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1. Die Situation vor und anlässlich des Abschlusses einer D&O-Versicherung

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Ist das Unternehmen gerade damit befasst, Versicherungsschutz (neu) abzuschließen, während eine „Internal Investigation“ durchgeführt wird oder steht jedenfalls die Durchführung solcher Untersuchungen bereits fest, dann stellt sich die Frage, ob dieser Umstand dem Versicherer im Rahmen des Vertragsschlusses anzuzeigen ist.

a) Vorvertragliche Anzeigepflichten – § 19 VVG

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Insoweit könnte zunächst eine Anzeigepflicht nach § 19 VVG etabliert werden. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, dem Versicherer etwaige für den Vertragsschluss erhebliche Gefahrumstände mitzuteilen. Die Verletzung von vorvertraglichen Anzeigepflichten kann Gestaltungsrechte des Versicherers (Kündigung, Anfechtung, Rücktritt) auslösen, die später zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes führen können.

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Grundsätzlich hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des VVG vom 23.11.2007 allerdings eine für den Versicherungsnehmer freundliche Änderung umgesetzt: Im Rahmen von § 19 VVG sind nur noch solche Umstände anzeigepflichtig, nach denen der Versicherer schriftlich in Textform gefragt hat.[6] Dabei muss die Frage hinreichend konkret ausgestaltet sein.[7] Pauschale Fragen reichen nicht aus. Folglich wird die bloße Tatsache, dass interne Untersuchungen angeordnet worden sind oder bevorstehen, als solche regelmäßig nicht anzeigepflichtig sein. Denn eine darauf konkret zielende Anfrage des Versicherers wird häufig nicht vorliegen.

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Anders verhält es sich jedoch möglicherweise dann, wenn bereits konkrete Verdachtsmomente gegeben sind, die zu der Anordnung der internen Untersuchung geführt haben, oder wenn bereits ein Untersuchungsergebnis vorliegt. In diesen Fällen ist es möglich, dass eine Anzeigepflicht statuiert wird. Denn der Versicherer fragt häufig danach, ob Umstände[8] bekannt sind, die zu einer Inanspruchnahme führen können, so dass eine Nichtanzeige der Verdachtsmomente oder der im Rahmen einer „Internal Investigation“ zu Tage getretenen Ergebnisse sich später als fehlerhafte Beantwortung dieser Frage darstellen kann. Dies ist selbstverständlich von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Entscheidend ist jedoch, dass jedenfalls ein Risiko dafür besteht, dass der Versicherer später den Versicherungsschutz verweigern könnte, wenn er erfährt, dass bereits vor dem Vertragsabschluss Verdachtsmomente oder gar konkrete Umstände bekannt waren, die eine Inanspruchnahme eines Organmitgliedes in der Zukunft wahrscheinlich machen.

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Das Unternehmen trägt in dieser Situation eine immense Verantwortung. Denn die D&O-Versicherung sichert die Haftung sämtlicher Organmitglieder des Unternehmens sowie seiner Tochtergesellschaften ab.[9] Wenn durch eine fehlerhafte Beantwortung der von dem Versicherer gestellten Fragen der Versicherungsschutz gefährdet wird, dann sind davon auch die Organmitglieder betroffen, die von dem Ergebnis der Untersuchungen keine Kenntnisse haben. Diese haben aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen jedoch häufig die Zusage, dass das Unternehmen Versicherungsschutz im Rahmen einer D&O-Versicherung bereithält. Folglich können sie verlangen, so gestellt zu werden, als sei Versicherungsschutz gegeben. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten kann also im Ergebnis dazu führen, dass das Unternehmen nicht nur den Versicherungsschutz gefährdet, sondern auch Schadensersatzpflichten von Organmitgliedern ausgesetzt wird, wenn es später zu einer Inanspruchnahme kommen sollte.

b) Mögliche Anfechtungsrechte – § 22 VVG

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Diese Situation wird noch durch den Umstand verschärft, dass neben einer Verletzung von Anzeigepflichten grundsätzlich auch ein Anfechtungsrecht des Versicherers wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB bestehen kann. Nach § 22 VVG bleibt nämlich das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, ausdrücklich unberührt. Umstritten ist allerdings, ob nicht auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung eine ausdrückliche Nachfrage des Versicherers erfordert.[10] Dies wird teilweise deshalb gefordert, weil das Unternehmen in Anbetracht der Nachfragepflichten des Versicherers, die mit der Neufassung des § 19 VVG in das Gesetz inkorporiert wurden, darauf vertrauen können soll, dass eine spontane Anzeigepflicht nicht besteht.[11] Indessen wird von maßgeblichen Stimmen der Literatur[12] zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Gesetzesbegründung[13] die Möglichkeit einer spontanen Anzeigepflicht ausdrücklich betont wird. Die Vorschrift des § 22 VVG würde im Ergebnis auch kaum noch Relevanz aufweisen, wenn man eine Arglistanfechtung nur dann zulassen würde, wenn der Versicherer vorher schriftliche Fragen nach den verschwiegenen Umständen gestellt hat.[14]

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Es ist deshalb im Einklang mit der wohl als herrschend zu bezeichnenden Ansicht davon auszugehen, dass eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch bei Verschweigen von Umständen, nach denen der Versicherer nicht ausdrücklich gefragt hat, in Betracht zu ziehen ist.[15]

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Der dargestellte Meinungsstreit ist allerdings im Bereich der „Internal Investigations“ aus folgenden Gründen kaum von Relevanz:

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Ein Anfechtungsrecht entsteht nur dann, wenn die Kriterien der Arglist erfüllt sind. Dies setzt eine Täuschungshandlung des Unternehmens gegenüber dem Versicherer voraus.[16] Diese kann in der angesprochenen Fallkonstellation lediglich durch ein Verschweigen von Tatsachen – nämlich den im Rahmen der Untersuchungen aufgedeckten Erkenntnissen – begangen werden. Eine Täuschung durch Verschweigen wiederum erfordert, dass der andere Teil – das ist vorliegend der Versicherer – nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise eine Aufklärung erwarten durfte.[17] Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass im Grundsatz jede Partei ihre Interessen selbst wahrzunehmen hat und keine allgemeine Pflicht besteht, jeden Umstand offenzulegen.[18]

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An dieser Stelle wird sofort eine weitere Besonderheit deutlich, die mit der Durchführung von internen Untersuchungsergebnissen verbunden und zu berücksichtigen ist:

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Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse sind keineswegs ausschließlich unter dem Blickwinkel ihrer Auswirkungen für den Versicherungsschutz zu betrachten. Oftmals muss das Unternehmen sehr genau abwägen, welche Schritte im Unternehmenswohl geboten sind, und ob man bereits das Risiko eingehen kann, außenstehende Dritte – und dazu zählt aus Sicht des Unternehmens auch der Versicherer – von dem Ergebnis zu unterrichten. Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn festgestellt wird, dass einzelne Mitarbeiter Strafvorschriften verletzt haben. Ein professionelles Krisenmanagement ist dann unabdingbar.[19] Es ist also durchaus denkbar, dass unter Abwägungsgesichtspunkten – § 242 BGB bildet den Maßstab – eine unmittelbare Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse an den Versicherer nicht vorgenommen werden muss. Eine Anfechtung wegen Arglist scheidet dann aus. Zu beachten ist im Rahmen einer solchen Abwägung des Weiteren, dass der Versicherer sich durch entsprechende Ausgestaltung des Fragebogens in die Lage versetzen kann, eine Offenbarungspflicht zu statuieren. Insoweit verliert der oben angedeutete Streit erheblich an Bedeutung. Denn die Möglichkeit bzw. die Pflicht des Versicherers, Fragen vor Vertragsschluss zu stellen, grenzt jedenfalls die Fälle erheblich ein, in denen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung eine spontane Anzeigepflicht des Unternehmens statuiert wird. Es kommt jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalles an.

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Festzuhalten ist damit, dass grundsätzlich eine spontane Pflicht des Unternehmens statuiert werden kann, die Ergebnisse interner Untersuchungen dem Versicherer vor Vertragsschluss zu offenbaren, auch wenn dieser keine ausdrücklichen Fragen gestellt hat, die mit dem Inhalt des Untersuchungsergebnisses korrelieren. In Anbetracht der dargestellten Erwägungen werden diese Fälle jedoch selten sein. Vorrangige Bedeutung kommt deshalb immer der Vorschrift des § 19 VVG zu.

c) Ausschluss von Gestaltungsrechten auf Grundlage der Versicherungsbedingungen

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Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang abschließend auf folgenden Umstand: In jüngerer Zeit hat man versucht, die dargestellte Konsequenz, dass nämlich auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des VVG ein Anfechtungsrecht des Versicherers jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, zu entschärfen, indem sich der Versicherer vor Vertragsschluss damit einverstanden erklärt, auf eine Anfechtung zu verzichten. Hintergrund dieser Klauseln ist die Tatsache, dass bei einer erfolgreichen Anfechtung und einem damit einhergehenden Wegfall des Versicherungsschutzes auch Organmitglieder betroffen werden, die von den anzeigepflichtigen Umständen selbst keine Kenntnis hatten.

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Derzeitig ungeklärt ist jedoch, ob solche Klauseln wirksam sind. Eine in der Versicherungsszene viel erörterte Entscheidung des BGH[20] gibt Anlass dafür, an der Wirksamkeit solcher Klauseln zu zweifeln. Denn grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Täuschende selbst nicht schutzwürdig ist und daher eine Klausel, die es dem anderen Teil verweigern soll, sich nach Aufdeckung der Täuschung von dem Vertrag zu lösen, keinen Bestand haben kann.[21] Allerdings ist es fraglich, ob diese Ausführungen des BGH[22] auch auf die D&O-Versicherung übertragbar sind.[23] Denn es ist zu beachten, dass bei der Frage der Wirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsklauseln immer auch auf die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps abzustellen ist.[24] Die D&O-Versicherung ist jedoch als besondere Form der Haftpflichtversicherung einzuordnen. Dies wird u.a. daran deutlich, dass der in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eingeführte Pflichtselbstbehalt ausschließlich für die D&O-Versicherung Geltung beansprucht. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gem. § 44 VVG alleine den versicherten Organmitgliedern zustehen. Lediglich die Befugnis, über diese – fremden – Rechte zu verfügen, obliegt der Gesellschaft, die als „VN“ die Prämie für den Versicherungsschutz der Organmitglieder entrichtet hat. Von dem Versicherungsschutz umfasst werden dabei sämtliche Organmitglieder der VN, sowie ihrer Tochtergesellschaften.[25] Die Tochtergesellschaften werden üblicherweise so definiert, dass darunter sämtliche Unternehmen fallen, an denen die VN entweder die Mehrheit der Stimmrechte hält oder eine sonstige Möglichkeit der Einflussnahme besteht.[26] Eine exakte Definition der Tochtergesellschaften ist notwendig, um den Kreis der potentiell versicherten Organmitglieder zu bestimmen. Denn dazu zählen auch die Leitungs- und Aufsichtsorgane der Tochtergesellschaften. Auf die beschriebene Weise werden also sämtliche Organmitglieder der VN und der mit ihr verbundenen Unternehmen (§§ 17, 18 AktG) in den Versicherungsschutz einbezogen. Entscheidend ist nunmehr, dass damit auch solche Drittinteressen zu berücksichtigen sind, die nicht einmal Organe der als Versicherungsnehmerin fungierenden Gesellschaft sind. Es ist also für den Versicherer erkennbar, dass ein besonderes Schutzbedürfnis von solchen Organmitgliedern besteht, die für eine mögliche Täuschung bei Vertragsschluss gerade nicht verantwortlich waren und auch mangels Informationsbeteiligung zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatten, sich diese Informationen zu beschaffen. Es bestehen daher starke Argumente dafür, dass eine Klausel, mit der sich der D&O-Versicherer zum Verzicht auf ein Anfechtungsrecht bekennt, auch als wirksam zu behandeln ist.

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Doch ändert dies freilich nichts daran, dass eine Gesellschaft, die über interne Untersuchungsergebnisse verfügt, im Einzelfall genau überprüfen muss, ob das Vorenthalten der Informationen gegenüber dem Versicherer nicht dazu führen kann, dass der Versicherungsschutz im Schadenfall entzogen wird. Der Unternehmensleiter jedenfalls steht in der Verantwortung, die Rechtslage im Einzelnen zu überprüfen, um dann eine Entscheidung zu treffen, die den Versicherungsschutz des Unternehmens gewährleistet.

2. Die Situation während der Laufzeit einer D&O-Versicherung

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Ist ein Versicherungsvertrag bereits abgeschlossen worden, dann läuft die Gesellschaft keine Gefahr, den Versicherungsschutz zu gefährden, wenn sie das Ergebnis der internen Untersuchungen nicht offenlegt. Es besteht nun jedoch ein anderes Problem, mit dem sich das Unternehmen befassen muss:

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Der D&O-Versicherung liegt das sog. „Claims-Made-Prinzip“ zugrunde. Der Versicherungsfall wird also durch die Inanspruchnahme des Organmitgliedes ausgelöst. Unter einer Inanspruchnahme ist jede ernstliche Erklärung des Geschädigten zu verstehen, aus der sich ergibt, dass dieser Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen wird.[27] Wie bereits ausgeführt[28] hat der BGH zwischenzeitlich entschieden, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn der Unternehmensleiter deshalb in Anspruch genommen wird, um an das hinter diesem stehende Vermögen des Versicherers zu gelangen.[29] Die Inanspruchnahme muss innerhalb der Versicherungslaufzeit erfolgen. Es ist also möglich, dass eine pflichtwidrige Handlung während der Versicherungszeit begangen wird, die Inanspruchnahme des Organmitgliedes wegen dieser Pflichtverletzung jedoch zeitlich später – nach Beendigung des Versicherungsvertrages – erfolgt, so dass kein Versicherungsschutz gewährt werden muss.

a) Kritik an dem Claims-Made-Prinzip – Mögliche Unangemessenheit im Rahmen von § 307 BGB

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In der versicherungsrechtlichen Literatur wird deshalb die Frage erörtert, ob das Claims-Made-Prinzip überhaupt wirksam dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt werden kann. Dagegen wird vorgebracht, seine Anwendung führe zu einer unbilligen Benachteiligung der versicherten Organmitglieder, weil diese auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme keinen Einfluss hätten und der Zeitraum zwischen Pflichtverletzung und Anspruchserhebung häufig weit auseinanderfalle.[30] Auch wird mit gewichtigen Argumenten die Auffassung vertreten, dem gesetzlichen Modell der Haftpflichtversicherung, wie sie seit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes in § 100 VVG Einklang gefunden hat, liege das Verstoßprinzip zugrunde, so dass die Vermutung der Unangemessenheit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingreifen könne.[31]

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Nachdem die Frage, ob denn das Claims-Made-Prinzip als „unangemessen“ im Rahmen des AGB-Rechtes anzusehen sei, von den Obergerichten zunächst divergierend beurteilt worden ist, hat der BGH zwischenzeitlich einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Zunächst hatte das OLG Frankfurt[32] über einen Versicherungsfall entschieden, dem das Claims-Made-Prinzip zugrunde lag, ohne Zweifel an der Wirksamkeit zu hegen.[33] Das OLG München[34] dagegen betonte – ganz in Einklang mit den oben aufgeführten Kritikern aus der Literatur –, dass das Claims-Made-Prinzip „erhebliche Nachteile“[35] für den Versicherungsnehmer mit sich bringe, die jedenfalls kompensiert werden müssten, um dann insgesamt eine Benachteiligung der Beteiligten auszuschließen.[36] Der BGH hat den bestehenden Disput darüber, ob denn das Claims-Made–Prinzip tatsächlich zu einer Benachteiligung des Versicherungsnehmer/Versicherten führen kann, nicht entschieden. Vielmehr vertritt er die Auffassung, die Versicherungsfalldefinition als solche sei als „essentialia negotii“ einzuordnen und damit einer AGB-rechtlichen Prüfung entzogen. Denn die Frage, ob eine vertragliche Regelung den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB Stand hält, kann erst und nur dann gestellt werden, wenn die Regelung das bestehende Vertragsverhältnis und die zwischen den Parteien vereinbarten Rechte und Pflichten näher ausgestaltet. Eine Bestimmung, die den Gegenstand des Vertrages beschreibt oder seinen Leistungsinhalt erst festlegt, kann dagegen einer Inhaltskontrolle nicht unterworfen werden.[37] Entsprechend hat der BGH auch in seiner aktuellen Entscheidung zur D&O-Versicherung[38] den bestehenden Disput über die Wirksamkeit des Claims-Made-Prinzips nicht mehr aufgegriffen.

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Unabhängig davon, dass der Streit über die Wirksamkeit des Claims-Made-Prinzips mit den vorgenannten Entscheidungen des BGH wohl sein Ende gefunden haben dürfte, kann durchaus hinterfragt werden, ob die geäußerte Kritik an dem Claims-Made-Prinzip überhaupt berechtigt ist. Es ist nämlich zu bedenken, dass es sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt. Im Rahmen einer von § 307 BGB geforderten Interessenabwägung kommt es jedoch grundsätzlich nur auf die Interessen des Vertragspartners – vorliegend also der Gesellschaft – an. Drittinteressen sind unbeachtlich, weil die Inhaltskontrolle der Kompensation einer gestörten Aushandlungsparität dient.[39] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, soweit es dem Vertragspartner des Verwenders erkennbar darauf ankommt, Drittinteressen in den Vertrag zu integrieren. Deshalb kann es gerade bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter[40] oder bei einem Vertrag zugunsten Dritter[41] notwendig sein, auf die Interessen des geschützten Dritten abzustellen.

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Indessen führt dies nicht dazu, dass existierende Interessen des Vertragspartners unberücksichtigt bleiben dürfen. Häufig mögen diese Interessen bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter keine Rolle mehr spielen, weil keine unmittelbaren Interessen des Vertragspartners gegenüber dem Verwender bestehen.[42] Doch ist zu beachten, dass es dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes widersprechen würde, vorhandene Interessen des Vertragspartners gegenüber dem Verwender auszublenden, nur weil „auch“ Drittinteressen berührt werden. Aus der Tatsache, dass es sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt, darf also nicht gefolgert werden, dass vorhandene Interessen der Gesellschaft als Vertragspartner des Versicherers im Rahmen von § 307 BGB benachteiligt werden dürften und nunmehr ausschließlich auf die Interessen der versicherten Organmitglieder abzustellen wäre.[43] Diese Interessenlage der Gesellschaft hat der BGH nun ausdrücklich betont.[44] Es ist streng betrachtet verfehlt, zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen des versicherten Organmitgliedes im Sinne eines „Entweder-Oder“ zu differenzieren. Richtig ist es, eine Gesamtbewertung der Interessen der Gesellschaft vorzunehmen, bei der den Interessen der versicherten Organmitglieder eine tragende Rolle zukommen kann. Die Drittinteressen werden nämlich zu den Interessen des Versicherungsnehmers, wenn er den Vertrag erkennbar aus diesem Grunde abschließt.[45] Mit Abschluss des Versicherungsvertrages stellt die Gesellschaft sicher, dass in Zukunft Versicherungsschutz besteht, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben sollten, dass ein Organmitglied seine Pflichten verletzt hat und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin hat also ein erhebliches Eigeninteresse an dem Abschluss der D&O-Versicherung. Durch die D&O-Versicherung stellt das Unternehmen sicher, dass mögliche Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis auf Grundlage von § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG auch werthaltig sind und damit – um an die Worte des BGH zu erinnern – eine „Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens“[46] stattfinden kann. Die Interessen der Gesellschaft dürfen also auch bei der Frage nach der Angemessenheit des Claims-Made-Prinzips nicht unberücksichtigt bleiben. Unter Berücksichtigung einer solchen Gesamtbewertung der Interessen kann aber nicht verkannt werden, dass das Claims-Made-Prinzip auch Vorteile mit sich bringt. Diese Vorteile liegen dabei gerade darin, dass auch Deckung für Pflichtverletzungen gewährt werden muss, die sich vor (!) Beginn des Versicherungsschutzes ereignet haben, wenn nur die Inanspruchnahme innerhalb des Vertragszeitraumes erfolgte. Jedenfalls aus Sicht der Gesellschaft besteht folglich für das Claims-Made-Prinzip durchaus ein Bedürfnis.

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9783811442757
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