Enjoy Summer, drink Beer and kiss a Cowboy

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Enjoy Summer, drink Beer and kiss a Cowboy
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Billy Remie

Enjoy Summer, drink Beer and kiss a Cowboy

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Buch 1

1

2

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5

6

7

8

9

10

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13

Buch 2: Verstohlenes Herz

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Impressum neobooks

Vorwort

Vorsicht! Diese zwei Mini-Romane sind bereits in der Sammlung »Bittersüße Früchtchen« unter dem Namen »Billy Remie« erschienen. Sie wurden lediglich ein wenig überarbeiten und kommen nun noch einmal einzeln heraus. Nur die erste Geschichte bekam ein paar Szenen hinzu, blieb aber von der Gundhandlung gleich.

Die beiden Mini-Romane sind sehr alt und das spürt man auch, dennoch habe ich ein wenig schmunzeln müssen – vor allem über mich selbst – sie sind voller Kitsch und sehr einfach gehalten.

Zwei schlichte, kurze Geschichten über die Liebe, die im fernen Australien spielen.

Erwartet nicht zu viel.

Buch 1

Die Australier sagen, im Outback erfährst du, wer du wirklich bist.

1

Die unendlichen Weiten zogen an ihm vorbei, karg und doch nicht leer. Unendlich lag es da, das staubige Land, von dem er niemals aufgehört hatte, zu träumen. Es gab hier nichts außer Wildnis, keine Stadt, keinen nahen Supermarkt, keine Häuser, die sich aneinanderreihten. Weit und breit nur Land und Staub. Statt Rehen und Kaninchen, standen Kängurus neben den Straßen, ihre Umrisse zeichneten sich vor der Sonne ab.

Als Stadtmensch konnte man sich das gar nicht vorstellen, wie unbedeutend und klein man sich vorkam, wenn man einmal ein paar Stunden einer langen, endlosen Straße durch das Outback gefolgt war. Winzig wie eine Ameise auf einem riesigen, kargen Ackerfeld. Die Sträucher und Bäume sahen durstig aus, doch sie waren Kämpfer, so wie alles, das hier lebte. Vom kleinsten Tier bis zum größten Menschen.

Und doch hatte all das einen ganz besonderen Reiz auf ihn, eine tiefsitzende Faszination und Sehnsucht. Er hätte sich einen Rucksack aufschnallen und in der Wildnis verschwinden können, mehr hätte er nicht gebraucht. Kein Internet, kein fließendes Wasser, nur er und was ihm das Land so bot. Doch um dort draußen zu überleben, fehlten ihm einige nötige Kenntnisse.

Und er war nicht dumm.

Aber es gab ja zum Glück andere Möglichkeiten, um mitten im Outback zu überleben, nicht mit dem Rucksack als blauäugiger Tourist, sondern als Arbeiter auf einer der abgelegenen Farmen.

Max hatte sich schon als kleiner Junge immer gewünscht, irgendwann einmal auf der Farm seiner Tante in Australien zu leben. Mit seinem Vater war er jeden Sommer dort gewesen und hatte zugesehen, wie sich die großen, starken Arbeiter in ihren Cowboyoutfits auf ihren Pferden um die großen Rinderherden gekümmert haben, und er hatte wie sie sein wollen. Er hatte die endlose Weite und ihre sich bietende Freiheit bewundert, er hatte die Hitze geliebt, die vielen verschiedenen wilden Tierarten bestaunt, und war geradezu fasziniert von der Abgeschiedenheit gewesen.

Doch das war eine Ewigkeit her.

Nach dem beruflichen Hoch seines Vaters vor zehn Jahren war er nicht mehr dort gewesen. Und im letzten Jahr war sein Vater dann auch noch tödlich verunglückt. Max‘ Mutter hatte das Geld nicht für diese Reise aufbringen können, außerdem wäre sie nie mit ihm zu seiner Tante geflogen. Sie mochte weder das Land noch die Schwester ihres verstorbenen Mannes.

Umso größer war die Freude gewesen, als Max‘ Tante ihm nach seinem Schulabschluss die Erlaubnis gegeben hatte, bei ihr zu wohnen, wenn er für seine Unterkunft arbeitete.

Genau das war immer sein Traum gewesen, seit er das allererste mal in der Hitze Australiens auf einem Pferderücken gesessen hatte. Und für den Flug hatte er über ein Jahr lang gespart. Max‘ Mutter hatte sich darüber nicht freuen können, aber da er nun achtzehn war, konnte sie es ihm nicht einmal verbieten, wenn sie es versucht hätte.

Ja, er war sehr jung – aber wann, wenn nicht jetzt, sollte er dieses Abenteuer wagen? Wenn er erst einmal eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland angefangen hätte, hätte er es niemals getan, dann hätte es immer irgendwelche Ausreden gegeben. Und sollte etwas schieflaufen, konnte er immer noch zurück. Er hatte sich gesagt: Jetzt oder nie, und es einfach gewagt. Die Naivität der Jugend, hatte seine Mutter getadelt, ihm am Ende aber geholfen, alles in die Wege zu leiten. Er flog immerhin zu seiner Tante – nicht zu irgendwelchen Fremden. In dieser Hinsicht hatte er einen großen Vorteil. Trotzdem wusste er, dass er nicht mit Samthandschuhen angefasst werden würde.

Voller Vorfreude saß er nun unendlich weit von der Heimat entfernt in einem Wagen, der ihn durch die staubige Weite des Outbacks zur Farm seiner Tante fuhr. Den Flug hatte er hinter sich, die Zeitverschiebung machte ihm ganz schön zu schaffen, aber er hatte während der langen Fahrt etwas schlafen können und fühlte sich jetzt nicht mehr ganz so erschlagen.

Das Fenster war einen Spalt heruntergekurbelt und trockenwarmer Fahrtwind zerzauste ihm das struppige, dunkelbraune Haar. Er mochte das Klima, auch wenn er wusste, dass es wieder einige Zeit dauern würde, bis er sich daran gewöhnt hatte.

Der ältere Mann, der den Wagen fuhr, hatte das Radio aufgedreht und summte ein Lied mit, das Max völlig unbekannt war. Draußen zog die atemberaubende Landschaft Australiens vorbei. Es fühlte sich für Max an, als käme er endlich nach Hause zurück. Sein Herz schwoll an und auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.

*~*~*

Nach einer schier endlosen Fahrt durch das Outback fuhr der Wagen endlich auf das große, verwitterte Wohnhaus der Farm zu und hielt an. Es war ein wunderschöner Steinbau mit hölzernen Fensterrahmen und einer überdachten Veranda. Rings herum befanden sich die Unterkünfte der Rinder und Ställe für die Pferde. Es gab alte Scheunen, Lagerhallen und Weidezäune aus Holz, die diesem Ort etwas Romantisches verliehen. Alles wirkte etwas verwildert, im Hof rostete ein alter Anhänger vor sich hin.

Es sah alles noch genauso aus wie vor vielen Jahren, stellte Max fest, während er sein Gepäck aus dem Kofferraum hievte. Selbst der alte funktionsunfähige Trecker stand noch unter dem Dach neben der Einfahrt. Nur das Efeu, das sich an den Steinwänden der Gebäude emporschlängelte, war dichter zugewachsen als damals.

»Max!«, rief eine bekannte Stimme.

Er drehte sich zu seiner Tante um, die mit Strohhut auf dem Kopf aus der Eingangstür stürmte und die Arme ausbreitete, während sie auf ihn zuging.

»Tante Lisa!« Max grinste, als er in die starken Arme der kleinen Frau gezogen wurde. »Schön, dich zu sehen.«

»Schön, dass du hier bist«, erwiderte Max‘ Tante auf Englisch und drückte ihn fest an sich.

Tante Lisa war eine Frau in den Fünfzigern, die harte Arbeit auf dem Land hatte ihr Arme wie ein Bär und einen breiten Rücken beschert, aber sie war schon von Geburt an eine eher stämmige Frau gewesen, mit runden Gesichtszügen, großen Händen und muskulösen Beinen. Neu war ihr etwas korpulenter Bauchumfang, aber das störte Max wenig. Tante Lisa hatte außerdem dunkelbraunes Haar und hellblaue Augen, ganz genauso wie Max‘ Vater und Max selbst. Die Familienähnlichkeit war nicht von der Hand zu weisen.

 

»Gut siehst du aus«, sagte Max, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hatte, »vital und gesund, so wie immer.«

Tante Lisa lachte aus voller Kehle und legte sich eine Hand auf den Bauch. »Ja, hier lebt es sich gut, wie man überdeutlich sieht.«

Max beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Du siehst wie immer wunderschön aus, Tante Lisa.«

»Schmeichler«, tadelte sie ihn scherzhaft.

Max wandte sich kurz ab, als der Fahrer des Wagens den Kofferraum schloss, um diesen für seine Dienstleistung zu bezahlen. Doch Tante Lisa kam ihm zuvor und übernahm das.

»Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Max, während der Mann mit dem Wagen davonfuhr.

Tante Lisa winkte ab und ließ das Thema fallen. Stattdessen nahm sie Max an den Schultern und betrachtete ihn. »Nun lass dich mal genauer anschauen, mein Junge. Ich kann kaum glauben, wie erwachsen du jetzt bist.«

Max schmunzelte, weil er diese Aussage nicht unterstützen konnte. Er wurde immer jünger geschätzt, weil er klein und dürr war, mit einem schmalen, femininen Gesicht.

»Aber du bist viel zu dünn, genau wie deine Mutter«, warf Tante Lisa ihm vor.

Max lachte: »Lass sie das mal lieber nicht hören.«

»Komm, gehen wir rein und schauen mal, womit wir dich füttern können. Du brauchst Proteine für diese Art von Arbeit.«

Sie hing sich Max‘ Reisetasche um, nahm seinen Koffer wie selbstverständlich und schob gleichzeitig Max ins Innere des Wohnhauses.

Es war angenehm kühl im Haus, was vermutlich daran lag, dass sämtliche Fenster geschlossen gehalten wurden, solange die Mittagssonne hoch am Himmel stand und erbarmungslos auf die Erde niederbrannte. Zudem waren alle Fensterrollläden heruntergelassen, um die Sonnenstrahlen auszusperren. Das kannte Max noch von früher.

Das Innere des Hauses war geräumig. Unten gab es eine große Küche, ein Esszimmer, ein Arbeitszimmer und ein Badezimmer. Durch eine Diele kam man über eine Holztreppe hinauf zu den Schlafzimmern. Es gab insgesamt fünf Räume und ein Badezimmer mit Duschwanne, das er sich künftig mit den Bewohnern teilen musste.

Abgesehen von Tante Lisa wohnte hier noch ihre Freundin Helene. Tante Lisa war kinderlos und unverheiratet. Früher hatte Max nicht verstanden, warum seine Tante keinen Mann hatte, mittlerweile hatte er eins und eins zusammengezählt. Zwei Frauen, beide unverheiratet, die seit Jahren unter einem Dach lebten und zusammen diese Farm führten? Es lag auf der Hand, dass die beiden nicht einfach nur platonische Freundinnen waren. Vielleicht war das der Grund, warum Tante Lisa und Max‘ Mutter sich nicht verstanden. Denn seine Mutter war bei solchen Dingen etwas … engstirnig, wie sich herausgestellt hatte.

Tante Lisa führte ihn die Treppe hinauf und in das Schlafzimmer am Ende des langen Flures.

»Es ist kein Palast, aber zum Schlafen wird es ausreichen, hoffe ich«, sagte Tante Lisa als sie beide das Schlafzimmer betraten.

Es war ein heller Raum, mit weißen Wänden und hellem Parkettboden. Die Kommode, der Schreibtisch und das leere Bücherregal waren alle aus hellem Holz, und das doppelte Metallbett war weiß gestrichen und mit weißer Bettwäsche bezogen.

»Es ist fantastisch«, versicherte Max.

Tante Lisa lächelte glücklich. »Also gut. Ich lasse dich kurz allein. Du kannst dich frisch machen, ein paar Sachen auspacken. Wo das Badezimmer ist, weißt du ja sicher noch? Ich mache uns einen kleinen Snack und rufe dich, wenn ich fertig bin.«

»Ist gut.«

Nickend verschwand sie und zog die Tür hinter sich zu.

Nach vielen Stunden endlich mal kurz allein, erlaubte Max sich, für einen Moment die Augen zu schließen und durchzuatmen.

Er war froh, hier zu sein, dennoch fühlte er sich ziemlich erledigt von der Anreise. Sicherlich würde sein Körper um Schlaf betteln, sobald er etwas im Magen hätte, aber diesen Luxus konnte er sich hier nicht mehr erlauben. Die Leute hier draußen konnten mit Faulenzern nichts anfangen, und er musste beweisen, dass er keine zarte Stadtpflanze war. Auch wenn er so aussah, dachte er nervös.

Max war bewusst, dass er sich hier erst Respekt verdienen musste. Nicht von seiner Tante, sondern von den Arbeitern. Von all den großen, muskulösen Kerlen, die schon ihr Leben lang diese harten Arbeiten durchführten, die hier geboren wurden.

Und einen dürren Jungen wie ihn, der sich ständig ausruhte, konnten sie sicher nicht gebrauchen.

Max hatte die Befürchtung, wegen seines schmalen Körpers nicht akzeptiert zu werden.

Dies geschah ihm nämlich leider allzu oft.

2

Nachdem er mit seiner Tante und Helene ein paar Sandwiches in der sporadisch eingerichteten, altbackenen Küche gegessen und danach noch einen Kaffee getrunken hatte, während sie sich gegenseitig berichteten, was es Neues gab, stand Max nun draußen auf der schattigen Holzveranda, deren Balken bereits ganz zerfressen waren, und lehnte auf dem Geländer, das einen Anstrich nötig gehabt hätte.

Der Kaffee hatte ihm zwar gutgetan, jetzt war er nicht mehr ganz so müde, dennoch hatte seine Kehle nach etwas Kühlerem verlangt. Nun stand er im Schatten und gönnte sich einen Eistee mit Eiswürfeln und genoss den Blick über den hinteren Garten des Wohnhauses.

Hier gab es keine hübsch angelegten Blumenbeete oder perfekt gestutzte Buchsbaumbüsche, wie er es aus seiner Heimat kannte. Hier gab es Bäume, wild gewachsene Blumenranken und rustikale Weidezäune, hinter denen wunderschöne Pferde ihren Auslauf genießen konnten.

Eines dieser Tiere fiel ihm besonders ins Auge. Es war »blond« mit weißer Mähne und weißem Schweif. Das Fell glänzte regelrecht golden im Schein der Sonne. Seine Anmut war faszinierend.

Max richtete sich interessiert auf, als ein Mann die Weide betrat und genau dieses Pferd ansteuerte, das Max zuvor beeindruckt beobachtet hatte.

Der Mann war groß und muskulös, er ging nicht, er schlenderte auf das Tier zu. Er trug Jeans, Stiefel, ein hellblaues Hemd, was ihm an Rücken und Armen spannte, und einen hellbraunen Cowboyhut, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Er war zu weit entfernt, und die Krempe des Hutes verhinderte, dass Max sein Gesicht sehen konnte.

Interessiert beobachtete Max von seinem Schattenplätzchen aus, wie der Arbeiter das mitgebrachte Halfter um den Kopf des Pferdes legte und es dann an einem Strick von der Weide führte.

»Hey, Cliff!«

Max zuckte zusammen, als plötzlich seine Tante hinter ihm auftauchte und über seine Schulter hinwegschrie.

»Warte mal«, rief sie dem Arbeiter zu, der bei ihrem Rufen stehen geblieben war. »Komm mal her, bitte.«

Dieser Cliff sah wenig begeistert aus, als er die Richtung änderte und mit dem Pferd im Schlepptau zur Veranda herüberkam.

Je näher er kam, je mehr konnte Max von ihm erkennen. Er war jung. Vielleicht Ende zwanzig, Anfang Dreißig schätzte Max. Und er hatte schöne Gesichtszüge. Symmetrisch, markant, männlich. Rauchblaue Augen und volle Lippen. Nun konnte Max auch die blonden Haare erkennen, die unter dem Hut herausschauten. Eine Farbe, die dem Fell des Pferdes sehr ähnelte.

»Was gibt’s?«, brummte der Mann, als er vor der Veranda zum Stehen kam. Er sah hinauf zu Tante Lisa, ohne Max eines Blickes gewürdigt zu haben.

»Cliff, das ist Maximilian, mein Neffe«, stellte Tante Lisa die beiden einander vor, »und Max, das ist Cliff, unser Vorarbeiter.«

Max hätte ihm ja gern der Höflichkeitshalber die Hand gereicht, doch die Lust dazu verging ihm, als ihn dieser Cliff nur kurz abschätzig musterte und sich dann wieder abwandte. Als wäre Max nichts weiter als eine kleine, zermatschte Fliege auf seiner Windschutzscheibe, die er während der Fahrt leider nicht fortwischen konnte und erdulden musste.

Und unter diesem Mann sollte er arbeiten? Na, das konnte ja heiter werden.

»War das dann alles?«, fragte der Vorarbeiter. »Ich bin beschäftigt. Gerade wollte ich die Zäune abreiten.«

»Max ist hergekommen, um hier zu leben«, berichtete Tante Lisa.

»Aha. Fein.« Cliff interessierte das offenkundig kein bisschen.

»Hier leben bedeutet auch, hier zu arbeiten, Cliff«, kam Tante Lisa nun zum wesentlichen Punkt. Sie klang ein wenig verärgert. »Ich sagte dir doch, wir bekommen einen Neuen.«

»Ja, und ich sagte dir auch, dass ich nicht die Verantwortung für einen Halbwüchsigen übernehmen werde, der mal eben Bock hat, Cowboy zu spielen!«

Na prima, jetzt kam Max sich wirklich dumm vor. Sollte er etwas sagen? Sich verteidigen? Stattdessen trat er unbehaglich von einem auf den anderen Fuß und kam sich wirklich vor wie ein kleiner Junge, den keiner haben wollte.

Tante Lisa duldete wie immer keine Widerworte, auch von ihren Arbeitern nicht. In einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie darüber nicht diskutierte, trug sie auf: »Du nimmst Max mit. Zeig ihm die Farm. Und ab morgen wirst du ihn einarbeiten. Klar?«

»Oh Lisa...«, stöhnte Cliff entnervt.

»Klar?«, fragte Max‘ Tante wiederholt.

Es dauerte einen Moment, aber schließlich nickte dieser Cliff. Er sagte nichts mehr, auch nicht zu Max, er wandte sich einfach ab und ging.

»Geh mit ihm«, forderte Tante Lisa ihn beruhigend auf. »Er wird dir ein Pferd geben.«

Max trank sein Glas aus und gab es seiner Tante, bevor er wortlos dem mürrischen Vorarbeiter hinterher trottete.

Ihm war unwohl dabei. Zum einen, weil er nicht wusste, wie er mit jemanden sprechen sollte, der ihn offensichtlich von Vorneherein ablehnte, und zum anderen, weil er seit Jahren auf keinem Pferd mehr gesessen hatte und gar nicht wusste, ob er überhaupt noch reiten konnte. Wobei seine Fähigkeiten diesbezüglich auch damals nicht gerade gut gewesen waren.

Er war in der Lage, sich in einen Sattel zu schwingen und die Zügel nicht zu verlieren, aber wirklich sicher saß er nicht auf einem dieser Tiere.

Max folgte Cliff zu den Ställen. Dort roch es nach Pferden und nach Heu, aber auch nach Leder. Man hörte das Schnauben der Tiere und das Schaben ihrer Hufe. Es war fantastisch.

Urplötzlich blieb Cliff stehen und Max wäre beinahe gegen ihn gelaufen.

Cliff nahm sich das Recht heraus, die Augen deshalb zu verdrehen. Dann nickte er in die Box herein, vor der sie standen, und brummte: »Nimm ihn.«

Damit ging er bereits zwei Stalltüren weiter, wo er dann sein Pferd anband.

Okaaay..., dachte Max bei sich. Das würde ein sehr schweigsamer Ritt werden.

Max las von der Boxentür ab, dass der Name des Pferdes Charlie lautete. Seufzend nahm er das Halfter und den Strick, beides hing an einem Haken an der Boxenwand, und öffnete die Tür.

Der dunkelbraune Wallach dahinter hob neugierig den Kopf aus einem Heuhaufen.

Max ließ sich beschnuppern, ehe er etwas unbeholfen und ungeschickt das Halfter anlegte und den Wallach aus der Box führte, um ihn davor anzubinden.

Auf dem Boden vor der Box stand eine Kiste mit allerlei Zeugs, um das Pferd zu bürsten und zu striegeln. Max erinnerte sich zum Glück noch gut daran, wie das ging.

Sorgfältig bürstete er das dunkle Fell des Tieres, während er immer mal wieder nervös über die Schulter blickte und zu dem Vorarbeiter sah, dessen Handgriffe routiniert und schnell von Statten gingen.

Cliff war natürlich früher fertig, zumal er kurz in einer Kammer verschwunden und mit Sattel und Trense zurückgekommen war, die er seinem Pferd anlegte.

Max wurde nervös. Er wusste nicht, wo er den passenden Sattel und das Zaumzeug für Charlie finden würde. Sollte er einfach nachschauen gehen? Sollte er einfach fragen?

Wenn er aber dumme Fragen stellen würde, würde ihn das sicher nicht beliebter bei Cliff machen. Aber konnte er wirklich noch weiter an Ansehen verlieren?

Ihm wollte einfach nicht in den Kopf, weshalb Cliff ihn von Beginn an nicht leiden konnte.

Lag es an seiner schmächtigen Figur? An seinem Alter? Seinem Aussehen oder Auftreten? War er in den Augen des anderen kein richtiger Mann?

Bei all diesen Überlegungen war ihm entgangen, dass Cliff noch einmal in die Kammer gegangen war. Umso erschrockener zuckte er zusammen, als sich plötzlich ein schwerer Westernsattel samt Satteldecke darunter auf den Rücken des Pferdes legte.

Cliff kam um das Pferd herum, er schob Max einfach Beiseite, richtete und gurtete den Sattel dann fest. Als nächstes legte er dem Wallach das Zaumzeug an, dann drückte er Max die Zügel in die Hand und ging.

 

Kein Wort, kein Blick. Der Mann schien entschlossen, Max einfach, soweit es ihm möglich war, zu ignorieren.

Als Cliff sein Pferd hinausführte, folgte Max ihm auf den Hof. Dort schwang sich der Vorarbeiter in den braunen Ledersattel, und Max sah sich gezwungen, zu versuchen, allein auf sein Pferd zu kommen.

Was gar nicht so einfach war. Charlie war ein großes Pferd und Max war ein kleiner Mann. Den Fuß in die Steigbügel zu schieben schien unmöglich...

Und der Wallach hatte nach einigen Fehlversuchen auch die Schnauze voll, er wich Max seitlich aus, sodass Max gezwungen war, hinterher zu hüpfen, da sein Fuß im Steigbügel hing.

Nach einer gefühlten, sehr peinlichen Ewigkeit, gelang es ihm schließlich, sich irgendwie in den Sattel zu ziehen.

Als er endlich obendrauf saß, erkannte er, dass Cliff belustigt schmunzelte.

Wie gerne Max ihm dieses gehässige Grinsen aus dem Gesicht gewischt hätte!

Immerhin ließ Cliff es unkommentiert und wendete sein Pferd, um im Schritttempo davon zu reiten.

Max brauchte einen Moment, um sein Pferd in Bewegung zu setzen, aber dann begriff Charlie, was er von ihm wollte, und folgte dem anderen Reiter durch ein offenes Tor im Zaun.

***

Lange waren sie schweigend nebeneinander her geritten, immer an Grenzzäunen entlang, durch unzählige Tore hindurch, einmal sogar durch eine Rinderherde, die friedlich graste. Max hatte großen Respekt vor den Tieren gehabt.

Die Landschaft war – atemberaubend!

Er konnte das gar nicht in Worte fassen, wie surreal es sich anfühlte, auf einem Pferderücken durch das Outback.zu reiten. Von trockenem, staubigen Boden bis hin zu kleinen, grünen Oasen, alles kreuzte seinen Weg. Die Ranch besaß viele sanfte Hügel, kleine Seen, die Landschaft war mit Eukalyptusbäumen durchzogen. Es war etwas anderes als ein Bauernhof in Deutschland. Das Land seiner Tante war riesig und man kam sich in der Zeit zurückversetzt vor. Moderne hatte hier draußen kaum eine Bedeutung. Natürlich hörte man auch mal einen Motor auf einer weit entfernten Straße, aber ansonsten gab es nur die Natur und viele Rancher setzten weiterhin auf Pferde.

Weit und breit nur Freiheit, bis auf hin und wieder einen Zaun, der ihren Weg kreuzte. Wilde Tiere, die man sonst nur im Zoo sieht.

Die Gebäude waren längst nicht mehr in Sicht und der nächste Nachbar lag auch zu weit entfernt, um ihm nach drei Metern zuwinken zu können. Wenn man sich hier draußen allein bei der Arbeit verletzte, konnte es schnell brenzlig werden. Es war nicht wie in Deutschland, dass ständig jemand vorbeilief.

Immer Mal wieder schielte Max unauffällig zu Cliff. Und immer dann schmunzelte dieser amüsiert vor sich hin, weshalb Max sich fragte, ob er vielleicht irgendetwas falsch machte. Der Vorarbeiter grinste ja sicher nicht aus purer Lebensfreude ...

Cliff zügelte sein Pferd und hob die Hand, um Max zu bedeuten, dass auch er stehen bleiben sollte. Zum Glück wusste Charlie, was gemeint war, als Max recht unbeholfen die Zügel zurückriss.

»Was ist?«, traute Max sich zu fragen, als Cliff in die Ferne horchte.

»Scht!«, machte der andere barsch.

Okaaaay, Entschuldigung, Eure Hoheit!, dachte Max bei sich, verkniff es sich aber, um sich den Zorn des anderen nicht doch noch zu zuziehen.

»Ein Schaf.«

»Ein-« Max brach ab, als der andere sein Pferd antrieb und davon galoppierte.

Na toll. Schritttempo war das eine, die schnelleren Gangarten ... das andere.

Oh je, zwar wusste Max noch, wie das ging, aber schon damals hatte er sich nicht gut dabei im Sattel halten können.

Da er keine andere Wahl hatte, trieb er Charlie an und folgte dem trockenen Staub, der von Cliffs Pferd aufgewirbelt worden war – ohne zu wissen, wie er den Wallach je wieder anhalten sollte.

Einige Meter weiter, auf einem Hügel, zog er die Zügel an und kam wieder neben Cliff zum Stehen.

Nun hörte Max es ebenfalls – und nun sahen sie es auch. Ein Schaf von der Nachbarweide hatte sich in einem Grenzzaun verfangen.

Cliff schwang sich von seinem Pferd und legte die Zügel behelfsmäßig über den Zaun, anschließend ging er vor dem Schaf in die Hocke und sorgte dafür, dass das Tier stillhielt.

»Was denkst du eigentlich, in wie weit du mir von da oben aus helfen kannst?«, fragte Cliff plötzlich und sah sich über die Schulter.

»Hm?« Max verstand nicht...

»Schwing deinen knochigen Arsch aus dem Sattel« – knochig!? – »und komm her«, brummte Cliff entnervt.

Genau das hatte Max ja vermeiden wollen. Denn wenn er runterstieg, wusste er nicht, ob er je wieder hinaufgelangen konnte. Dennoch ließ er sich nicht zweimal bitten und rutschte aus dem Sattel.

Als er sich zu Cliff gesellte und ebenfalls in die Hocke ging, zog dieser ein sehr großes Messer hervor und sagte: »Ich muss es freischneiden. Halt seinen Kopf fest und sorg dafür, dass es ruhig hält.«

»Okay.«

Aber das war leichter gesagt als tatsächlich getan. Denn sobald Cliff anfing, den Zaun aufzuschneiden und das Schaf spürte, dass es immer weniger Widerstand hatte, wollte es um jeden Preis davonlaufen. Doch Max glaubte, dass er das trotzdem ganz gut hinbekommen hatte.

Nachdem das Schaf frei war und blökend auf seiner Weide herumlief, begutachtete Cliff das Loch im Zaun und fluchte verhalten.

»Soll ich zurückreiten und Material holen?«, fragte Max. Er war ja nicht zum ersten Mal auf der Ranch und wusste ganz genau, wie man einen Zaun reparierte. Als er klein gewesen war, hatte er seinem Vater immer dabei zugesehen und hatte helfen dürfen.

»Nein«, entschied Cliff. »Ich habe etwas Draht und eine Zange in der Satteltasche. Das wird genügen, um den Zaun zu flicken. Wenn ich morgen Zeit habe, komme ich wieder her und repariere ihn.«

»Ich weiß, wie das geht, ich kann dir morgen dabei helfen.«

Sein Angebot wurde ignoriert. Statt Max‘ nett gemeinte Hilfe anzunehmen, erhob Cliff sich und holte besagten Draht und besagte Zange aus den Satteltaschen.

Als er sich wieder hinkniete und begann, den Zaun zu flicken, brummte er: »Du kannst mir helfen, indem du mir nicht im Weg stehst, Junge.«

Junge. Das Wort hallte in Max‘ Kopf überdeutlich nach. War er denn nicht mehr als ein Junge in den Augen des anderen? Im Übrigen sagt man ja, im englischen würde sich alles besser anhören, zumindest was die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche betraft. Als Cliff ihn aber »Boy« nannte, klang es in Max` Ohren schlimmer als das deutsche Wort »Junge«.

Er unterdrückte ein Seufzen und erhob sich, damit er dem anderen nicht in der Sonne stand.

Nach einer Weile hörte er Cliff scherzen: »Du kannst dich ja schon mal in den Sattel schwingen. Mit viel Glück schaffst du es ja, bis ich fertig bin, und ich muss nicht wieder eine halbe Stunde lang auf dich warten.«

Max kochte innerlich vor Wut und hätte diesem selbstgerecht schmunzelnden, arroganten Penner gern etwas Passendes erwidert. Aber ihm fiel leider nichts ein, außer: »Wenn es dich so sehr stört, hättest du mir ja auch einfach helfen können.«

Cliff grinste nur noch mehr und gab zurück: »Sicherlich. Aber so ist es viel lustiger.«

Schnaubend wandte Max sich ab und ging hinüber zu Charlie. Er schimpfte leise über den anderen, während er die samtweichen Nüstern des Pferdes streichelte. Die großen, braunen Augen wirkten so ruhig und geerdet, dass sie ihn besänftigten.

Er würde Cliff ganz sicher nicht die Freude machen und dessen Vorschlag in die Tat umsetzen, indem er schon mal damit anfing, zu versuchen, in den Sattel zu kommen. Nein, Max war stur und wartete, bis Cliff das Loch im Zaun geflickt hatte.

Und als es dann soweit war, um weiter zu ziehen, wollte er um jeden Preis, dass er sich diesmal nicht so blöd anstellte. Das Problem lag aber leider nicht an ihm. Jedenfalls nicht nur. Denn der Abstand von Steigbügel zum Boden war für Max einfach zu groß...

»Hier«, ertönte plötzlich Cliffs Stimme neben ihm. Der Cowboy ging in die Knie und bot Max überraschender Weise eine Aufstiegshilfe an.

Max war niemand, der lange an falschem Stolz festhielt. Wenn ihm jemand Hilfe anbot, egal, wie unerwartet sie auch sein mochte, dann nahm er sie auch an.

Er trat auf Cliffs ineinander verflochtene Finger und fasste nach dem Sattelknauf und den Zügeln. Er nahm Schwung, und Cliff hievte ihn hoch. Max stutzte kurz, denn er hatte deutlich die Hand gespürt, die ihm beim Aufsteigen geholfen hatte.

»Hm.« Cliff wandte sich schmunzelnd ab. »Ist wohl doch nicht so knochig wie er aussieht.«

Max verkniff sich nicht den verwirrt offenstehenden Mund.

Hat der mir gerade an den Arsch gefasst?

Natürlich! sagte ihm sein Verstand. Cliff hatte ihm ja beim Aufsitzen helfen wollen.

Aber hatte er ihm dafür wirklich an den Hintern fassen müssen?

Nachdem Max sich von Cliff in den Sattel helfen gelassen hatte, bedankte er sich mit einem einfachen »Danke« und ließ die andere Sache auf sich beruhen.

Als Erwiderung bekam er nur ein Grummeln zu hören, bevor sich Cliff wieder auf sein eigenes Pferd schwang.

Dann ging der schweigsame Ritt weiter, über weite Felder und Hügel. Ein Land ohne Straßen, so schien es. Die Stille war gar nicht so übel, denn so konnte Max sich voll und ganz auf die unglaubliche Aussicht konzentrieren. Gäbe es die Grenzzäune nicht, hätte Max gedacht, sie befänden sich mitten in der Wildnis.

Es war wundervoll, trotz der trockenen Hitze, die ihm spröde Lippen bescherte, und des grimmigen Kerls, neben dem er her ritt.

Was eigentlich schade war, denn Cliff war wirklich nett anzusehen. Hätte er doch nur ein freundlicheres Wesen besessen, wäre Max tatsächlich im Paradies gelandet.