203
Im Anschluss werden die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit bezeichnet. Darunter sind die im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale der Ordnungswidrigkeit zu verstehen. Im Grundsatz sollte stets der Wortlaut der jeweiligen Ordnungswidrigkeit wiedergegeben werden. Kann der gesetzliche Tatbestand in mehreren Varianten verwirklicht werden, werden nur die erfüllten Varianten (durch die Konjunktion „und“ verdeutlicht) aufgenommen. Ein „oder“ sollte die Darstellung der gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeiten im Grundsatz nicht enthalten. Denn es bliebe für den Betroffenen unklar, ob er sich beispielsweise gegen den Vorsatz oder Fahrlässigkeitsvorwurf verteidigen muss.
204
Wegen der Informationsfunktion sollten die Vorwerfbarkeitsformen der Leichtfertigkeit bzw. Fahrlässigkeit ausdrücklich im „Tenor“ des Bußgeldbescheids benannt werden. Überflüssig ist dort demgegenüber die Angabe eines vorsätzlichen Verstoßes.[275] Denn gem. § 10 OWiG ist im Grundsatz nur vorsätzliches Verhalten im Ordnungswidrigkeitenrecht bebußt. Wird im Bußgeldbescheid keine Vorwerfbarkeitsform benannt, bleibt es bei dem Grundsatz und es ist von Vorsatz auszugehen. Dem steht die nur scheinbar gegenläufige obergerichtliche Rechtsprechung in Bußgeldsachen nicht entgegen. Danach soll bei Fehlen der Vorwerfbarkeitsform im Bußgeldbescheid in der Regel der Vorwurf fahrlässiger Tatbegehung anzunehmen sein.[276] Diese Rechtsprechung findet ihren Ausgangspunkt in der Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 Var. 1 BKatV, die eine Besonderheit des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts darstellt. Danach begründet die Begehung einer in Abschnitt I des Bußgeldkatalogs bezeichneten Verkehrsordnungswidrigkeit unter gewöhnlichen Umständen in der Regel den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Eine vergleichbare Regelung fehlt im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht, sodass hier die Wertung aus § 10 OWiG maßgeblich ist.
205
Praxishinweis
Diese Sichtweise, die vom BGH für die Formulierung des Urteilstenors in Strafurteilen geteilt wird,[277] kann bei dem Abschluss eines Settlements nutzbar gemacht werden. Es könnte – etwa vor dem Hintergrund der Rechenschaftspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat und den Aktionären – im Interesse des Vorstands liegen, bei einem vorsätzlichen Verstoß nicht zusätzlich durch die Bezeichnung der Vorwerfbarkeitsform im Bußgeldbescheid belastet zu werden.
206
Unklarheiten gilt es im Bußgeldbescheid zu vermeiden, schon um dem Amtsgericht Frankfurt a. M. unnötige Hinweispflichten gem. § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 265 Abs. 1 StPO zu ersparen, die aber erforderlich wären, wenn das Amtsgericht der hiesigen Sichtweise folgen sollte, im Bußgeldbescheid die Vorwerfbarkeitsform nicht benannt wurde und wegen eines leichtfertigen bzw. fahrlässigen Verstoßes verurteilt werden soll.[278]
207
Die Vorschriften, die den im Bußgeldbescheid formulierten Vorwurf tragen, sind vollständig zu zitieren. Dazu gehört auch die Angabe der jeweils einschlägigen Nummer sowie des Buchstabens einer Vorschrift. Die die Blankettvorschrift ausfüllenden Verbots- und Gebotsvorschriften sind ebenfalls anzuführen.[279] Zu den angewendeten Bußgeldvorschriften zählen auch die Begehung durch Unterlassen (§ 8 OWiG) und die Vorwerfbarkeitsform (§ 10 OWiG), wobei bei fahrlässiger Tatbegehung die Vorschrift zu zitieren ist, welche die Handlung mit Geldbuße bedroht, ferner Tateinheit (§ 19 OWiG) oder Tatmehrheit (§ 20 OWiG) und die Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen (§ 30 OWiG).
208
Im Bußgeldbescheid sind die wesentlichen Beweismittel (vgl. Nr. 111 RiStBV) zu nennen, deren Verwertung zulässig ist und die aus Sicht der BaFin die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit beweisen sollen.[280] Dies sind neben der etwaigen Einlassung des Betroffenen die strafprozessualen Strengbeweismittel (Zeuge, Sachverständiger, Augenschein und Urkunden).
209
- | Einlassung des Betroffenen Sollte sich der Betroffene vor Erlass des Bußgeldbescheids zur Sache eingelassen haben bzw. hatte er Gelegenheit hierzu, wird dies unter Angabe der Fundstelle in der Akte vermerkt. Demgegenüber sind schriftlich verfasste Erklärungen des Betroffenen außerhalb von Anhörungen bzw. Vernehmungen als Urkunde gem. § 249 StPO verlesbar, sodass diese als Urkundenbeweis (nicht als Einlassung) im Bußgeldbescheid aufzunehmen sind.[281] |
210
Der Betroffene hat sich zur Sache eingelassen, Bl. X d. Akte |
oder |
Der Betroffene hatte Gelegenheit zum rechtlichen Gehör, Bl. X d. Akte |
211
Reagiert der Verteidiger anstelle des Betroffenen auf das Anhörungsschreiben der BaFin, dürfen die Ausführungen im Verteidigerschreiben nicht mit der Einlassung des Betroffenen verwechselt werden. Denn es dürfte sich in der Regel um Erklärungen des Verteidigers handeln und nicht um solche des Betroffenen. Dies gilt für Ausführungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in gleicher Weise. Selbst dann, wenn der Verteidiger Äußerungen des Betroffenen schriftlich festgehalten haben sollte, wären diese Angaben in der Hauptverhandlung nicht einführbar. Denn der Verteidiger schreibt lediglich nieder, was er als Äußerung des Beschuldigten wahrgenommen hat.[282] Der Verlesung des Verteidigerschreibens als Urkunde stünde der Unmittelbarkeitsgrundsatz in § 250 S. 2 StPO entgegen.[283] Das Verteidigerschreiben ist folglich kein Beweismittel, das im Bußgeldbescheid aufgeführt wird.[284]
212
- | Urkunden wie z.B. das Auskunfts- und Vorlageersuchen, Prüfungsanordnungen der Bundesanstalt und sonstige Aktenvermerke. Wegen der gem. § 77a OWiG vereinfachten Art der Beweisaufnahme im Bußgeldverfahren können im Grundsatz Vernehmungsprotokolle von Zeugen und die Gutachten von Sachverständigen in der Hauptverhandlung ebenfalls verlesen werden. |
213
- | Zeugen und Sachverständige; hier ist neben dem Namen die Angabe der zustellungsfähigen Wohn- oder Dienstanschrift erforderlich. |
214
Ausführungen zu den Ergebnissen, zu denen die einzelnen Beweismittel geführt haben, sind an dieser Stelle nicht veranlasst.[285]
215
Weiter ist die Geldbuße in bestimmter Höhe auszusprechen. Gleiches gilt für etwaige Nebenfolgen. Die Erwägungen für die Höhe der Geldbuße sollte nicht hier, sondern im Begründungsteil des Bußgeldbescheids dargestellt werden.
216
Schließlich enthält jeder Bußgeldbescheid eine Kostenentscheidung. Aus dieser folgt, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 464 Abs. 1 StPO. Kosten des Verfahrens sind die Gebühr (§ 107 Abs. 1 OWiG) sowie die Auslagen (Pauschalbetrag von 3,50 €, vgl. § 107 Abs. 3 Nr. 2 OWiG).
217
Die Verfahrensgebühr beträgt 5 % des Betrages der festgesetzten Geldbuße, höchstens jedoch 7.500 € (§ 107 Abs. 1 S. 2 OWiG).
218
Beispiel
Gegen die Nebenbeteiligte wird eine Geldbuße in Höhe von 250.000 € verhängt. Der Bußgeldbescheid wird an sie zugestellt. Die Verfahrensgebühr beläuft sich auf 5 % des Betrages der Geldbuße, mithin 12.500 €. Hier greift indes die Höchstbetragsgrenze gem. § 107 Abs. 1 S. 2 OWiG, sodass die Verfahrensgebühr 7.500 € beträgt. Folglich wird die Nebenbeteiligte unter Berücksichtigung der Auslagenpauschale in Höhe von 3,50 € insgesamt 257.503,50 € zu zahlen haben.
219
Werden mehrere Geldbußen gegen den Betroffenen festgesetzt, sind sie für die Gebührenberechnung zusammenzuzählen.[286] Bei mehreren Bußgeldadressaten wird von jedem eine Gebühr nach Maßgabe der gegen ihn festgesetzten Geldbuße erhoben.[287]
220
Der Kostentenor lautet im Bußgeldbescheid gegen einen Betroffenen:
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens, § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO. |
221
Der Kostentenor bei einer Nebenbeteiligten lautet:
Die Nebenbeteiligte trägt die Kosten des Verfahrens, § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 472b Abs. 2, 465 Abs. 1 StPO. |
222
Die Begründung des Bußgeldbescheids ist keine Pflichtangabe im Bußgeldbescheid (vgl. § 66 Abs. 3 OWiG). Da es sich bei den kapitalmarktrechtlichen Ordnungswidrigkeiten typischerweise um umfangreiche Sachverhalte handelt und zudem hohe Geldbußen verhängt werden, sollte der Bußgeldbescheid über die in § 66 Abs. 1 OWiG geforderten Pflichtangaben hinaus jedoch – nach den Pflichtangaben und vor der Rechtsmittelbelehrung – begründet werden.[288] Wird das Verfahren im Wege eines Settlements abgeschlossen, verzichtet die BaFin auf die Begründung.[289]
223
Praxishinweis
Kann das Bußgeldverfahren im Rahmen eines Settlements abgeschlossen werden, wird in der Regel ein verkürzter Bußgeldbescheid erlassen. Das heißt, der Bußgeldbescheid besteht lediglich aus den Pflichtangaben gem. § 66 OWiG. Nach hier vertretener Auffassung ist es im Fall eines vorsätzlich begangenen Verstoßes dabei möglich, die Vorwerfbarkeitsform bei den gesetzlichen Merkmalen nicht anzugeben.[290] Auf die Begründung des Bußgeldbescheids wird in der Bußgeldpraxis der BaFin im Rahmen eines Settlements verzichtet.[291] Gleichwohl kann es sachgerecht sein, auch die einvernehmlich vereinbarten Bußgeldbescheide zumindest im Hinblick auf die Bußgeldhöhe zu begründen. Dies dient nicht nur dem fortdauernden Informationsbedürfnis des Bußgeldadressaten, sondern ist auch eine „Selbstkontrolle“ der Behörde, die im Rahmen einer Verständigung weiterhin verpflichtet ist, eine tat- und vorwerfbarkeitsangemessene Geldbuße zu verhängen.
224
Inhalt der Begründung des Bußgeldbescheids kann sein:
- | Würdigung der Beweismittel (einschl. Ablehnungsgründe der im Vorverfahren gestellten Beweisanträge bzw. -anregungen des Betroffenen). |
- | Begründung des Ahndungsbedürfnisses im Einzelfall |
- | Darstellung der Bußgeldzumessung (Erwägungen wie z.B. Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung; Marktkapitalisierung; Nachtatverhalten; Besserungsmaßnahme; Delisting etc.) |
225
Begründung des Bußgeldbescheids |
I. Zum Tatnachweis Der Betroffene hat sich wie folgt eingelassen […] Dem steht jedoch entgegen, dass […] Zu berücksichtigen war auch […] Der Vorsatzvorwurf folgt daraus, dass der Betroffene am TT.MM.JJJJ das Fax erhalten hat und den Inhalt gelesen haben wird (siehe Bl. X d.A.). Mithin kannte er […] Soweit der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom […] einwendet, dass […], ist dem nicht zu folgen. Denn […] |
II. Zur Bemessung der Geldbuße […] |
226
Weiter enthält der Bußgeldbescheid gem. § 66 Abs. 2 OWiG gesetzlich bestimmte Hinweise, die Zahlungsaufforderung und die Rechtsbehelfsbelehrung. Bei der Zahlungsaufforderung wird die Geldbuße mit den Gebühren und Auslagen summiert und als Gesamtsumme fällig gestellt. Bei Tatmehrheit müssen die Einzelgeldbußen gesondert ausgewiesen werden.
227
Sobald der Bußgeldbescheid behördenintern unterzeichnet und in den Geschäftsgang gegeben ist, ist er erlassen, §§ 33 Abs. 2 i.V.m. 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG. Der Bußgeldbescheid muss sodann zugestellt werden.
228
Das Zustellungserfordernis im Verfahren gegen den Betroffenen folgt aus §§ 50 Abs. 1 S. 2, 51 Abs. 2 OWiG. Bescheid- und Zustellungsadressat können wie im Fall des nicht verteidigten Betroffenen identisch sein. Ist der Betroffene (bzw. die Nebenbeteiligte) hingegen verteidigt, ist Zustellungsadressat i.d.R. der Verteidiger. Hat der Betroffene mehr als einen von höchstens drei Verteidigern, genügt die Zustellung an einen der Verteidiger unter Benachrichtigung des Betroffenen bzw. der Nebenbeteiligten.[292]
229
Vertiefung: Zustellung an den Verteidiger
- | Rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht: Hat der Betroffene seinem Verteidiger – zusätzlich zur Vertretungsvollmacht – eine Zustellungsvollmacht rechtsgeschäftlich erteilt, kann die Zustellung des Bußgeldbescheids an den Verteidiger unproblematisch bewirkt werden. |
- | Gesetzliche Zustellungsermächtigung: Liegt den Akten lediglich eine Vertretungs- aber keine Zustellungsvollmacht bei, gilt der Verteidiger kraft Gesetzes gleichwohl als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen, § 51 Abs. 3 OWiG. Die Regelung enthält eine Fiktion, die eine wirksame Zustellung an den Verteidiger ermöglicht, obgleich dieser als solcher nicht rechtsgeschäftlicher Vertreter des Betroffenen, sondern nur dessen Beistand (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO) ist.[293] Die Zustellung an den Verteidiger ist auch in dem Fall wirksam, wenn die zur Akte gelangte rechtsgeschäftliche Vollmacht keine Ermächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen enthält oder eine solche dort sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.[294] - Beachte: Während beim Pflichtverteidiger die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht lediglich den Bestellungsakt voraussetzt, muss sich beim Wahlverteidiger die allgemeine Verteidigervollmacht (bzw. eine Kopie oder ein Telefax) im Zeitpunkt der Zustellung[295] bei der Akte befinden. Nur dann ist er Empfangsberechtigter i.S.d. § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG („Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, (…)“). Liegt die Verteidigervollmacht zu diesem Zeitpunkt nicht vor, greift die Fiktion nicht und die Zustellung an den Verteidiger ist unwirksam.[296] |
- | Die rechtsgeschäftliche sowie die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht wirkt so lange wie die Verteidigervollmacht selbst. Sie endet in dem Zeitpunkt, in dem die Beendigung des Mandatsverhältnisses aktenkundig geworden ist.[297] |
- | Die BaFin als Verwaltungsbehörde hat ein Wahlrecht, ob sie den Bußgeldbescheid an den Betroffenen oder an dessen Verteidiger zustellt.[298] Wird an den Betroffenen zugestellt, erhält der Verteidiger gem. § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG eine formlose Abschrift des Bußgeldbescheids. Zu empfehlen ist demgegenüber, den Bußgeldbescheid in der Regel an den Verteidiger zuzustellen, da die Zustellung durch Empfangsbekenntnis einfach und kostensparend (keine PZU) durchgeführt werden könne.[299] In diesem Fall wäre dem Betroffenen eine formlose Abschrift des Bescheides mitzuteilen, § 51 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG. |
230
Auch der betroffenen Gesellschaft muss der Bußgeldbescheid als Nebenbeteiligte im einheitlichen bzw. selbstständigen Verfahren zugestellt werden, §§ 88 Abs. 3, 87 Abs. 2 S. 2 OWiG. Nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG werden Zustellungen (und Ladungen) an jeden gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bewirkt, der nicht durch Gesellschaftsvertrag oder durch gerichtliche Anordnung von der Vertretung ausgeschlossen ist, auch wenn er nicht allein vertretungsberechtigt ist.[300]
231
Wird im einheitlichen Verfahren der Bußgeldbescheid an die betroffene Gesellschaft zugestellt, ist die Zustellung nach der Rechtsprechung auch dann wirksam, wenn als deren gesetzlicher Vertreter das geschäftsleitende Organ bezeichnet wird, das wegen seiner Betroffenenstellung als Vertreter der Nebenbeteiligten ausscheidet.[301] Etwaige Interessenkollision im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertreter führen nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung.[302] Diese können bei dolosem Verhalten des gesetzlichen Vertreters lediglich Schadensersatzansprüche auslösen.[303] Etwas anderes folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 178 Abs. 2 ZPO (über § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG anwendbar),[304] die nur für den Fall der Ersatzzustellung gilt und nicht für die hier einschlägige Zustellung an den gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG.[305]
232
Um gleichwohl mögliche Problemlagen für die nebenbeteiligte Gesellschaft zu vermeiden, die aus der wirksamen Zustellung an das von der Vertretung ausgeschlossene Leitungsorgan entstehen können (z.B. Einlegung eines möglicherweise unwirksamen Einspruchs durch das betroffene Leitungsorgan), empfiehlt sich das folgende Vorgehen: Ist die Zustellung an einen anderen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft nicht möglich (etwa im Fall des alleinvertretungsberechtigten Organs), sollte der Bußgeldbescheid entweder an den anwaltlichen Beistand der Nebenbeteiligten – der ggf. aus diesem Grund zuvor noch zu bestellen sein wird (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO)[306] – zugestellt werden. Oder die Zustellung des Bußgeldbescheids wird an den Passivvertreter der Gesellschaft bewirkt; im Fall einer Aktiengesellschaft also an ein Mitglied des Aufsichtsrats (vgl. § 78 Abs. 2 S. 2 AktG). Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG wäre der Bußgeldbescheid an die im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift der Gesellschaft zu richten.
233
Die von der Wertpapieraufsicht der BaFin geführten Bußgeldverfahren können durch einvernehmliche Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) frühzeitig beendet werden. Derartige Absprachen setzt die BaFin bereits seit vielen Jahren als Instrument zur Beschleunigung von Bußgeldverfahren bei der Ahndung von Kapitalmarktordnungswidrigkeiten ein.[307] Parallel zur Verschärfung des Sanktionsregimes und der Einführung neuer Ordnungswidrigkeitentatbestände durch den europäischen Gesetzgeber hat die Bedeutung der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Das Settlementverfahren spielt eine maßgebende Rolle bei der Beendigung von Bußgeldverfahren durch die BaFin[308]: In ca. dreiviertel der im ersten Halbjahr 2019 abgeschlossenen Bußgeldverfahren wurden die Geldbuße im Rahmen einer Verständigung festgesetzt[309].
234
Die Möglichkeit, ein Bußgeldverfahren vorzeitig im Einvernehmen zu beenden, folgt aus dem Opportunitätsprinzip nach § 47 Abs. 1 OWiG. Es liegt demnach im Ermessen der BaFin, ob sie sich mit dem Betroffenen des Bußgeldverfahrens über eine bestimmte Geldbuße verständigt. Der Betroffene des Verfahrens hat keinen Rechtsanspruch auf Abschluss einer Settlementvereinbarung. Die Wertpapieraufsicht zeigt sich aber zu Gesprächen grundsätzlich bereit, soweit sie der Verfahrensförderung dienen.[310] Eine Verständigung kann zu einer Bußgeldreduzierung bis zu 30% führen, abhängig davon, wie weit das Bußgeldverfahren fortgeschritten ist.[311] Die Höhe der gesettleten Geldbuße ist somit abhängig vom Zeitpunkt der Einigung im Verfahren und stets eine Einzelfallentscheidung.