Czytaj książkę: «Sportgeschichte in 60 Minuten»

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Andreas Luh

Sportgeschichte in 60 Minuten

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung und Kapiteleinstiegsseiten: © iStock – baona

„Sportgeschichte in 60 Minuten“ führt kompakt und verständlich in die Problemstellungen und Methoden dieser Teildisziplin der Sportwissenschaft ein.

Alle Titel „in 60 Minuten“: Sportpädagogik, Sportgeschichte, Sportsoziologie, Sportökonomik, Sportmedizin, Sportpsychologie, Bewegungswissenschaft und Trainingswissenschaft.

Prof. Dr. Andreas Luh arbeitet als Akademischer Oberrat und apl. Professor an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Schwerpunkte seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit sind die Sozial- und Zeitgeschichte des Sports und die Sportart Badminton. andreas.luh@rub.de

© UVK Verlag 2020

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ISBN 978-3-7398-3075-9 (ePDF)

ISBN 978-3-7398-8075-4 (ePub)

Inhalt

  Sportgeschichte in 60 Minuten

  1 Einführung – Die Bedeutung (sport-)historischen Denkens

  2 Entstehung und Entwicklung der Sportgeschichte

  3 Themenfelder, Theorien und Methoden der Sportgeschichte

  4 Verhältnis der Sportgeschichte zur Sportpraxis

  Praxisbeispiel: Kinder und Jugendliche im DDR-Spitzensport aus sporthistorischer Perspektive

  Literatur

  Kommentierte Links zu Verbänden, Zeitschriften, aktuellen Podcasts und Videos


Sportgeschichte in 60 Minuten

Die Sportgeschichte war neben der Sportmedizin und der Sportpädagogik lange Zeit eine der drei Hauptsäulen der jungen akademischen Disziplin Sportwissenschaft, wie sie – als Theorie der Leibesübungen – in den 1920er Jahren entstanden ist. Dennoch ist die Sportgeschichte als akademische Fachdisziplin an den sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtungen in Deutschland heute nahezu verschwunden. Obwohl oder gerade, weil das so ist, werden an dieser Stelle die Sportgeschichte und ihre Bedeutung im Rahmen eines sportwissenschaftlichen Studiums vorgestellt und begründet.1

Die Sportgeschichte kann als humanwissenschaftlich orientierte sportwissenschaftliche Teildisziplin wenig direkt verwertbares Wissen liefern, dafür allerdings ein breites, tief gestaffeltes Orientierungswissen (Gissel, 2000). Der sporthistorische Blick in andere Zeiten und Kulturen kann gegenwärtige sportliche Phänomene in ihrer Bedeutung einordnen, erklären und verstehen helfen.

Lernziele

 Die Leser erfahren, mit welchen Phänomenen sich die Sportgeschichte beschäftigt und welche Themen aus ihrer Sicht relevant sind.

 Sie erkennen, wie die Sportgeschichte entstanden ist, wie sie sich bis zum heutigen Stand entwickelt hat und welche Verbindungen zu ihrer Mutterwissenschaft bestehen.

 Sie lernen wissenschaftliche Zielsetzungen und Aufgaben der Sportgeschichte kennen und reflektieren, mit welchen Theorien sich die Sportgeschichte den für sie relevanten Phänomenen und Themen nähert, welchen Problem-/Fragestellungen sie sich widmet und welche Methoden dabei typischerweise zum Einsatz kommen.

 Sie erfahren, in welchem Verhältnis die Sportgeschichte zur Sportpraxis steht, insbesondere welche Bedeutung die Sportpraxis ihren Forschungsergebnissen beimisst.


1 Einführung – Die Bedeutung (sport-)historischen Denkens

Geschichte liegt nicht einfach als gegebene Vergangenheit vor; Geschichte entsteht (ständig neu) im Kopf eines jeden Menschen. Jeder Studierende, jede Familie, jeder Sportverein, jede Schule, jede Sportfakultät, jede Stadt, jede Region und jeder Staat hat ihre/seine Geschichte. Individuen wie Gruppen bilden ihre Identität durch Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Sie verankern sich historisch, „indem sie sich in bestimmte Traditionen einordnen, denen sie wiederum ihre Identität entnehmen“ (Lorenz, 1997, S.410). Die Identität von Menschen und menschlichen Gruppen ist dementsprechend ihre eigene historische Konstruktion. Ausgehend von diesem Gedankengang liegt den weiteren Ausführungen die folgende Begriffsbestimmung von Geschichte zugrunde:

(Sport-)Geschichte ist ein bedeutungsvoller Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart, den Menschen erzählend herstellen, um Orientierung für gegenwärtiges und zukünftiges Handeln zu gewinnen.

Was den Menschen als Mensch ausmacht, ist die Fähigkeit zu denken, sich zu erinnern und Zukunftsvorstellungen zu entwickeln. In jedem gelebten Moment wird Zukunft zu Gegenwart und Gegenwart zu Vergangenheit. In diesem unaufhaltsam ablaufenden Prozess muss der Mensch seine Identität bewahren und entwickeln. Indem Menschen ebenso wie Gemeinschaften Geschichten erzählen, verarbeiten sie die auf sie einströmende Natur-Zeit in gedeutete humane Zeit, wie es der Geschichtsdidaktiker Rüsen formuliert (Rüsen, 1983; 1986). Unverarbeitete Natur-Zeit kann den Menschen bedrohen. Nur in erzählter, verarbeiteter und gedeuteter humaner Zeit kann der Mensch planend Zukunftsabsichten, Erwartungen und Hoffnungen entwickeln.

Die Verdrängung momentan nicht bewältigbarer Erlebnisse ist ein häufig anzutreffender Umgang mit bedrohlicher Gegenwartserfahrung. Der Geschichtswissenschaftler Lorenz (1997) verweist darauf, dass „ein gewisses Maß an Verdrängung (jedenfalls nach Freud) der Preis für jede Kultur“ sei und der Verdrängungsmechanismus die persönliche Identität unter traumatisierenden Umständen oft auch schützt. Aber ein Übermaß an Verdrängung führe zu einer Destabilisierung der Identität. Je mehr Aspekte seiner persönlichen Vergangenheit man verwerfe, desto weniger bleibe übrig, mit dem man sich identifizieren könne.

„Daß viele Menschen mit Identitätsproblemen schließlich einen Therapeuten aufsuchen, beweist, daß man unter seiner Vergangenheit leiden kann und daß es nicht möglich ist, sie einfach, wie eine Schlange ihre Haut, abzustreifen. Jeder Mensch verkörpert seine Geschichte, in die er ‚verstrickt‘ ist. Vergleichbare Probleme treten in den Geschichten von Kollektiven auf, wenn die Beziehung zwischen Gegenwart und Vergangenheit durch einen abrupten Bruch gestört wird. Die deutsche Geschichte [von 1933 bis 1945 und] nach 1945 ist dafür ein treffendes Beispiel“ (Lorenz, 1997, S.411).

Abb. 1:

Historisches Denken im Alltag des Menschen (Luh, 2004, S.443)

Glücklicherweise hat der Mensch nicht nur mit Identität brechenden Zeiterfahrungen zu tun, sondern auch mit Identität bestätigender, Identität entwickelnder und Identität modifizierender Zeiterfahrung, die alltäglich in ganz unterschiedlicher Form erzählend in humane Zeit umgewandelt wird: Ein Student, der nach Hause kommt, erzählt stolz von einer guten Note oder verschweigt eine schlechte – und sieht sich hierdurch in seinem studentischen Lebens- und Arbeitsverhalten bestätigt oder infrage gestellt. Nach einem Besuch im Fußballstadion treffen sich viele Fans mit Gleichgesinnten in ihrer Stammkneipe zu einer Nachbesprechung der in der „Ostkurve“ oder auf der „Südtribüne“ erlebten Zeit, bestätigen ihre Identität als treue Vereinsanhänger und verabreden sich für ein zukünftiges Heimspiel. Platziert ein Sportler, der lange verletzt war, nach einem mühevollen Aufbautraining einen gewonnenen Pokal an herausragender Stelle, ist das zweifellos auch eine Form der erzählenden Verarbeitung von bedeutsam erlebter Zeit bei gleichzeitigem Gewinn einer auf die Zukunft ausgerichteten Trainings- und Lebensperspektive.

Als denkender „Homo sapiens“ ist der Mensch nach Marcus T. Cicero auch ein geschichtliches Wesen, ein „Homo historicus“, der sich reflektiert oder unreflektiert seiner Geschichte stellen und in ihr leben muss. Der Mensch hat (seine) Geschichte; Geschichtlichkeit ist ein Kennzeichen des Mensch-Seins.

Orientierungsleistungen und didaktische Potenziale der Sportgeschichte

Seit den 1970er Jahren haben Sporthistoriker auf verschiedenartige Orientierungsleistungen sporthistorischen Denkens verwiesen. Einige zentrale „didaktische Potenziale“ der Sportgeschichte werden im Folgenden vorgestellt.

Die gegenwartsgenetische sporthistorische Orientierungsleistung

 Historische Kenntnisse sind unverzichtbar für das Verständnis gegenwärtiger Institutionen und Verhaltensweisen, indem sie deren Ursachen, ihre Entstehungsbedingungen und ihre Entwicklung aufdecken (Ueberhorst, 1980). Zum Beispiel ist die komplizierte, sich vielfältig überschneidende Organisationsstruktur des bundesdeutschen Vereins- und Verbandssports mit dem DOSB an der Spitze, mit den Landessportbünden, mit den Spitzenverbänden und deren Untergliederungen nicht organisationssoziologisch erklärbar, „sondern wird nur verständlich, wenn man das zähe Ringen unterschiedlicher sportlicher und politischer Interessengruppen um einen Neu- und Wiederaufbau in den Jahren 1945–1950 kennt“ (Gissel, 2000, S.320).

Die strukturgeschichtliche sporthistorische Orientierungsleistung

 Die strukturgeschichtliche Betrachtungsweise lenkt den Blick des Historikers auf „relativ dauerhafte, schwer veränderbare Phänomene, [auf strukturelle] Wirklichkeitsschichten mit langsamer Veränderungsgeschwindigkeit [und] auf die Erfassung übergreifender Zusammenhänge“ (Kocka, 1997, S.192), die Spielräume und Bedingungen menschlichen Handelns aufdecken. Bewegungskultur und Sport waren in sogenannten vormodernen Gesellschaften eingebunden in andere gesellschaftliche Teilbereiche wie Religion, Standeskultur, Militär oder Erziehung. In sogenannten modernen Gesellschaften erbringt der Sport zwar weiterhin Leistungen für andere gesellschaftliche Teilbereiche, nimmt allerdings als institutionell ausgeformter, eigenständiger gesellschaftlicher Teilbereich eine eigene Gestalt an (Strohmeyer, 1984a; 1984b; Luh, 2008; Eisenberg, 2010).

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