Czytaj książkę: «Wacken Roll»
Andreas Schöwe
WACKEN ROLL
Das größte Heavy Metal-Festival der Welt
Der Autor
Andreas Schöwe ist seit 1990 für die Zeitschrift METAL HAMMER tätig und zählt seit zwei Jahrzehnten zu den renommiertesten Journalisten dieses Genres weltweit. Als Kenner der Rockszene hat er bereits Stars wie Metallica, Guns N’Roses, Aerosmith, Deep Purple, Black Sabbath, Mötley Crüe, AC/DC oder die Scorpions porträtiert. Zuletzt erschien sein Buch All Access/All Excess – Rock Stars unzensiert (2006), aktuell schreibt Andreas Schöwe auch für das Magazin Rock It!.
Danksagung
Autor und Verlag bedanken sich bei Holger Hübner, Thomas Jensen, Britta Kock und dem gesamten Team bei ICS/WOA sowie bei allen Beteiligten, die mit Interviews und Bildmaterial zur Verfügung standen, für die freundliche Unterstützung bei diesem aufwendigen Buchprojekt.
Impressum
2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2012
© 2009, 2012 Hannibal Verlag, ein Imprint der Koch International GmbH, A-6604-Höfen
Lektorat: Eckhard Schwettmann
Cover: büro süd
Coverfoto: Skill Media, Donzdorf
Fotos Innenteil: Sofern nicht anders angegeben: Andreas Schöwe. Kapitel 3 (Wacken Historie): Mit freundlicher Genehmigung der Veranstalter, ICS International Concert Service GmbH
Ebook: www.buchsatz.com
ISBN 978-3-85445-377-2
Auch als Paperback erhältlich: ISBN 978-3-85445-376-5
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne eine schriftliche Genehmigung nicht verwendet oder reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhalt
Vorwort
Wacken – die Gemeinde
Die Historie des W:O:A
1990–1994: Wie alles begann
1995–1997: Die Medien werden aufmerksam
1998–2000: 4 Bühnen mit 100 Bands
2001–2008: Die größte Metal-Party der Welt
2009–2012: Das größte Metal-Festival der Welt
W:O:A – Die Macher
Interview mit Holger Hübner und Thomas Jensen
Thomas Hess, Produktionsleitung W:O:A
Bauer Uwe Trede
Gerald Wilkes, Continental Concerts
Bürgermeister, Feuerwehr, Polizei & Co
Bürgermeister Axel Kunkel
Das Ordnungsamt, Leiter des Amtes Gerhard Tolksdorf
Die Polizeidirektion Itzehoe, Polizeidirektor Uwe Kleinig
Die Feuerwehr, Wehrführer Matthias Venohr
Die Rettungsdienste, Leiter Volker Böhm
Wacken – Die Medien
Rock Hard, Götz Kühnemund
Metal Hammer, Thorsten Zahn
Wolfgang Rott, CMM
ZDFkultur, Meike Klingenbach
NDR, Harald Woynar
Wacken – Leben im Belagerungszustand
Impressionen vom Dorfleben während des W:O:A
CDU-Landtagsabgeordneter Arp
Haupstraße 49 – Eine W:O:A-Party-Institution
Wacken – Die Nachwuchsföderungen
Das W:O:A Metal Battle – Get ready to rumble Metalheads!
Die Wacken Foundation – von Metaller für Metaller
Doro Pesch – Kuratoriumsmitglied
Die Wacken Hymne
Wacken – die Musiker (in chronologischer Reihenfolge)
Skyline, Andy Göser
Blind Guardian, Hansi Kürsch
Saxon, Biff Byford
Asmodis / Paragon, Jan Bünning
Doro, Doro Pesch
Gamma Ray, Kai Hansen
Onkel Tom, Tom Angelripper
Holy Moses / Temple Of The Absurd, Sabina Classen
Böhse Onkelz
Kreator, Milan „Mille“ Petrozza
U.D.O., Udo Dirkschneider
Grave Digger, Chris Boltendahl
HammerFall, Oscar Dronjak
Rage, Peter „Peavy“ Wagner
Subway To Sally
Savatage, Jon Oliva
Edguy / Avantasia, Tobias Sammet
Sinner / Primal Fear, Mat Sinner
Overkill, Bobby „Blitz“ Ellsworth
Stratovarius, Jörg Michael
Dimmu Borgir, Silenoz
Exodus, Gary Holt
Wacken Firefighters, Arno Henninga
Scorpions, Klaus Meine und Rudolf Schenker
Iron Maiden, Manager Rod Smallwood
Heaven And Hell
Battle Beast, Anton Kabanen
Mötley Crüe, Tommy Lee
Judas Priest 2011
Wacken – die Metalheads
Allgemeine Impressionen
Die Hemer-Clique
Die Rendsburger Wacken Crew
Der Mann mit dem „Feuerroten Spielmobil“
Voodoo Bongos
Skulkrusher FanClub
Rockabend Concerts, Josef „Meggy“ Schneider
Die Memminger: Matthias Ressler und Rainer Schneider
W:O:A – Die Macher Reprise 2012
Interview mit Holger Hübner und Thomas Jensen
Wacken in Zahlen
Wacken – Der RaiBa-Turm
Epilog: Das Ortsschild
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Vorwort
W:O:A. Drei Buchstaben – ein Mythos.
Das Wacken:Open:Air zählt weltweit zu den größten Heavy Metal-Festivals überhaupt und wird im Jahre 2014 bereits zum 25. Mal bei der schleswig-holsteinischen Gemeinde Wacken veranstaltet.
Doch wie avancierte die 1990 zum ersten Mal als „größere Gartenparty“ durchgeführte Veranstaltung zu einem der größten Rock- und Heavy Metal-Kult-Events schlechthin, das bereits etliche Monate vor dem Auftakt restlos ausverkauft ist?
Warum ausgerechnet das Wacken:Open:Air – und nicht ähnliche Veranstaltungsreihen in Scheßel oder Jübeck?
Wie konnte das passieren?
Dieses Buch liefert anhand der Erinnerungen und Eindrücke von Zeitzeugen, an der Organisation Beteiligten, Musikern und Fans den Versuch einer Erklärung des Phänomens Wacken – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn Phänomene und – um ein anderes Schlagwort ins Feld zu führen – „Kult“ sind kaum greifbar: Die Gründe, die zu ihrer Entstehung führen, lassen sich nur selten stichhaltig mit rationalen Fakten erklären.
Man muss dabei gewesen sein, sie selbst erlebt haben.
Und das ist auch gut so …
In diesem Sinne:
Wacken Roll!
Wacken – die Gemeinde
Es war einmal, eine kleine, beschauliche Gemeinde etwa 20 Kilometer nördlich von Itzehoe beziehungsweise 50 Kilometer nordwestlich von Hamburg: Wacken. Ein Örtchen, das nachweislich im Jahr 1148 erstmalig erwähnt wird, wobei allerdings Funde am nordöstlichen Ortsrand aus frühzeitlicher germanischer Vorzeit sowie das Hünengrab bei Vaale eine ältere Ansiedlung vermuten lassen. Der bedeutendste archäologische Fund – drei Gürtelschalen aus der Bronzezeit – sind im Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig ausgestellt. Womit sich auch gleichzeitig ein Querverweis auf das Wappen der Gemeinde ergibt, in dem eine solche Gürtelschale abgebildet ist.
Der weitere historische Abriss liest sich offiziell so: „Mit dem Bau der Kirche 1861 erhält Wacken 1863 ein eigenes Kirchspiel und wird so Mittelpunkt von neun umliegenden Gemeinden, respektive interessant für Handwerk und Gewerbe. Folglich steigt die Einwohnerzahl. 100 Jahre später, im Jahre 1967, wird die Gemeinde Wacken zum ländlichen Zentralort erklärt und verpflichtet sich somit, die Grundversorgung der Bevölkerung und die der Nahbereiche aufrecht zu erhalten und auszubauen. Eine rege Bautätigkeit ist die Folge, und die Zahl der Einwohner steigt weiter auf 1.459. (…) Zur 850-Jahrfeier wurde 1998 ein Dorfplatz errichtet, der den Mittelpunkt der Gemeinde für viele Veranstaltungen bildet. Ebenfalls zur 850-Jahr-Feier wurde eine umfangreiche Dorfchronik mit separatem Bildband herausgegeben, die die Entwicklung Wackens detailliert wiedergibt.“
Heute, so heißt es weiter in der offiziellen Präsentation der Gemeinde, verfüge Wacken unter anderem über „eine moderne Kindertagesstätte und eine große Sporthalle mit gepflegten Sportplätzen sowie ein herrlich gelegenes Schwimmbad“. Überhaupt: „Alle Dienstleistungsbereiche für die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs sind vorhanden und gewährleisten einen hohen Lebensstandard in einer modernen Gemeinde mit ländlichem Charakter.“ Dass allerdings auch eine „zentrale Wasserversorgung und Ortsentwässerung“ vorhanden sei – das werden an dieser Stelle zumindest die zigtausend Besucher des Festivalgeländes des Wacken:Open:Airs, die vor den zahlreichen Dixi-Klos Schlange stehen, mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, aber dazu später mehr. Denn in Wacken bieten sich aufgrund der günstigen geografischen Lage sinnvolle Freizeitaktivitäten jeglicher Couleur an: So kann der wackere Wackener in und um Wacken „gleich bei sich zu Hause ohne lange Fahrten mit dem Auto Natur pur genießen – das ganze Jahr über. Und das bedeutet pure Lebensqualität, jeden Tag. Egal ob zu Fuß bei einem Spaziergang durch die hügelige Waldlandschaft mit kleinen Seen, auf einer Radtour zum nahen Nord-Ostsee-Kanal, den jährlich unzählige Traumschiffe streifen, oder auf einer Erkundungstour mit den Inline-Skates.“ Und: „Neben den naturnahen Freizeitaktivitäten bietet Wacken aber auch sportliche und gesellige Treffpunkte: Mitgliedschaft im Sportverein, Angeln im Anglerclub, Singen im Chor oder Engagement bei der Feuerwehr sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die das Leben in der Gemeinde Wacken attraktiv machen.“
Jener „gemischte Männerchor“ – 1899 als Männergesangverein „Eintracht“ gegründet – nahm übrigens seit 1954 Frauenstimmen in seine Männerdomäne auf. Damit setzten die Wackener schon frühzeitig Akzente in Sachen Gleichberechtigung und Emanzipation – der Deutsche Fußball-Bund zum Beispiel strich erst 1970 das bis dahin aus „ästhetischen Gründen“ bestehende Verbot des Frauenfußballs aus seinen Statuten. Und die Schweizer Frauen erhielten erst am 7. Februar 1971 nach einer Volksabstimmung unter Männern – die mit der Zweidrittelmehrheit von 621.000 Ja- gegen 323.000 Nein-Votierungen stimmten – das Wahlrecht auf Bundesebene. Aber wir schweifen ab …
Wacken hingegen sei schon immer „auf übergeschlechtlichen Breitensport ausgerichtet – sowohl im über 1.000 Mitglieder zählenden TSV Wacken e.V. als auch im 1947 gegründeten Angelverein Früh-Auf-Vaale e.V., der zur Zeit auf 175 Mitglieder verweisen kann und zu dessen Vereinsgewässern auch vier Moorkuhlen zählen“.
Als Sehenswürdigkeiten werden die sich in der Nähe befindende tiefste Landstelle Deutschlands, der ebenfalls nicht allzu ferne Nord-Ostsee-Kanal oder die Spuren des Königsweges von Itzehoe über Wacken nach Dithmarschen genannt. Ach ja: Und das bereits erwähnte Hünengrab aus der germanischen Vorzeit am Ortsausgang. Um dieses besichtigen zu können, muss der geschichtsbewusste Interessent allerdings über sehr gute Augen verfügen (der Autor dieser Zeilen spricht da aus Erfahrung): Alleine die nach dem Weg zu dieser „Sehenswürdigkeit“ befragten Einheimischen grinsen spöttisch, und ist man erst einmal ihren Richtungsangaben gefolgt, steht der Großes erwartende Tourist vor einem unscheinbaren Hügelchen. Es könnte auch ein längst verlassener, dem Wildwuchs preisgegebener Ameisenhügel sein. Oder mit Gras überwachsener Bauschutt …
Soweit, so gut – und soviel zum „offiziellen“ Wacken. Doch einmal im Jahr mutiert Wacken quasi zum Gegenteil dieser heilen, beschaulichen Welt – und in 2009 zum 20. Mal. Zu einem Ort, an dem „nur im Notfall geschlafen und im Regelfall gerockt wird“. An dem sich die Spreu vom Weizen trennt, der Mann von der Memme, der „Heavy“ vom „Müsli“. Ein Ort, der nichts ist für Warmduscher und Weicheier. Ein Ort, an dem Kondition und Durchhaltevermögen zählen. Ein Ort, der ähnlich einem Eignungstest beim Bund zum Belastungstest des Schwermetallers avanciert – denn wie heißt es doch so schön? „Wacken ist kein Kindergeburtstag!“: Hat Mann/Frau diesen Test bestanden, ist Mann/Frau drin im erlauchten Kreise der „Metal-Community“. Und kommt von dieser nicht mehr so schnell los. Manche tauche ein Leben lang ein, in dieses stets am ersten Augustwochenende live-haftig zelebrierte Paralleluniversum.
Und das alles kam so …
Die Historie des W:O:A
1990–1994: Wie alles begann
Wie immer in solchen Fällen: Am Anfang gab es diesen Geistesblitz – manche würden rückblickend von einer „Stammtischidee“ sprechen, die sich dann aus unerfindlichen Gründen verselbstständigte und zu etwas Großen heranwuchs.
In diesem Fall haben einige von der Rockmusik begeisterte Jungs den Einfall, in ihrer von den meisten internationalen Acts konsequent bis rigoros gemiedenen schleswig-holsteinischen Heimat, dem Kreis Steinburg, über die organisierten Busreisen zu Konzerten in Hamburg, Bremen oder Hannover hinaus selbst etwas auf die Beine zu stellen. Ihre Namen: Thomas Jensen und Holger Hübner.
Ersterer ist selbst aktiver Musiker, zupft den Bass in der Cover-Combo Skyline, besitzt somit Erfahrungen im Bereich der Bühnentechnik, aber auch wertvolle Kontakte zu lokalen und überregionalen Veranstaltern und Tour-Promoter.
Letzterer betätigt sich oft als Rock- und Metal-DJ, verfügt dementsprechend über das sichere Gespür dafür, welche Trends gerade im Kommen sind und welche nicht. Beide kennen sich seit Jugendjahren, spielten zusammen Fußball beim TSV Wacken. Hübner begleitet in seiner Eigenschaft als Discjockey die Band seines Kumpels Thomas oft auf Gigs. Und während eines gemeinsamen Kneipenbesuchs, wird eines Abends im Spätherbst 1989 hemmungslos drauflos fantasiert: „Wie wär’s, wenn wir eine Rock-Party nicht mal in geschlossenen Räumlichkeiten durchziehen, sondern draußen?“ Zum Beispiel in jener Kuhle, die der lokale Motorradverein ‚No Mercys‘ für seine Treffen und Partys mit bis zu 3.000 Gästen nutzte und die sich somit ideal als erprobte Kampfesstätte anbot?
Und während in erster Linie die Skyline-Rhythmussektion – Bassist Thomas Jensen und Schlagwerker Andreas Göser, aber auch Thomas Bruder Jörg – begeistert von dieser Idee sind und die Initiative ergreifen, zieht Holger anfangs nur zögerlich, dann aber schnell hochgradig begeistert mit. Es ist auch Thomas, der dem soeben beschlossenen Unternehmen einen dezent professionellen Touch verliert, indem er den bis in die heutigen Tage gültigen Firmennamen fast schon im ureigenen Wortsinn in Stein meißelt: „Stone Castle Rock Promotion“ – wobei „Stone“ und „Castle“ der Eins-zu-eins-Übersetzung von „Steinburg“ (jenem Verwaltungsbezirk, in den auch die Gemeinde Wacken eingegliedert ist) entspringen.
Über zwei Dinge ist sich das Quartett von Anfang an einig: Wenn sie selbst ein eigenes Freiluft-Event auf die Beine stellen, dann „nur konsequent im harten Bereich“. Denn „musikalische Gemischtwarenhandlungen gab es Anfang der Neunziger bereits zur Genüge – zum Beispiel das Open Air ganz in der Nähe in Jübek. Außerdem wolle man so gleichzeitig versuchen, die Biker für die Idee eines Open Airs zu begeistern, sie zumindest zum Mitfeiern zu bewegen, so dass ein reger Publikumszuspruch garantiert wäre. Und zweitens: „Uns ärgerte, dass die großen Rock-Festivals in Deutschland – die berühmten ‚Monsters of Rock‘ in den Achtziger Jahren beziehungsweise später das ‚Super Rock‘ in Mannheim – immer nur als eintägige Events durchgeführt wurden. Meistens reiste man da einen Tag vorher im Auto an und übernachtete in selbigem, weil das Programm ja bereits um 12 Uhr mittags begann und man auch nicht einen einzigen Ton verpassen wollte. Und nach dem Schlussakkord legte man sich zum Ausnüchtern wieder ins Auto und schlug sich dort eine weitere Nacht um die Ohren. Deswegen war für uns klar: Wenn wir eine eigene Veranstaltung aus der Taufe heben wollen, dann mit entsprechendem Service, wie in Skandinavien bereits Usus – sprich: mit Camping- und Übernachtungsmöglichkeiten quasi direkt vor der Bühne!“
1990
Als Gelände bietet sich nach wie vor besagte Kieskuhle an, die heute den allerheiligsten Backstage-Bereich – das so genannte „Artist Village“ – beherbergt: Aufgrund der festen Bodenstruktur sind dort teure Unterbauten für die Bühne überflüssig. Äußerst praktisch zudem: Diese Kuhle dient nicht nur als „Veranstaltungszentrum“, sondern gleichzeitig auch als Park- und Campingplatz. 3-in-1, sozusagen.
Folglich muss nur noch ein geeigneter Termin gefunden werden. Da in den anvisierten Monaten Juni und Juli europaweit bereits Festivals satt den Terminkalender ausfüllen, bleibt nur der ungünstige August als Alternative. „Ungünstig“ deshalb, weil zumindest in den achtziger und neunziger Jahren sämtliche Agenturen ihre Bands in diesen beiden Monaten auf Tour schickten, um so die Chance zu erhöhen, ohne großen logistischen Aufwand in so manches Billing der etablierten Events rutschen zu können. Ab August hingegen herrscht auch im Rock-Business in der Regel das viel beschworene Sommerloch und somit Pause. (Wie sich die Zeiten ändern: Inzwischen mauserten sich die ersten August-Tage deswegen zum Kassenknüller, weil es so ziemlich das einzige Wochenende ist, an dem sich die Bürger aller Bundesländern trotz Staffelung meistens gleichzeitig an den Ferien erfreuen.)
Das Billing steht recht schnell. Thomas Jensen trumpft mit seiner Cover-Kapelle Skyline auf, durch seine Kontakte können noch weitere Acts für die Teilnahme am 1. Wacken:Open:Air begeistert werden wie zum Beispiel die in Metaller-Kreisen hoch geschätzten Wizzard, die besonders im Großraum Hamburg über eine treue Anhängerschaft verfügenden 5th Avenue sowie Axe’n Sex, Motoslug und Sacret Season.
Die Organisation wird – ebenfalls kostensparend – möglichst über Freunde und private Kontakte abgewickelt, wie Holger erzählt: „Von einem Zeltbauer liehen wir uns die Giebel, stellten sie selbst auf, während wir uns von der Spedition Lagerpusch um die Ecke einen Trailer mieteten, auf dem wir praktisch die gesamte PA installierten. Strom holten wir uns per Verlängerungsschnüre vom nächstgelegenen Hof.“ Als sanitäre Einrichtungen dienen ein Toilettenwagen und zehn auf dem Gelände aufgestellte Dixi-Kabinen – die „Security“ besteht im Wesentlichen aus zwei Kumpels vom örtlichen Biker-Club, deren Job sich auf die Kartenkontrolle am Einlass sowie auf das lockere Schlendern über den Platz, grimmig Schauen und Mitfeiern beschränkt.
Und so wird am Freitag, den 24. August 1990, um 19 Uhr vor etwa 800 Metalheads der Auftakt vollzogen zu einer geschichtsträchtigen Veranstaltung, von der niemand der in der Kuhle Stehenden auch nur ansatzweise ahnt, wie sehr damit die Metal-Szene weltweit revolutioniert werden soll. Denn an jenem Freitag steht nur eins im Vordergrund: der Party-Spaß bei lauter Musik und Delirium verheißenden Getränken …
In den Spielpausen und während der Bühnenumbauten legt DJ Hübi heiße Scheiben auf – etwa 500 Gäste „feiern Heavy Metal“ bis Ultimo und rund um die Uhr. Zum sonntagmorgendlichen Aufräumen und Müllsammeln torkelt jeder, der sich nach dem Besäufnis der letzten Nacht wieder einigermaßen auf den Hinterhufen halten kann. Bereits zu diesem Zeitpunkt – und während der After-Show-Party in den Räumlichkeiten des Motorradsportclubs Vaale – kursieren Fantastereien, was man denn in zwölf Monaten so alles auf die Beine stellen würde. Und da die Mentoren des Festivals finanziell nicht drauflegen müssen, nahezu plus/minus Null bilanzieren, steht tatsächlich rasch fest: Auch im nächsten Jahr gibt es wieder ein Wacken:Open:Air. Denn auch von der Nachbarschaft und aus dem Dorf gab es keinerlei Beschwerden, die eine Neuauflage des Events eventuell verhindert hätten. „Eigentlich teilte sich die Dorfbevölkerung in zwei Lager“, gibt Holger Hübner zu Protokoll. „Diejenigen, die mit uns mitfeierten – und diejenigen, die das alles nicht interessierte. Erst als 1996 im Zuge der Onkelz-Show Wacken einem unverhofften Massenansturm ausgesetzt war, wurden sie hellhörig und nahmen Notiz von unserem Treiben dort in der Kuhle – und setzten die kontroversen Diskussionen ein, ob man denn das alles so noch einmal bräuchte …“
1991
So improvisiert, wie vor zwölf Monaten alles begann, wurde nun auch die zweite Auflage der großen Sause in der Kuhle in Angriff genommen. Fest stand nur eins: Thomas Band Skyline würde – natürlich – dort erneut aufspielen.
Allerdings werden bereits in den ersten beiden Jahren, als das Wacken:Open:Air noch den Charakter einer (O-Ton Thomas Jensen) „Gartenparty“ besitzt, bis in die Gegenwart gültige Weichenstellungen vorgenommen: Das auf harte, extreme Musik ausgerichtete Konzept ist bis heute kompromisslos gültig, ebenso die Strategie, auf eine gesunde Mischung aus nationalen und internationalen Bands – respektive Newcomern und etablierten Legenden – zu setzen. Camping-Möglichkeiten mit dem fahrbaren Untersatz direkt neben dem Zelt sind selbstverständlich – Verbesserungsvorschläge und Anregungen seitens der Besucher, die so die Chance besitzen, „ihre“ Fete mitzugestalten, ausdrücklich willkommen. Der Party-Faktor sollte auch weiterhin oberste Priorität genießen – das DJ-Zelt mauserte sich mit den Jahren zum Party-Zelt, später dann zur Party-Stage.
Auch in personeller Hinsicht zeichnet sich das W:O:A-Team frühzeitig durch Stabilität aus: Die Kartenbestellungen für das Event nahm Andy Gösers Mutter Regina bis einschließlich 1994 zuhause entgegen – im Prinzip entstand daraus später die Wacken-eigene Kartenvorverkaufsagentur MetalTix. Als Security fungierten bis einschließlich 1996 unter anderem auch die Jungs von den befreundeten Biker-Clubs MC Atrox und MSC Aasbüttel. Firmen aus der Region stellen – früher wie heute – unter anderem Zelte, Bewirtschaftung und andere Dienstleistungen sicher. Und auch auf der musikalisch-technischen Ebene gilt: Wer einmal als Techniker im Schlepptau irgendeiner Band in Wacken aufkreuzt, bleibt dort in der Regel auch „kleben“. So wie der als freier Toningenieur unter anderem für Saxon und Blind Guardian arbeitende Uli Thiessen, der auch heute noch für den guten Sound in Wacken sorgt. Oder Gerald Wilkes, der ab 1995 mit seiner Agentur Continental Concerts das Ressort des Band-Bookings professionell betreut. Nicht zu vergessen Thomas Hess, der 1996 als Tourmanager die Böhsen Onkelz begleitete – und der seitdem für das W:O:A die Produktionsleitung übernimmt.
Doch selbst wenn sich in den ersten beiden Jahren die „Gartenpartys“ insofern rentieren, als dass die Veranstalter nach dem Event „plus/minus Null“ bilanzieren: In dem Moment, in dem sich das Festival etabliert und als feste Größe auf der Open-Air-Landkarte erscheint, wird aus dem Spaß schnell Ernst und sind die Wacken-Jungs – wohl gemerkt: allesamt als Autodidakten in das Business geraten – kommerziellen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Zum Beispiel dieser, dass mehr Gäste – zur zweiten Auflage besuchten mit etwa 1.300 Fans um die 500 Gäste mehr als im Vorjahr die Sause – auch mehr Kosten verursachen, und sei es nur hinsichtlich der Müllbeseitigung beziehungsweise der Abwasserentsorgung, für die anfangs noch das örtliche Klärbecken herhalten musste (das aufgrund des plötzlich großen Zulaufs schon mal zu kippen droht). Oder dass sich der Aufbau professioneller Strukturen für nur eine einzige Veranstaltung im Jahr nicht lohnt, weil das ökonomische Potenzial dieser Strukturen die restliche Zeit der zwölf Monate nicht brachliegen sollte, also genutzt werden müsste, – zum Beispiel für die Organisation von Tourneen oder anderen Veranstaltungen.
Genau das nehmen Hübner, Jensen & Co. in Angriff: Zwischen den Festivals verdingen sich Stone Castle Rock Promotion verstärkt als lokaler Konzertveranstalter, sammeln dabei weitere Erfahrungen im Bereich des Bookings, der Event-Werbung und der Organisation von Veranstaltungen, knüpfen dabei wertvolle Kontakte. Wohlgemerkt: Alles nebenberuflich. Noch …
1992
Ab jetzt wird geklotzt und nicht gekleckert: Um dem Image einer Wald-und-Wiesen-Party zu begegnen, installieren die Organisatoren erstmals eine Bühne plus PA und Lichtanlage mit professionellen Dimensionen in der Kuhle. Im Bestreben, die dadurch entstehenden höheren Kosten aufzufangen, werden Agenturen kontaktiert, die Werbepartner und Sponsoren vermitteln (bisher trat als solcher lediglich Holgers und Thomas Kumpel Hinnerk Husmann mit seiner Firma Aquafant in Erscheinung). Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Letztlich zappelt lediglich der Zigarettenkonzern Prince Denmark an der Angel und ist bereit, etwas Geld aus seiner Portokasse locker zu machen: „Als sie unseren Plakat-Entwurf mit unserem Logo, dem Wacken-Totenschädel, sahen, kriegten sie die Krise“, erinnert sich Holger. „Sie bestanden auf normierte Plakate, die sie neben dem W:O:A für die in diesem Sommer stattfindenden Open Airs in Jübeck, Wallsbül und Rendsburg verwenden könnten. Wir ließen uns darauf ein – aber nur dieses eine Mal, und in Zukunft nie wieder.“
So entsteht der Slogan „Sponsored by Nobody“ – von niemandem gesponsort …
Das W:O:A 1992 geht schon alleine deshalb als erstes „richtiges“ Open Air in die Wacken-Annalen ein, weil jetzt mit Blind Guardian und Saxon zwei renommierte Acts auftrumpfen, die als „amtliche“ Headliner gelten: Die Krefelder zählen zu den Shoting Stars der deutschen Metal-Szene, feiern sogar im fernen Japan riesige Erfolge, werden dort fast schon gottgleich verehrt – und über die New-Wave-of-British-Heavy Metal-Legende Saxon in Metaller-Kreisen noch Worte zu verlieren, hieße Krabbencocktails nach Sylt tragen. Aber auch die in Insider-Kreisen hoch gehandelten irischen Hard-Rocker Mama’s Boys tragen ihr Scherflein zum Image-Gewinn des Festivals mit bei.
Hinzu kommt: Erstmals wird im Party-Zelt eine zweite Bühne installiert – die „Party Stage“, die in erster Linie Cover- und Spaß-Combos vorbehalten bleibt, die während des Umbaus auf der Hauptbühne die Wartezeit durch ihre Fun-Gigs überbrücken helfen sollen. Durch diese zweite Bühne – und durch den zu erwartenden größeren Andrang – wird der Platz in der Kuhle zu klein, um gleichzeitig dort zu Zelten. Also fragen Hübner, Jensen & Co. den Besitzer der Koppel auf der anderen Straßenseite (etwa an der Stelle, an der sich heute die Hauptbühnen befinden), ob er etwas dagegen hätte, wenn sein Acker am 21./22. August einer veränderten Nutzung zugeführt wird: der des Park- und Campingplatzes. Der Name des Besitzers jener Scholle, der später generell die Akquirierung von Ackerflächen übernehmen und seinerseits zur Wacken-Kult-Figure avancieren sollte: Uwe Trede.
Allerdings entstehen auch verstärkt unverhoffte Mehrkosten, die dem ganzen Spaß ein riesiges Loch bescheren, wie Holger Hübner illustriert: „In der Kuhle tummelten sich etwa 2.500 zahlende Gäste, die in erster Linie wegen der gebuchten Bands in Wacken anreisten. Auf dem Zeltplatz aber feierten noch einmal recht viele Leute ordentlich Party, ließen sich gratis von der Musik, die von der anderen Straßenseite rüber schallte, berieseln. Dementsprechend stiegen dann auch die Kosten für die Müllbeseitigung – was uns allerdings erst Wochen später einen Strich durch die Endabrechnung machte!“
Trotzdem hätte auch unter der Bilanz der 92er Ausgabe des Wacken:Open:Airs eine „schwarze Null“ stehen können. Dennoch bilanzieren die Organisatoren „ein Minus von etwa 25.000 Mark“. „Aus Dusseligkeit“, wie Thomas Jensen rückblickend zugibt, „wir saßen einem falschen Ratschlag auf.“ Denn als die erstmals angeheuerte professionelle Security am ersten Abend während der Show des Headliners Blind Guardian über 2.500 Zuschauer zählte, erwarteten sie für den zweiten Tag für den Auftritt des Top-Acts Saxon etwa 5.000, wenn nicht gar 10.000 Besucher. Um diesem vermeintlichen Andrang im Falle des Falles Herr werden zu können, stockte die für die Sicherheit auf dem Gelände zuständige Firma ihre Mannschaft um 50 mit allem Drum und Dran ausgerüsteten Ordnern auf. Die wiederum haben ihren Preis – auch wenn diese Aktion letztlich nicht notwendig gewesen wäre …
Unabhängig davon forcieren die Wackener den Aufbau eigener Strukturen: Konzerte, Partys, Rock-Nächte und ähnliche Veranstaltungen werden auch in anderen Städten organisiert – darüber hinaus zum Beispiel eigene Absperrgitter angefertigt und diese vermietet. Allerdings gibt es auch Rückschläge – und das Jahr 1993, eines der schwärzesten in der Wacken-Geschichte.
1993
Noch ahnt niemand, dass das Jahr 1993 als „Seuchenjahr“ in die W:O:A-Annalen eingehen wird: Thomas Mutter stirbt, Holger erleidet am 13. Dezember 1993 einen schweren Unfall, der ihn für lange Zeit ans Krankenbett fesselt – und kurz vor Weihnachten stehen die Festival-Organisatoren vor dem Ruin.
Unabhängig davon rücken seit diesem Jahr mehr denn je bewusst initiierte Reunionen als „Special Events“ in den Fokus des Billings, sozusagen als eine der maßgeblichen Hauptattraktionen des Festival-Programms. „Aufgrund unseres Standortnachteils bestand die Notwendigkeit, Programmpunkte zu entwickeln, die einen zusätzlichen Reiz auf unsere potenzielle Kundschaft ausüben, sozusagen als Besuchermagnet wirken“, erzählt Thomas Jensen. „Denn Festivals gab es schon zu jener Zeit wie Sand am Meer, und alleine das Dynamo Open Air im holländischen Eindhoven stellte zu der Zeit zunehmend eine Macht dar. Wir wollten uns aber von der Konkurrenz abheben, unseren Besuchern Bands bieten, die sie eben nicht jeden Tag auf den anderen Festivals sehen, sondern ihnen etwas nicht Alltägliches vorsetzen, in dessen Genuss sie ausschließlich in Wacken – und sonst nirgendwo – kommen!“
Im Jahre 1993 sind es die US-Progressive-Metaller Fates Warning, deren Ankündigung für ein Raunen unter den Kennern der Materie sorgen, gilt das Quintett doch in Fachkreisen als „Kult“. Und momentan als „unsigned“, denn der Plattenvertrag mit dem alten Label war ausgelaufen, ein neuer Vertrag nicht in Sicht, da der Fünfer nicht in die immer noch herrschende Doktrin des Grunge-Booms passt. Mit anderen Worten: Fates Warning sind faktisch tot. „Deren Chef-Gitarrist Jim Matheos nahm gerade in einem Studio nahe Hamburg sein Solo-Album auf. So entstand die Idee, die ehemaligen Bundesgenossen doch noch einmal zusammenzutrommeln, sie nach Deutschland einzufliegen, dort eine Woche lang proben zu lassen und das alles als Fates-Warning-Reunion für das Open Air anzukündigen.“ Diese Ganze Aktion kostet die Veranstalter (O-Ton Jensen) „irre Summen“. Weniger hinsichtlich der Gagen, die nur einen Bruchteil der Spesen ausmacht. Vielmehr schlagen die Kosten für Flugtickets, Hotels und PA- sowie den Proberaum in Wilster exorbitant zu Buche. Allerdings stellt sich ein nicht zu unterschätzender Promotion-Effekt ein: „Auf der kurz zuvor in Köln veranstalteten Musikmesse traute niemand seinen Ohren, als wir erzählten, Fates Warning würden bei uns auftreten – alle dachten, die Band hätte sich ob ihrer aussichtslosen geschäftlichen Situation desillusioniert aufgelöst!“, schwärmt Jensen noch heute von der von Ungläubigkeit gezeichneten Gesichtern seiner Gegenüber auf jenem Business-Event.