Czytaj książkę: «Arbeitsrecht in der Umstrukturierung», strona 16

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cc) Transferregelungen

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Neben Abfindungsregelungen ist bei Entlassungen regelmäßig der Einsatz von Transfergesellschaften (auch „Beschäftigungsgesellschaft“, „BQG“ oder „Transfer- und Personalentwicklungsgesellschaft“ genannt) ein wichtiges Gestaltungsmittel.[340]

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Solche Gesellschaften können von den betroffenen Arbeitgebern für den jeweiligen Einzelfall gegründet werden (ggf. über den Einsatz von Vorratsgesellschaften), d.h. als konzerninterne Transfergesellschaft, oder aber über die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern errichtet werden.

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Um den Restrukturierungsprozess zu beschleunigen und Kündigungsschutzverfahren zu vermeiden, sehen die Vereinbarungen zur Einbindung von Transfergesellschaften in der Regel vor, dass den betroffenen Arbeitnehmern eine einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse sowie die Begründung eines befristeten Arbeitsvertrages mit der Transfergesellschaft angeboten werden. Der Beginn der Transfergesellschaft wird dabei regelmäßig so gewählt, dass die betroffenen Arbeitnehmer vor Ablauf ihrer ordentlichen Kündigungsfrist in die Transfergesellschaft wechseln. Sie bringen in diesem Fall ihre Kündigungsfrist (teilweise) in die Transfergesellschaft ein, was der (anteiligen) Finanzierung der Beschäftigung in der Transfergesellschaft dient.

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Aber auch für die Arbeitnehmer hat die Transfergesellschaft Vorteile: Das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft ist ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Erst im Anschluss an das Ausscheiden aus der Transfergesellschaft beginnt eine etwaige Arbeitslosigkeit der betroffenen Arbeitnehmer. Der Wechsel in die Transfergesellschaft ermöglicht den Arbeitnehmern damit eine Bewerbung und Qualifizierung ohne den „Makel“ der Arbeitslosigkeit. Zudem liegen die Bezüge in der Transfergesellschaft nicht zuletzt aufgrund der Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers in der Regel deutlich über dem Arbeitslosengeld.

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Finanziert wird die Transfergesellschaft in der Regel durch das sog. Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III. Ein entsprechender Anspruch setzt voraus, dass (und solange) die betreffenden Arbeitnehmer von einem „dauerhaften nicht vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall“ betroffen sind (§ 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III) und die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen des § 111 SGB III vorliegen.

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Ein „dauerhafter Arbeitsausfall“ liegt nach § 111 Abs. 2 SGB III vor, wenn „auf Grund einer Betriebsänderung“ i.S.d. § 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Infolge des Verweises auf § 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III gilt als Betriebsänderung „eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG, unabhängig von der Unternehmensgröße und unabhängig davon, ob im jeweiligen Betrieb das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden ist“ (§ 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III).

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Die betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld sind gemäß § 111 Abs. 3 SGB III erfüllt, wenn Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung durchgeführt werden (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 SGB III), die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um Entlassungen zu vermeiden und ihre Eingliederungschancen zu verbessern (§ 111 Abs. 3 Nr. 2 SGB III; Transfergesellschaft), die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen (§ 111 Abs. 3 Nr. 3 SGB III) und ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird (§ 111 Abs. 3 Nr. 4 SGB III).

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Ferner müssen die persönlichen Voraussetzungen i.S.d. § 111 Abs. 4 SGB III erfüllt ein, d.h. der betroffene Arbeitnehmer muss von Arbeitslosigkeit bedroht sein (§ 111 Abs. 4 Nr. 1 SGB III; maßgeblich ist die Legaldefinition des § 17 SGB III[341]), nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzten oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnehmen (§ 111 Abs. 4 Nr. 2 SGB III), darf nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen sein (§ 111 Abs. 4 Nr. 3 SGB III) und er muss sich vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (Transfergesellschaft) aus Anlass der Betriebsänderung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden (§ 111 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a SGB III) und an einer „arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten“ teilnehmen (§ 111 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b SGB III).

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Wichtig für die Praxis und den zeitlichen Ablauf ist, dass sich die Betriebsparteien „im Vorfeld der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld“, insbesondere „im Rahmen ihrer Verhandlungen über einen die Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördernden Interessenausgleich oder Sozialplan nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes“, von der Agentur für Arbeit beraten lassen haben müssen und der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (vgl. § 111 Abs. 4 SGB III).

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Wird dies versäumt und der Interessenausgleich vor Durchführung der Beratung mit der Agentur für Arbeit abgeschlossen, fehlt es an den Voraussetzungen für die Gewährung des Transferkurzarbeitergeldes. Die Agentur für Arbeit ist daher rechtzeitig, d.h. parallel zu den laufenden Verhandlungen einzubinden und die Beratung durchzuführen.

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Liegen diese Voraussetzungen vor, leistet die Agentur für Arbeit Transferkurzarbeitergeld. Dies Zahlung erfolgt für längstens zwölf Monate (§ 111 Abs. 4 Satz 2 SGB III).

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Weitere „Transfermaßnahmen“, zu denen die Agentur für Arbeit Zuschüsse nach § 110 SGB III leistet (50 % der erforderlichen und angemessenen Maßnahmekosten, höchstens aber 2 500 € pro Arbeitnehmer) und die üblicherweise in der Transferregelung festgelegt werden, sind u.a. die Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 4 SGB III), d.h. insbesondere solche, mit denen die Leistungsfähigkeit, die Arbeitsmarktchancen und der Qualifikationsbedarf der Arbeitnehmer festgestellt werden (sog. Profilingkosten).[342]

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Zu den förderungsfähigen Transfermaßnahmen gehören ferner Angebote wie Bewerbungstraining, Informationen über den Arbeitsmarkt, Unterstützung bei der Stellensuche und Ähnliches. Auch die Fortführung einer bereits begonnenen Berufsausbildung oder Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung können über § 110 SGB III gefördert werden. Maßnahmen zur Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung wie sie etwa in Mobilitätshilfen, Einstellungszuschüssen für Arbeitsverhältnisse bei anderen Arbeitgebern oder der Förderung einer zeitlich begrenzten Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder schließlich in Maßnahmen zur Vorbereitung der Gründung und Begleitung einer selbstständigen Existenz liegen, fallen ebenfalls unter die Transfermaßnahmen i.S.d. § 110 SGB III.[343] Es kommen unter den Umständen des Einzelfalles aber auch andere für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt geeignete Transfermaßnahmen in Betracht, die mit der örtlichen Agentur für Arbeit schon bei der „Vorfeldberatung“ abgesprochen werden sollten.[344]

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Gegenstand der Beschäftigung der Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft ist eine Qualifizierung zwecks Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz.

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Soweit Transfergesellschaften in der Praxis als ein Instrument zur Auswahl von Personal benutzt werden, d.h. Arbeitnehmern, die in die Transfergesellschaft wechseln, von einer weiteren (konzernangehörigen) Gesellschaft neue Arbeitsverträge und der zeitnahe „Ausstieg“ aus der Transfergesellschaft angeboten werden, kann hierin eine Umgehung von § 613a BGB bzw. § 1 Abs. 3 KSchG liegen. Zulässig kann eine solche Vorgehensweise aber nach der Rechtsprechung des BAG dann sein, wenn den betroffenen Arbeitnehmern nicht verbindlich Arbeitsverhältnisse mit der Auffanggesellschaft zugesagt werden oder so gut wie verbindlich in Aussicht gestellt werden.[345] Werden solche Arbeitsverhältnisse verbindlich in Aussicht gestellt, ist der Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG wegen objektiver Gesetzesumgehung nichtig. Das BAG geht insoweit davon aus, dass der Vertrag in diesem Fall lediglich der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt.[346]

dd) Der Sozialplan in der Einigungsstelle

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Gemäß § 112 Abs. 3 BetrVG sollen Unternehmer und Betriebsrat der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat auf dieser Basis eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

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Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet nach § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt in diesem Fall die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

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Die Einigungsstelle kann aber bei ihrer Entscheidung nicht über den Rahmen hinausgehen, den die Betriebsänderung vorgibt. Zwar ist die Einigungsstelle – wie auch die Betriebsparteien – bei der Aufstellung eines Sozialplans grundsätzlich in den Grenzen von Recht und Billigkeit (§ 75 BetrVG) frei, darüber zu entscheiden, ob und welche Nachteile der Arbeitnehmer, die der Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung mit sich bringt, durch eine Abfindung ausgeglichen oder gemildert werden sollen.[347] Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darf der Spruch der Einigungsstelle aber nur solche wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die durch die beteiligungspflichtige Betriebsänderung entstehen.[348] Regelungen, die die Durchführung der Betriebsänderung selbst betreffen, können nicht Gegenstand des durch eine Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans sein.[349] Das gilt insbesondere für Kündigungsverbote, Versetzungs- und Umschulungspflichten.[350] Enthält der Spruch der Einigungsstelle solche Regelungen, überschreitet die Einigungsstelle ihre Kompetenz und ihr Spruch ist aufgrund der Ermessensüberschreitung unwirksam.[351] Dies kann der Arbeitgeber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG im Beschlussverfahren (§ 2a ArbGG) geltend machen.

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Auch der Ausgleich von Nachteilen, die dadurch entstehen, dass die Mitarbeiter infolge eines Betriebsübergangs zu einem neu gegründeten Arbeitgeber wechseln, ist regelmäßig nicht über die Einigungsstelle erzwingbar: Gliedert der Arbeitgeber einen Betriebsteil aus, um ihn auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, so liegt in der organisatorischen Spaltung des Betriebes zwar eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG (vgl. Rn. 73). Wegen der wirtschaftlichen Nachteile „infolge der geplanten Betriebsänderung“ kann der Betriebsrat gemäß § 112 BetrVG einen Sozialplan verlangen. Jedoch gehören eine etwaige Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG nicht zu den berücksichtigungsfähigen Nachteilsfolgen.[352] Bei einem Betriebsübergang ist damit nicht allein maßgeblich, ob hiermit Maßnahmen einhergehen, die als solche einen der Tatbestände des § 111 Satz 3 Nr. 1–5 BetrVG (Betriebsänderung) erfüllen. In diesem Fall stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG zu. Für die Frage, ob und inwiefern durch Spruch der Einigungsstelle auch ein Sozialplan erzwungen werden kann, ist vielmehr entscheidend, ob (über die gesetzliche Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG hinaus) bei Aufstellung des Sozialplans Nachteile zu erwarten sind, welche die vorgesehenen Ausgleichs- oder Milderungsmaßnahmen (z.B. Abfindungen) tatsächlich rechtfertigen konnten. Ist dies nicht der Fall, ist der Spruch unwirksam.[353]

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Nach § 112 Abs. 5 BetrVG hat die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von den Grundsätzen nach § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG leiten zu lassen. Die Grundsätze in § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG haben die Funktion von Richtlinien für die Ausübung des Ermessens durch die Einigungsstelle, indem sie die Grenzen des Ermessens abstecken. Ein Verstoß gegen diese Richtlinien stellt somit einen Ermessensfehler dar.[354]

(1) Gegebenheiten des Einzelfalles

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Nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG soll die Einigungsstelle beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. Die Einigungsstelle darf dabei keine Nachteile ausgleichen, die gar nicht entstanden sind und mit Sicherheit auch künftig nicht entstehen werden.[355]

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Werden diese Grundsätze nicht beachtet, liegt eine Ermessensüberschreitung vor, die den Sozialplan anfechtbar macht.

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Beispiel:

Die Einigungsstelle überschreitet etwa dann die Grenzen des ihr durch § 112 Abs. 5 BetrVG vorgegebenen Ermessensrahmens, wenn sie für alle infolge einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer ohne Unterschied Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit bemisst.

Dies hat das BAG etwa in einem Fall bejaht, in dem indem die Einigungsstelle pauschal für jeden Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis wegen der Rationalisierungsmaßnahme aufgelöst wurde, eine Abfindung in Höhe von 75 % des Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr vorgesehen hatte, sie sich also nicht „um den Ausgleich feststellbarer oder zu erwartender materieller Einbußen des Arbeitnehmers“ bemüht hatte.[356]

Nach Ansicht des BAG hätte es insbesondere einer Berücksichtigung des Umstands bedurft, dass die mehr als 30 betroffenen Arbeitnehmer „nach ihrer typischen individuellen Situation, wie z.B. ihrem Lebensalter, den familiären Belastungen, besonderen sozialen Umständen, evtl. besonderen persönlichen Eigenschaften wie Schwerbehinderteneigenschaften, usw.“ unterschiedlich von der Betriebsänderung betroffen seien. Zudem war nach Ansicht des BAG zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer (25 von 32) bereits neue Arbeitsplätze gefunden hatte, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG) also gut waren.[357]

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Die Verpflichtung, den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, bedeutet allerdings nicht, dass die Einigungsstelle ihr Verfahren so lange hinauszögern muss, bis die konkreten Nachteile für jeden einzelnen Arbeitnehmer feststehen.[358] Pauschalierende Prognosen und Beträge sind im Interesse einer zügigen Abwicklung der Sozialplanverhandlungen in der Regel unvermeidbar.[359] Zutreffend hat daher das BAG festgehalten, dass die Einigungsstelle den Ausgleich der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile für die Arbeitnehmer „möglichst konkret vornehmen“ müsse, jedoch davon auszugehen ist, dass im Einzelfall auch einmal pauschale Nachteilsausgleichszahlungen angemessen sind, wenn die konkreten Nachteile der Arbeitnehmer nicht prognostiziert werden können.[360]

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Insofern ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn auf die „Grunddaten“ Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten sowie die Bemessung von Abfindungen nach einem Punktesystem abgestellt wird.[361] Dabei müssen aber Mechanismen vorgesehen werden, um (typischer) Sonderfälle wie eine Schwerbehinderteneigenschaft Berücksichtigung finden.

(2) Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

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Die Einigungsstelle hat ferner die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Sie soll insbesondere Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet nach der gesetzgeberischen Wertung für sich allein nicht die Unzumutbarkeit (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG).

Diese Leitlinien beziehen sich zum einen auf Arbeitnehmer, die infolge einer Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren und keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns angeboten bekommen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG), zum anderen auf Arbeitnehmer, die zwar im Betrieb, Unternehmen oder Konzern weiterbeschäftigt werden können, dies aber ablehnen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 BetrVG).[362]

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Lässt die Einigungsstelle völlig außer Acht, dass bzw. ob betroffene Arbeitnehmer bei Abschluss des Sozialplans bereits ein Anschlussarbeitsverhältnis außerhalb des Konzerns gefunden haben und spricht sie ihnen die volle Abfindung zu, verletzt sie die Ermessenrichtlinien nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Denn gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt werden insbesondere dadurch belegt, dass der Arbeitnehmer bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat.[363] Maßgeblich sind indes die „Aussichten“ auf dem Arbeitsmarkt, so dass auch eine typisierende Betrachtungsweise zulässig ist.[364] Eine Sozialplanregelung, nach der der sich rechnerisch aus den Steigerungssätzen für Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung ergebende Betrag, soweit er die Höchstgrenze übersteigt, an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen ist, begegnet nach der Rechtsprechung des BAG etwa dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn wegen der besonders hohen Arbeitslosenquote in der Region auch jüngere Arbeitnehmer Gefahr laufen, langfristig arbeitslos zu werden.[365]

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Zudem kann in Härtefallregelungen auf die konkrete Dauer der Arbeitslosigkeit abgestellt werden.[366]

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Die Betriebspartner können in einem Sozialplan auch vereinbaren, dass Arbeitnehmer, die nach Bekanntwerden eines vom Arbeitgeber zunächst geplanten Personalabbaues einen Aufhebungsvertrag vereinbart haben (Stichtag), eine geringere Abfindung erhalten als diejenigen, welche eine solche Beendigungsvereinbarung erst nach der später erfolgten Mitteilung des Arbeitgebers geschlossen haben, er beabsichtige, den Betrieb stillzulegen.[367]

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Darüber hinaus „soll“ die Einigungsstelle nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 BetrVG den Gesichtspunkt des zumutbaren Arbeitsverhältnisses im Konzern berücksichtigen, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung gebieten.[368] Bei der Frage der Bewertung der „Zumutbarkeit“ sind die Wertungen des § 140 SGB III aufgrund der unterschiedlichen Normziele grundsätzlich nicht maßgebend.[369] Die Einigungsstelle kann grundsätzlich selbst beurteilen und in ihrem Spruch festlegen, welche anderen Arbeitsplätze als „zumutbar“ einzustufen sind.[370]

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Definiert die Einigungsstelle das „zumutbare“ Arbeitsverhältnis nicht näher, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass zumutbar nur solche Arbeitsverhältnisse sind, in denen in etwa gleichwertige Arbeitsbedingungen im Verhältnis zu dem bisherigen Arbeitsplatz gewährleistet sind.[371] Eine Gleichartigkeit wird nicht unbedingt vorausgesetzt,[372] ebenso muss die Gleichwertigkeit in finanzieller Hinsicht auch nicht zwingend identisch mit der bisherigen Vergütung sein. Zwar wird von einer Zumutbarkeit auch weiterhin dann auszugehen sein, wenn diese Kriterien erfüllt sind und die neue Tätigkeit der Vorbildung und der Berufserfahrung des Arbeitnehmers entspricht und keine niedrigere tarifliche Eingruppierung erfolgt.[373] Auch eine etwas geringere Vergütung oder der bloße Wegfall von Überstunden stehen der Zumutbarkeit aber nicht entgegen.[374]

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Von seiner früheren – recht strengen – Betonung der Gleichwertigkeit ist das BAG mittlerweile abgerückt. So hat es für den Fall des Betriebsübergangs, der mit beteiligungspflichtigen Umständen verbunden war, die Möglichkeit der Weiterarbeit beim Betriebserwerber für zumutbar erklärt, obwohl wenn dort ein ungünstigerer Tarif galt.[375] Auch das Angebot einer Teilzeitbeschäftigung ist danach nicht per se unzumutbar, und zwar auch dann wenn die Arbeitszeit auf drei Viertel der bisherigen Arbeitszeit reduziert wird oder auf 55 %[376].

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Ungeachtet dessen wird man aber davon auszugehen haben, dass sich die bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung des Arbeitnehmers nicht verschlechtert darf, d.h. die bisherige Betriebszugehörigkeit muss angerechnet werden, damit die Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG entfällt.[377]

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Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Ort begründet nach § 112 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG für sich allein genommen noch nicht die Unzumutbarkeit des Angebots. Kommen jedoch weitere Umständen hinzu, etwa ein hohes Lebensalter des Arbeitnehmers, eine Schwerbehinderteneigenschaft, die Pflege von Familienangehörigen, eine Umschulung von Kindern oder auch eine weite Entfernung des neuen vom alten Beschäftigungsort, kann sich in der Gesamtschau eine Unzumutbarkeit ergeben[378] Eine Unzumutbarkeit aufgrund der weiten Entfernung wird etwa dann angenommen, wenn der Ortswechsel eine An- bzw. Abfahrtzeit von mehr als drei Stunden täglich bedeutet.[379]

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Im Falle eines Betriebsübergangs, der mit beteiligungspflichtigen Umständen (z.B. Spaltung des Betriebs) verbunden ist, sichert bereits die Regelung des § 613a BGB einen Bestandsschutz beim Erwerber, so dass grundsätzlich von einer Gleichwertigkeit auszugehen ist. Arbeitnehmer, die dem Übergang widersprechen, können ebenfalls wirksam von Sozialplanansprüchen ausgenommen werden:[380] Dies gilt auch dann, wenn dort ein ungünstigerer Tarif gilt,[381] oder der Betriebsübergang mit einem Ortswechsel verbunden ist.[382] Nach der Rechtsprechung des BAG ist es grundsätzlich weder unzulässig, in einem betrieblichen Sozialplan Abfindungsansprüche für den Fall auszuschließen, dass das Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen Betriebs- oder Betriebsteilerwerber übergeht, noch Mitarbeitern von Sozialplanansprüchen auszunehmen, die das Arbeitsverhältnis auf einen Betriebs- oder Betriebsteilerwerber durch Widerspruch verhindern.[383] Die Weiterarbeit beim Betriebserwerber nach einem Betriebsübergang ist dem Arbeitnehmer danach in der Regel zumutbar.[384] Soweit das BAG in der Entscheidung aus 2007 darauf abgestellt hat, dass der Ausschluss von Mitarbeiter wirksam vereinbart werden könne, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses „ohne anerkennenswerte Gründe“ widersprochen haben,[385] hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert. Im Gegenteil: das BAG hat sowohl in dieser Entscheidung, als auch in der in Bezug genommenen Entscheidung von 1997[386]in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung lediglich geprüft, ob der Sozialplan an Bedingungen anknüpfte, deren Erfüllung den betroffenen Arbeitnehmern unzumutbar war.[387] Ein ohne triftigen Grund erklärter Widerspruch ist danach dem Fall gleichzustellen, dass der Arbeitnehmer einen ihm angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnt.[388] Bei einem Betriebsübergang gilt damit kein anderer Maßstab als im Falle eines Angebots eines anderen Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber.

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Soweit das LAG Hamm davon ausgeht, dass ein anerkennenswerter bzw. „sachlicher“ Grund vorliege, wenn der Übergang des Arbeitsverhältnisses von einem mittelständischen Unternehmen zu einem nicht sozialplanpflichtigen Kleinbetrieb erfolge,[389] überzeugt dies daher nicht. Diese Wertung steht zudem im Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG, wonach eine Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG nicht zu den im Rahmen eines Sozialplans berücksichtigungspflichtigen Nachteilen gehören (vgl. dazu Rn. 221).

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Eine Bestimmung in einem Sozialplan, die Ansprüche auf Abfindungen wegen Verlusts des Arbeitsplatzes davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer wegen eines möglicherweise vorliegenden Betriebsteilübergangs den vermuteten Betriebsteilerwerber erfolglos auf Feststellung des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses verklagt hat, ist hingegen regelmäßig unwirksam.[390]

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9783811476097
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