist!“, zischte er wutentbrannt durch die Zähne und Lene überlief eine Gänsehaut bei seinen Worten.

Kapitel 3
Das Adam-Otto-Vogel-Haus

Daheim angekommen, zogen sich Helga und Horst sogleich erschöpft in die Küche zurück, wo sie sich auf die Eckbank fallen ließen. Lene stellte derweil die Kaffeemaschine an, um ihre Oma wiederzubeleben, die einen arg mitgenommenen Eindruck auf sie machte.

„Lene? Kannst du mal kommen“, rief Wernher aus dem Wohnzimmer. Lene lief schnell hinüber und sah Wernher neben dem Telefon stehen. „Schau mal, es blinkt, ist das der Anrufbeantworter, wie du das Ding nennst, oder das Telefon?“ Lene nahm den Hörer in die Hand und lächelte ihn liebevoll an. „Das ist der im Telefon integrierte Anrufbeantworter, mein Schatz. Und zwar hat jemand angerufen in unserer Abwesenheit und auf das Band gesprochen.“ „Auf das Band?“ Wernher sah sie verständnislos an. „Ja, früher war da ein kleines Tonband drinnen und deshalb sagt man heute noch so, obwohl es inzwischen ein kleiner Chip ist, ein winziges Kärtchen sozusagen“, erklärte Lene. „Oh, Mann“, stöhnte Wernher und rollte mit den Augen. „Das kapier ich nie.“ Sie drückte auf das Knöpfchen: „Horch einfach, du musst es ja nicht verstehen, wie es funktioniert!“ Wernher neigte den Kopf und hörte konzentriert zu, was die Stimme aus dem Kästchen sagte: „Eine neue Nachricht“, erklang eine blecherne Frauenstimme. „Nachricht eins – Sonntag, 17. November 2018 – 11 Uhr.“ Laut erklang die Stimme des Bürgermeisters: „Hier ist der Bürgermeister, ich würde gern mit Wernher Bache sprechen. Würden sie sich bitte morgen im Rathaus melden? Ich habe gehört, dass sie Experte sind, für alte Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Wir renovieren das alte Adam-Otto-Vogel-Haus und sind auf Schwierigkeiten gestoßen. Könnten sie bitte morgen früh, zu einer kleinen Krisensitzung ins Rathaus kommen? Wir treffen uns um 9 Uhr im Sitzungssaal. Falls sie nicht kommen können, sagen sie bitte kurz Bescheid!“ Wernher sah das Kästchen aufgeregt an. „Natürlich komme ich morgen!“ Lene legte ihm die Hand auf den Arm und meinte beruhigend: „Bleib ruhig, er hört dich doch nicht. Es ist eine Aufzeichnung.“ „Aufzeichnung? Es ist doch kein Bild“, sah Wernher sie verwirrt an. „Aufzeichnung nennt man auch Aufnahmen von Tönen zum Beispiel“, meinte Lene erklärend, bemerkte aber, dass sie die Verwirrung nur vergrößerte. „Dieses Gerät nimmt auf, was der Anrufer sagt, wenn niemand zuhause ist und der Anrufer ist nicht mehr am Telefon und kann dich auch nicht hören.“ „Aha“, machte Wernher erleichtert. „Praktisches Ding!“

Zu Wernhers Zeit waren in Mömlingen 62 Herdstätten gewesen. Damals wurden noch, anstatt der Einwohner, die Herdstätten gezählt. Die Sterblichkeit war dazumal, besonders im Kindesalter, noch sehr hoch und die Einwohnerzahl variierte zu sehr, als dass man sie genau hätte festhalten können.

„Wie kommt es eigentlich, dass du als Experte für alte Bauten giltst?“ wollte Lene wissen. „Mein Schatz, damals war ich natürlich kein Experte, aber es war sehr hilfreich, wie heute wahrscheinlich auch noch ist, wenn man möglichst viel selbst machen konnte. Handwerker waren schwer zu bekommen und so half man sich eben gegenseitig. Einer konnte gut mauern, ein anderer verputzen oder ein Dach zimmern und so mauerte der eine beim Hausbau mit und dafür zimmerte der andere das Dach und da ich immer mitgeholfen habe, kann ich von allem ein wenig. Außerdem weiß ich genau, wie die alten Häuser früher gebaut wurden und heutzutage hat man zwar noch Bilder davon und Forschungen, aber außer mir hat damals keiner gelebt und es ganz genau gesehen und die alten Techniken angewendet.“ „Du hast das aber hoffentlich niemandem gesagt“, sah Lene ihn erschrocken an. „Ich bin doch nicht blöd“, meinte Wernher begütigend. „Ich denke, ich muss eher aufpassen, dass euch Weibsleuten nichts herausrutscht. Damals konnten die meisten Weiber nicht die Gosche halten und ich denke, heute ist es nicht viel anders“, grinste er Lene an. Lene gab sich gespielt empört, musste aber zugeben, dass er recht hatte. Von Wernhers Herkunft wussten nur wenige handverlesene Freunde, die absolut vertrauenswürdig waren. Nicht auszudenken, wenn es publik würde. Wahrscheinlich würde es gar niemand glauben und eher denken, sie wären Betrüger, oder Schlimmeres. Nein, es durfte nicht an die Öffentlichkeit geraten. „Na, dann pass nur auf, wenn du mit den Gemeindemitgliedern, die restaurieren, redest, dass DIR nichts rausrutschst!“, grinste Lene süffisant. Wernher lächelte selbstgefällig in sich hinein. Diese Lene meinte immer noch, ihn beschützen zu müssen, dabei war doch ganz klar, dass sie das gar nicht konnte. Naja, er wollte ihr nicht ihre Illusion nehmen. „Ich denke, dass Jos Mann bei der letzten Gemeinderatssitzung von meinen Fähigkeiten berichtet hat, als es um das alte Haus ging“, meinte Wernher nachdenklich.

Nachdem sie Oma und Horst mit Kaffee wiederbelebt und alle zusammen fast einen ganzen Kuchen vertilgt hatten, meinte Lene mit vollen Backen: „Morgen geht Wernher aufs Rathaus. Sie brauchen ihn für das Adam-Otto-Vogel-Haus.“ Oma lächelte freundlich: „Da bist du genau der Richtige, Wernher – wenn du dich nicht mit alten Häusern auskennst, wer dann?“ Lene freute sich, dass ihre Oma stolz auf ihren angeheirateten Schwiegerenkel war und pflichtete ihr sofort bei: „Ja, Oma, das ist er. Er kann einfach alles, mein Wernher!“ Der wurde ganz rot bei so viel Lob, das war er überhaupt nicht gewöhnt und Lene sah ihm an, wie unbehaglich er sich dabei fühlte, aber da musste er durch. In ihrer Familie wurde er nun mal geliebt und wertgeschätzt und in der jetzigen Zeit, durfte man das auch ruhig spüren. Am nächsten Tag meldete sich Wernher im Rathaus, gleich als es für Besucher geöffnet wurde. Der Bürgermeister kam lächelnd auf ihn zu: „Das nenne ich zuverlässig und motiviert. Gleich zu Beginn der Öffnungszeit, das lobe ich mir.“ Wernher meinte verlegen: „Der frühe Vogel fängt den Wurm, oder Herr Bürgermeister?“ Der Bürgermeister nickte und schob Wernher in sein Büro. „So Herr Bache, so heißen sie doch, oder?“, fragend sah er Wernher an. Dieser nickte zustimmend. „Das ist mein Name und in unserer Familie ist es Tradition, die Häuser in der alten Bauweise zu errichten.“ „Aha“ - der Bürgermeister klang interessiert. „Wo kommen sie eigentlich her?“

 

„So genau, kann ich das leider nicht beantworten“, wand sich Wernher unbehaglich. Er wollte keinesfalls lügen, aber die Wahrheit konnte er auch nicht sagen und so hatte er mit Lene beschlossen, so ehrlich wie möglich zu sein, ohne allzuviel preiszugeben. „Ich habe leider mein Gedächtnis verloren und weiß nur, dass mich Lene hier im Buchbergwald gefunden hat, wo ich hilflos lag. Da ich ein wenig die afrikanische Sprache beherrsche, vermute ich, dass ich aus Afrika geflohen bin. Aber merkwürdig ist, dass ich ebenso den hiesigen Dialekt fehlerfrei beherrsche und mit der alten Bauweise der Häuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert vertraut bin. Deswegen vermuten wir, dass meine Vorfahren aus dem Odenwald kamen und ihre Häuser in der alten Bauweise errichteten und dies immer wieder vom Vater auf den Sohn weitergegeben haben. Anders können wir es uns nicht erklären“, meinte Wernher verlegen. „Aber das ist doch wunderbar!“ Der Bürgermeister klang begeistert. „Genauso einen Mann brauchen wir! Ihre Herkunft ist nicht wichtig. Mir kommen sie sogar sehr vertraut vor und kein bisschen fremd. Ich wollte sie daher bitten, bei der Restauration des Adam-Otto-Vogel-Hauses mit zu helfen, das wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammt.“ „Aber gerne“, meinte Wernher mit leuchtenden Augen und lachte den Bürgermeister an. Der lächelte freundlich zurück. „Wenn es gut klappt und alle – auch sie – zufrieden sind, würde ich sie gerne einstellen bei unserer Gemeinde. Arbeit gibt es genug und so hätten wir immer einen Experten zur Hand, wenn es um alte Baulichkeiten geht.“

„Es wäre mir eine Ehre!“, freute sich Wernher strahlend und die beiden verabredeten den Beginn der Restaurierung für das kommende Frühjahr. „Dann haben sie noch genug Zeit, ihre Angelegenheiten zu regeln und Lene kann in Ruhe euer Kind bekommen, bevor es losgeht mit dem Bauen. Aber nächste Woche haben wir eine Sitzung mit dem Bau-Team, das aus unseren Gemeindemitarbeitern, mir und einer Abordnung des Heimat- und Geschichtsvereins besteht. Dabei gibt es eine Begehung des Hauses und sie können uns sagen, was und wieviel wir an Baumaterial benötigen und aufteilen, wer wofür verantwortlich ist.!“ „Gern“, meinte Wernher schlicht. „Ich komme mit Schreibmaterial.“ „Dann bis nächste Woche, Montag, um neunzehn Uhr dreißig!“ „Gut!“ Sie verabschiedeten sich mit bekräftigendem Handschlag und Wernher eilte nachhause, um seiner Lene die aufregenden Neuigkeiten zu berichten. Wie er erwartet hatte, war sie hellauf begeistert, von dem Vorschlag des Bürgermeisters. „Siehst du, wie sich alles fügt? Es sollte so sein, dass wir beide zusammenkommen und in unserer Zeit leben.“ „Sieht ganz so aus!“ Er nahm sie fest in die Arme und küsste sie zärtlich. Seine Lene - er sah sie glücklich an. Um nichts in der Welt würde er sie wieder hergeben. Er runzelte die Stirn. Wenn da nur nicht immer wieder diese Gedanken an seinen Ziehbruder zurückkämen. Es half nichts, nach der Sitzung musste er sich aufmachen und das Übel an der Wurzel ausreißen.