Czytaj książkę: «Pace e bene!»
Andreas Knapp
Pace e bene!
Ein spiritueller Pilgerführer für den Franziskusweg
Andreas Knapp
Pace e bene!
Ein spiritueller Pilgerführer
für den Franziskusweg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: © Ladiras/iStock.com)
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN 978-3-429-05367-3
ISBN 978-3-429-05036-8 (PDF)
ISBN 978-3-429-06446-4 (ePub)
Inhalt
Einführung
I. Mein Franz von Assisi
1. Eine Zeitreise
2. Der neue Reichtum
3. Kindheit und Jugend von Franziskus
4. Die Bekehrung: der andere Reichtum
5. Der Bruch mit dem Vater
6. Die ersten Gefährten
7. Die Armut als Braut des Franziskus
8. Gehorsam: aufeinander hören
9. Der Spielmann Gottes
10. Die Freundschaft mit Klara
11. „Der zweite Christus“
12. Schwester Tod
II. Themen für unterwegs
1. Vom Wandern zum Pilgern
2. Auf, brich auf!
3. Von Sehnsucht bewegt
4. Gott wandert mit
5. Sich vergegenwärtigen
6. Das Kreuz von San Damiano
7. Begegnung mit dem Aussätzigen:
der Umgang mit dem Fremden
8. Mit leichtem Gepäck
9. Mit der Armut verlobt
10. Alles ist gesegnet
11. Der große Gott macht sich klein (Greccio)
12. Der Wolf von Gubbio:
keine Angst vor dem Bedrohlichen
13. Stille und Einsamkeit
14. Ein Ruhetag – ein Tag des Schweigens
15. „Als der Herr mir Brüder gab …“
16. Gastfreundschaft
17. Die wahre Freude
18. Schicksalsgemeinschaft mit Jesus
19. Komm, Schwester Tod!
20. Es geht immer weiter
Anhang
Anmerkungen und Quellenangaben
Einführung
Viele Male und auf vielerlei Wegen bin ich nach Assisi gepilgert. Als ich vor gut 30 Jahren das erste Mal mit einer Gruppe von Studierenden vom Berg „La Verna“ Richtung Assisi aufgebrochen bin, haben wir uns gleich am ersten Tag schrecklich verlaufen. Damals gab es noch keine entsprechenden Wanderkarten oder Wegmarkierungen und schon gar kein Navi. Manche Pfade mussten von Dornen und Gestrüpp erst befreit werden. Glücklicherweise haben wir entdeckt, dass viele Wege nach Assisi führen.
Heute kann man sich dank Pilgerführer und Apps leichter orientieren. Ergänzend zu diesen topografischen Reiseführern möchte ich einen spirituellen Wegbegleiter an die Hand geben, in handlichem Format, damit dieser auch im möglichst leichten Rucksack noch Platz finden kann. Denn der Franziskusweg wird nicht durch die Anzahl der zurückgelegten Kilometer oder der verschickten Fotos zur Pilgertour. Es geht weniger darum, Neues zu erleben, als vielmehr darum, selbst neu zu werden. Was daher zählt, sind die inneren Wege. Möglicherweise liegen auch diese manchmal dornig und überwuchert vor uns. Doch Schritt für Schritt kann sich ein neuer Horizont eröffnen, der das Herz weitet.
In diesem Wegbegleiter finden Sie zunächst eine Lebensgeschichte des heiligen Franziskus. Manche seiner Wege und Wendungen können auch heute noch inspirieren. In einem zweiten Teil finden sich Themen für unterwegs, die zur spirituellen Gestaltung des Pilgerweges anregen wollen. Sie nehmen oft Erfahrungen aus dem Leben des Franziskus auf, folgen aber nicht unbedingt der Chronologie seines Lebens. Die Reihenfolge dieser Themen kann daher beliebig verändert und somit der eigenen Route und Länge der Pilgerreise angepasst werden. Für manche Themen legen sich bestimmte Orte nahe (etwa Greccio, Gubbio, La Verna).
Es empfiehlt sich, ein Tagebuch zu führen. Wer sich in den Pausen oder am Abend ein paar Notizen davon macht, was er erlebt hat oder was in ihm nachklingt, kann möglicherweise einen inneren Weg entdecken. Und vielleicht wird er am Ende der Pilgerreise über den roten Faden staunen, der sich durch diese Zeit gezogen hat.
Ich wünsche Ihnen, dass der franziskanische Gruß „pace e bene“ (Frieden und Gutes) Türen und Herzen öffnet.
Leipzig, 1. Januar 2019
Andreas Knapp
I. Mein Franz von Assisi
Jedes Bild, das ich mir von anderen Menschen mache, bleibt immer sehr persönlich gefärbt. Das gilt auch vom Lebensbild des heiligen Franziskus, das ich hier zu zeichnen versuche. Ich werde mich zwar um historische Genauigkeit1 bemühen. Doch zugleich spiegelt das Folgende wider, was mich persönlich an der Person dieses Mannes aus Assisi fasziniert.
Im Nacherzählen der Biografie des Franziskus richte ich daher meinen Blick darauf, was mir diese Geschichte für mein eigenes Leben sagen kann. Aus diesem Grund werden manche Begebenheiten und Zitate in freier Form wiedergegeben. Das gilt auch für die Legenden (wörtlich: das zu Lesende), die von Franziskus erzählt werden. Die Legende einer Landkarte erklärt, was die Linien, Farben und Symbole in Bezug auf die wirkliche Landschaft bedeuten. So sollen auch die Legenden über Franziskus Lesehilfen sein, die sein Leben auf dem Hintergrund seiner Beziehung zur Wirklichkeit Gottes deuten.
1. Eine Zeitreise
Pilgern gleicht manchmal einer „Zeitreise“. In vielen Dörfern und Städten Umbriens taucht man beim Durchschreiten der Stadttore in ein mittelalterliches Flair ein. Auf malerischen Marktplätzen und in den engen Gassen berührt uns ein Hauch längst verflossener Zeiten. Doch nicht nur das Stadtbild stellt uns vergangene Welten vor Augen. Manchmal begegnen wir noch Menschen, die wie ihre Vorfahren von einer einfachen Landwirtschaft oder vom Handwerk leben.Das kann unsere Phantasie beflügeln und uns in die Zeit zurückversetzen, in der Franz von Assisi gelebt hat.
Wie sah Mittelitalien um das Jahr 1200 aus? Die Region Umbrien gehörte damals zum „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“, das in viele Herzogtümer, Grafschaften usw. gegliedert war. Der Herzog von Spoleto mit seinem Sitz in der gleichnamigen Stadt herrschte auch über die Städte Foligno und Assisi. Kaiser Friedrich Barbarossa (1152–1190) löste dann die Grafschaft Assisi aus dem Herzogtum heraus und unterstellte es seiner persönlichen Herrschaft. Assisi empörte sich gegen diese Vereinnahmung, wurde aber von kaiserlichen Truppen belagert und erobert. Als Herzog von Spoleto regierte damals Konrad von Urslingen, ein schwäbischer Adeliger. Er residierte zeitweilig auch in der mächtigen Burg über Assisi (Rocca) und erzog den späteren Kaiser Friedrich II. (1194–1250), der im Dom von Assisi getauft wurde. Nach dem frühen Tod von Kaiser Heinrich VI. (1165–1197) nutzte Papst Innozenz III. das Machtvakuum, um in Umbrien seinen politischen Einfluss auszuweiten. Konrad von Urslingen unterstellte sich dem Papst. Die Bürger von Assisi rebellierten freilich auch gegen den Versuch, ihre Stadt und die Burg der päpstlichen Herrschaft zu übergeben. Sie besetzten und zerstörten die Zwingburg über Assisi. Mit deren Steinen sicherten sie dafür ihre Stadtmauern.
Hier zeigt sich, dass die Bürger von Assisi mit einem neuen Selbstbewusstsein auftraten. Sie waren durch aufblühende Wirtschaft und Handel zu Reichtum gekommen und wollten die Regierung und Verwaltung ihrer Stadt nun selbst in die Hand nehmen. Allerdings kam es auch innerhalb der Stadt zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Denn das neue Bürgertum wollte sich mit den Vorrechten des alten Adels nicht mehr abfinden. Der alteingesessene Adel verbündete sich mit Perugia und so kam es zum Krieg zwischen den beiden Nachbarstädten, die von jeher um die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft konkurrierten. Bei diesem Gefecht im Jahr 1202 geriet der junge Franziskus in Gefangenschaft und kam erst ein Jahr später – wahrscheinlich durch die Bezahlung eines Lösegeldes – wieder frei.
Dieser erste Blick in die Zeitgeschichte von Franziskus zeigt uns eine Epoche voller Konflikte: Die politische Großwetterlage war von den Kreuzzügen und den Machtkämpfen zwischen Kaiser und Papst gekennzeichnet. Dazu kamen die Kleinkriege zwischen den Städten und schließlich die Streitigkeiten innerhalb der Stadtmauern. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, warum Franziskus die Botschaft von Frieden und Versöhnung so sehr am Herzen lag.
2. Der neue Reichtum
Ein großer Aufschwung von Handwerk und Handel hatte im 12. Jahrhundert dem aufstrebenden Bürgertum einen immer größeren Einfluss beschert. Der steigende Wohlstand führte auch zum Wachstum der Bevölkerung. Assisi zählte damals etwa 12.000 Einwohner. Die Handwerker schlossen sich in Zünften zusammen und durch den blühenden Handel brachten es einige Kaufleute aus Assisi zu großem Reichtum. Zu diesen Neureichen gehörte auch der Vater von Franziskus, Pietro Bernardone, der als Tuchhändler wertvolle Stoffe aus Frankreich importierte.
Im landwirtschaftlich genutzten Umland lebten ungefähr weitere 5.000 Menschen. Dort produzierte man Getreide, Früchte, Wein und Olivenöl; daneben war auch die Rinder-, Schweine- und Schafzucht von Bedeutung.
Durch die florierende Wirtschaft wurde auch die Kirche immer reicher und behäbiger, was im Gegenzug Erneuerungsbewegungen auf den Plan rief. Diese Reformbestrebungen wollten sich an der ursprünglichen Armut orientieren, wie sie Jesus selbst gelebt hatte. Eine wichtige Rolle spielte ein reicher Kaufmann namens Petrus Waldes, der sich vom Evangelium aufrütteln ließ und radikal auf seinen Besitz verzichtete. Aus der von ihm angeregten Reformbewegung der „Armen von Lyon“ entwickelte sich eine „evangelische Kirche“, die bis heute Bestand hat (Waldenser). Daneben traten auch die Katharer (wörtlich: „die Reinen“) auf. Sie kritisierten nicht nur den Reichtum von Kirche und Gesellschaft, sondern lehrten eine radikale Zweiteilung der Welt in Gut und Böse (Dualismus). Die Materie stammt vom Bösen (Teufel), dem gleichrangig das gute, geistige Prinzip (Gott) gegenübersteht. Durch seinen Körper ist der Mensch dem bösen Prinzip verhaftet, durch seine Seele, seinen Geist gehört er jedoch dem guten Prinzip an.
Diese dualistische Weltsicht verurteilte alles Materielle und predigte eine strenge Askese, die den menschlichen Körper und die Sexualität negativ einstufte: Die Ehe und Zeugung von Kindern wurden verboten. Die Elite dieser Bewegung glaubte, als „Vollkommene“ bereits erlöst zu sein. Die Kirche bekämpfte die Katharer, zunächst durch Predigt und Gespräche und nach deren Scheitern auch mit Gewalt.
Auf der Folie, dass die Katharer die Schöpfung als schlecht abqualifizierten, wird der Gegensatz deutlich, den Franziskus in diesem geistigen Umfeld predigte: Auch die Materie wurde von Gott geschaffen und ist daher von Grund auf gut!
3. Kindheit und Jugend von Franziskus
Franziskus wurde um 1181 als Sohn eines reichen Tuchhändlers geboren. Seine Mutter mit Namen Pica (Elster) stammte wahrscheinlich aus Südfrankreich. Sie gab ihrem Kind den Namen Johannes Baptista, doch der Vater, der während der Geburt in Frankreich weilte, nannte nach der Rückkehr seinen Sohn „Francesco“ (= der Franzose). Als Heranwachsender half Franziskus im Geschäft seines Vaters mit und lernte lesen, schreiben und rechnen. Wahrscheinlich kannte er auch die Erzählungen aus dem ritterlichen Frankreich (Artussage, Rolandslied). Er sang gerne Lieder in französischer Sprache und träumte von Heldentaten und Rittertum. Aufgrund des väterlichen Reichtums konnte Franz eine sorglose Jugend genießen. Er leistete sich teure Kleider und lud Freunde zu aufwändigen Gelagen ein. In diesen großzügigen bis verschwenderischen Gesten wollte er die höfische Kultur nachahmen.
Einen entscheidenden Einschnitt brachte die Kriegsgefangenschaft im Jahr 1202. Doch selbst im Kerker von Perugia blieb Franziskus fröhlich und guter Laune. Seine Mitgefangenen hielten ihn deshalb für etwas verrückt. Nach dem Freikauf durch seinen Vater blieb Franz für längere Zeit krank. Die Kerkerhaft forderte ihren Tribut, und so war Franziskus für den Rest seines Lebens ein von Krankheiten gezeichneter Mensch. Die körperlichen Leiden, aber auch die Erschütterung durch den Krieg führten Franziskus in Grenzerfahrungen, die sein bisheriges Weltbild ins Wanken brachten.
4. Die Bekehrung: der andere Reichtum
Es waren mehrere Ereignisse, die dem Leben des Franziskus eine neue Wendung gaben. Nach der Gefangenschaft machte Franz im Alter von etwa 22 Jahren eine weitere einschneidende Erfahrung. Erfüllt von ritterlichem Ehrgeiz entschloss er sich, zusammen mit einem Adeligen nach Apulien zu ziehen. Dort wollte er auf Seiten der mit dem Papst verbündeten Truppen an einem Feldzug teilnehmen – in der Hoffnung, dadurch in den Adelsstand erhoben zu werden. Die Überlieferung erzählt von einem Traum, der wohl für viele junge Männer (nicht nur damals) typisch ist: Er sieht einen Palast mit glänzenden Waffen. Die beiden brachen also mit Pferd und Waffen auf und übernachteten in Spoleto. Dort wurde Franz krank und hörte im Traum eine Stimme, die ihn aufforderte, wieder nach Assisi zurückzukehren. Mit dem Abbruch seiner Reise verabschiedete sich Franziskus von seinen ritterlich-kriegerischen Ambitionen. Und seit diesem Ereignis nahm er nie wieder ein Schwert in die Hand.
Nach Assisi zurückgekehrt, lud er wie gewohnt zu üppigen Festen ein; dennoch trieb ihn eine Unruhe und innere Leere vor sich her. Er spürte, dass ihn der Wohlstand und die zahlreichen Vergnügen nicht mehr erfüllten. Unsicher, wie sein Leben weitergehen sollte, streunte er durch die Umgebung von Assisi. Eines Tages betrat er die kleine, halb verfallene Kirche von San Damiano, die am Berghang unterhalb der Stadtmauern von Assisi liegt. Und wie oft in seinem Leben fand Franziskus an einem unscheinbaren Ort, wo niemand etwas Wichtiges vermutet, das Entscheidende: In diesem Kirchlein hing ein auf Holz gemaltes Kreuz im byzantinischsyrischen Stil. Franz hielt inne und ließ sich vom Anblick dieses Kreuzes innerlich ansprechen. Der Blick auf den ruinösen Zustand des Kirchengebäudes ließ ihn dann seinen Auftrag erahnen: „Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus zerfällt? Komm, stell es wieder für mich her!“
Mit der Betrachtung des Kreuzesbildes begann für Franziskus der Weg zu einer innerlichen, innigen Beziehung mit Jesus, dem Leidenden. Darüber hinaus ging ihm immer mehr auf, dass Gott sich in Jesus der ganzen Welt zugewandt und ihr durch Jesu Leiden und Sterben eine Hoffnung auf neues Leben geschenkt hat.
Als weiteres Element in der Geschichte seiner Bekehrung spielte für Franziskus die Begegnung mit einem Lepra-Kranken eine zentrale Rolle. Diese Krankheit ist auch unter einem Namen bekannt, der ihre sozialen Konsequenzen benennt: „Aussatz“. Der von Lepra Befallene wird ausgesetzt, wird aus der Gesellschaft ausgestoßen. Wurde bei jemandem Aussatz festgestellt, so musste diese Person nach einer Art kirchlicher Totenliturgie die Stadtgemeinschaft verlassen und in einer Behausung außerhalb der Stadtmauern leben. Sie durfte diesen Ort der Verbannung nicht mehr verlassen und keinen Kontakt zu den Gesunden pflegen.
In seinem Testament berichtet Franziskus ausdrücklich von der Begegnung mit den Aussätzigen, die sein Leben radikal verändert hat. Ursprünglich waren die offenen Wunden der Aussätzigen und ihr Gestank dem vornehmen Franziskus unerträglich und er ekelte sich vor ihnen. Doch als er dann wieder einmal einen Aussätzigen traf, überwand er seinen inneren Widerstand: Er ging spontan auf ihn zu und umarmte ihn. Dies führte zu einer inneren „Umpolung“, die er selbst so beschrieb: „Was mir vorher bitter schien, das ist mir süß geworden.“
Der Schritt auf den Aussätzigen zu bedeutete für Franz zugleich einen Schritt heraus aus der bisherigen Gesellschaft. Er besuchte nun öfter Lepra-Kranke und machte sich damit selbst zu einem Außenseiter. Der Wunsch, vom Bürger zum Ritter aufzusteigen, drehte sich in eine ganz andere Richtung: Das verwöhnte Bürgersöhnchen stieg aus der vom Geldgeschäft geprägten Welt aus und wandte sich den Menschen am untersten Rand der Gesellschaft zu.
All diese Erfahrungen veranlassten den 26-jährigen Franziskus zu einer Neuorientierung. Er war entschlossen, sein bisheriges Leben „in der Welt und in Sünden zu verlassen“, wie er sich ausdrückte. Diese Wende oder Bekehrung vollzog sich in mehreren Schritten und führte schließlich zu einem radikalen Bruch mit seinem gewohnten Umfeld und Lebensstil. Franz vollzog einen Seitenwechsel: aus der Position eines betuchten Kaufmannssohnes auf die Seite der Verachteten und Ausgestoßenen. Er wollte ein Armer unter den Armen sein, ein Verachteter unter den Verachteten. Auf deren Seite wollte er Jesus Christus näher kommen, der ja ebenfalls die Seite gewechselt hat: vom Thron Gottes zur Armut von Krippe und Kreuz.
5. Der Bruch mit dem Vater
Um die Renovierung der Kirche von San Damiano zu finanzieren, belud Franziskus ein Pferd mit wertvollen Stoffen und verkaufte diese samt dem Pferd auf dem Markt von Foligno. Sein Vater war über diese Veruntreuung seines Vermögens erbost. Aus Angst traute sich Franziskus nicht mehr nach Hause, sondern versteckte sich. Nach ein paar Wochen kehrte er völlig verdreckt und heruntergekommen heim. Tief enttäuscht über seinen Lieblingssohn, der einmal sein Erbe antreten sollte, verpasste ihm Pietro Bernardone ein Tracht Prügel und sperrte ihn dann in einem Zimmer des elterlichen Hauses ein. Die Mutter allerdings half ihrem Sohn zu fliehen, und schließlich verklagte der Vater seinen missratenen Sprössling vor Gericht. Weil er beim städtischen Tribunal nichts ausrichten konnte, erhob er Klage beim bischöflichen Gericht. Die Szene ist berühmt: Die Einwohner von Assisi haben sich auf dem Marktplatz versammelt, um das öffentliche Spektakel zu verfolgen. Denn dass ein Sohn aus gutem Hause von seinem eigenen Vater vor dem kirchlichen Gericht verklagt wird: Welch ein Skandal!
Franz sagte sich in aller Öffentlichkeit von seinem Vater los und gab ihm alles Geld zurück. Dann überließ er dem Vater auch noch seine Kleider und legte am Schluss seine Unterhose ab. Splitternackt trat er vor die Menge und erklärte, dass er von nun an nur noch Gott als seinen Vater anerkenne. Bischof Guido von Assisi legte seinen Mantel um Franziskus, um seine Blöße zu bedecken. Diese Geste ist auch ein Sinnbild dafür, dass Franz jetzt ein Leben im Raum der Kirche, ein Leben in der Beziehung mit Gott führen wollte.
Franziskus mit seiner spontanen und oft überschwänglichen Art neigte zu solchen dramatischen Inszenierungen. Durch die starke Performance auf dem Marktplatz machte er deutlich, dass er seinem Vater und dessen Reichtum den Rücken zuwandte. Was hat ihn zu dieser drastischen Szene bewegt? Franz hat wahrscheinlich eingesehen, dass der Verkauf des Pferdes und der kostbaren Kleider ohne Einverständnis seines Vaters nicht in Ordnung war. Aber die scharfe Reaktion seines Vaters, der ihn einsperrte und um jeden Preis das Geld zurückbekommen wollte, haben Franziskus gezeigt, wie sehr sein Vater seinem Geschäft und den Finanzen verfallen war. Geld war ihm wichtiger als die Beziehung zu ihm, seinem Sohn. Franziskus suchte jetzt seinen familiären Halt bei einem anderen Vater, den er auf dem Marktplatz von Assisi als „mein Vater im Himmel“ ansprach. Der Maler Giotto hat in der Kirche San Francesco diese Szene als Wechsel von Kleidung und Blickrichtung dargestellt: Der entblößte Franz schaut nicht auf seinen leiblichen Vater, der in seinem Zorn zurückgehalten werden muss. Sein Blick geht vielmehr zum Himmel, wo ihm Gottes segnende Hand diskret und freilassend Zuwendung und Begleitung verspricht.
Dieser Konflikt wurde für Franziskus zu einem weiteren Schlüsselerlebnis, das seinen Weg prägen sollte. Schon seit dem Friedenskuss des Aussätzigen war in ihm die Entscheidung herangereift, von einer Seite der Gesellschaft zur anderen zu wechseln. Er blieb nicht am sicheren Ufer der Besitzenden und Mächtigen, sondern „konvertierte“ und trat immer mehr auf die Seite der Armen und Ausgeschlossenen. Damit verband sich eine neue Lebensphilosophie: Franziskus warnte nun vor dem Reichtum, vor dem Kleben am Geld, vor der Vergötzung des Habens. Besitz kann besessen machen. Franz verabscheute es, Geldmünzen anzufassen, selbst wenn er sie auf der Straße fand. Wie Jesus predigte er eine Armut, die frei macht. Dabei romantisierte er nicht die materielle Not, unter der Menschen oft brutal zu leiden haben. Die Armut, die Franziskus leben wollte, hatte auch nichts mit einer zwanghaften und selbstquälerischen Askese zu tun. Vielmehr entdeckte Franziskus in einer freiwilligen, fast spielerischen Armut eine Freiheit, die ihm neue Lebensräume und Beziehungen eröffnete. Der anspruchslose Lebensstil kann die Geschwisterlichkeit untereinander fördern: Alle Menschen sollen sich als Brüder und Schwestern verstehen und miteinander teilen lernen.
Franziskus ließ sich auf diesem Weg von Jesus inspirieren: Er wollte – in einer Formulierung des heiligen Hieronymus – „nackt dem nackten Christus folgen“ und wie dieser aller materiellen Besitztümer entkleidet sein. Am Ende seines Lebens wollte Franz sogar nackt auf dem Boden liegend sterben.
Darmowy fragment się skończył.