Czytaj książkę: «Praxishandbuch DSGVO», strona 18

Czcionka:

b) Zweckänderung auf Basis einer Einwilligung

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Des Weiteren kann die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu anderen Zwecken ausweislich des Wortlauts von Art. 6 Abs. 4 DSGVO auch auf die Einwilligung der betroffenen Person gestützt werden. Die Voraussetzungen, die eine Einwilligung erfüllen muss, um wirksam zu sein, werden unter Rn. 243ff. ausführlich beschrieben.

c) Zweckänderung auf Basis des Kompatibilitätstests gem. Art. 6 Abs. 4 DSGVO

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Nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO ist die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten für einen anderen Zweck schließlich auch dann erlaubt, wenn dieser andere Zweck mit dem Zweck, für den die Daten erhoben wurden, vereinbar ist.

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Ist dies der Fall, erlaubt Art. 6 Abs. 4 DSGVO i.V.m. Erwägungsgrund 50 S. 2 DSGVO die Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten zu einem anderen Zweck nach hier vertretener Ansicht auf Basis derselben Rechtsgrundlage, die die Verarbeitung der Daten zu dem ursprünglichen Zweck erlaubt.222 Mit anderen Worten: Ist der neue Zweck, für den personenbezogene Daten weiterverarbeitet werden sollen, mit dem Zweck, für den die Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar, benötigt der Verantwortliche für die Weiterverarbeitung nach hier vertretener Ansicht keine gesonderte Rechtsgrundlage.223 Diese Auffassung wird auch vom Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in seinem Positionspapier zur Anonymisierung unter der DSGVO unter besonderer Berücksichtigung der TK-Branche geteilt.224 Dabei kann die relevante Rechtsgrundlage (auf die zunächst die originäre Verarbeitung und dann bei Zweckvereinbarkeit auch die Weiterverarbeitung gestützt wird) nach Maßgabe von Erwägungsgrund 50 DSGVO auch von der EU (außerhalb der DSGVO) oder dem jeweiligen Mitgliedstaat erlassen worden sein.

Praxishinweis

In der datenschutzrechtlichen Literatur wird die hier vertretene Ansicht teilweise bestritten und – insbesondere aus systematischen und gesetzgebungshistorischen Gründen – eine gesonderte Rechtsgrundlage für die Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten zu einem anderen Zweck gefordert.225 Auch wenn diese Auffassung nach hier vertretener Auffassung nicht mit dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 50 S. 2 DSGVO und dem Konzept der Zweckvereinbarkeit226 in Einklang zu bringen ist, sollten Unternehmen, wenn sie personenbezogene Daten zu einem anderen Zweck weiterverarbeiten möchten, vor diesem Hintergrund zur Erhöhung der Rechtssicherheit möglichst sicherstellen, dass diese Weiterverarbeitung (auch) auf eine gesonderte Rechtsgrundlage gestützt werden kann.

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Entscheidend für die Zulässigkeit der Zweckänderung auf Basis des Kompatibilitätstests ist die Antwort auf die Frage, ob der neue und der bisherige Zweck miteinander vereinbar sind. Um diese Frage zu beantworten, gibt Art. 6 Abs. 4 DSGVO dem Verantwortlichen fünf Kriterien an die Hand, die er bei der Prüfung der Vereinbarkeit berücksichtigen muss:

 1. jede Verbindung zwischen den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten erhoben wurden, und den Zwecken der beabsichtigten Weiterverarbeitung,

 2. den Zusammenhang, in dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen,

 3. die Art der personenbezogenen Daten, insbesondere, ob besondere Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 DSGVO oder personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Art. 10 DSGVO verarbeitet werden,

 4. die möglichen Folgen der beabsichtigten Weiterverarbeitung für die betroffenen Personen,

 5. das Vorhandensein geeigneter Garantien, wozu Verschlüsselung oder Pseudonymisierung gehören können.

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Erwägungsgrund 50 präzisiert diese fünf Kriterien weiter. Demnach sollte der Verantwortliche insbesondere auch die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, in Bezug auf die weitere Verwendung dieser Daten prüfen. Die Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke sollte nach Erwägungsgrund 50 DSGVO als vereinbarer und rechtmäßiger Verarbeitungsvorgang gelten.

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Diese Liste mit Kriterien ist allerdings nicht abschließend. So muss der Verantwortliche auch alle weiteren im Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigen.227 In der Praxis ist allerdings zu erwarten, dass sich die Prüfung weitestgehend auf die genannten Kriterien beschränkt und nur in atypischen Fällen weitere Kriterien zu berücksichtigen sind. Ob die Weiterverarbeitung erwartbar war und zwei Zwecke miteinander vereinbar sind, ist nach hier vertretener Auffassung aus objektiver Sicht zu beurteilen.228

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Sind die Zwecke miteinander vereinbar, darf der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für den neuen Zweck weiterverarbeiten.

Praxishinweis

Unternehmen sollten – insbesondere vor dem Hintergrund der Rechenschaftspflicht gem. Art. 5 Abs. 2 DSGVO – die Grundlage, auf der die Zweckänderung erfolgt, dokumentieren. Erfolgt die Zweckänderung auf Basis eines Kompatibilitätstests i.S.d. Art. 6 Abs. 4 DSGVO, sollten Unternehmen in diesem Zusammenhang auch diesen Test dokumentieren.

d) Weitere datenschutzrechtliche Pflichten im Fall der Zweckänderung

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Verarbeitet ein Verantwortlicher personenbezogene Daten zu einem anderen Zweck weiter als dem, für den sie erhoben wurden, sind hierbei wie bei der originären Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorgaben der DSGVO einzuhalten. So sind die betroffenen Personen insbesondere nach Art. 13 Abs. 3 DSGVO bzw. Art. 14 Abs. 4 DSGVO über die Verarbeitung ihrer Daten zu einem anderen Zweck zu informieren.229

8. Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

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Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten unterliegt – wie schon nach der Datenschutzrichtlinie und dem BDSG a.F. – besonders strikten Verarbeitungsvoraussetzungen. Diese sind grundsätzlich in Art. 9 DSGVO geregelt. Demnach ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten und nur dann ausnahmsweise erlaubt, wenn die Voraussetzungen mindestens einer der in Art. 9 Abs. 2 DSGVO enthaltenen Alternativen erfüllt sind. Zudem müssen wohl auch noch die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein, damit die Verarbeitung solcher Daten rechtmäßig ist (siehe hierzu Rn. 170ff.).

a) Besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO)

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Zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten gehören die in Art. 9 Abs. 1 DSGVO aufgezählten Datenkategorien:

 – personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen,

 – genetische Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 13 DSGVO,230

 – biometrische Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 14 DSGVO zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person,231

 – Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 4 Nr. 15 DSGVO232 und

 – Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person.

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Diese Kategorien von Daten bedürfen eines besonders strikten Schutzes durch die DSGVO, da – so Erwägungsgrund 51 – im Zusammenhang mit ihrer Verarbeitung erhebliche Risiken für die Grundrechte und Grundfreiheiten auftreten können.

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Wie schon Art. 8 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, unterscheidet Art. 9 DSGVO seinem Wortlaut nach grundsätzlich nicht zwischen unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen, bei denen die Daten verwendet werden. Mit anderen Worten: Wird ein bestimmtes Datum verarbeitet, das zu einer der in Art. 9 Abs. 1 DSGVO aufgezählten Kategorien gehört, finden nach dem Wortlaut von Art. 9 DSGVO die strikten Vorschriften des Art. 9 DSGVO über die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten Anwendung – und zwar unabhängig von dem Zusammenhang bzw. der Situation, in dem/der sie verarbeitet werden. Somit könnte z.B. schon die Verarbeitung der Information, dass eine Person Alkohol trinkt, oder eines Bildes, auf dem ein Brillenträger abgebildet ist, – als Gesundheitsdaten – ganz generell den strikten Voraussetzungen des Art. 9 DSGVO unterliegen.233

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Auch aus Erwägungsgrund 51 S. 3 ergibt sich nichts anderes. Dieser stellt im Hinblick auf die Verarbeitung von Fotos klar, dass diese nicht grundsätzlich als Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten anzusehen ist, da Lichtbilder nur dann von der Definition des Begriffs „biometrische Daten“ erfasst werden, wenn sie mit speziellen technischen Mitteln verarbeitet werden, die die eindeutige Identifizierung oder Authentifizierung einer natürlichen Person ermöglichen. Doch bedeutet dies nicht, dass Art. 9 DSGVO vor diesem Hintergrund restriktiv auszulegen wäre. Vielmehr handelt es sich hierbei (lediglich) um einen Hinweis, dass die Begriffsdefinition der biometrischen Daten in Art. 4 Nr. 14 DSGVO nicht sämtliche Fotos erfasst.

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Allerdings scheint sich in diesem Zusammenhang eine pragmatischere Sichtweise durchzusetzen, die den Sinn und Zweck der Regelung mehr in den Vordergrund stellt.

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Demnach ist zwischen Daten, die unmittelbar sensible Informationen enthalten (wie z.B. Diagnosen im Hinblick auf den Gesundheitszustand) einerseits und Daten, die lediglich mittelbar sensible Informationen beinhalten (wie z.B. das Foto eines Brillenträgers) – aus denen die sensible Information also erst noch abgeleitet werden muss – andererseits, zu unterscheiden.234 Während Daten, die unmittelbar sensible Informationen enthalten, stets als besondere Kategorie personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO einzuordnen sind, hängt dies nach hier vertretener Ansicht bei Daten, die lediglich mittelbar sensible Informationen enthalten, vom Verwendungszusammenhang ab. So entsteht das besondere Diskriminierungspotenzial dieser Daten nach hier vertretener Ansicht erst durch den jeweiligen Verwendungszusammenhang, nämlich wenn die Daten genau im Hinblick auf die „dahinterstehenden“ sensiblen Informationen verarbeitet werden (z.B. die Sehschwäche des Brillenträgers).

165a

Folglich sollten auch nur solche Verarbeitungen von Daten, die nur mittelbare sensible Informationen beinhalten, den strikten Anforderungen des Art. 9 DSGVO unterliegen, bei denen gerade der (dahinterstehende) sensible Teil des Informationsgehalts verwendet/ausgewertet/abgeleitet wird. Werden solche Daten bei der jeweiligen Datenverarbeitung hingegen nicht auf ihre „dahinterstehenden“ sensiblen Informationen hin verwendet/ausgewertet (z.B. bei der bloßen Verwendung des Bildes eines Brillenträgers), sollte die Datenverarbeitung den Voraussetzungen für die Verarbeitung „normaler“ Daten, z.B. nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO, unterliegen, da sich das Diskriminierungspotenzial, das den besonderen Schutz durch Art. 9 DSGVO rechtfertigt, hier eben nicht realisiert.235

165b

Entscheidend für die Abgrenzung ist nach hier vertretener Auffassung der objektive Verwendungszusammenhang236 und nicht – wie teilweise auch vertreten wird – die subjektive Auswertungsabsicht, also die Absicht, die zu verarbeitenden Daten im Hinblick auf den „dahinterstehenden“ sensiblen Teil auszuwerten.237 So lässt sich die Auswertungsabsicht oftmals nicht zuverlässig ermitteln, wodurch eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit entstünde. Dies könnte im Ergebnis auch dazu führen, dass Daten, denen ein besonders hohes Diskriminierungspotenzial innewohnt, ggf. nicht ausreichend geschützt würden.238 Gegebenenfalls kann die subjektive (bestehende oder fehlende) Auswertungsabsicht – sofern diese bekannt ist – aber bei der Ermittlung des objektiven Verwendungszusammenhangs zu berücksichtigen sein.239

Standpunkte des Europäischen Datenschutzausschusses und der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden

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Der Europäische Datenschutzausschuss hat in seinen „Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte“ im Hinblick auf die Verarbeitung von Videoaufnahmen ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des Art. 9 DSGVO (nur dann) eröffnet sei, wenn diese verarbeitet werden, „um besondere Datenkategorien abzuleiten.240 Allerdings lässt sich aus den Leitlinien wohl nicht ganz eindeutig entnehmen, ob der EDSA diese Ausführungen vor dem Hintergrund macht, dass (i) in den Videoaufnahmen neben den besonderen Kategorien personenbezogener Daten auch eine Vielzahl „normaler“, nicht sensibler personenbezogener Daten enthalten sind und die Verarbeitung der Videoaufnahmen aus diesem Grund nicht per se, sondern nur unter der genannten Bedingung den besonders strikten Anforderungen des Art. 9 DSGVO unterliegen soll oder (ii) in den Aufnahmen (typischerweise) nur mittelbar sensible Informationen enthalten sind (z.B. das Bild eines Brillenträgers oder eines Rollstuhlfahrers) und der Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1 DSGVO deshalb eingeschränkt sei. Für letzteres spricht aber wohl der unmittelbare räumliche/textliche Zusammenhang der Ausführungen zu der oben genannten einschränkenden Bedingung, da der EDSA direkt vor ihnen die eben genannten Beispiele für mittelbar sensible Informationen (Bild eines Brillenträgers oder eines Rollstuhlfahrers) nennt und erklärt, dass es sich bei diesen Angaben nicht per se um besondere Kategorien personenbezogener Daten handeln würde.

166a

Ebenso lässt sich aus dem Wortlaut der Leitlinien nach hier vertretener Lesart nicht eindeutig entnehmen, ob der EDSA dem Kriterium („verarbeitet, um besondere Datenkategorien abzuleiten“) ein objektives oder ein subjektives Verständnis zugrunde legt, also ob es für die Qualifizierung der Daten als sensible Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO nach Ansicht des EDSA darauf ankommt, dass die Daten objektiv auf den „dahinterstehenden“ sensiblen Teil ihrer Information hin verarbeitet/ausgewertet werden oder ob es darauf ankommt, dass eine entsprechende Auswertungsabsicht des Verantwortlichen besteht (siehe hierzu oben Rn. 165).241 Eventuell lässt sich aus den vom EDSA in dem Zusammenhang gegebenen Beispielen entnehmen, dass auch der EDSA insoweit den objektiven Verwendungszusammenhang als entscheidendes Abgrenzungskriterium ansieht und die subjektive Auswertungsabsicht nur ein Indiz dafür sei. Ganz generell bleibt es zudem abzuwarten, ob der Europäische Datenschutzausschuss diese im Hinblick auf die Videoüberwachung getroffenen Aussagen auch bei anderen Verarbeitungsszenarien so beibehalten wird.

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Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden haben zumindest anerkannt, dass nicht jede mittelbare Angabe zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten den besonders strikten Verarbeitungsvoraussetzungen für besondere Kategorien personenbezogener Daten unterliegen soll.242 Eine dogmatische Begründung für diese Auffassung liefert die Datenschutzkonferenz in ihrem Kurzpapier zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten allerdings nicht.

Praxishinweis

Möchten Unternehmen rechtliche Risiken in diesem Zusammenhang vollständig vermeiden, sollten sie auch mittelbare Informationen über eine in Art. 9 Abs. 1 DSGVO aufgeführte Kategorie als besondere Kategorie personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO auffassen, bis diese pragmatische Sichtweise von den europäischen/deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden ausdrücklich und losgelöst von einzelnen Verarbeitungsszenarien bestätigt wurde und sich ggf. eine gefestigte Rechtsprechung etabliert hat. Besitzt die Verarbeitung solcher Daten für das Unternehmen eine wichtige Bedeutung, könnte es ggf. auch überlegenswert sein, die Einordnung der Daten vor deren Verarbeitung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzustimmen.

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Soweit vor dem Hintergrund des Wortlauts von Art. 9 Abs. 1 DSGVO und des Erwägungsgrundes 51 entgegen der hier vertretenen Ansicht auch solche Datenverarbeitungen unter Art. 9 DSGVO gefasst werden, bei denen nicht gerade der „dahinterstehende“ sensible Teil des Informationsgehalts verwendet/ausgewertet/abgeleitet wird, sollte der Umstand, dass Daten nur mittelbar „sensible“ Informationen beinhalten und die Datenverarbeitung nicht im Hinblick auf diesen Teil erfolgt, aber jedenfalls dadurch berücksichtigt werden, dass die Voraussetzungen für die Verarbeitung der Daten in Art. 9 Abs. 2 DSGVO entsprechend pragmatisch ausgelegt werden.243

168a

Eventuell kann die hier im Hinblick auf Daten, die nur mittelbar sensible Informationen enthalten, vertretene Auffassung auch auf sogenannte Mischdatensätze übertragen werden, also Datensätze, die sowohl besondere Kategorien personenbezogener Daten, als auch „normale“, nicht sensible personenbezogene Daten enthalten.244 In diesem Fall würden derartige Datensätze nur dann in den Anwendungsbereich von Art. 9 DSGVO fallen, wenn die Datensätze gerade im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen sensiblen Daten hin verarbeitet, z.B. diese ausgewertet werden.245 Möchten Unternehmen diesem Ansatz folgen, ist dies allerdings aufgrund der insoweit noch ungeklärten Rechtslage mit rechtlichen Risiken verbunden, insbesondere weil Art. 9 DSGVO keine entsprechende ausdrückliche Regelung hierzu/Einschränkung enthält und Einschränkungen des Anwendungsbereichs von Art. 9 DSGVO teilweise wohl auch generell abgelehnt werden.246 Vor diesem Hintergrund kann es deshalb ggf. sinnvoll sein, diesem Ansatz für Mischdatensätze erst dann zu folgen, wenn sich in der datenschutzrechtlichen Literatur eine gefestigte, diesen Ansatz unterstützende Auffassung gebildet hat oder sich Datenschutzaufsichtsbehörden bzw. (weitere) Gerichte entsprechend geäußert haben.

b) Zulässigkeit der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

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Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ist gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings muss auch die Verarbeitung solcher Daten unter gewissen Voraussetzungen zulässig sein – aufgrund der besonderen Sensibilität der Daten und ihres besonderen Diskriminierungspotenzials aber unter besonders strikten.

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Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten dabei allein auf Art. 9 Abs. 2 DSGVO gestützt werden kann (ggf. in Verbindung mit der jeweiligen nationalen oder europäischen Rechtsvorschrift, sofern Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur eine Öffnungsklausel enthält) oder ob zusätzlich dazu auch noch die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein müssen.247

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Der Europäische Datenschutzausschuss, die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden, der bundesdeutsche Gesetzgeber und Teile der datenschutzrechtlichen Literatur gehen davon aus, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur Ausnahmen vom generellen Verarbeitungsverbot enthalte bzw. die allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO lediglich erhöhe (indem zusätzliche Anforderungen an die Verarbeitung statuiert werden).248 Damit die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten rechtmäßig ist, müssten damit sowohl zumindest eine Tatbestandsalternative des Art. 9 Abs. 2 DSGVO als auch eine Tatbestandsalternative des Art. 6 Abs. 1 DSGVO kumulativ erfüllt sein.249 Begründet wird diese Auffassung insbesondere mit dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 51 S. 5, nach dem „zusätzlich zu den speziellen Anforderungen an eine derartige Verarbeitung [...] die allgemeinen Grundsätze und andere Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen für eine rechtmäßige Verarbeitung, gelten [sollten]“.

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Teilweise wird in der datenschutzrechtlichen Literatur hingegen aber auch die Ansicht vertreten, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO Erlaubnistatbestände enthalte, die die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (eigenständig) rechtfertigen könnten. Sofern Art. 9 Abs. 2 DSGVO (nur) Öffnungsklauseln beinhalte, könne die Datenverarbeitung auf die jeweilige nationale bzw. europäische Rechtsnorm gestützt werden, die diese Öffnungsklausel ausfülle.250 Mithin würde Art. 9 Abs. 2 DSGVO nach dieser Auffassung Art. 6 Abs. 1 DSGVO als lex specialis verdrängen. Begründet wird die Auffassung insbesondere damit, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten spezifisch regele251 und Erwägungsgrund 51 S. 5, der von den Befürwortern der anderen Ansicht als eines der Hauptargumente angeführt wird, zuvorderst klarstelle, dass bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten neben den Anforderungen aus Art. 9 Abs. 2 DSGVO auch die allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen, insbesondere diejenigen aus Art. 5 DSGVO, einzuhalten seien.252

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In der Praxis dürfte dieser Streit allerdings eher geringe Auswirkungen haben, da die beiden Ansichten wohl in den meisten in der Praxis vorkommenden Fallkonstellationen zu demselben Ergebnis führen werden. So werden in (fast) allen Fällen, in denen die besonders strikten Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO erfüllt sind, zugleich auch diejenigen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein.253 Vor diesem Hintergrund werden in der Folge die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO gesondert und losgelöst von den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO dargestellt. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO werden in den Rn. 11ff. erläutert.

Praxishinweis

Um etwaige Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten Unternehmen davon ausgehen, dass für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten sowohl die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO als auch die des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein müssen.

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Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
2206 str. 44 ilustracje
ISBN:
9783800593545
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