Czytaj książkę: «Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis», strona 7

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Der Gangster mit dem Menjoubärtchen quälte sich auf die Beine. Er ächzte laut, rieb sich den Magen und lehnte sich gegen die Wand. Bount kämpfte weiter, beinahe verzweifelt. Er hatte gehofft, den Plattnasigen erledigen zu können, ehe dessen Komplize erneut in den Kampf einzugreifen vermochte, aber es sah nicht so aus, als ob diese Rechnung aufgehen würde.

Der Mann mit dem Menjoubärtchen stieß sich von der Wand ab, torkelte zum Schreibtisch, riss die dort befestigte Schwenklampe ab und kam zurück, sichtlich entschlossen, das Stahlgerüst mit dem scharfkantigen Kopf als Schlagwaffe zu benutzen.

Bount landete einen Karateschlag. Der brachte endlich die erwünschte Wirkung. Der Plattnasige fiel um, kam aber gleich wieder auf die Beine. Noch ehe er erneut in den Kampf eingreifen konnte, zischte der Lampenkopf durch die Luft. Bount wich mit einem Sidestep aus und konterte mit einem linken Haken. Der Gangster nahm ihn hin und holte erneut aus.

Obwohl es in dieser Situation keine Zeit für Überlegungen gab, wunderte sich Bount, dass seine Besucher darauf verzichteten, mit wirkungsvolleren Waffen zu operieren. Sie sahen nicht aus wie Männer, die nur ihre Fäuste zu handhaben wussten.

Bount setzte nach, konnte aber nicht vermeiden, dass die Lampe ihn plötzlich am Kopf traf. Es tat höllisch weh.

..Stop!“, sagte der Plattnasige.

Er hielt eine Pistole in der Hand, sie war auf Bount gerichtet. Der holte tief Luft und fragte sich, warum die Gangster erst jetzt von dieser Möglichkeit Gebrauch machten. Offenbar waren sie der Ansicht gewesen, auch ohne Handfeuerwaffen zum Ziel zu kommen, doch diese Meinung hatten sie revidieren müssen.

„Setz dich, Schnüffler“, herrschte der Plattnasige ihn an.

Bount gehorchte. Es war sinnlos, gegen eine tödliche Waffe kämpfen zu wollen, eine Einladung zum Selbstmord. Der Plattnasige grinste. „Das ist schön“, höhnte er. „Wirklich brav! Gib ihm die Massage, Bud. Er hat sie bitter nötig.“

Der Mann mit dem Menjoubärtchen ließ die Lampe aus der Hand fallen und baute sich neben Bount auf. Dann schlug er zu, hart und gezielt. Bount schloss die Augen. Er hatte keine Wahl. Er musste hinnehmen, was der Gangster abfeuerte, und das war nicht wenig.

Der Gangster legte seine ganze Kraft in die Schläge. Es bereitete ihm ein sadistisches Vergnügen, zuzuschlagen, ohne mit Gegenwehr rechnen zu müssen. Bounts Kopf flog hin und her. Es schmeckte Blut und spürte, wie seine Haut riss. Die Schmerzen nahmen zu, er drohte an seinem Zorn fast zu ersticken, aber gleichzeitig dachte er an June und daran, was sie in diesem Moment wohl tun mochte. War sie von den Gangstern gekidnappt worden, oder hatten sie sich damit zufriedengegeben, das Mädchen gefesselt in dem angrenzenden Apartment abzulegen?

Aber möglicherweise war June auch längst zu Hause und wusste nicht, was hier gespielt wurde. Wamm! Vor Bounts Augen tanzten Sterne. Er kämpfte gegen den Hass, den Schmerz und die aufkommende Bewusstlosigkeit, er wollte nicht ohnmächtig werden, selbst wenn diese Entwicklung eine vorübergehende Pause bedeutete, ein Abschiednehmen von Qual, Schmerzen und Demütigung.

Der Mann stoppte. Er rieb sich die weiß und spitz hervorstehenden Knöchel seiner Faust. An einigen klebte Blut. „Du hättest dich nicht wehren sollen, Schnüffler“, sagte er. „Nicht gegen uns. Wir sind ein Team. Hart und unschlagbar. Das weißt du jetzt. Sag, dass du es weißt!“

Bount schwieg.

Der Mann mit dem Menjoubärtchen schlug so hart zu, dass Bounts Ohren zu summen begannen und er Mühe hatte, die nächsten Worte seines Peinigers zu verstehen.

„Wir hätten dein Flittchen mitgehen lassen können, Miss March, aber wir wollen vorerst auf einschneidendere Maßnahmen verzichten. Wir wollen dich nur warnen. Es wird schlimmer, sehr viel schlimmer kommen, wenn du nicht aufhörst, dich um den Fall Thorpe zu kümmern. Mit allem, was so dazu gehört. Verstehen wir uns?“

Bount starrte ins Leere. Er hatte Angst davor, in den Spiegel zu blicken. Vermutlich war sein Kopf auf dem besten Weg, das Aussehen einer Kartoffel anzunehmen. Einer Kartoffel mit Ketchupsoße.

„Du wirst spuren, nicht wahr?“, fragte der Mann mit dem Menjoubärtchen.

„Komm“, sagte der andere und steckte seine Pistole ein. „Der hat begriffen.“

„Wenn nicht, kommen wir wieder, aber dann geht’s weniger harmlos zu“, drohte der Mann mit dem Menjoubärtchen. Er zog ein Taschentuch aus der Hose und wischte das Blut von seinen Knöcheln. Dann gingen die Männer hinaus. Bount stemmte sich hoch. Er musste sich einen Moment an der Stuhllehne festhalten, in seinen Knien bebte ein Gefühl der Schwäche. Er betrat sein Apartment. Dort lag June auf der Couch, gefesselt und geknebelt. Bount band sie los. Der Zorn in ihm wuchs, aber er verlor seinen Charakter. Vorher war er heiß und impulsiv gewesen, jetzt zeigte er sich eher kalt, wie tiefgefroren. Bount wusste, dass er dieses Gefühl konservieren würde, bis sich ein Ventil fand – die Bestrafung der Gangster.

„Mein Gott, Bount“, stieß June hervor. „Diese Bestien! Wie sehen Sie bloß aus? Legen Sie sich hin, ich besorge Watte, Wasser und Jod.“

Er streifte das Jackett ab, bettete sich auf die Couch und ließ sich von Junes sanften, geschickten Händen behandeln.

June tupfte ihm behutsam das Blut ab. Er schloss die Augen und fragte sich, was besser war: die kühlende Wirkung des Wassers oder Junes sanfte, bewegliche Finger. Seine Unterlippe war aufgeplatzt, er merkte, wie sie langsam anschwoll.

„Was haben diese Gangster von Ihnen gewollt?“, erkundigte sich June.

„Ich soll den Fall Thorpe hinschmeißen. Vermutlich steckt Andreous dahinter. Er hat den Strudel angerührt und muss jetzt vermeiden, von ihm erfasst zu werden.“

Es klopfte an der Tür. June schreckte hoch. Auch Bount schwang die Füße auf den Boden. „Wer ist da?“, rief er.

Die Tür öffnete sich. „Darf ich eintreten?“, fragte der Mann, der sich im Türrahmen zeigte.

Es war James Thorpe.

„Der Zugang stand offen, im Büro brannte Licht, aber nirgendwo war ein Mensch zu sehen“, entschuldigte sich der Besucher. „Ich bin einfach von einem Raum in den anderen gegangen ...“

„Wie Sie sehen können, hatte ich etwas Ärger“, meinte Bount und stand auf. Er gab dem Besucher die Hand. „Lassen Sie uns nach nebenan gehen, bitte.“ Er wandte sich an June. „Vielen Dank. Wenn Sie das Maß Ihrer Güte vollzumachen wünschen, können Sie mir ein Steak in die Pfanne hauen – ich habe seit dem Frühstück keinen Bissen mehr zu mir genommen.“

Das Reden fiel ihm durch die anschwellende Lippe zunehmend schwerer, aber er war es gewohnt, mit derlei Blessuren zu leben.

Sie nahmen im Office Platz, nachdem Bount die zerbrochene Lampe aufgehoben und beiseitegelegt hatte. „Waren Sanders und Kelly bei Ihnen?“, fragte James Thorpe.

„Die Männer sind Ihnen begegnet?“

„Sie kamen durch die Halle, als ich das Haus betreten wollte“, sagte Thorpe. „Ich habe mich rasch abgewandt, um von ihnen nicht bemerkt zu werden.“

„Wie heißt der Plattnasige?“

„Kelly. Der Mann mit dem Bärtchen heißt Sanders. Sie arbeiten für Andreous. Sie sind seine Bodyguards.“

„Woher kennen Sie die beiden?“, wunderte sich Bount.

James Thorpe lehnte sich zurück. „Gestatten Sie, dass ich rauche? Ich muss Ihnen ein Geständnis machen“, sagte er. „Ich bin schuld an Jessicas Tod.“

Bount beugte sich mit einem Ruck nach vorn. „Wie bitte?“, fragte er.

„Sie haben mich richtig verstanden. Natürlich habe ich meine Frau nicht vergiftet, aber ich habe es zugelassen, dass sie auf diesen Weg geriet, den Weg in den Abgrund, in den Tod. Zugegeben, ich habe das nicht gewollt und auch nicht vorausgesehen, sonst hätte ich mich anders verhalten, aber wenn ich das Ganze rückblickend nüchtern und selbstkritisch werte, sehe ich glasklar, dass alles anders gekommen wäre, wenn ich Jessica glücklich gemacht hätte. Aber ich dachte immer nur an das Geschäft, die Bank, meine Karriere, den Erfolg. Für Privates blieb dabei wenig Zeit. Ist es da ein Wunder, dass Jessica Zerstreuung suchte und auf dumme Gedanken kam?“

„Sie wussten, dass sie ein Verhältnis mit Andreous hatte?“, fragte Bount.

„Selbstverständlich wusste ich es. Ich habe mit Jessica niemals darüber gesprochen. Wir behandelten das Ganze wie eines der vielen Tabus, die in unseren Kreisen üblich sind. Ich ließ sie gewähren und erkaufte mir dafür Rückenfreiheit für meine geschäftlichen Interessen.“

„Davon haben Sie mir nichts gesagt.“

„Ich weiß. Ich habe Sie belogen. Das war dumm, aber Sie müssen sich in meine Lage versetzen. Es ist schlimm genug für mich, Jessica auf so schreckliche Weise verloren zu haben. Ich wollte das Ganze nicht noch schlimmer machen, indem ich Jessica als untreue Ehefrau und mich als gehörnten Ehemann darstellte, deshalb blieb ich dem Klischee treu – ich sagte das, was die anderen sehen sollten, ich versuchte die Fassade zu erhalten, die Jessica und ich uns erbaut hatten.“

„Wussten Sie, welche Rolle Latham in Jessicas Leben spielte?“, fragte Bount.

James Thorpe sah verblüfft aus. „Latham? Nein. Wer ist das, bitte?“ „Einer von Correggios Leuten. Möglicherweise sein Mörder, ganz bestimmt aber ein Mittäter.“

James Thorpe befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze. „Was ist geschehen?“, fragte er. „Sind Sie inzwischen fündig geworden?“

Bount nickte und berichtete, was er erlebt und herausgefunden hatte. Er ließ nichts aus. James Thorpes Gesicht zeigte keine Gefühlsregung, nur sein Blick wurde seltsam starr. James Thorpe schwieg, nachdem Bount zu Ende gekommen war. Bount spürte, dass es seinen Besucher einige Mühe kostete, das Gehörte mit seinen Ungeheuerlichkeiten zu verdauen.

James Thorpe drückte seine Zigarette aus. Er machte plötzlich einen sehr müden, abgeschlafften Eindruck. „Als ich begriff, wie dumm ich Ihnen gegenüber gehandelt hatte, wollte ich mein Gewissen erleichtern“, sagte er. Es klang mechanisch, fast so, als sei er nicht bei der Sache. „Ich versuchte, Sie telefonisch zu erreichen, immer wieder. Als das nicht klappte, machte ich mich schließlich auf dem Weg nach hier, ungeachtet der späten Stunde. Ich muss jetzt nach Hause. Ich muss verdauen, was ich gehört habe.“

„Einen Moment noch. Haben Sie eine Ahnung, wo Sanders und Kelly wohnen?“

„Nein, aber es kann nicht schwer sein, über Andreous an sie heranzukommen. Ich bin jedenfalls bereit, zu bezeugen, dass sie bei Ihnen waren.“ Er erhob sich und ging zur Tür. Dort blieb er stehen und wandte sich nochmals Bount zu. „Sie brauchen mir keine Rechnung zu schicken“, sagte er. „Ich überweise Ihnen einen Betrag, der Ihrem Erfolg gerecht werden wird.“

„Danke“, sagte Bount, „aber es wird keinen Erfolg geben, wenn es uns nicht gelingt, Andreous‘ Schuld zu beweisen. Sie müssen mir dabei helfen.“

„Wie stellen Sie sich das vor?“

„Gibt es im Nachlass Ihrer Frau Briefe, Notizen oder andere Hinweise, die meiner Arbeit frische Impulse geben könnten?“, fragte Bount.

„Ich bezweifle es“, meinte James Thorpe. „Ich kann nur bestätigen, dass sie die Geliebte des Reeders war.“

„Es wird einen Versuch des Reeders geben, Ihnen daraus einen Strick zu drehen.“

„Wieso?“

„Er könnte Jessicas Ermordung als ein Eifersuchtsdrama hinzustellen versuchen, als den Racheakt des betrogenen Ehemannes.“

„Lieber Himmel, daran habe ich noch gar nicht gedacht“, sagte James Thorpe.

„Andreous wird daran denken“, versicherte Bount. „Verlassen Sie sich darauf!“




14


Lenny Burkhart war ein schwergewichtiger Mann. Er liebte es, wenn man ihn als Feinschmecker einstufte, und gab sich alle Mühe, diesem Ruf gerecht zu werden.

Er aß gern und viel, vor allem aber gut, und er war stolz darauf, jedes kleine italienische Restaurant zu kennen, in dem für wenig Geld delikate Spezialitäten zu haben waren. Aber als er ,Gulios‘ in Brooklyns Clinton Street betrat, kam er nicht, um seinen Gaumen zu verwöhnen, sondern um zu töten.

Man kannte ihn hier. ‚Guilios' war ein kleiner Familienbetrieb mit knapp zwei Dutzend Tischen, von denen die meisten zu beiden Seiten des langen Korridors angeordnet waren. Weder der Inhaber noch seine Angehörigen würden es wagen, als Zeugen gegen ihn. Lenny Burkhart, Front zu machen. Sie wussten, dass das ihr sicheres Ende bedeutet haben würde.

Schließlich war er Bill Correggios Vollstrecker.

Bill war tot, aber das Syndikat blieb, und damit blieb auch das erhalten, wovon er seit langem lebte: das Auslöschen von Menschenleben, die die Organisation verraten hatten oder ihr zu schaden versuchten.

Die Großfamilie hatte ihr Urteil gefällt, Latham und Brother waren schuldig gesprochen worden. Sie mussten sterben.

Latham blieb der Bissen im Halse stecken, als er plötzlich Lenny Burkhart am Tisch stehen sah. Dennis Brother sah das Erschrecken im Gesicht seines Gegenübers und wandte den Kopf. Beide Männer starrten schweigend in Burkharts von einer dunklen Sonnenbrille verdeckte Augen.

Der grinste. Latham und Brother hielten ihre Bestecke in den Händen. Selbst wenn sie es gewohnt waren, mit blitzschnellen Reaktionen zu glänzen, konnten sie in dieser Situation nichts anderes tun, als zu passen oder auf einen guten Ausgang zu hoffen. Er, Lenny, behielt die rechte Hand in der Jackentasche. Seine Finger umspannten den kantigen Griff einer 38er Automatic.

Latham fing sich zuerst. Er grinste, wenn auch nicht ohne Mühe. „Hallo, Lenny“, sagte er. „Es überrascht mich nicht, dich hier zu treffen. Willst du dir mal wieder den Wanst vollschlagen?“

„Ich habe schon gegessen“, erwiderte Lenny Burkhart träge. „Nur eine Kleinigkeit. Bills Ende hat mir den Appetit verdorben.“

Er merkte, wie es im Lokal still wurde. Zwei Pärchen erhoben sich hastig und strebten dem Ausgang zu. Sie zahlten am Tresen. Es schien, als hätten die Gäste eine besondere Antenne für das, was bevorstand. Die einen blieben wie gelähmt an ihrem Tisch sitzen, die anderen flüchteten.

Lenny Burkhart kümmerte sich nicht darum. Er wusste, welche Leute dieses Lokal besuchten. Die meisten stammten aus der Nachbarschaft und hatten gelernt, die Mafiagesetze dieser Stadt zu respektieren: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

„Ja, es ist schrecklich, aber wir wissen ja, wer’s getan hat“, sagte Brother mit seiner heiseren, brüchig wirkenden Stimme. „Er wird bekommen, was er verdient.“

„Schade, dass ich nicht zugegen war“, sagte Burkhart sanft. „Mir wäre das nicht passiert.“

„Du spinnst“, sagte Latham rüde. „Reiniger ist ein Mann, dem sowas nicht zuzutrauen war. Wir konnten nicht ahnen, was passieren würde.“

„Es ist aber passiert“, sagte Burkhart.

„Willst du dich nicht setzen?“, fragte Latham, der immer noch kaute, wenn auch nur sehr langsam, als würgte er an einem Stück zähem, sehnigen Fleisch.

„Ich hab’ nicht viel Zeit, weißt du“, sagte Burkhart und zog die Automatik aus der Tasche. „Ich will nur ein paar dreckige Verräter erledigen und dann schlafen gehen. Ich werde gut schlafen, verlasst euch darauf.“

Dennis Brother und Clark Latham starrten in die Waffenmündung, als sähen sie so etwas zum ersten Male.

Plötzlich warf Brother sein Besteck beiseite. Seine Rechte zuckte ins Innere seines Jacketts, kam aber nicht mehr dazu, den in der Schulterhalfter steckenden Revolver zu berühren.

Lenny Burkhart zog durch.

Er war ein guter Schütze, von dem es hieß, dass er aus der Hüfte ins Schwarze treffen konnte. Er bewies, dass dies stimmte.

Er schoss zuerst auf Brother, dann auf Latham, dann wiederholte er diese Reihenfolge, bis er das Magazin leergefeuert hatte.

Brothers Kopf fiel auf die vor ihm stehende Pizza, sein Blut vermengte sich mit dem Rot der geschmorten Tomaten. Latham kippte zur Seite und wurde nur von dem Tisch daran gehindert, von der gepolsterten Sitzbank zu rutschen.

Burkhart steckte die Pistole ein.

Er ging zum Ausgang, ohne Eile. Ein Kellner wich devot vor ihm zurück.

„Danke“, sagte Burkhart höflich und verließ das Lokal.




15


Sie hatte Lust, sich zu betrinken, aber sie wusste, dass sie sich das nicht leisten konnte. Sie war hundemüde, die Vernehmungen hatten sie ebenso erschöpft wie die Risiken, die plötzlich an allen Ecken und Enden lauerten, aber sie fühlte sich trotzdem auf seltsame Weise unverwundbar. Sie war für die anderen immer noch Joyce Finch, eine Dame der Gesellschaft, eine junge Schönheit mit erstklassiger Adresse, eine Lady vom Battery Park.

Zugegeben, der Captain glaubte ihr kein Wort, das hatte sie gespürt, aber er hatte dem Haftrichter gegenüber eher zurückhaltend taktiert und nicht darauf bestanden, sie einzulochen.

Wer weinte schon um Bruce Copper? Und wer um Jessica?

Eine Ratte war vernichtet worden, das war alles. Natürlich waren Folgeerscheinungen zu erwarten, aber die ließen sich managen, wenn man nur den Nerv hatte, das Geschehen im Griff zu behalten. Und diesen Nerv hatte sie! Jessica war tot, und Leslie hatte versagt, aber sie, Joyce Finch, war entschlossen, einigermaßen ungeschoren aus dem Tohuwabohu herauszubekommen, sie hatte jedenfalls bewiesen, dass sie nichts umwerfen konnte.

Ohne Zweifel war es ein Fehler gewesen, Bount Reiniger mit den Details zu versorgen, die er noch nicht gewusst hatte, aber das war eher ein taktisches Versagen gewesen, entstanden aus der Hoffnung, den Detektiv durch rückhaltlose Offenheit für sich gewinnen zu können.

Zum Glück klang die Geschichte so haarsträubend, dass sie am Ende für Reiniger zum Bumerang werden konnte: Niemand würde ihm glauben, und ein paar fixe Jungens von der Presse würden ihm sicherlich unterstellen, das Ganze nur erfunden zu haben, um sich von einer drohenden Mordanklage befreien zu können.

Reiniger befand sich immer noch in der Defensive. Auch wenn Latham und Brother keine Zeugen waren, auf die die Anklage stolz sein konnte, waren sie juristisch eindeutig ihrem Gegner überlegen.

Es war fast Morgen, als Joyce Finch schlafen ging. Sie nahm vorher den Telefonhörer ab, weil sie keine Lust verspürte, vom Klingeln des Apparates gestört zu werden. Als sie sich hinlegte, musste sie daran denken, welches Gesicht Bruce Copper gezogen hatte, als die Waffe in ihrer Hand ihm den Tod signalisiert hatte. Joyce Finch lächelte, grimmig und zufrieden.

Sie erwachte gegen elf Uhr morgens und hörte, dass das Mädchen im Haus war. Mary besaß einen Schlüssel, sie schlief außerhalb und arbeitete täglich von acht bis sechzehn Uhr. Joyce Finch legte den Hörer auf die Gabel zurück und widmete sich ihrer Toilette, danach bat sie Mary darum, das übliche Frühstück zu servieren.

Joyce Finch las die Zeitungen, die Mary ihr bereitgelegt hatte. Correggios Tod hatte für dicke Schlagzeilen gesorgt, während Jessicas Ende nur mit wenigen Zeilen auf den hinteren Seiten kommentiert wurde. Die große Stadt war mit dem großen Morden vertraut und hatte gelernt, ihre Bedeutung nach dem Wertmesser der Verkäuflichkeit einzuordnen.

Joyce Finch verließ das Haus gegen zwölf Uhr dreißig. Sie ging zu der nahen Tiefgarage, in der sie ihren Lancia abgestellt hatte, dann fuhr sie hinaus nach Hillcrest, wo sie gegen dreizehn Uhr vierzig eintraf.

Sie wusste, dass dies keine Besuchszeit war, aber sie hatte nicht die Absicht, in ihrer jetzigen Lage auf Fragen der Etikette zu achten.

Unterwegs hatte sie mehrere Umwege gemacht und sich vergewissert, dass ihr niemand folgte. Als sie auf den Knopf am Portal des Grundstücks Harpers Lane 13 drückte, suchte ihr Blick vergeblich nach einem Namensschild. Konstantin Andreous bewies auch mit diesem Detail, wie wenig er es schätzte, gekannt, begafft oder gar besucht zu werden. Wen er zu sehen wünschte, rief er zu sich, alle anderen taten gut daran, sich seiner Kontaktscheu zu beugen.

„Ja, bitte?“, tönte es aus der Sprechanlage.

„Joyce Finch. Melden Sie mich bitte Mr. Andreous“, sagte die junge Frau.

„Haben Sie einen Termin?“

„Nennen Sie ihm meinen Namen“, sagte Joyce Finch. „Das wird genügen.“

„Moment, bitte.“

Eine Minute später glitt das hohe, schmiedeeiserne Portal fast geräuschlos zur Seite. Joyce Finch kletterte in ihren Wagen und fuhr durch den weitläufigen Park bis vor das große, im Kolonialstil erbaute Haus, dem unschwer anzusehen war, dass es mindestens drei Dutzend Zimmer beherbergte.

Am Eingang des Hauses empfing sie ein Butler. Er führte sie durch eine kühle, riesengroße Halle in ein Arbeitszimmer, dessen Wände deckenhoch mit dicht gefüllten Buchregalen bestückt waren.

Andreous befand sich nicht im Raum, betrat ihn jedoch durch eine Seitentür, als Joyce Finch sich anschickte, einige alte Gemälde zu betrachten, die über dem Kamin hingen.

Konstantin Andreous sah nicht aus wie ein Reeder, zumindest nicht so, wie sich der Durchschnittsbürger einen Mann seiner kommerziellen Statur vorstellen mochte. Er war hochgewachsen und trotzdem bullig, was durch einen etwas kurz geratenen Hals zustande kam, er trug einen schlichten grauen Flanellanzug und hatte ein rundes, glattrasiertes Gesicht mit schütterem Haar und farblosen Augenbrauen. Die Augen waren steingrau, irgendwie flach, wie die eines Fisches.

Er wies auf einen Sessel. „Bitte, Madame.“

Sie setzten sich. Joyce Finch legte die wohlgeformten Beine übereinander und registrierte, dass ihre Gehwerkzeuge von Andreous mit einem prüfenden, fast lüsternen Blick bedacht wurden. „Sie wollten mich umbringen lassen“, kam Joyce Finch geradewegs zur Sache.

Andreous lächelte. „Aber Madame!“

„Das Foto in Hamishs Anzug beweist es.“

„Ich kenne keinen Hamish.“

„Ich habe nicht erwartet, dass Sie sofort die Karten auf den Tisch legen“, sagte Joyce Finch. „Reden wir ganz offen miteinander. In gewisser Weise sind wir quitt. Jetzt geht es darum, zu retten, was noch zu retten ist.“

„Was meinen Sie damit?“

„Ich habe den Mann erledigt, der Ihre Killer tötete“, sagte Joyce Finch. „Sie haben Jessica auf dem Gewissen. In gewisser Weise auch Correggio. Ich weiß, wie alles gekommen ist.“

„Nämlich?“

„Sehen Sie, als es Ihnen gelang, Jessica glauben zu machen, dass Correggio hinter ihre Verschwörung gekommen sei, hatten Leslie und ich unsere Zweifel an dieser Entwicklung. Wir hielten es trotz aller von Ihnen gelieferten Beweise durchaus für denkbar, dass Sie selbst daran interessiert waren, Jessica aus dem Verkehr zu ziehen. Wir brachten Jessica dazu, uns mit Details zu versorgen, gleichsam mit Munition, die dem Zweck dienen sollte. Ihnen notfalls Paroli zu bieten.“

„Ich verstehe kein Wort“, sagte Andreous.

„Jessica war lange Zeit Ihre Vertraute, eine Frau, die aus dem Bankgeschäft stammte und auf deren Rat Sie hörten“, sagte Joyce Finch. „Sie hat nicht nur Latham mit Informationen versorgt, sie hat auch ein paar Fotokopien für uns hinterlassen – für Leslie und mich.“

„In der Tat?“

„Ja. Diese Papiere beweisen, dass Sie mit Correggio krumme Geschäfte gemacht und den Fiskus um ein paar Millionen Dollar betrogen haben. Sie beweisen auch, weshalb Ihnen daran gelegen sein musste, Jessica zu töten, als sie auf den Gedanken gekommen war, sich über Latham Ihrem Geldgeber Correggio mitzuteilen.“

„Kann ich die Kopien einmal sehen?“

„Eine Kopie der Kopie habe ich mitgebracht“, sagte Joyce und öffnete ihre Handtasche. Sie stutzte. „Was ist denn das?“, hauchte sie und brachte eine flache, schwarze Metallkapsel ans Tageslicht.

Andreous sprang auf. Er riss ihr die Kapsel aus der Hand, warf sie zu Boden und zerstampfte sie mit den Füßen. „Ein Minispion“, keuchte er. „Eine Kombination von Mikrofon, Verstärker und Sender! Woher haben Sie das Ding? Wer hört mit?“

„Ich bitte Sie, ich habe wirklich keine Ahnung, wie das Ding in meine Tasche gekommen sein könnte“, sagte Joyce Finch erregt. „Es sei denn ...“

„Nun?“

„Ich bin bis in die frühen Morgenstunden verhört worden“, sagte Joyce Finch. „Das hat mich ganz schön geschafft. Jemand muss mir dabei dieses Mistding in die Handtasche gezaubert haben.“

„Das wäre ungesetzlich“, sagte Andreous, der es endlich geschafft hatte, den Minispion am Boden zu zerstören.

„Ungesetzlich?“ Joyce Finchs Stimme war ein wütendes Schnarren. „Darum kümmern die sich doch einen feuchten Schmutz! Die wollen nur den Erfolg, um jeden Preis.“

„Den wollen wir alle“, sagte Andreous und setzte sich. „Die Kopien müssen vernichtet werden, und zwar schnellstens.“

„Das erledige ich – vorausgesetzt, dass ich entsprechende Garantien von Ihnen erhalte und dass Sie mir versprechen, Bount Reiniger und Leslie Harper auszuschalten.“

„Bount Reiniger habe ich fest im Griff, der dürfte die ihm erteilte Lektion verstanden haben“, sagte Andreous, „aber was ist mit Leslie?“

„Sie stellte sich mir in den Weg, als ich Reiniger fertigmachen wollte. Ich habe sie niedergeschossen. Sie könnte auf den Gedanken kommen, sich rächen zu müssen. Sie weiß so viel wie ich.“

Die Tür wurde aufgestoßen. Ein paar Männer traten über die Schwelle. Zwei von ihnen trugen Uniform und hielten ihre Dienstwaffen in den Händen, die anderen beiden waren in Zivil.

„Captain Rogers“, sagte einer der Zivilisten. „Dies ist mein Freund Bount Reiniger. Ihnen, Mrs. Finch, brauchen wir uns ja nicht vorzustellen.“

Joyce Finch erhob sich. Sie begann plötzlich zu zittern. Sie wusste, dass es aus war.

Aus und vorbei. Sie blickte hilfesuchend auf Konstantin Andreous. Der erhob sich seltsam langsam und schwerfällig, als sei er sich plötzlich seines Alters und der Last jener Verbrechen bewusst geworden, für die er verantwortlich zeichnete.

„Ich sage kein Wort, ohne vorher meinen Anwalt konsultiert zu haben“, erklärte er spröde.

Bount nahm Joyce Finch die Handtasche ab.

„Das Ganze war meine Idee“, sagte er. „Mir und Captain Rogers war klar, dass Sie versuchen würden, mit Andreous Kontakt aufzunehmen. Wir konnten darauf verzichten, Ihnen mit dem Wagen zu folgen. Es genügte, hier draußen auf Sie zu warten und im richtigen Moment in das Haus einzudringen. Den Anfang Ihres Gespräches mit Mr. Andreous haben wir selbstverständlich über den Minispion mitgehört.“ Er entnahm der Handtasche eine zusammengefaltete Fotokopie und überreichte sie dem Captain. „Verstehen Sie etwas davon?“, fragte er.

Toby Rogers schüttelte den Kopf. „Das ist etwas für unsere Wirtschaftsexperten“, sagte er. „Ich kümmere mich nur um mein Geschäft, und das besteht nach wie vor darin. Killern das Handwerk zu legen.“

Joyce Finch streckte den Männern mit trotziger Miene die Arme entgegen. „Wollen Sie mir keine Handschellen anlegen?“, fragte sie.

Captain Rogers verzog keine Miene. „Mit Ihnen werden wir auch so fertig“, sagte er.

Ograniczenie wiekowe:
0+
Data wydania na Litres:
26 maja 2021
Objętość:
744 str. 8 ilustracje
ISBN:
9783956179846
Właściciel praw:
Автор
Format pobierania:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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