Zauberstunde

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Zauberstunde
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Zauberstunde

Erzählungen und Gedichte

Angelika Marx


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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2021 – Herszprung-Verlag

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Cover gestaltet mit Fotos von © Angelika Marx

und © timbosch (Uhr) – Adobe Stock lizenziert

Herstellung: CAT creativ - cat-creativ.at

ISBN: 978-3-96074-044-5 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-406-1 - E-Book

*

Inhalt

Besinnliche Weihnachtsgans

Beim Masseur

Stiefmütterchen

Abkehr

Abschiedsläuten

Abspann

Advent

Ammenmärchen

Anfrage

Angebot

Angriff

Augusthimmel

!?

Ausweglos

Begegnung

Beim Andichdenken

Bitterkalt

Der Herbst läutet sich ein

Ehe

Ein bedauerlicher Unfall

Ein Spaß

Ein Stückchen Zeit

Ein Wochentag

Einkauf

Einkehr

Einladung

Eisprinzessin

Endgültige Absage

Erinnerung an einen Sommersonntag

Erwartung

Es weihnachtet sehr

Flirt

Frühling

Furcht

Gebotene Eile

Gedenken

Genügsamkeit

Geschenkte Zeit

Geteiltes Glück

Grenzgänger

Gründe

Guter Rat

Heiligabend

Heimat

Heimwegballade

Hoffnung auf Wiederkehr

Illusionen

Impression

Innehaben ausgeschlossen

Jahreszeiten

Kaffee

Kontrollverlust

Kurze Verzauberung

Kurzfristig

Laufpass

Lebenswege

Leere Versprechungen

Leere

Letzter Schnee

Letztes Lebewohl

Mahnung

Manchmal

Märchenhafte Rache

Moderne Hexerei

Morgensinfonie

Nachtwache

Orakelbefragung

Postkartengrüße

Sommerabend

Sonntagskind

Suggestion

Trauerweide

Umstellprobe

Unendlich

Verheißung

Verlockung

Verquerer Tagesbeginn

Verregneter

Sonntagnachmittag

Visionen

Vorfreude

Wagnis

Was zurückblieb von dir

Wechsel

Wehklage0

Wehmut1

Wieder einmal

Winterbeginn

Wüstenei

Zauber

Zauberstunde

Zigeunerin

 

Zuflucht

Die Autorin

Buchtipp

*

Besinnliche Weihnachtsgans

„Bist du endlich fertig?“, nölt mein Ehemann, „die warten doch schon mit dem Essen auf uns!“

„Ach was! Wir sind wahrscheinlich wieder mal die Ersten. Omar steht jedenfalls noch in seinem Garten und staucht die Verwandtschaft zusammen. Man kann ihn bis hierher hören. Er brüllt ins Telefon und maßregelt einen seiner Brüder!“ Jedenfalls vermute ich das, verstehen kann ich seine Tiraden nicht, denn er schimpft auf Arabisch.

Omar, ein Iraker, lebt schon seit dreißig Jahren hier. Er hat eine Deutsche geheiratet und sie haben zwei Buben. Dennoch meint er, wenn er von Zuhause spricht, immer den Irak, was mich anfangs irritierte. Inzwischen weiß ich, dass die Kamele, von denen er berichtet, nicht in den Straßen Kölns zu suchen sind. Täglich ruft er also daheim an, um über Tausende von Kilometern die dortigen Angelegenheiten zu regulieren, denn seit sein Vater starb, ist Omar als ältester Sohn der Haushaltsvorstand.

„Das kann noch dauern“, stelle ich fest, „und ohne ihren Mann kommt auch Ilona nicht.“

„Aber die haben doch das Essen fertig! Ich hasse es, wenn die Gäste zu spät kommen und alles verkocht!“, ereifert sich Gert.

„Also gut“, ich lege eine letzte Locke zurecht, „gehen wir!“

Auf der Straße begegnen wir Kerstin und Rainer, die ebenfalls auf die Haustür unserer Nachbarn zusteuern. Sie hält ein rüschenverpacktes Kochlöffelsortiment in der Hand.

„Ach, das habe ich gestern auch gesehen, beim Lidl gibt’s das jetzt, nicht?“

„Nein, beim Aldi“, klärt Kerstin mich auf, „aber dass das Geschenk daher ist, merkt Daisy nicht. Sie kauft nie dort ein. Anders als ich, ich bin Aldiker.“

„Ich auch. Neulich stehe ich dort an der Kasse, die Frau vor mir dreht sich um, blickt in meinen Einkaufswagen und fragt mich: Was kosten denn die Salatgurken? Ich muss gestehen, dass ich es nicht weiß, woraufhin sie mir den Lidl-Preis mitteilt: 29 Cent. Aha! Dann schaut sie sich weiter in meinem Wagen um. Was kostet der Brokkoli?, erkundigt sie sich und erneut muss ich passen. Daraufhin meint sie entrüstet: Ja, wat sin Se denn für ne Hausfrau, wenn Se die Preise nit vergleichen?! Und Gert, der neben mir steht, statt mich zu verteidigen, pflichtete ihr kopfschüttelnd bei!“

Kerstin lacht, mein Göttergatte amüsiert sich und klingelt bei Daisy und Harald.

Ein Duft von gebratener Gans weht uns verlockend entgegen und wir atmen tief ein. Daisy ist keine sonderlich gute Köchin, aber möglicherweise steht uns diesmal ja ein kulinarischer Genuss bevor.

„Setzt euch, setzt euch“, werden wir hektisch aufgefordert, „ich hab noch in der Küche zu tun, aber Harald schenkt euch gleich mal ein Glas Sekt ein.“ Besagter ist zwar noch gar nicht auf der Bildfläche erschienen, aber einen Auftrag hat er schon. Wir harren also seiner, als es erneut klingelt. Loni erscheint mit einer Flasche Rotwein unterm Arm und erklärt, Omar käme gleich nach. „Der muss erst noch ein bisschen Mama tanken.“

Er telefoniert also noch, jetzt mit seiner geliebten Mutter.

„Das kann noch dauern“, stelle ich wieder fest.

„Ach, ihr habt ja schon einen Weihnachtsbaum aufgestellt!“, wundert sich Loni. „Das ist aber früh!“

„Dann haben wir länger was davon“, schaltet sich Harald ein, der endlich mit Sektgläsern auftaucht und Gert bittet: „Kannst du mal die Flasche aus dem Kühlschrank holen?“

Während wir auf das Leben, die Gesundheit und auf was weiß ich nicht noch alles anstoßen, eilt Omar herbei. Er wedelt begeistert mit seinem neuen Handy, das, wie er stolz verkündet, auf Sprachbefehle reagiert. Wir scharen uns zwecks Vorführung um ihn.

Er ordert: „Gert anrufen!“

Ein hohes Stimmchen verkündet: „Keine Verbindung!“

Omar wiederholt: „Gert Müller anrufen!“

Das Stimmchen fordert ungerührt: „Bitte wiederholen!“

Omar tut das bereits leicht genervt.

Erneute Ansage: „Bitte wiederholen!“

Das Ganze geschieht noch einige Male und Omar ordert inzwischen ziemlich sauer: „Gert Müller privat!“

Die Fistelstimme fordert: „Nummer geschäftlich.“

Omar gibt schließlich auf. „Der versteht mich nicht.“

„Du musst die sagen. Das ist doch eine Frauenstimme“, korrigiere ich ihn.

„Nein, das ist ein Chinese“, stellt Omar klar.

„Ach, deshalb versteht der nichts!“

Harald wird in die Küche gerufen, er soll die Gans sezieren. Das gelingt ihm nur mittelmäßig und Daisy trägt das entstellte Tier auf einem Beifußbett herein. In der Soße schwimmen chinesische Morcheln.

„Die Pilze, auf denen man immer ausrutscht“, stellt Loni fest.

„Man geht aber eigentlich nur sehr selten in der Pfanne spazieren“, wendet die Gastgeberin indigniert ein.

Daisy und Harald sind an diesem Abend nicht gerade die frohsinnigsten und humorvollsten Leute. Die Gesprächsinhalte während der Mahlzeit beschränken sich auf schwer erziehbare Kinder in der Pubertät, auf Krankheit und Tod.

„Was haben wir bloß für ungemütliche Themen!“, jammere ich, als es um Geräteabschaltung nach Schlaganfällen geht und werde empört getadelt: „Mit diesen Dingen muss man sich auseinandersetzen! Die werden fälschlicherweise immer verdrängt!“

Und flugs geht’s inhaltlich weiter zu Feuersbrünsten, die totale Zerstörung nach sich zogen. Dazu kann ich nun zumindest auch etwas beitragen. Ich berichte vom Abbrennen des Wohnhauses in Bingen, dessen Souterrainwohnung ich gemietet hatte. Ich schildere nun, wie ich dieses Unglück erleben und überleben durfte und wetze so meine Scharte von vorher wieder aus. Bei Brandgefahr richten sich die Blicke auf den mit lichten Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum und die Halter, in denen sie stecken. Ein Geschenk an die Nachbarn von Gerts Ex-Ehefrau. Als sie daheim auszog, hat sie sie Daisy und Harald vermacht. „Ja, die kenne ich“, bestätigt mein Ehemann, „ich weiß noch genau, wie ich sie damals gekauft habe.“ So werden nette Erinnerungen wach.

Omar streichelt die hauseigene Katze. Loni, die das erstaunt beobachtet, meint: „Der lockt die nur an, um sie dann in den Kochtopf zu tun!“ Ihr Mann ist entrüstet, doch sie ergänzt völlig unbeeindruckt: „Na, was denn, im Irak esst ihr doch auch Katzen!“

Omar zieht seine Hand zurück. Im Gegensatz zu Loni ist er ohnehin nicht besonders tierlieb. Sie fängt Mäuse nur in Lebendfallen und setzt sie dann auf freiem Felde wieder aus. Neulich hat sie eine kranke Taube aufgepäppelt und Omar beschwerte sich: „Die bekommt mehr Zuwendung als ich!“ Dann trat er nach dem Karton, in dem der Vogel saß.

Kerstin kaut fröhlich auf ihrem Gänseschlegel herum. „In Finnland haben wir mal in einem Lokal Fleisch gegessen. Wir fragten den Kellner, was wir da auf dem Teller hätten, und er antwortete in lupenreinem Englisch: Dead-Father-Christmas-Animal – Totes Wehnachtsmann-Tier.“

„Also habt ihr Rentierfleisch verzehrt?“, stelle ich fest.

„Genau, Rudolph wurde geschlachtet!“

„Oh je!“

„Wer ist tot?“, erkundigt sich mein Mann.

„Rudolph“, zische ich kurz angebunden und zu den anderen gewandt: „Gert hört leider schlecht, besonders auf dem rechten Ohr.“

„So wie Tante Irmchen!“, ruft Kerstin. „Bei der Beerdigung von Helma hat der Pfarrer gesagt: Die liebe Heimgegangene ... und die schwerhörige Tante hat verstanden die liebe Eingegangene und sich fürchterlich aufgeregt: Blumen gehen ein, aber Menschen doch nicht! Sie war kaum zu beruhigen.“

So sind wir wieder beim Thema Tod. Loni erzählt, eine Schulkameradin ihres Sohnes sei von einem Lastwagen überfahren worden, lag noch eine Woche im Krankenhaus im Koma und ist dann gestorben.

„Die Frau von unserem Nachbarn an der Ecke ist letztes Jahr auch überfahren worden. Von ’ner Straßenbahn“, erzählt Omar, „aber die war gleich tot. Das war okay.“ Er streicht sich genüsslich über sein ansehnliches Bäuchlein.

„Das ist sein Feinkostspeicher“, kommentiert Rainer, der sich bisher der ansprechenden Unterhaltung völlig entzogen hat. „Schon Goethe hat es sich immer schmecken lassen.“ Dann zitiert er den großen Dichter: „Gestern wieder voll gewesen. Wie kam ich nachts ins Nest? Über andere hingegen hat der Herr Geheimrat abgelästert: Auch frißet er entsetzlich!, äußerte er über einen Adeligen. Udo hieß der, glaube ich.“

„Quatsch!“, fällt ihm Kerstin ins Wort. „Udo ist unser dicker Freund, dessen Motto lautet: An einem netten Menschen kann nicht genug dran sein! Maria, seine Frau, und Udo, beide dick, werden nur die Mollis genannt.“

„Als er Maria geheiratet hat, war sie aber nur halb so viel“, stellt Rainer klar.

„Tja, die leben halt in einer Zugewinngemeinschaft“, meint Kerstin. „Udo sagt, er habe sie irgendwann mal geheiratet, aber er wüsste auch nicht mehr, warum.“

„Ein Bekannter von uns“, fügt Gert hinzu, „also sehr weitläufig Bekannter“, versichert er, „goss sich Kölnisch Wasser in den Wein, weil der ihm nicht schmeckte.“

„Damit hat er sich ja glatt vergiftet!“, schüttelt sich Daisy und führt uns so zu den eigentlichen Themen des Abends zurück.

Omar trägt zur beschaulichen Stimmung bei, indem er von Entführung und Folter im Irak berichtet: „Einem 17-Jährigen hat man die Finger abgehackt und ihn dann bei lebendigem Leibe abgefackelt!“

Alle verharren ob dieser grausigen Bilder andächtig mit erhobener Gabel und unterbrechen kurz das Essen. Mit dieser Schauerstory hat er wirklich alles andere getoppt.

Man wendet sich wieder alltäglicheren Dingen zu wie Narkoseunfälle und Herzinfarkt. Daisy trägt bei: „Meine Mutter hat immer um einen schnellen Tod gebetet und der wurde ihr auch gewährt.“

Dazu weiß Omar wiederum etwas beizusteuern: „Das war bei meiner Tante auch so. Die war supertot!“

Rainer blickt verträumt in den Kerzenschein. „Ich erinnere mich an ein familiäres Weihnachtsfest, als ich noch ein Jüngling war. Mein Cousin war total blau und kippte mitsamt Stuhl um. Der Onkel ohrfeigte die Tante und zerriss ihr die neue Bluse. Meine Schwester stritt mit ihrem Ehemann. Der Freund der jüngeren Schwester erschien erst gar nicht. Das Essen war völlig verkocht. Und schließlich brannte noch der Baum. Ich saß kopfschüttelnd am Tisch und murmelte immer wieder nur den einen Satz: Eine schöne Bescherung! Eine schöne Bescherung!“

„Das ist ja kaum zu glauben!“, wendet Loni ein.

„Ich schwöre bei meiner Möhre!“, versichert Rainer.

„Na, da ist ja nicht viel zu verlieren!“, meint Kerstin lakonisch.

„Pass auf, was du sagst! Das geht auf die Psyche!“ Er horcht aufmerksam in sich hinein. „Ich glaub, ich spür schon was!“

„Ja, mein Abgrundguter“, beschwichtigt seine bessere Hälfte, „ich nehm’s mir zu Herzen!“

Um die Stimmung aufzuheitern, möchte Omar eine pfiffige, arabische Musik auflegen, doch seine Frau protestiert. „Die heulen grauenvoll, leg lieber Weihnachtslieder auf. Deutsche!“

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