Czytaj książkę: «Feindin der Wikinger. Die Jelling-Dynastie. Band 1», strona 4

Czcionka:

»Du bist eine Närrin. Er ist dein Feind! Ein gut aussehender, gewiss. Aber ein Nordmann, ein Berserker, ein Mörder!«

Schnell fügte sie noch einige hässliche Worte hinzu, damit das Herzklopfen versiegte. Außerdem war sie eine angelsächsische Prinzessin, von Alfred dem Großen auserkoren, sein Reich zu vergrößern und einen adäquaten Adligen zu heiraten. Sie seufzte, als sie ans Los der Schwestern dachte. Allein in einem grauen, kalten, steinernen Gebäude und so lange Kinder gebären und dem Gatten zu Willen zu sein, bis der männliche Nachfolger geboren war. Sie schüttelte sich, als sie an den Mann dachte, der für sie bestimmt worden war. Blass und dickbäuchig, stinkender Atem und schütteres Haar. Sie war jetzt zweiundzwanzig Jahre.

Eine alte Jungfer, weil sie sich bisher hartnäckig gegen diese Zwangsheirat sträubte. Jedoch hatte König Alfred Thyra während ihres letzten Besuches in seinen königlichen Gemäuern mitgeteilt, dieses sei ihr letzter Sommer auf dem Land! Im Winter, wenn der Festungsbau und der Schiffsbau ruhten, wollte er sie vermählen.

»Mit diesem fetten, reichen, stinkenden, alten …« Ihr fiel nichts mehr ein. Thyra schüttelte sich. »… Mann!«, quetschte sie spuckend hervor.

Jäh presste sie die Augen zusammen und versuchte, sich auf etwas Erfreulicheres zu konzentrieren und fing unvermittelt zu summen an. Keine Ahnung, warum ihr diese Melodie einfiel. Es war ein Lied, das Solvor sang, wenn Beorhtric krank und fiebernd auf dem Lager lag.

Zuerst summte sie nur die Melodie, doch plötzlich kamen ihr die fremden Worte in den Sinn und ohne zu überlegen, sang sie den Text:

Iorp bip ak estpr

Ok uphimaen

Sol ok santae Maria

Ok sialfaen Guddrottaen.19

Dann ahmte Thyra die geschmeidigen Bewegungen nach, die Solvor zum Takt des Liedes tanzte. Sie öffnete ihre Arme, wiegte ihren Körper zum Rhythmus und schloss die Augen. Sie bemerkte nicht, wie die Dorfbewohner entsetzt ihre Augen aufrissen und sich hastig bekreuzigten. Sie tuschelten und stießen einander an.

»Sieh!«, flüsterte die Frau des Webers entsetzt. »Sieh nur! Thyra, die Tochter des alten Königs! Sie beschwört mit dem Tanz die althergebrachten Geister.« Fest umkrallte sie ihren grob gewebten Rock.

»Die Tochter des toten Königs beschwört die Ahnen der Rus, die alten Götter der Wikinger in einem Atemzug mit Maria, der Heiligen Jungfrau!« Das Gesicht der Frau wurde kreidebleich. »Wir sind verloren. Nun sind wir des Todes.«

Thyra hörte und sah es nicht. Immer wieder sang sie das Lied der toten Solvor, die ihr wie eine Mutter in Kindertagen gewesen war.

Erst als zwei Wikingerfrauen einen Nordmann am Arm zum Käfig zogen, bemerkte Thyra die Aufmerksamkeit, die ihr gewidmet wurde, und erstarrte mitten in der Bewegung.

›Was habe ich getan? Was hat Solvor immer gesungen? Ist es das Lied? Der Tanz?‹, nervös zuckten ihre Finger. ›Was ist es?‹

Eilig versuchte sie, sich die dicke Frau in Erinnerung zu rufen, wenn sie die Strophen aussprach. Doch das Einzige, was ihr in den Sinn kam, war, dass Solvor es immer ohne Zuschauer, nie bei der Gartenarbeit oder beim Kochen tat.

»Aber sie hat doch Maria besungen, das kann doch nicht falsch sein?«, grübelte sie, war sich aber nicht sicher, denn die anderen Worte waren ihr fremd. Unsicher sah sie sich um und entdeckte die entsetzten Blicke ihrer Mitgefangenen.

»Verdammt!«

Sie wusste auch nicht, warum ihr gerade dieses Lied und das ausgerechnet jetzt eingefallen war.

»Was wollt ihr? Warum steht ihr vor dem Gefangenenkäfig?« Sie fauchte die Wikinger an.

Niemand sollte auf die Idee kommen, dass sie keine Kenntnis darüber hatte, was sie tat. Oder schlimmer noch! Dass sie sich fürchtete.

Dann sprach der Häuptling der Nordmänner und Thyra erschrak über so viel Härte in dieser Stimme.

»Deyr fé, deyia fraendr, deyr siálfr it sama; ec veit einn, er aldri deyr: dómr um daudan hvern.«20

Thyra wich unbewusst einige Schritte zurück und blinzelte erschrocken.

»Ich weiß nicht«, fauchte sie herausfordernd, »was ihr gesagt habt und was es bedeutet!« Wütend trat sie ans Gitter. »Aber eines lasst euch gesagt sein!« Sie hob drohend ihre kleine Faust seinem Gesicht entgegen. »Ich bin kein Feigling! Ich werde kämpfen und ich lasse mich nicht von euren Drohgebärden einschüchtern!«

Der Häuptling runzelte die Stirn und blickte erstaunt zur Frau im Käfig herab. Er war deutlich größer und auch seine Muskelkraft war nicht zu verachten. Dennoch funkelten die Augen dieser kleinen Frau ihn zornig an. Thyra verstand nicht die Worte, dennoch ahnte sie den Sinn der folgenden Sätze.

»Was bist du für ein Weib? Du singst die Beschwörungsformel gegen die Dämonenmächte. Weißt du, was du tust?« Ein leichter Anflug von Belustigung trat für einen Moment in seine blauen Augen. »Du bist eine Angeln-Frau! Und du bist dem König offenbar von Bedeutung, das erzählt das Kettenamulett.« Gorm musterte die Geisel und sagte herausfordernd: »Königstochter.«

Er lächelte, doch seine Gedanken behielt er für sich. Mit einem kurzen Seitenblick zu den Wikingerfrauen ordnete er an, dass er diese Frau haben wollte.

»Holt sie später aus dem Käfig und bringt sie heute Abend an mein Feuer«, befahl er und ging.

Heute Nacht wollte er mit ihr an einem Feuer sitzen. Und wenn die Göttinnen ihm gnädig waren – mehr.

Sie gingen! Thyra sah erstaunt und mehr als beunruhigt auf den Rücken des Fremden.

»Was genau hat er gesagt?« Ihre Augenlider flatterten nervös.

Es musste von Bedeutung gewesen sein, denn die Wikingerfrauen hatten sich vorgebeugt und einander hinter seinem Rücken vielsagend angesehen.

Entsetzt drehte Thyra sich um und presste ihren Rücken gegen die so verhassten Gitterstäbe, die ihr gerade Halt gaben.

»Warum ausgerechnet ich?«

Doch im nächsten Atemzug wusste sie, warum! Die anderen Frauen hockten demütig auf dem festgetretenen Boden, schlugen ängstlich ihre Augen nieder und wagten kaum, sich zu bewegen.

»Und ich«, zischte Thyra kaum hörbar. »Ich singe von Dämonen und tanze dazu!«

Ihr wurde übel bei dem, was sie angerichtet hatte.

»Bin ich so dumm, dass ich mich nicht beherrschen kann und meinen Verstand nicht unter Kontrolle habe?«

Sie schloss die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Gedankenlos und leichtsinnig!«

Bewusst straffte sie den Rücken, atmete die Frühlingsluft ein und schlug, ohne Vorwarnung, drohend ihre Augen auf. Jeder Angelsachse wich ihrem Blick aus.

›Sollen sie doch Angst vor mir haben‹, dachte sie eigensinnig. ›Sollen sie doch!‹

Abrupt drehte sie sich um und starrte durch die Gitter. Der breitschultrige Skandinavier war nicht mehr zu sehen.

»Er ist mein Feind«, schnaubte sie. »Mein Feind!«

Doch das Herz raste.

********************

Es war Nacht. Sie konnte nicht schlafen. Jemand schnarchte, ein Kind sprach im Schlaf, ein anderes weinte. Die Mutter tröstete es liebevoll mit leiser Stimme. Der Wind spielte mit ihrem Haar und irgendwo jaulte eine Katze. Thyra sah müde in den wolkenverhangenen Himmel. Die grauen Gebilde flogen über den Mond und die funkelnden Sterne hinweg. Droben am Firmament tobte ein gewaltiger Sturm, während sie hier unten bewegungslos gefangen war.

Sie seufzte und schloss die Augen. Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Eine innere Unruhe quälte sie, so dass sie sich schließlich entnervt aufsetzte, die Beine mit ihren Armen umschlang, müde den Kopf auf die Knie legte und endlich anfing, über den Tod von Solvor, Beorhtric und Ethelgiva zu trauern. Tränen rannen über die Wangen, rollten hinab und wurden vom rauen Stoff des Kleides aufgesogen. Nicht ein Ton drang aus ihrer Kehle, denn es waren bittere Tränen der Trauer.

Verstohlen wischte Thyra mit ihrem Handrücken übers Gesicht und konnte ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Sie rieb den nassen Handrücken am Rock trocken, als ihr abrupt der letzte Schluchzer in der Kehle stecken blieb. Unbemerkt hatte sich ein Nordmann an die Gitterstäbe geschlichen und legte ihr fordernd eine Hand auf die Schulter!

Sie erstarrte bis ins Mark! Ihr Herz pochte bis zum Hals. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen! Geschweige denn den Kopf zu drehen.

›Der Nordmann‹, dachte sie unwillkürlich. ›Es ist – DER – Nordmann!‹ Selbst in Gedanken stotterte sie.

Ganz langsam drehte sie sich um, aber ihre Haarsträhnen versperrten den Blick.

»Herkona, veit ek, at þú munt fylgja mér til eldsins bróðurins míns!«21

Mit zitternder Hand strich sie sich das Haar aus dem Gesicht und sah den Bärtigen fragend an. »Was willst du?«

Erneut legte er, dieses Mal mit viel mehr Druck, die Hand auf ihre Schulter und wiederholte leise und bestimmt seine Anweisung. Zusätzlich warf er einen scharfen Blick zur Tür.

Thyra folgte seiner Blickrichtung und erstarrte, als sie den Ausgang des Käfigs erkannte. Wieselflink kroch Thyra von der Käfigwand fort. Wich zurück, weg vom Barbaren. Krabbelte ungeschickt über eine schlafende Gestalt und blickte gehetzt von der Gittertür zum Wikinger und wieder zurück.

»Nein«, fauchte sie ätzend. »Ich gehe nicht!«

Der Nordmann richtete sich zur vollen Größe auf und jeder freundliche Ausdruck wich einer drohenden Entschlossenheit. Thyra saß auf ihrem Hintern und schüttelte unnachgiebig den Kopf.

»Nein! Ich werde mich nicht diesen Nordmännern ausliefern«, zischte sie leise. »Ihr wollt mich unter eure nackten Körper zwingen! Ich habe doch gesehen, wie wenige Frauen zu eurem Überfallkommando gehören! Die genügen euren brünstigen Ausschweifungen nicht!«

Der Wikinger hob seinen Arm und zeigte mit dem Zeigefinger deutlich den Weg. Trotzig schüttelte sie ihren Kopf und verweigerte den Gehorsam. Das Gesicht des Wikingers wurde hochrot vor Zorn.

Thyra hörte, wie ein drohendes Grollen aus seiner Kehle rollte. Sie schluckte und schüttelte erneut den Kopf und grummelte: »Ich werde dir bestimmt nicht folgen, damit du mich mit deinen Kameraden vor dem Feuer vergewaltigen kannst!«

Das Grollen des Wikingerkriegers wurde lauter!

Ohne es zu bemerken, rutschte Thyra auf ihrem Hintern weiter vor ihm zurück.

»Kona!«,22 zischte er scharf durch seine Zähne hindurch.

Thyra zuckte entsetzt zusammen.

»Kona! Hér mun standa herkona þessa«,23 fauchte der Wikinger zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zeigte angestrengt auf den Ausgang. Sein Gesicht war puterrot vor Zorn. Eine Frau weigerte sich, seinem Befehl zu gehorchen. Eine Frau!

Sein muskelbepackter Körper straffte sich und er presste seine Hände zu Fäusten. Er bebte vor Zorn und Selbstbeherrschung. Thyra erkannte es trotz der Dunkelheit und zuckte zusammen. Dieser Nordmann wirkte selbst im fahlen Mondlicht einschüchternd.

Er sah die aufsässige Frau dort inmitten des Käfigs sitzen. Ein kleines Weib wagte es, nicht zu gehorchen! Eine Angeln-Frau! Noch nicht einmal eine Frau seines Volkes! Er war kurz davor, sich in den Käfig zu stürzen, diese Frau an ihren langen Haaren zu packen und sie aus der Menge zu ziehen.

Thyra saß unentschlossen auf dem harten Boden.

»Was soll ich tun?«

Unsicher blickte Thyra über die schlafende Menschenmenge.

Die Mondsichel lächelte vom Nachthimmel, eine Schleiereule flog lautlos über die Käfige. Thyra sah sich Hilfe suchend im Pferch um. Doch von wem hatte sie Hilfe zu erwarten?

Von der vierfachen Mutter, die mit ihrem weinenden Säugling auf dem Schoß eingeschüchtert in einer Ecke hockte? Thyra sah in die geöffneten Augen des kräftigen Schmiedes, der in ihrer Nähe auf der Seite lag. Doch als er ihren Blick auffing, sah er weg.

»Feigling«, zischte sie.

Sie beobachtete noch einige Dorfbewohner, die den Wortwechsel zwischen ihr und dem Wikinger gehört hatten. Keiner erhob sich.

Sie war allein!

Die Wolke vor der Mondsichel verschwand und Thyra suchte den Nordmann.

»Er ist nicht mehr da!« Ein wahnsinnig freudiger Schreck durchfuhr sie. »Er ist weg!« Erleichtert flatterte die Anspannung davon. »Ich bin noch einmal davongekommen.« Glücklich seufzte sie und lächelte. Dankbar schloss sie die Augen und streckte ihr Gesicht dem Himmel entgegen. Eine tiefe innere Ruhe durchströmte alles und Thyra sah immer noch lächelnd über die Mitgefangenen hinweg.

Als dann! – Plötzlich! Ihre Freude verflog schlagartig, als sich eine eisige Geisterpranke grauenvoll an ihr festkrallte. Sie atmete nicht.

Dort stand er! Groß! Drohend! Zornig!

Die Haare standen ihm vor Wut vom Kopf ab. Selbst der zu zwei Zöpfen geflochtene Bart zitterte unheilvoll.

Dort stand er! Vor der Gittertür! Die Hände in die Hüfte gestemmt. Seine Ellenbogen vom Körper abgewinkelt. Den Blick starr auf sie gerichtet. Als er ihre Aufmerksamkeit registrierte, schnellte seine Rechte hervor und mit vibrierendem Zeigefinger, den Boden vor sich markierend, orderte er dieses aufsässige Weib zu sich. Sein Blick bedeutete ihr, dass sie ihm augenblicklich zu folgen hatte. Sofort! Wenn sie Schlimmeres verhindern wollte.

Ganz langsam stand Thyra auf. Stützte sich mit den Händen auf der festgetretenen Erde ab. Ihre Finger zitterten. Schwankend stieg sie mit leichenblassem Gesicht über die Schlafenden hinweg. Ihr Rocksaum verfing sich an den Körpern, zerrte an deren Kleidung. Thyra sah in offene Augen und wache Gesichter. Doch nicht einer kam ihr zu Hilfe. Sie spürte förmlich die Angst der Menschen, über die sie trat. Steif lagen sie unter ihr, wagten kaum zu atmen. Sie sah das Weiß in den aufgerissenen Augen und verfluchte alle.

»Feiglinge!«

Dann stand sie vor der Tür und zögernd hob sie den Blick zum Nordmann hinauf. Schwer atmete sie zitternd die Nachtluft ein. Sie hörte nichts. Roch nichts. Blickte nur zum aufgebrachten Wikinger. Bemerkte, wie er seine unbändige Wut bezwang und mit einer unendlichen Langsamkeit die Gittertür öffnete. Kein Wort kam über seine fest zusammengepressten Lippen, als die Angeln-Frau hinaustrat. Der Nordmann mit den Zöpfen im Bart nickte einem anderen Wikinger zu.

Erschrocken riss Thyra ihren Kopf herum und zischte: »Den habe ich nicht gesehen.«

Der Zweite schloss die Tür. Sie jedoch wurde am Oberarm gepackt und vor dem Gezopften hergeschoben. Ihre Füße flogen geradezu über die Erde, berührten diese kaum, so schnell ging er vorwärts. Sie drehte sich nicht um. Wagte es nicht. Zu sehr hatte sie diesen Krieger provoziert!

›Sei vorsichtiger! Warte ab, was sie wollen‹, befahl sie sich.

Ihr Arm schmerzte vom festen Griff, doch sie hatten das Ziel noch nicht erreicht. Sie hörte, wie der zweite Nordmann sich mühsam dem schnellen Schritt des Gezopften anpasste. Der fluchte, als er offenbar mit einem Zeh gegen einen Stein stieß und jetzt humpelnd dem ungleichen Paar folgte.

Thyra biss die Zähne zusammen. In den nächsten Tagen würden farbenfrohe Flecke zu sehen sein, welche die zerquetschten Muskelfasern freigaben, wenn das Blut seinen Weg suchte.

Dann entdeckte sie das Feuer. Es brannte abseits des Lagers und ihr wurde übel bei dem Gedanken, welche Qualen nun folgen würden. Im Lichtschein sah sie einen weiteren Nordmann sitzen. Ihr Magen rebellierte vor Angst und sie schluckte die saure Magenflüssigkeit, die nach oben drängte und schon auf der Zunge zu schmecken war, herunter.

»Jörðina biobid ek til varðar ok himinninn fyrir ofan ok sólina ok heilaga Maríu ok allvaldinn sjálfan«,24 flüsterte Thyra die Worte Solvors, als sie vor dem Nordmann am Lagerfeuer auf die Erde geschmissen wurde.

»Hmpf!«, grunzte der Wikinger, vor dessen Füßen sie lag.

»Hún er djörf kona. Herkona!«25

»Já, þat er hún«,26 knurrte der Wikinger mit den zwei Zöpfen im Bart zornig. »Ok er hún mjök stolt kona!«27

Der andere grinste. Diese Frau war etwas Besonderes! Er hatte es schon erkannt, als sie mit Hafr ins Lager gebracht worden war!

Aggressiv funkelte sie ihre Feinde an. Sie war nicht demütig. Keine Frau, die im Käfig umherschlich. Diese bewegte sich selbstsicher, fast arrogant und wild. Dann ihre Körperhaltung, wie sie in dem Käfig stand. Würdevoll und aufrecht. Niemand wagte es, sich neben diese Angeln-Frau zu stellen. Und er erkannte, dass sie Angst hatte, sich aber nicht von ihrer Angst bezwingen ließ.

Schon wieder raste ihr Herz, als sie genau in die hellen Augen blickte.

»Krieger!« Thyra keuchte und sah ins Gesicht des blonden Wikingers. Übel gelaunt rappelte sie sich auf und stellte sich vor das Feuer. Ein rot glühender Lichtschein umspielte ihre Silhouette. Der blonde Nordmann sah amüsiert zu der Frau, die ihre kleinen Fäuste in ihre schmale Taille stemmte und mit zornig, flammenden Augen auf ihn, den Häuptling, herabsah.

»Gormr er nafn mitt.«28 Er grinste übers gesamte Gesicht. Diese Frau amüsierte ihn.

»Wenn ihr es wagt …!«, fauchte Thyra. »Wenn ihr es auch nur wagt, nur einen kleinen Finger an meinen Körper zu legen, dann werde ich euch …« Sie schluckte.

›Ja, was würde ich dann? Dem Riesen vor mir die Gurgel durchtrennen? Mit dem Finger? Ich habe noch nicht einmal einen Stein in der Hand, um diesem Unmenschen den Schädel einzuschlagen!‹

»Dann werde ich euch …!«, fing sie wieder an und ihre Stimme bebte vor Wut. »Mit meinen Fingern die Augen ausstechen, so dass ihr euer restliches Leben in völliger Dunkelheit verbringen müsst!«

›Endlich! Vollbracht!‹, dachte sie mit drohend erhobener Faust und beugte sich dem Wikinger wutschnaubend entgegen. Sie keuchte und ihr Körper zitterte vor Angst und Wut. Niemals würde sie diesem Mann freiwillig ihren Körper anbieten und sich unter ihn legen. Niemals!

»Kona þessa hagar sér merkilega ok heimskliga«,29 meinte Gorm, der immer noch vor dem Lagerfeuer saß, zu Siguror. Er ignorierte die zornige Angeln-Frau, die mit ihrer kleinen Faust zänkisch vor seinem Gesicht herumfuchtelte völlig.

Der Nordmann mit den Zöpfen im Bart zuckte mit der Schulter, dachte an die Weigerung der Frau, seinen Befehlen zu folgen, und unterdrückte seine Wut.

»Hún er eigi sem öðru enskar konur«,30 brummte er stattdessen und setzte sich ebenfalls ans Feuer. In einer Holzschale lag Obst. Er suchte sich einen Apfel aus und biss genießerisch in das saftige Fleisch. Der Apfel krachte beim Biss und Thyra fuhr erschrocken herum. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

»Hún er eigi sem öðru enskar konur«,31 kaute er. »Hún er með sterkum vilja.«32 Wieder biss er in den saftigen Apfel. »Hvat viltu henni?«33

Mit seinem behaarten Handrücken wischte er sich den Saft von den Lippen.

»Eigi veit ek. Kona þessa er eigi sem öðru konur. Þú hefr rétt at mæla.«34 Grübelnd musterte Gorm die blasse Frau. Sie stand immer noch im Feuerschein.

›Sie sieht hinreißend aus!‹, dachte er, sagte aber: »Kona þessa hagar sér merkilega ok heimskliga.«35 Er beobachtete die Angeln-Frau und es störte ihn unsagbar, dass sie so anmaßend auf ihn herabsah. Ohne zu zögern, packte er dieses störrische Weib am Handgelenk und riss sie zu sich herunter.

Mit einem kurzen Aufschrei plumpste Thyra vor ihm auf die Knie.

»Hmpf«, grunzte Gorm nur. Keine Frau hatte auf ihn herabzusehen. Denn er war der Häuptling dieses furchtlosen Wikingerheeres!

Thyra funkelte ihn wütend an. Fügte sich. Krabbelte von ihm weg und blieb in einigem Abstand am Feuer sitzen.

»Konur«,36 grinste Gorm. »Ván ek at hún mun tala mjök um land þetta.«37 Zweifelnd sah er das Weib an. »Hvar þau geyma korn, fé ok vápn þeirra.«38

»Kona þessa …!« Der Gezopfte verschluckte sich fast und er hustete. »Hugir þú, at hún mun tala um þetta fyrir þik?«39

Der restliche Apfel verschwand hinter dem Bart in Sigurors Mund. Nur den Apfelstiel schmiss er ins Feuer.

Der Blonde musterte Thyra und Thyra tat, als ob sie es nicht bemerkte.

»Ek veit eigi«,40 antwortete Gorm schlicht. »En hún er kona.«41 Er feixte und deutete mit den Fingern das Zeichen für den Geschlechtsakt an. »Ef ek segi, hvat ek vil af henni, en hún þó neitar, þá verðr hún ráðin af ørlögum ok segja allt.«42

Sie lachten beide rau und Thyra blickte erschrocken von einem zum anderen.

›Das fängt gar nicht gut an.‹ Unruhig zuckten ihre Augen hin und her. Ihr Atem ging noch schneller. ›Ich muss mich beruhigen. Langsam einatmen und ruhig ausatmen. Sonst kannst du nicht denken. Bleib ruhig. Konzentriere dich! Bleib wachsam!‹

Das Feuer brannte herunter und diese Wikinger waren immer noch nicht über sie hergefallen.

›Worauf warten sie?‹

Sie wurde unruhiger. Die Angst zerfraß ihre restliche Ruhe und ohne zu überlegen, spähte sie in der Dunkelheit nach einer Fluchtmöglichkeit.

›Wo ist der Dritte?‹ Thyra konnte ihn nicht sehen. ›Steht er im Lichtschatten des Feuers oder ist er zurückgegangen, um die anderen zu bewachen?‹

»Kona!«, sprach der Blonde sie plötzlich an, so dass sie gewaltig zusammenzuckte. »Kona, segðu mér, hvat þú veizt.«43 Gorm setzte sich neben sie. Thyra atmete seinen männlichen Duft ein. Er roch so maskulin und herb. Sie schluckte unbeherrscht.

›Er ist ein Berserker! Der Mörder deiner Landsleute. Sei vorsichtig! Traue ihm nicht! Aber er riecht so verdammt gut.‹

»Seg – mer …«, fragte er. »Segðu mér, hvar tókuð þit fé yðvart, kornit, ávextina þurkaða ok brauðit?«44

Sie sah ihn verständnislos an.

Gorm ignorierte den Blick. Er kannte die Frauen und deren Taktiken.

»Síðan vil ek víta.«45 Er sprach im Plauderton und begutachtete gelangweilt seine Fingernägel. »Hvar þit geymduð vápnin yðvar?«46

Der styrimannr sah Thyra herausfordernd an und seine Fingernägel waren ihm plötzlich nicht mehr wichtig.

Thyra sah von einem Übeltäter zum nächsten. Es war ihr schon klar, was diese Mörder wollten. Sie hatte das Wort naut für Vieh verstanden. Sie kannte es von Beorhtric, der die Rinder derbe mit diesem Ausdruck beschimpfte. Besonders, wenn die Rindviecher ihren eigenen Willen durchsetzten.

›Ihr wollt also, dass ich meine Landsleute verrate und sie im folgenden Winter dem Hungertod ausliefere‹, dachte sie spöttisch und hoffte, ihr Gesicht verriet nicht allzu viel von ihren Gedankengängen. Also starrte sie die Männer nur blöde an und hoffte, das würde reichen! Entnervt rollte der gezopfte Bärtige mit den Augen, während er den grotesken Gesichtsausdruck deutete.

»Gorm, dieses Weib benimmt sich wie Bergdis.« Schnaufend blies er Luft aus. »Für den Fall, dass sie nichts erzählen will«, knurrte Siguror müde und zwirbelte seine Bartzöpfe in die Höhe, »zeige diesem Weib, was für sie bestimmt ist.« Deutlich starrte Siguror in Thyras Richtung. »Wenn sie nicht kooperiert. Dann sparen wir viel Zeit und bekommen unseren Spaß!«

»Weißt du nicht, was sie mit Hafr gemacht hat?«, gluckste Gorm.

Thyra blickte auf und sah den Häuptling verständnislos an.

»Glaubst du, sie brach den Schwanz, wie Hafr erzählte?« Ungläubig strich Siguror durchs Haar.

»Glaubst du«, stellte Gorm mit einem breiten Grinsen die Gegenfrage, »dass Hafr lügt?« Er schüttelte den Kopf. »Wenn er eine zusätzliche Verwundung hätte«, überlegte Gorm. »Hafr ist ein Nordmann! Nie hätte er kundgetan, dass sein schlapper Schwanz von einer Frau stammt. Seine Lunte ist hinüber. Die brennt für eine sehr lange Zeit nicht mehr! Zermalmt von den Fingern eines Weibes!« Gorm zerquetschte gereizt den Apfel in seiner Hand. »Hafr wäre gut beraten zu erzählen, ein Mann hätte seinen Schwanz gepackt und ihn für die Weiber unbrauchbar gemacht! In einem Kampf!« Abermals schüttelte Gorm den Kopf.

»Hafr erzählte die Wahrheit über diese Angeln-Frau. Er wollte seinen steifen Hammer in sie hineinstoßen.« Lauernd betrachtete Gorm Thyra. »Und sie hat sich gewehrt!« Ein verschwiegenes Lächeln glitt über seine Lippen. »Hafr hatte es bei diesen wahnsinnigen Schmerzen schwer, sich eine andere Geschichte auszudenken.« Abermals schüttelte der Häuptling den Kopf und warf ein Holzscheit ins Feuer. »In der kurzen Zeit, die ihm blieb.«

»Na ja!«, meinte Siguror kopfschüttelnd. »Hafr könnte erzählen, ein Angelsachse zielte schlecht mit dem Schwert und traf seinen Schwanz. Jeder hätte es geglaubt.«

Gorm lachte, dass seine weißen Zähne im Feuerschein blitzten.

Thyra sah es und ein heftiges Flattern erschütterte ihre Magengrube. ›Feind‹, urteilte sie hastig. ›Dieser Mann ist ein Feind! Mein Feind!‹

»Du hast recht«, grinste Gorm Siguror an. »Hafr war viel zu schockiert über seine Entmannung! Er dachte nicht über die Wirkung seiner Worte nach.« Gorm griente breit. »Jetzt ist es gesagt!«

Nachdenklich betrachtete Gorm die zarten Hände der Frau. Er ahnte nicht, was sein Blick in ihr auslöste.

»Sie hat sich einen bösartigen Feind eingefangen.«

»Ja«, grunzte Siguror und spuckte ins Feuer. »Wir sollten sie schnell nehmen, bevor nichts mehr von ihr übrig bleibt!«

Gorm sah seinen Freund nachdenklich an. »Sie ist eine reiche Frau. Das offenbart ihr Amulett. Eine Königstochter – vielleicht?«

Schweigend starrten die Männer ins Feuer.

Thyra wurde nervöser. ›Solange die Männer sich unterhalten‹, erkannte sie, ›habe ich nichts zu befürchten.‹

»Ich befehle Hafr morgen, die Finger von diesem Weib zu lassen. Bis geklärt ist, wer und was sie ist.«

Gorm machte eine kurze Pause und blickte die Frau nachdenklich an. »Bis sie uns erzählt, was wir wissen wollen«, befahl der Häuptling. »Später kann Hafr seine Kriegerehre als Nordmann zurückerobern und seinem Ruf gerecht werden.«

Thyra sah fragend von einem zum anderen. Ihr Magen knurrte und sie schielte zur Obstschale. ›Diese Bluthunde werden mir nichts anbieten. Also werde ich mir etwas nehmen.‹

Ihr Herz klopfte bis zum Hals. ›Schnell oder langsam?‹, überlegte sie kurz. ›Ganz normal bewegen.‹ Ohne dass es als etwas Besonderes schien, langte sie in die Schale, fischte sich einen Apfel und die goldgelb glänzende Birne heraus. Biss genüsslich in die Birne und vergrub, parallel zum Kauen des herrlich süßen Fruchtfleisches, den Apfel in einer Tasche ihres Rockes.

Gorm beobachtete es aus dem Augenwinkel.

›Sie ist dreist‹, erkannte er kopfschüttelnd und grinste verschmitzt. ›Eine Angeln-Frau, die einen Wikinger herausfordert.‹

Erneut legte er ein Holzscheit ins Feuer und richtete seine Frage direkt an die Frau.

»Hvert er nafn þitt?«47

Thyra starrte ihn an. Unschuldig lief etwas Birnensaft an ihrem Mundwinkel herab und rasch wischte sie es weg.

Freundlich wiederholte Gorm die Frage. »Hvert er nafn þitt?«

»Meinst du, sie versteht uns?«, erkundigte sich Siguror zweifelnd und runzelte die Stirn.

Gorm wiegte kaum merklich den Kopf. »Könnte sein! Die Frage ist nur, ob sie will, dass wir es wissen!« Mit Nachdruck starrte er Thyra in die Augen. Erschüttert von diesem energischen Blick schob Thyra unruhig ihren Hintern hin und her.

›Was will der?‹ Zaghaft versteckte sie den Rest der angebissenen Birne unter ihren Rockfalten. Gorm sah es und schmunzelte.

»Hvert er nafn þitt?«48

»Ich ahne, was ihr wollt«, fing Thyra mit energischer Stimme zu sprechen an, obwohl sie ziemlich eingeschüchtert war. Sie zögerte einen Atemzug, richtete sich auf und sagte mit fester Stimme: »Ich bin die Tochter des toten Königs Ethelred von Wessex und Wulfthryth. Ich bin eine angelsächsische Königstochter!«

Sie wartete auf einen erstaunten Blick oder wenigstens einen überraschten Ausruf.

Doch! – Nichts!

Keine Andeutung von Verstehen. Leicht zornig presste Thyra die Lippen zusammen und die senkrechte Falte an der Stirn über ihrer Nase vertiefte sich. ›Haben diese Wikinger keine Ahnung! Wissen die denn gar nichts?‹ Verstimmt sprach sie weiter und eine Wildheit lag in ihrer Stimme, die Gorm und Siguror sofort aufhorchen ließ.

»Ich vermute, ihr verdammten Berserker und Mörder meiner Landsleute wollt meinen Namen! Und da ich glaube, dass ihr meine Sprache nicht sprecht, mich nicht versteht, sage ich euch …«, sie machte eine kurze Pause und holte Atem, »… mein Name ist Thyra Danebod.«

Aufgerichtet, mit stolzem Blick saß sie neben dem nordischen Häuptling Gorm und seinem Wikingerfreund Siguror. Fragend sah sie von einem zum anderen. Doch nichts! Kein Erkennen!

»Ihr seid dumme, einfältige, unwissende Männer aus einem kargen Land«, spuckte Thyra verächtlich. Überzeugt, diese Nordmänner verstanden kein Wort von dem, was sie sagte. Sie sollte sich irren! Gorm sah unbewegt ins Feuer. Auch wenn er nicht alles verstand. Jedoch – die Wortfetzen, die er auffing, ließen eine gnadenlose Wut in ihm aufsteigen.

›Was bildet diese Angeln-Frau sich eigentlich ein? Die Beleidigungen, die sie gegen mich, einen Wikinger ausspricht, sind vor unseren Göttern demütigend. Dafür wird sie Opfer bringen!‹

»Sie ist sehr hochmütig!«, sagte Gorm mit äußerlich ruhiger Stimme an Siguror gerichtet.

Der grinste ihn an. »Was hast du anderes erwartet?«

»Hmpf.«

Thyra sah abwartend hin und her. Der Linke neben ihr war offensichtlich höher im Rang, doch der Gezopfte schien ein Freund zu sein. Sie starrte ins Feuer und versuchte, die Feinde zu ignorieren. Es gelang ihr nicht. Obwohl sie angestrengt über die flackernden Flammen hinweg den Nachthimmel fixierte.

»Talar þú várt mál?«,49 fragte der Gezopfte unerwartet.

Thyra musterte ihn eindringlich. Sie wusste, was er wollte. ›Doch warum soll ich antworten!‹, dachte sie hochmütig und blickte weiter in den Sternenhimmel.

»Kona!«, fauchte der Große neben ihr und packte sie grob am Arm.

»Au!«

»Svaraþú! Talar þú várt mál?«50

Thyra versuchte, seine Hand zu entfernen. Gorm ließ sich jedoch von ihren kümmerlichen Versuchen nicht beeindrucken.

»Ich weiß, was ihr wollt!«, zischte sie. »Doch ich kann eure Sprache nicht!«

Gorm packte noch fester zu, schüttelte Thyra hin und her. Seine Wut duldete keinen Aufschub mehr.

Ihr Selbstbewusstsein war erschüttert und bestürzt fing sie an zu reden.