Czytaj książkę: «Nathan der Weise»

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Kein Mensch muss müssen …

Welche Religion ist die einzig wahre? – Eine bedeutende Frage, die seit jeher die Menschen beschäftigt und bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Und auch diese Geschichte handelt davon: Sie führt uns ins alte Jerusalem, wo Nathan der Weise von Sultan Saladin aufgefordert wird, das Rätsel für ihn zu lösen. Nathan antwortet mit der berühmten Ringparabel. Dies ist nicht nur der Beginn einer tiefen Freundschaft: Am Ende finden sogar Christen, Juden und Moslems über alle Gegensätze hinweg zu einem glücklichen Bund zusammen.

G. E. Lessings kluges Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz liest sich in der Reihe Weltliteratur für Kinder wie ein spannendes Märchen.

Maren Briswalter hat zu dieser bewegenden Geschichte zauberhafte Bilder geschaffen, die den Betrachter in die wundersame Welt des Orients entführen. Ein weiterer Band in der Reihe Weltliteratur für Kinder, der zeigt, dass große Literatur schon kleinen Lesern Spaß machen kann!


WELTLITERATUR FÜR KINDER

Nathan der Weise

nach Gotthold Ephraim Lessing

Neu erzählt von Barbara Kindermann

Mit Bildern von Maren Briswalter





Zu einer Zeit, in welcher Juden, Christen und Moslems tief verfeindet waren, kehrte ein jüdischer Händler namens Nathan von einer weiten Reise nach Jerusalem zurück. Seine Kamele waren mit allerlei Kisten und Säcken reich beladen.

Er hatte sein Haus noch nicht erreicht, als ihm Daja, die Gesellschafterin seiner Tochter Recha, aufgeregt entgegeneilte und rief: »Oh, Nathan! Endlich! Wie elend hättet Ihr es hier antreffen können! Euer Haus …«

»… das brannte«, fiel Nathan ihr beschwichtigend ins Wort, »das habe ich bereits vernommen. Doch wenn es niedergebrannt wäre, dann hätten wir uns ein neues gebaut.«

»Schon wahr«, sagte Daja, »doch Recha, Eure Tochter, wäre beinahe mit verbrannt!«

»Verbrannt? Wer? Meine Recha?«, fragte Nathan erschrocken. »Ist sie wohlauf?«

»Ja, hört nur, ein junger Christ, ein Tempelherr, hat sie gerettet. Er kam, und niemand weiß woher. Kühn lief er ins Haus, der Stimme nach, die da um Hilfe schrie. Schon hielten wir ihn für verloren, als er aus Rauch und Flammen mit Recha im Arm plötzlich wieder vor uns auftauchte. Doch er wollte keinen Dank: Er verschwand. Danach sahen wir ihn täglich unter jenen Palmen dort wandeln. Da Recha ihm so gerne für ihre Rettung danken wollte, bin ich jeden Tag von neuem an ihn herangetreten und habe ihn angefleht, er solle zu ihr gehen. Doch er wollte nichts davon hören.«

»Ich gehe hin und bringe ihn gewiss her«, versprach Nathan, doch Daja fuhr aufgeregt fort: »Das Wundersamste habt Ihr noch nicht vernommen, Herr. Stellt Euch vor, dieser Tempelherr, dieser Christ, verdankt sein eigenes Leben einem Wunder. Er war beim Sultan Saladin in Gefangenschaft, und obwohl der Sultan als Moslem sonst jeden Christen zum Tode verurteilt, hat er diesen Mann verschont und ihm das Leben geschenkt.«


Nathan fragte erstaunt: »Aus welchem Grund hat der Sultan ihn begnadigt?« »Man sagt, weil dieser junge Tempelherr einem seiner lieben Brüder besonders ähnlich sehe«, erklärte Daja. »Doch dieser Bruder lebt seit über zwanzig Jahren nicht mehr. Dies alles klingt so ganz und gar unglaublich!«

»Aber Daja«, sagte Nathan, »was ist daran so unglaublich? Warum sollte Saladin nicht einen Bruder verloren haben, den er sehr geliebt hat, und warum sollten sich nicht zwei Gesichter gleichen? Doch da kommt Recha: Mein liebes Kind!«

Recha kam aus dem Haus gelaufen und stürzte sich in Nathans Arme: »Mein Vater, hast du schon gehört? Ein Wunder ist geschehen! Ein Engel, ein wirklicher Engel hat mich durchs Feuer getragen und gerettet!«

»Kein Engel, Recha, ein Mensch war es. Ist es denn kein Wunder mehr, von einem Menschen gerettet zu werden? Zumal diesen Menschen zuvor selbst ein Wunder retten musste. Denn wer hat je gehört, dass Sultan Saladin einen Tempelherrn begnadigt hat? Nein, es war ein Mensch, kein Engel, der sich für dich ins Feuer stürzte.«

»Dem ich dafür danken muss, Vater!«

»Das wirst du auch. Doch sieh dort, ein Moslem mustert neugierig meine Kamele. Nanu, das ist ja mein alter Freund Al Hafi: He, Al Hafi, komm her! Aber was trägst du denn für teure Kleidung?«

Zögernd trat Al Hafi näher und sagte verlegen: »Ja, ja, reißt nur die Augen auf. Ich bin jetzt des Sultans Schatzmeister. Ich wollte es nicht werden, doch was sollte ich tun? Der Sultan bat mich darum, und wenn man muss …«

»Muss? Al Hafi muss? Kein Mensch muss müssen! Und Al Hafi müsste? Doch was soll es, du bist doch noch mein Freund?«

»Das schon, und doch soll ich, weil der Sultan Geldsorgen hat, als dessen Schatzmeister Geld eintreiben. Als ich hörte, dass Ihr mit voll beladenen Kamelen zurückgekehrt seid, wollte ich bei Euch den Anfang machen.«

»Ah«, sagte Nathan, »darum geht es also. Doch hier gilt es zu unterscheiden: Al Hafi, mein Freund, ist zu allem, was ich vermag, mir stets willkommen. Al Hafi, der Schatzmeister des Sultans jedoch, der …«

Al Hafi klatschte in die Hände: »Ja! Ihr seid so gut, so weise! Ihr habt Recht, ich bin Euer Freund! Vergesst den Schatzmeister!«

»Recht so,« nickte Nathan zufrieden, »lebt wohl! Doch da kommt Daja, was gibt es?«

»Nathan, Nathan!«, rief Daja atemlos. »Der Tempelherr, der Recha gerettet hat, er wandelt unter den Palmen wieder auf und ab!«

Recha eilte ebenfalls herbei und flehte ihren Vater an: »Bitte, du musst zu ihm gehen!«

»Geh hin, Daja«, entgegnete Nathan, »und sage ihm, der Vater sei zurück und lasse ihn herzlich bitten.«



»Umsonst, der Christ kommt nicht. Denn kurz: Er kommt zu keinem Juden.«

»Geh trotzdem hin und lade ihn noch einmal ein«, antwortete Nathan unbeirrt.

Eilig begab sich Daja wieder zu den Palmen, doch der Tempelherr war nicht mehr allein: Ein Klosterbruder folgte ihm in kurzem Abstand. Der Tempelherr bemerkte dies wohl, drehte sich endlich um und sagte: »Guter Bruder, falls Ihr eine Spende wollt, ich habe nichts zu geben.«

Der Klosterbruder schüttelte den Kopf. »Nicht um ein Almosen wurde ich Euch nachgeschickt vom Patriarchen meines Klosters, dem christlichen Oberhaupt Jerusalems. Ich soll Erkundigungen über Euch einziehen, auf den Zahn Euch fühlen.«

»Und das sagt Ihr mir so ganz direkt?«, fragte der Tempelherr erstaunt.


»Warum nicht?«, gab der Klosterbruder zurück. »Ich tue das nicht gerne, doch ich muss gehorchen. Der Patriarch möchte wissen, warum Ihr von Saladin begnadigt worden seid.«

»Das wüsste ich selbst gern«, antwortete der Tempelherr. »Der Sultan sah mich lange an, mit Tränen in den Augen. Er schien durch mich an irgendjemanden erinnert. Dann nahm man mir die Fesseln ab und ich konnte gehen. Wie das nun zusammenhängt, soll Euer Patriarch selbst enträtseln. Geht und berichtet ihm, was Ihr erfahren habt!«

Jetzt näherte sich Daja dem Tempelherrn und sprach ihn an: »Edler Ritter! Gott tausend Dank! Wo habt Ihr denn nur die ganze Zeit gesteckt? Rechas Vater ist von seiner Reise zurückgekehrt und lädt Euch aufs Dringlichste ein. Er brachte zwanzig Kamele mit, beladen mit Edelsteinen und den feinsten Stoffen aus Indien, Persien und Syrien. Sein Volk verehrt ihn und nennt ihn Nathan den Weisen. Es könnte ihn auch Nathan den Guten nennen, denn Ihr stellt Euch gar nicht vor, wie gut er ist. Als er hörte, dass Recha Euch ihr Leben schuldet … Was würde er nicht alles für Euch tun! Kommt mit und seht selbst.«

Darmowy fragment się skończył.