Czytaj książkę: «Lebendige Seelsorge 2/2016»
THEMA
Poesie und Theologie
Von Bernhard Fresacher
Predigt als Resonanz-Geschehen
Von Klaus Müller
Reden, Resonanz und Risiko, oder: Von der Lust am Predigen
Von Michael Meyer-Blanck
Lokale Europäische Theologie
Von Robert Plum
Bad Vibrations?
Kirchengeschichte und ihre Resonanz(en) Von Christian Handschuh
Mystische Beunruhigung und kirchlicher Status quo
Über eine Episode in Jon Fosses Roman „Melancholie“
Von Hans-Rüdiger Schwab
Hoffnungsimpulse
Wiederbegegnungen mit Gedichten von Reiner Kunze
Von Josef Meyer zu Schlochtern
RESONANZ
Thomas Hürlimann
Reiner Kunze
Andreas Maier
Petra Morsbach
Hanns-Josef Ortheil
SAID
FUNDORTE
„Alles im Leben ist eine Brücke…“
Von P. Rockson Chullickal OCD
Es muss erzählt werden
Zur Resonanzpflicht von Kirche und Gesellschaft
Von Michael Lohausen
Resonanzraumüberlagerungen
Von Ursula Roth
Regensburger Resonanz, oder: „Bitte Abstand halten“
Von Christine Schrappe
Der christlich-jüdische Dialog – ein Theologie und Kirche herausfordernder Resonanzort
Von Heinz-Günther Schöttler
Lusen
Von Volker Sehy
Auf dem spätmodernen Areopag
Von Jörg Seip
Sterne, die nicht bleichen (Rilke), oder: Ganz gewöhnliche Heilige
Von Matthias Sellmann
Das Kreuz mit dem Krebs
Von Bernhard Spielberg
An Evening with David Sedaris
Von Hildegard Wustmans
FORUM
Vom „Notnagel“ zur geschätzten Mitarbeiterin und „Frau Pastor“
Von Martin Ostermann
POPKULTURBEUTEL
Aufgeladen werden
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Glosse von Annette Schavan
Hinweise zu den Schriftstellern und Lesetipps
Buchbesprechungen
Impressum
Prof. Dr. Jörg Seip
Liebe Leserin, lieber Leser,
wann sind Sie zuletzt ins pralle Leben eingetaucht? Vielleicht bei einem Spaziergang unter blühenden Kirschbäumen, beim Meistern einer kniffeligen Aufgabe oder auf den letzten, kernigen Kilometern der Laufstrecke? Solche Momente sind kostbar. Es sind Momente der Resonanz – so nennt der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa diese intensiven Erfahrungen des Verwobenseins mit der Welt. Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. Das ist der erste Satz und die pointierte These seines gerade erschienenen Buches „Resonanz“. Es sei eben nicht die Menge an Ressourcen und Optionen, die die Qualität eines menschlichen Lebens bestimme, sondern die Liebe zu den Menschen, Ideen oder Werkzeugen, mit denen wir zu tun haben. Wie eine Stimmgabel, die angeschlagen wird, eine zweite in deren eigener Frequenz in Schwingung versetzt, so berühren sich in Resonanzbeziehungen Subjekt und Welt – und lassen den jeweils anderen mit dessen eigener Stimme sprechen.
JProf. Dr. Bernhard Spielberg
Pastoral … ist die Kunst, durch die eigene Anwesenheit den anderen in seiner Einmaligkeit zum Vorschein zu bringen. (Christoph Theobald) Einer, der sich auf diese Kunst versteht, ist Erich Garhammer. Er steht als Pastoraltheologe und Schriftleiter dieser Zeitschrift für eine Theologie, die nicht räsoniert, sondern „resonniert“. Zu seinem 65. Geburtstag, den er in diesem Monat feiert, widmen wir ihm dieses Heft. Es öffnet Resonanzräume. So kommen neben profilierten Theologen aus unterschiedlichen Disziplinen die Stimmen derjenigen zum Klingen, die er auf ihrem akademischen Weg begleitet hat. Sie erzählen von Orten, an denen sie das pralle Leben spüren.
Wohltuende Unterbrechungen sind sechs Resonanzen bekannter Schriftsteller. Informationen zu den Literaten sowie Inspirationen zum Weiterlesen finden Sie ab S. 152. Davor steht die Glosse von Annette Schavan, die in dieser Ausgabe zum ersten Mal von Rom aus auf Welt und Kirche blickt. Unser Dank gilt Wolfgang Frühwald, der diese Rubrik in den vergangenen Jahren mit Leben füllte. Schließlich erinnern wir an dieser Stelle dankbar an Prof. Dr. Werner Rück, der am 14. Januar in Freiburg verstorben ist. Von 1975–2003 hat er mit großem Engagement die Lebendige Seelsorge als Hauptschriftleiter geprägt.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
Prof. Dr. Jörg Seip | JProf. Dr. Bernhard Spielberg |
Poesie und Theologie
Die Resonanzmetaphorik des Zweiten Vatikanischen Konzils
Das Wort ist ein zerbrechliches Gut; es verhallt mit der Stimme; es verschwindet zwischen den Seiten. Es verlangt Aufmerksamkeit; es will bemerkt, verstanden, interpretiert werden; es erfordert Mühe, um ihm Sinn und Bedeutung abzugewinnen; es ist auf Resonanz angewiesen. Literaten wissen das. Mit jeder Veröffentlichung begeben sie sich in das unsichere Gelände des Verstehens: Wird das Werk eine Leserschaft finden? Was wird sie daraus machen? Zuvor noch: Welcher Verlag wird sich davon überzeugen lassen, damit ins Geschäft zu kommen? Bernhard Fresacher
Von der Poesie kann die Theologie eine „Sprachsensibilität“ und eine „Resonanz-fähigkeit“ lernen, auf die sie für ihre Sache angewiesen ist. Dieser Einsicht sind Erich Garhammers Arbeiten zu Texten zeitgenössischer deutschsprachiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller gewidmet, mit denen er persönlich im Gespräch ist. Sie legen ein Lernen nahe, nicht ohne im selben Atemzug vor Vereinnahmung zu warnen: Von der Poesie profitiert, wer ihre Autonomie respektiert.
In diesem Sinn war auch das Literaturprojekt zum Konzilsjubiläum „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ 2015 in München von ihm kuratiert: Literaten können helfen, Resonanzräume zu erschließen, in denen die Gefühle und Erlebnisse von Menschen Widerhall finden. Das Zweite Vatikanische Konzil schreibt diesem Vorgang Offenbarungsqualität zu. Es geht um die Resonanz des Wortes Gottes in der Welt.
FRAGILITÄT DES WORTES
Den Dreh- und Angelpunkt bildet die eigentümliche Fragilität des Wortes. Wer spricht oder schreibt, hat nicht in der Hand, was daraus wird. Mit dieser Ohnmacht geht eine Macht einher, mit der Wehrlosigkeit eine performative Kraft. Vielleicht liegt genau darin die Faszination der literarischen Sprachkunst. Das zerbrechlichste Wort kann sich zur gewaltigsten Macht auswachsen: in der Resonanz, die es gewinnt. Warum wird das eine Wort beachtet und das andere nicht? Warum wird es so verstanden und nicht anders? Worin liegt das Geheimnis seiner Wirksamkeit? Diese Fragen berühren die Theologie in ihrem Kern. Denn der christliche Glaube verlässt sich von Anfang an auf das Medium des Wortes. Es ist sein Gründungsmedium; in ihm findet er seine Form, in der Vielfalt der Traditionen, der Kirchen, der kirchlichen Gemeinschaften und der individuellen Biografien. Dieses Prinzip teilt das Christentum mit seinen monotheistischen Geschwistern. Sie beruhen auf den Kulturtechniken des Lesens und des Schreibens; sie setzen Alphabetisierung voraus. Alles, auch das gesprochene Wort, wird auf das Geschriebene bezogen. Der Vorgang der Verkündigung des Evangeliums bewegt sich unentwegt auf dem schwankenden Boden des Verstehens, auf dem das Wort seine Wirkung entfaltet.
Bernhard Fresacher
Dr. theol. habil., Pädagogischer Referent im Katholischen Büro Mainz, Kommissariat der Bischöfe Rheinland-Pfalz, Titularprofessor für Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.
Die Schrift täuscht darüber hinweg, wie fragil diese Bewegung tatsächlich ist. Schwarz auf weiß erweckt sie einen festen und sicheren Eindruck. De facto jedoch errichtet sie Hürden verschiedenster Art: Sie setzt die Fertigkeit des Lesens und das Interesse daran voraus. Sie basiert auf einer Sprache, die sich ständig verändert und sich von anderen Sprachen unterscheidet, und zwar in der Besonderheit des Verhältnisses von Muttersprache zu Fremdsprachen.
Dabei ist die Sprache mehr als eine Technik. Sie erzeugt einen Horizont des Welt- und des Selbstverstehens, in dem wir uns tagtäglich orientieren. Schon durch ihr Vokabular und ihre Grammatik legt sie eine Sicht in nicht hinter-fragter Selbstverständlichkeit nahe. In derselben Weise bietet sie zugleich die Möglichkeit, genau darauf zu achten, die Sicht sichtbar zu machen und das, was dahintersteckt. Dasselbe Medium, das für Selbstverständlichkeit sorgt, ermöglicht Hinterfragbarkeit, Reflexion, Relativität. Das Wort provoziert gerade auch in seiner schriftlichen Form eine Dynamik und eine Pluralität, die sich auf den ersten Blick hinter seiner buchstäblichen Eindeutigkeit verbergen.
Darin steckt theologische Brisanz. Denn ausgerechnet jenes Medium sucht sich das Wort Gottes, um zur Welt zu kommen. In dieser Sprache spricht Gott mit seinen Geschöpfen. Davon sind die monotheistischen Schriftreligionen überzeugt – auch wenn darunter bekanntlich verschiedene Auffassungen vertreten werden, was die Stellung dieses Mediums in der göttlichen Kommunikation betrifft. An der ausgesprochen fragilen Lage ändert sich dadurch nichts, sie verschärft sich vielmehr.
Aus der Geschichte wissen wir, welche Strategien zur Kontrolle und Steuerung der dadurch hervorgerufenen Dynamik und Pluralität eingesetzt wurden – und mit welchen Effekten. Die Reformation des 16. Jahrhunderts hat sich nicht zufällig am Lesen der Schrift entzündet. Es gab Zeiten, in denen Christen die Bibel verstecken mussten, um nicht der Häresie bezichtigt zu werden. Die Paradoxie besteht darin, dass man der Angst, dass das Wort beim Verstehen auf Abwege führen könnte, wiederum mit dem Wort begegnet: dem Wort der rechten Auslegung des Wortes. In dieser mehrfachen Ohnmachtslage entfaltet es seine Macht – zum Guten wie zum Bösen: Es kann Menschen bekehren, es kann Leben zerstören, immer in der Überzeugung, es recht verstanden zu haben.
ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL
Auf dem Hintergrund der geschilderten Kommunikationslage hat das Zweite Vatikanische Konzil eine Akzentverschiebung vollzogen, die dem modernen Verständnis Rechnung trägt, nämlich der Einsicht, dass es nicht genüge, auf die Mitteilung zu achten, sondern dass es vielmehr auf das Verstehen ankomme. Das Konzil greift dafür auf die Metaphorik der Resonanz zurück.
Gegenüber einer Fokussierung auf das richtige Verfahren zur authentischen Vermittlung überlieferter Glaubenswahrheiten in der Unterscheidung von Magisterium und Obödienz lenkt es die Aufmerksamkeit auf die Universalität der Resonanz des Evangeliums in der Welt von heute und konzipiert diese explizit auf gleichrangige Varietät anstatt auf Uniformität hin: Varietät und Universalität schließen sich nicht aus, sondern vielmehr ein (vgl. LG 22).
Darauf liegt der ekklesiologische Akzent, der dem Tun der Kirche, der „actio Ecclesiae“ (SC 7 und 10) eine Funktion in diesem göttlichen Geschehen zuschreibt: „damit die ganze Welt im Hören auf die Botschaft des Heiles glaubt, im Glauben hofft und in der Hoffnung liebt“ (DV 1, mit Referenz auf Augustinus). Darauf zielt die Schlüsselaussage: Die Kirche sei „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1).
Den Türöffner für das, was diesbezüglich in der Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ ausgeführt ist, bildet die Liturgiekonstitution „Sacro-sanctum concilium“, insbesondere mit ihrem Konzept einer „aptatio variis in locis“ (vgl. insbesondere SC 37-40), einer Anpassung an die verschiedenen örtlichen Erfordernisse und Gebräuche (vgl. SC 128), der eine in örtlicher Verschiedenheit verfasste Kirche entspricht, „variae variis in locis ... institutae Ecclesiae“ (vgl. insbesondere LG 23-28). Seine Entfaltung findet dieses Konzept später in den beiden letzten Konstitutionen des Konzils, der Offenbarungskonstitution „Dei verbum“ und der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“. Die Resonanzmetaphorik taucht ausschließlich in diesen beiden Dokumenten auf, und zwar jeweils an prominenter Stelle: im Proömium der Pastoralkonstitution und im Artikel 8 der Offenbarungskonstitution. Theologische Brisanz gewinnt die Verwendung dieser Metaphorik dadurch, dass man diese beiden Textpassagen zusammenliest.
„Gaudium et spes“ beginnt mit dem vielzitierten Satz, der der Pastoralkonstitution ihren Namen gibt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrangten aller Art, sind auch (sunt … etiam) Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Junger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände (resonet)“ (GS 1). Dasselbe Verb „resonare“ taucht in der Offenbarungskonstitution – mit Referenz auf Kol 3,16 – wieder auf: „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gesprach mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt (resonat), führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen“ (DV 8). An anderen Stellen wird das Bild des Spiegels oder des reflektierenden Lichts verwendet: „veluti speculum« (DV 7) und „lumen repercussum“ (GS 40). Es knupft an die patristische Mond-Metaphorik an. Die BrautMetaphorik wird ahnlich gebraucht.
Liest man beide Textstellen zusammen, dann erkennt man, wie das Konzil die „actio Ecclesiae“ in der Moderne verortet, nämlich – im Sinn einer pneumatologischen Christologie – gleichsam als Resonanzkörper des Evangeliums in der Welt und der Welt in den Herzen der ChristusGläubigen. Beide Seiten sind aufeinander bezogen. In dieser „Ästhetik“ liegt der besondere „pastorale“ Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er verbietet die Unterscheidung von Kirche und Welt im Schema von innen und außen.
Gegenüber einer Unversehrtheit des Glaubensgutes hebt er den Gewinn eines transitorischen Prozesses hervor, in dem die Kirche sich im Hören („Dei verbum religiose audiens …“, DV 1, mit Referenz auf 1 Joh 1,2f.) sozial konstituiert, paradox formuliert: Dieselbe geht als eine andere daraus hervor. „Metanoia“ gehört zum Grunddatum christlicher Existenz. In diesem Sinn wäre auch das „sunt etiam“ der Pastoralkonstitution zu verstehen. Es bezeichnet keine Tautologie, sondern einen Transitus im Sinn des Geistes der Liturgie- und der Kirchenkonstitution: des „spiritus liturgicum“ (vgl. DV 7–10; GS 26; 28; 38; 41 und 44; vgl. ausführlicher Fresacher 2006; Fresacher 2010).
ÖKONOMIE DES EVANGELIUMS
Damit ist das Verhältnis von Glauben und Gesellschaft unter die veränderten Vorzeichen der Moderne gestellt. Die vertraute Pfingsterzählung gewinnt auf einmal einen neuen Klang. „Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kapadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,7-11).
Hier ist nicht vom Sprechen, sondern vom Hören die Rede; nicht von Übersetzung, sondern von Muttersprache. Nicht die Mitteilung, sondern das Verstehen erscheint als der Dreh- und Angelpunkt: die Resonanz der Herzen, über die die Redenden ihrerseits nicht verfügen können, sondern vielmehr selbst erstaunt sind. Darin besteht die überraschende Ökonomie des Evangeliums, wie sie in den Gleichnissen der Bibel vor Augen geführt wird. Sie hat damit zu tun, dass sie auf die „Muttersprache“ der örtlichen Erfordernisse und Gebräuche angewiesen ist, damit das göttliche Wort dort in Überfülle wohnen kann.
Ich möchte mit den Sätzen eines anderen theologischen Autors schließen, der ähnlich wie Erich Garhammer der Theologie die Poesie ans Herz legt: „Die rätselhafte Vorläufigkeit der göttlichen Sätze hält an. Sie kann nicht vermieden werden. Das ist die bleibende Situation der Sprache, in die wir versetzt sind […] Es gibt keine Transformation in erschöpfende Information, dass […] Gott sozusagen seine Wahrheit in einem Guss ins Hirn schüttet und fertig […] Es geht um die Gottesgeburt im menschlichen Tun des Hörens und der Entzifferung“ (Bachl 223f.). Dieses Tun findet nicht nur auf dem schwankenden Boden der Sprache und der Schrift, sondern auch des Erlebens von „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ – insbesondere in Bedrängnis und Not – statt. Dahinein ist das Wort Gottes gestellt, in diese Aktion.
Dass beide Vollzüge, Wort und Erleben, offenbarungstheologisch so aufeinander bezogen zu verstehen sind, wie in „Dei verbum“ und in „Gaudium et spes“ ausgeführt, gehört zum Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils – das darin seinerseits auf Resonanz angewiesen ist.
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LITERATUR
Bachl, Gottfried, Vom mystischen Sinn der Schrift. Spätes Protokoll zu einer Tagung auf Burg Rothenfels, in: Pröpper, Thomas/Raske, Michael/Werbick, Jürgen, (Hg.), Mystik – Herausforderung und Inspiration, Mainz 2008, 223-231.
Fresacher, Bernhard, Kommunikation. Verheißungen und Grenzen eines theologischen Leitbegriffs, Freiburg i.Br. 2006.
Fresacher, Bernhard (Hg.), Neue Sprachen für Gott. Aufbrüche in Medien, Literatur und Wissenschaft, Ostfildern 2010.
Robinson Crusoe
Wenn mir meine Mutter den Robinson vorgelesen hat, bin ich stets wütend geworden, wenn sie einen Satz oder Abschnitt überspringen wollte. Dabei ging es mir weniger um Robinsons Abenteuer, vielmehr darum, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Was immer auf der Insel geschehen war, auch das Schreckliche, sollte sich zuverlässig wiederholen, wieder und wieder. Ich frohlockte, wenn der befürchtete Sturm tatsächlich ausbrach und das Schiff am Riff zerschmettert wurde. Sogar der Abdruck eines Menschenfußes im Sand war mir lieb: lieb, weil vertraut. Denn stets trat der Fuß an derselben Stelle auf, und wie sehr genoss ich es, ein doppelter Robinson zu sein! – der eine rannte vor dem Abdruck ängstlich wie ein Hase davon, der andere war der kleine Herrgott, der genau wusste, dass sich der Hase irrte; der Fuß, der sich im Sand abgezeichnet hatte, gehörte Freitag, der dann Robinsons Freund werden sollte.
In frühen Jahren lieben wir die Wiederholung, weil sie uns Ordnungen aufzeigt, Strukturen, Gesetze. Aber zugleich erfahren wir, dass wir voller Worte und Bilder sind – alles ist schon da, doch muss es angesprochen werden, damit wir die Worte hören, die Bilder sehen können. Wir müssen zum Widerhall werden, zur Resonanz.
Thomas Hürlimann
Predigt als Resonanz–Geschehen
Kleine Skizze zu einer Philosophie der Verkündigung
Obwohl es nicht wenige große Prediger gab, die auch Philosophen waren, und etliche Philosophen, die auch Prediger waren, hat so etwas wie eine „Philosophie der Verkündigung” nahezu gänzlich ein Schattendasein geführt – mit wenigen jüngeren Ausnahmen vielleicht, von denen noch die Rede sein wird. Dabei hätte sich ein solches Unterfangen bereits von der Grundverfassung allen Gottdenkens nahegelegt. Formal und philosophisch gesprochen: Wenn und sofern es ein Unendliches oder Absolutes gibt, können wir einen möglicherweise seitens seiner an uns ergehenden Anspruch (im literalen und spekulativen Sinn des Wortes) einzig im Medium unserer endlichen Verfassung vernehmen. Und exakt dieses Grundverhältnis wiederholt sich sozusagen en miniature im Geschehen der Verkündigung, sofern darin Gotteswort in Menschenwort verlautbart werden soll. Die Chiffre „Resonanz” scheint mir beide Grundverhältnisse angemessen zu charakterisieren. Klaus Müller
WENN GOTT „SPRICHT“
Allerdings impliziert dieser Terminus „Resonanz“ (bei dem es sich ja eigentlich um ein akustisches Bildwort handelt) einen neuralgischen Punkt: Der kommt immer dort zur Geltung, wo in der Bibel als der zentralen Quelle der Verkündigung die Formel „Gott spricht…“ oder „Und Gott sprach…“ etc. auftaucht (vgl. Müller 1994, 73-82). Solange wir den elementarsten Zug theologischer wie philosophischer Gotteslehre auch nur im Ansatz ernst nehmen, „spricht“ Gott natürlich nicht – weil ein solcher Akt, im Literalsinn gedacht als „Stimme von oben“, der Gott wesentlichen Transzendenz widerspräche. Das bedeutet: „Gott spricht“ ist ein Anthropomorphismus. Die biblischen Traditionen wissen um diese differenzgesättigte Analogie, ohne sie freilich tiefer zu reflektieren: „Denn Gott ist im Himmel, und du bist auf Erden, darum lass deiner Worte wenig sein“, heißt es Koh 5,1. „Gott spricht“ gehört von ältesten Schichten der Bibel an zu ihren stehenden Redewendungen. Was jedoch in der Bibel als „Wort Gottes“ apostrophiert wird, verrät, dass von dieser Redewendung keineswegs im Sinne einer Gottes Transzendenz unterschlagenden Weise Gebrauch gemacht wird. In den Vätergeschichten fungiert sie als dominierende Kategorisierung der Gottesbegegnungen. 93% der Vorkommen von „Wort Gottes“ und seiner Äquivalente im Alten Testament bezeichnen Worte aus prophetischem Mund. Die theologische Meditation von Gen 1, der priesterschriftliche Schöpfungsbericht, beschreibt das Schöpfungsgeschehen worthaft – „Und Gott sprach…“ –, um entmythologisierend die Mühelosigkeit Gottes bei diesem Tun und darin seine Souveränität und also Transzendenz über alles theo- und kosmogonische Geschehen zu artikulieren. Neutestamentlich werden auch das Jesus-Ereignis (vgl. Joh 1; Hebr 1) und schließlich die apostolische Verkündigung (vgl. Apg 4,29; 1 Thess 2,13) als „Wort Gottes“ bezeichnet. Daraus folgt: „Wort Gottes“ ist eine Kurzformel für ein außerordentlich vielschichtiges Geschehen.
Klaus Müller
Prof. Dr. Dr. habil., geb. 1955 in Regensburg; katholischer Priester und seit 1996 Universitätsprofessor und Direktor des Seminars für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie Rector ecclesiae der katholischen Universitätsgemeinde an der Dominikanerkirche zu Münster; Arbeitsgebiete: Theorie der Subjektivität, Theologische Sprachlehre und Homiletik sowie Monismusforschung (All-Einheits-Lehre) und Cyberphilosophy.
Hans Urs von Balthasar buchstabiert diesen Sachverhalt folgendermaßen aus: Gott spricht zum Menschen mitten aus der Welt, ausgehend von dessen eigenen Erfahrungen. Die Offenbarungssprache setzt die Sprache der Schöpfung voraus. Gott spricht sein Wort im Menschen und darum wird alles, was der Mensch ist, Organ für Gott. Wörtlich: „Je tiefer Gott sich selbst enthüllt, desto tiefer hüllt er sich in den Menschen hinein“ (Balthasar, 92). In dieser qualifizierten Verborgenheit Gottes hat alles Reden Gottes in Menschenwörtern und alles Reden über ihn die Bedingung seiner Möglichkeit (diese Anspielung auf die klassische kantische Formel für transzendentales Denken ist natürlich kein Zufall). Sprachlich gewendet heißt das: Das Wort der Offenbarung transzendiert sich (transitiv) – gleichsam zu uns herüber – in total menschliches Wort. Und weil das so ist, bleibt dem Wort Gottes nichts Menschliches fremd: existentiell, personal, politisch, kulturell. Das gilt auch für die Dimension des Interreligiösen.
Gleichwohl kulminiert für Christinnen und Christen dieses kommunikative Herüberkommen Gottes ins Menschliche im Inkarnationsgeschehen, sofern in Jesus von Nazareth auf einmalige – wenn auch keineswegs auf einzige – Weise ausgesagt ist, was Gott sagen will. Die ganze Schöpfung ist Resonanzkörper der Selbstaussage Gottes, also werden sich in allen Gestalten von Natur und Kultur – und natürlich auch in anderen Religionen – Verlautbarungen des Redens Gottes finden lassen, möglicherweise in bestimmten Hinsichten prägnanter als in der eigenen biblischen Tradition. Der Einmaligkeit des Gottes-Logos in Christus tut das dabei keinerlei Abbruch, sofern nach christlicher Überzeugung alles in ihm – Christus – geschaffen ist und Bestand hat (also seine innerste Identität gewinnt), wie etwa Kol 1, 15-18 zum Ausdruck bringt. Anselm von Canterbury hat diesen Gedanken spekulativ zum Konstruktionspunkt seiner gesamten philosophisch-theologischen Konzeption vertieft: „Es leuchtet ein […], dass das höchste Wesen alles, was es geschaffen hat, allein durch sich selbst schuf, und dies zwar vermöge seiner inneren Aussprache, sei es, dass es das Einzelne in einzelnen Worten, sei es, dass es vielmehr in einem einzigen Worte zugleich alles aussprach: daher ergibt sich zwingend, dass diese innere Aussprache des höchsten Wesens nichts anderes sein könne, als eben dieses höchste Wesen selbst“ (Anselm von Canterbury, Monologion XII).
Nur wenn diese innere Aussprache des zu schaffenden Endlichen letztendlich Selbstaussprache des Absoluten ist, bleibt alle Zweiheit, die jegliches Denken des Verhältnisses von Absolutem und Endlichem aporetisch machen würde, ausgeschlossen. Und das impliziert auch, dass es sich bei der inneren Aussprache im Letzten nur um ein einziges Wort handeln kann, in dem alle anderen (vorsprachlichen) Worte als Bilder oder Muster – Anselm: imago bzw. exemplum (Anselm wechselt bisweilen vom akustischen (verbum) ins optische (imago) Paradigma) – der Einzeldinge einbegriffen sind.
Noch eines will dabei bedacht sein: Jesus ist Wort Gottes in seinem Reden und in seinem Schweigen! Gott muss sich für seine Selbstoffenbarung nicht des Menschen bedienen. Aber wenn er es tut, dann sind damit alle menschlichen Dimensionen für den Ausdruck des Absoluten in Dienst genommen. Genau darin gründet im Übrigen auch das genuin theologische Recht, ja die Notwendigkeit der historisch-kritischen Methode. Ist sie es doch, die mit ihrem Methodeninstrumentar von Quellen-, Literar-, Form-, Redaktions- und Traditionskritik die inkarnatorische Resonanzstruktur als Grundstruktur des in der Bibel niedergelegten „Wortes Gottes“ ernst nimmt. Und dies ist – nach dem eben Erörterten – unverzichtbar für das Verstehen des Wortes Gottes, weil, was Gott zu sagen hat, sich ja genau im genuin Menschlichen des je gesprochenen Wortes mitteilt. Martin Buber hat das in seinem wohl populärsten (manchmal auch missverstandenen) Werk Ich und Du suggestiv auf den Nenner gebracht:
„Die gewaltigen Offenbarungen, auf die sich die Religionen berufen, sind der stillen wesensgleich, die sich allerorten und allezeit begibt. Die gewaltigen Offenbarungen, die im Anfang großer Gemeinschaften, an den Wenden der Menschenzeit stehen, sind nichts anderes als die ewige Offenbarung. Aber die Offenbarung schüttet sich ja nicht durch ihren Empfänger wie durch einen Trichter in die Welt, sie tut sich ihm an, sie ergreift sein ganzes Element in all seinem Sosein und verschmilzt damit. Auch der Mensch, der ‘Mund’ ist, ist eben dies, nicht Sprachrohr, – nicht Werkzeug, sondern Organ, eigengesetzlich lautendes Organ, und lauten heißt umlauten“ (Buber, 137f.).
RESONANZ THEORETISCH: KARL RAHNERS HÖRER DES WORTES
Vor dem Hintergrund des soeben skizzierten Resonanz-Paradigmas der Predigt wird nun aber auch etwas deutlicher sichtbar, dass eines der großen katholischen religionsphilosophischen Werke des 20. Jahrhunderts auch als Philosophie der Verkündigung gelesen werden muss: Karl Rahners Hörer des Wortes (vgl. Rahner 1997). Mit diesem Werk, ursprünglich Vorlesungen auf den Salzburger Hochschulwochen 1937, wollte Rahner – bündig gesagt – die wesentliche und apriorische Hinordnung des Menschen auf eine mögliche Offenbarung ausweisen. Um dieses Anliegen recht zu verstehen, muss man kurz die Hintergründe thematisieren, vor denen Rahner diesen transzendentalen Ansatz ins Auge fasst.
Man darf der Neuscholastik nicht global Unrecht tun. Man bezeichnet mit diesem Namen den Versuch einer Erneuerung der Scholastik im 19. und 20. Jahrhundert. Man hielt eine solche Philosophie, die sich vorwiegend an Thomas von Aquin, aber nicht nur an ihm orientierte, als Bollwerk gegen den Idealismus und Materialismus aus katholischer Sicht für dringend geboten. Ein eigenes Problem war dabei, inwiefern das, was die Neuscholastik als von Thomas kommend behauptete, tatsächlich von ihm vertreten worden war. Im Grunde handelte es sich bei diesem Projekt um eine verschärfte Version des vor allem amtlichen verordneten Boykotts gegen die gesamte Neuzeit seit Descartes. Einer der wenigen, die diese Ghettoisierung durchbrachen, war Joseph Maréchal. Er trat mit Kant ins Gespräch, um die Möglichkeit einer Metaphysik nach Kant zu erkunden, zog dabei auch andere Autoren zum Zweck einer Kant-Transformation heran, z.B. Fichte. Dieser Versuch einer Vermittlung zwischen Tradition und neuzeitlichem Subjektdenken hat Rahner fasziniert und entsprechend beeinflusst.
Rahners Perspektive aber verfügt noch über eine andere Wurzel neben dieser als dringlich erkannten Einlösung einer philosophischen Herausforderung. Bei dieser zweiten Wurzel handelt es sich um die ignatianische Spiritualität, genauer um die durch Ignatius von Loyola (1491-1556) grundgelegte Exerzitienerfahrung. Ignatius hat in aufwühlenden biographischen Suchbewegungen einen Weg aufgetan, auf dem der Einzelne für sich den Willen Gottes zu finden vermag. Anders gewendet: In den Exerzitien soll der Mensch zur Entdeckung seiner Gottunmittelbarkeit geführt werden. Logischerweise wird eine theologische Reflexion dieses geistlichen Geschehens in gewissem Umfang den Einzelnen als Einzelnen wie auch hinsichtlich seiner Wahrheitsfähigkeit thematisieren – und findet sich damit Seite an Seite mit den Grundfragen der neuzeitlichen Philosophie. In einer fiktiven Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute (vgl. Rahner 2008, 299331), die der alte Rahner zu Papier gebracht hat, kommt das prägnant zum Ausdruck, wenn es dort heißt, es gehöre zum Kern der ignatianischen Spiritualität und sei eine Verwandtschaft mit Luther und Descartes, mit der Möglichkeit einer Erfahrung der Gottunmittelbarkeit zu rechnen (vgl. Rahner 2008, 299-302). Aus dieser doppelten Wurzel, die er in sich schon verschlungen betrachtet, konzipiert Rahner seine Theologie als Mystagogie, als Einführung in jene Erfahrung, die sich dann resonanzförmig kategorisiert und auszeitigt. „Potentia oboedientialis“ (zu übersetzen etwa mit „Fähigkeit zum Ganz-Ohr-sein-Können“) ist Rahners Kennwort dafür.