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Alexander Florin

Erfolgreich

scheitern

Ein Ratgeber für Unentschlossene

Impressum

Erfolgreich scheitern. Ratgeber für Unentschlossene

Alexander Florin

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Alexander Florin

ISBN 978-3-8442-7440-0

Einstimmung

50 Dinge, die man für erfolgreiches Scheitern benötigt

Scheitern ist einfach. Gescheitert sind sicherlich alle schon einmal, die einen bei größeren, die anderen bei kleineren Aktionen. Doch „erfolgreiches Scheitern“ verlangt vom Scheiterwilligen mehr als nur das Scheitern an sich. Es braucht den unbedingten Willen zum Scheitern; dieser Wille muss auch dann vorhanden sein, wenn das Ziel sich als unerreichbar herausstellen sollte. Selbst wenn sich Erfolg anbahnen sollte, darf das eigentliche Ziel nicht aus dem Blickfeld verschwinden, und es gilt, alle Anstrengungen zu verdoppeln, um das Scheitern seines Vorhabens zu erreichen.

Scheitern ist gar nicht so schwierig, wie es sich manche vorstellen. Sicher, Erfolg haben viele, aber in wessen Bekanntenkreis finden sich erfolgreich Gescheiterte? Natürlich begegnen Ihnen zahlreiche Menschen in Ihrem Leben, die das Scheitern von irgendetwas bedauern, bejammern und Ihr Mitleid erheischen wollen. Verweigern Sie es! Helfen Sie diesen Gescheiterten, die Niederlage in einen Triumph umzuwandeln – in einen Triumph über die Logik des Erfolg-haben-Müssens.

Was also, wirst Du, geneigter Leser, Dich jetzt fragen, unterscheidet den erfolgreich Gescheiterten vom gewöhnlichen Gescheiterten? Fünf wesentliche Aspekte. Schon die falsche Umsetzung in einem dieser Bereiche kann das Scheitern-Wollen zum Scheitern verurteilen. Jedem dieser Bereiche ist ein Kapitel gewidmet, das jeweils zehn Punkte umfasst.

Erstes Kapitel: Einstellung. Ohne die richtige Einstellung ist erfolgreiches Scheitern unmöglich. Man muss Scheitern wollen – sonst wird es nur eine peinliche Niederlage.

Zweites Kapitel: Projektauswahl. Das Scheiterprojekt muss sorgfältig ausgewählt und auf die eigenen Möglichkeiten abgestimmt werden.

Drittes Kapitel: Organisation. Die Organisation erfordert das richtige Augenmaß und gute Planung.

Viertes Kapitel: Personen. Die Menschen, die einen seelisch und tatkräftig beim Scheitern unterstützen sollen, wollen mit Bedacht ausgesucht sein.

Fünftes Kapitel: Verkaufen. Wer weder sein Vorhaben noch sein Scheitern richtig verkaufen kann, ist zur Niederlage verdammt.

Manche unserer Ratschläge werden in ihrer Radikalität verschrecken oder leise Zweifel wecken, ob solch ein kompromissloses Vorgehen überhaupt notwendig ist. Wer so denkt, wird schon beim Scheitern scheitern und sollte sich unter anderem Ratschlag 8 ausführlich vornehmen und an seiner Einstellung arbeiten.

Sicherlich, so wirst Du, lieber Leser, jetzt wahrscheinlich fragen, sind die Ratschläge in diesen Kapiteln nützlich und sinnvoll, aber wie soll ich sie auf mein individuelles Scheiterprojekt anwenden? Nun, zweifelnder Leser, vier ausgesuchte Projekte zeigen, wie eine praktische Umsetzung aussehen könnte. Die Auswahl fiel nicht leicht, aber in den vorgestellten Beispielen zeigen sich erfolgreiche Strategien, wie die Ratschläge in die Praxis umgesetzt werden können.

Anna hat neulich beim Aufräumen einen Brief ihrer Großmutter gefunden, die sie kaum kannte. Sie hat beschlossen, dass diese Großmutter eine spannende Person ist, und ihre Familie ist sowieso aufregend – sie will einen Roman darüber schreiben.

Tom kaufte kürzlich einen Kugelschreiber für 5,95 Euro. Leider erwies sich diese Investition im Alltag als unbrauchbar. Er hätte gern auf einer Internetseite Nutzerkommentare gelesen und dadurch eine bessere Entscheidung getroffen. Er beschließt, eine Internetplattform zu gründen, wo Nutzer von Schreibgeräten von ihren Erfahrungen berichten und Empfehlungen geben sollen.

Josef und Mara, zwei diplomierte Biochemiker, joggen zusammen und bekommen, da sie sich nebenbei unterhalten, ab und zu Seitenstechen. Sie entwickelten eine Idee, wie dieses Ärgernis durch eine Tablette umgehend verschwinden könnte.

Jan mag CDs und digitale Downloads nicht, er sammelt Schallplatten. Im Laufe der Jahre hat er festgestellt, dass es zahlreiche Menschen wie ihn gibt. Es wäre doch schön, denkt er sich, wenn man seine Schallplatten nicht online kaufen müsste, sondern sie in einem Geschäft entdecken könnte. Er möchte ein Laden für Schallplattenan- und -verkauf eröffnen.

Natürlich gehen Anna, Tom, Jan, Josef und Mara nicht von einem Misserfolg ihrer Vorhaben aus, wie ja Ratschlag 41 empfiehlt. Aber – und darin liegt das Geheimnis ihres Erfolges – unbewusst machen sie alles richtig, um erfolgreich zu scheitern.

Leider, leider, und darauf sehen wir uns aus Versicherungsschutzgründen gezwungen hinzuweisen, stellt auch die erfolgreiche Befolgung aller Ratschläge und Hinweise in diesem Buch keine Garantie für ein Scheitern dar. Mitunter geschehen Dinge in dieser Welt, die ein Scheitern partout verhindern wollen – so sehr man sich auch müht, es bleibt ein Erfolg. In solchen Fällen können wir nur empfehlen, das Projekt umgehend einzustellen und sich eines mit größerem Scheiterpotenzial auszusuchen. In solchen Fällen ist anzuraten, sich das zweite Kapitel noch einmal intensiv vorzunehmen und die Auswahl mit größerer Sorgfalt zu betreiben.

Außerdem sollten Sie noch einmal gründlich in sich hineinhorchen und sich ernsthaft fragen, ob Ihre eigene Einstellung (Kapitel 1) nicht schuld am Erfolg sein könnte. Vielleicht waren Sie auch unachtsam bei der Wahl der Personen, die Sie auf dem Weg zum erfolgreichen Scheitern begleiten sollten (Kapitel 4). Einigen Enthusiasten geschieht es immer wieder, dass sie zwar alles richtig machen, sich dann bei der Organisation ihres Vorhabens aber nicht an unsere Ratschläge halten (Kapitel 3); sollten Sie einer von diesen Enthusiasten sein, bleibt Ihnen nur, sich strikt an die Anweisungen zu halten, was Ihnen mit der richtigen Einstellung (Kapitel 1) und den passenden Personen (Kapitel 4) relativ leicht fallen sollte. Eher unwahrscheinlich ist, dass Sie im Bereich des Verkaufens Fehler gemacht haben (Kapitel 5), aber ausschließen können wir es nicht.

Einstellung

Ihre eigene Einstellung bildet das notwendige Fundament für erfolgreiches Scheitern. Zahlreiche der späteren Regeln und Empfehlungen leiten sich davon ab. Sie können also bereits nach diesem Kapitel sehr gut erkennen, ob Sie zum erfolgreichen Scheiterer taugen.

1. Sie müssen scheitern wollen

Aktives Wollen ist der Weg zum Erfolg.

Passives Geschehen-Lassen und Darauf-Reagieren ist der Weg zur Niederlage.

Wer nicht scheitern will, ist zum Erfolg verdammt. Nur wer etwas mit ganzem Herzen, mit all seinem Sinnen und Trachten wirklich will, hat die Chance, es auch zu erreichen. Ein Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang ist „Herzblut“. Wenn Sie Ihr Scheiterprojekt nur halbherzig angehen, werden Sie eine Niederlage einstecken. Der unbedingte, kompromisslose Wille ist unabdingbare Voraussetzung.

Mitunter werden Sie erst im Verlauf Ihrer Projektumsetzung feststellen, dass Sie den Willen zum Scheitern bisher unbemerkt in sich trugen und ihn nicht registrierten. Aber es ist noch nicht zu spät. Gratulieren Sie sich zu dieser Entdeckung und befolgen Sie alle Ratschläge mit doppelter Energie. Es besteht die gute Chance, dass Sie Ihr Vorhaben noch rechtzeitig und erfolgreich zum Scheitern bringen können.

Schlimm ist es allerdings, wenn dieser Wille zwar in Ihnen schlummert, Sie ihn aber unterdrücken, verdrängen und nicht wahrnehmen wollen. Unbewusst werden Sie einiges richtig machen, das Bewusstsein wird jedoch stets versuchen gegenzusteuern. Durch diese uneinheitliche Herangehensweise steht Ihnen eine grandiose Niederlage bevor, die vom erfolgreichen Scheitern meilenweit entfernt ist.

Sie brauchen keine Psychiatercouch, nur Ehrlichkeit gegenüber sich selbst: Wollen Sie wirklich, wirklich scheitern? Was will Ihr Verstand – und was will Ihr Bauchgefühl? Nur wenn Sie beides in Einklang bringen, wobei der Verstand leichter zu überzeugen ist als der Bauch, werden Sie erfolgreich sein können.

Anna – wie unsere anderen Projektbeispiele auch – weiß bisher nur unterbewusst von ihrem Scheiterwillen, der unnatürlich stark ausgeprägt ist. Sie geht, wie wir anhand Ihrer weiteren Schritte sehen werden, zwar von einem Erfolg aus, macht aber instinktiv alles richtig, um erfolgreich zu scheitern.

Das, lieber Leser, ist Dein Vorteil: Du bist im Besitz dieser 50 goldenen Scheiterregeln und musst Dir nicht mühsam selbst erarbeiten, wie man erfolgreich scheitert; das verstößt zwar gegen Regel 27, ist aber in diesem speziellen Fall tolerierbar. In Ermangelung eines solchen Ratgebers können unsere vier Beispiele zu diesem frühen Zeitpunkt ihre wahrhaftige Einstellung noch nicht erkennen und folgen dem gesellschaftlich verordneten Erfolgsdruck. Aber Du, geneigter Leser, hast mit diesem Buch die Chance, bereits von Anfang an alles richtig zu machen.

2. Sie dürfen sich vom Scheitern nicht abbringen lassen

„Experts are clueless.“

Guy Kawasaki

Was auch immer passiert, ändern Sie Ihre Zielsetzung nicht, passen Sie höchstens die äußere Zielsetzung an Ihre Einstellung an, so wie es unsere Beispiele im Laufe der Arbeit getan haben. Eine solche Anpassung ist jedoch immer riskant und kann nur funktionieren, wenn das neue Ziel schon immer zu Ihren unbewussten oder unterschwelligen Zielen gehörte.

Ignorieren Sie vor allem sämtliche Unkenrufe, die Ihnen ein Scheitern vorhersagen. Was wissen solche Kleingeister schon? Es wäre die Mühe nicht wert, diesen Unken Ihre Ziele nahebringen zu wollen; überzeugen können Sie sie sowieso nicht. Wenn Sie schon nicht in der Lage sind, solche Negativisten umzustimmen – warum sollten dann gerade diese Pessimisten Sie umstimmen können?

Die Unken tarnen sich erfahrungsgemäß mitunter erschreckend geschickt und arbeiten mit scheinbaren Fakten, Beobachtungen, Berechnungen, Hinweisen, die Sie ablenken und umstimmen sollen. Gehen Sie gar nicht darauf ein. Hören Sie gar nicht zu. Fallen Sie idealerweise in eine katatonische Starre, sobald Ihnen jemand versucht Ihr Scheitervorhaben auszureden. Das schreckt die meisten von weiteren Versuchen ab, Ihnen Ihr Projekt madigzumachen. Auf diese Weise können Sie leicht Ihren Freundes- und Bekanntenkreis auf ein vernünftiges Maß reduzieren. Ausschließlich Personen, die unbedingt zu Ihnen halten und Ihrer Meinung sind, werden Sie umgeben, und störende Einflüsse bleiben von Ihnen fern (Kapitel 4).

Anna genoss die entstehende Ruhe sehr schnell. Anfangs war sie noch oft auf Partys gewesen und hatte Freunde und Bekannte getroffen. Doch diese offenbarten rasch ihre wahren Unkengesichter und hielten Anna davon ab, mit Elan ihr Vorhaben zu verfolgen.

Jan machte ähnliche Erfahrungen und beschloss, bis zur Eröffnung seines Ladens, den Kontakt zu anderen Schallplattensammlern zu meiden, diese hatten in Gesprächen immer mit Bedenken reagiert und seine Motivation untergraben.

3. Bleiben Sie immer ruhig

Gelassenheit und Ausgeglichenheit sind der Weg zum Erfolg.

Hektik und hastige Entscheidungen sind der Weg zur Niederlage.

Wenn Sie Ihr Projekt angefangen haben, wird es regelmäßig Situationen geben, in denen von Ihnen schnelle Entscheidungen gefordert sind. Auch wenn es Ihnen anfangs schwerfällt, treffen Sie keine schnellen Entscheidungen. Bleiben Sie immer ganz ruhig. Nur wenn Sie stets ruhig und gelassen bleiben, können Sie Entscheidungen in Ruhe überdenken. Wer sich dagegen auf die verbreitete Hektik einlässt, wird bald von seinen eigenen Entscheidungen überrollt.

Nehmen Sie es gleichmütig in Kauf, wenn andere ihre Gelassenheit nicht verstehen können und sie als „Arschruhe“ zu diffamieren versuchen. Bei all der Verantwortung, die Sie mit Ihrem Projekt übernehmen, können Sie es sich gar nicht leisten, auch nur für einen Moment in Hektik zu verfallen.

Sollte Ihnen die nötige Ruhe fehlen, können Sie sie sich selbst sehr schnell antrainieren: Machen Sie es sich zur unbedingten Angewohnheit, zwischen einer Frage und einer Antwort immer eine Nacht verstreichen zu lassen. Beantworten Sie eMails grundsätzlich erst am nächsten Tag, egal wie eilig der Verfasser behauptet, sein Anliegen beantwortet wissen zu müssen. Sammeln Sie Rechnungen und bezahlen Sie diese grundsätzlich erst am Tag ihrer Fälligkeit. Meiden Sie Entscheidungen oder komplizierte Fragen – wer von Ihnen rasche Entscheidungen oder Antworten verlangt, kann Ihnen nichts Gutes wollen. Selbstverständlich sind Sie bereit, die Entscheidung oder Antwort am nächsten Tag mitzuteilen, aber doch nicht sofort! Nach nur wenigen Wochen wird Ihr Umfeld an Ihre Ruhe gewöhnt sein und anerkennend wispern: „Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich so ruhig leben würde.“

Jan war auf der Suche nach einem Ladenlokal. Er hatte zwei Gegenden ins Auge gefasst. Als er gerade in der einen war, erhielt er einen Anruf; da er noch nicht die komplette Ruhe gefunden hatte, trug er weiterhin sein Mobiltelefon mit sich herum. In der anderen Gegend würde gerade ein Geschäft frei, er müsse sich aber rasch entscheiden. Nun, Jan ließ sich keine Hektik verordnen und fuhr am nächsten Nachmittag dorthin. Als man ihm aber erklärte, dass er jetzt nur noch wenig Zeit hätte, sich für das Geschäft zu bewerben, es gebe viele Interessierte, machte er auf dem Absatz kehrt.

Josef hatte noch guten Kontakt zu seinem Professor an der Universität. Dieser bat ihn dringend zu einem Gespräch. Josef beriet sich ausführlich mit Mara, was der Professor wohl wollen könnte, und ging zwei Tage später hin. Wie er erfuhr, beabsichtigte ein Student, seine Diplomarbeit über Seitenstechen zu schreiben – dazu gehörten auch umfangreiche Laborarbeiten, die die Universität ermöglichen würde. Dies ginge aber nur, wenn er professionelle Unterstützung hätte, die Josef und Mara mit ihrem Vorhaben hätten beisteuern können. Der Student allerdings hatte sich inzwischen für Gelenkprobleme entschieden. Mara bedauerte ihn – wie kann jemand nur so überstürzt Entscheidungen treffen.

Auch bei Tom gab es zahlreiche Anlässe zur Ruhe-Bewahrung. Als der Test-Server bei ihm einmal abstürzte, blieb Tom ganz ruhig. Drei Tage später funktionierte der Server wieder. Hätte sich Tom bei der Reparatur beeilt, das Problem womöglich noch umgehend behoben, wer weiß, welche Schwierigkeiten sich noch eingestellt hätten.

Sie dürfen nie vergessen: Probleme sind Gotteswerk. Wenn Gott Probleme streut, dann will er die Menschen aufhalten. Wenn diese sich nicht aufhalten lassen wollen, gibt es neue Probleme, bis Gottes Zeitplan, die Menschen aufzuhalten, aufgeht. Warum sich also in Stress versetzen lassen? Lieber in Ruhe und Gelassenheit das eine Problem lösen und hoffen, dass Gott, bis man das Problem beseitigt hat, sich neue Opfer zum Ausbremsen gesucht hat.

Im Gottesplan ist immer ein Ausgleich vorgesehen. Wenn Sie eine Entscheidung schnell treffen müssen, gibt es immer (!) irgendwo einen Haken, den es zu entdecken gilt, der die scheinbar gute Entscheidung schnell in ihr Gegenteil verkehren kann. Deshalb lassen Sie sich nie auf Hektik und Stress ein, sondern sind in Ihrer Ruhe und Gelassenheit immer fähig, alles sorgfältig so lange abzuwägen, bis sich entweder die Entscheidung nicht mehr stellt oder Sie absolut sicher sein können, dass diese Entscheidung nur zu Ihrem Besten gereichen wird.

4. Bleiben Sie immer in Bewegung

„Wer rastet, rostet.“

Sprichwort

Bleiben Sie immer ruhig (Ratschlag 3), aber erwecken Sie nie den Eindruck von Lethargie. Seien Sie vielmehr stets mit irgendwelchen Dingen beschäftigt. Gönnen Sie sich keine Pause. Ganz egal, wie banal oder unwesentlich Ihre kleine Beschäftigung Ihnen vorkommen mag, sie ist wichtig, um das Gesamtvorhaben erfolgreich zu bewältigen. Es gibt keine großen und kleinen Sorgen. Es gibt nur Sorgen. Warum sollte eine scheinbar große Sorge vorrangig vor einer scheinbar kleinen beseitigt werden? Irgendwann werden sich die scheinbar kleinen ansammeln und stapeln, und Sie werden außerstande sein, sie alle zu lösen.

Im Laufe dieser Ratschläge erhalten Sie viele Anregungen für sinnvolle Beschäftigungen; wenn Sie beispielsweise Ihre Arbeit gemäß Regel 24 organisieren, sind Sie immer beschäftigt und bleiben dennoch ruhig. Wichtig ist, dass Sie nie den Eindruck erwecken, dass Ihr aktuelles Projekt Sie nicht ganz und komplett ausfüllen könnte. Jeder Unbeteiligte muss sofort und unmissverständlich merken, dass Ihr Projekt alles ist, was Sie umtreibt, dass es nichts gibt, was Ihnen auch nur halb so wichtig wie Ihr Vorhaben ist.

Jan sprach seit Wochen von nichts anderem als von Schallplatten. In seinen freien Minuten las er alte Plattenkataloge und fertigte für sich eine Liste mit Platten an, die er auf jeden Fall in seinem Geschäft haben wollte und legte auch Regeln fest, welche Platten er auf keinen Fall aufnehmen wollte. Lange rang er mit sich um eine geeignete Sortierung der Liste. Sollte er sie alphabetisch nach Künstler, Albumtitel, Plattenfirma oder chronologisch nach Erscheinungsdatum sortieren? Wie sollte er mit Platten umgehen, bei denen Künstler und Komponist verschiedene Personen waren, wie mit solchen, die mehrfach von verschiedenen Firmen veröffentlicht wurden, wie mit solchen, die es nachweislich nicht mehr gab, die er aber gern hätte?

Tom streifte durch die Geschäfte und betrieb detaillierte Angebotsanalyse. Für jedes Schreibgerät, das er im Geschäft sah, füllte er einen umfangreichen Fragebogen aus. Er vermaß alle Stifte, bestimmte die Tintenfarbe, schuf Klassen für die Materialien, recherchierte Hersteller- und Vertriebsfirmen. Nach einigen Monaten hatte er mehrere Tausend Stifte so erfasst und musste die Daten nur in die noch zu entwickelnde Internetplattform eintragen.

Anna hatte sich zahlreiche Romane gekauft und geliehen, die inhaltlich in etwa dem entsprachen, was sie plante. Sie schrieb von jedem Roman den ersten und letzten Satz ab, um ein Gefühl für gute Anfänge und Enden zu bekommen. Sie rechnete aus, wie viele Wörter jeder Roman enthielt, um sich nicht mit einem zu kurzen Entwurf zu blamieren und analysierte ausführlich die Programme der einzelnen Verlage, um herauszufinden, zu welchem ihr Werk am besten passen würde.

5. Bleiben Sie unvorhersehbar

Kreativität benötigt Chaos: inneres und äußeres.

Sie sind der Chef Ihres Vorhabens. Sie sind der einzige, der darüber alle Gewalt und Befugnisse hat. Sie können damit machen, was Sie wollen. Engen Sie sich daher nicht zu früh ein. Lassen Sie sich Spielraum für spontane Änderungen, mit denen Sie immer wieder verblüffen können. Auch Ihre Arbeitsweise sollte unvorhersehbar sein; schließlich bringen Sie darüber Ihre Kreativität und Spontaneität zum Ausdruck. Als Projektinhaber sind diese zwei Eigenschaften Ihr größtes Kapital, und Sie haben im Alltag nur wenig Gelegenheit, diese zu beweisen. Also nutzen Sie jede Möglichkeit.

Fangen Sie beispielsweise einfach so mit dem Rauchen an. Oder Sie trinken bereits am frühen Morgen statt des üblichen Kaffee eine Flasche Bier. Oder Sie räumen Ihren Arbeitsplatz um. Oder Sie tragen künftig nur noch Schlips und Krawatte im Alltag. Oder abonnieren Sie eine Zeitung, die Ihrer politischen Meinung komplett zuwider läuft. Oder Sie entwickeln neue Gewohnheiten und gehen jeden Dienstag und Donnerstag fein essen. Oder Sie gehen in einen Swingerclub und entwickeln neue Freundschaften. Oder Sie sortieren Ihre CD-Sammlung nach Farbgebung der Hüllen. Tun Sie auf jeden Fall Dinge, von denen Sie selbst überrascht sind. Denn nur wenn Sie sich selbst überraschen können, gelingt Ihnen das auch bei anderen.

Der immergleiche Trott Ihrer alten Gewohnheiten ist hochgradig kreativitätshemmend. Daher ist ihre wichtigste Aufgabe, die Kreativität, die Sie mit Ihrer Projektidee bereits bewiesen haben, auch auf Ihren Alltag auszudehnen und dadurch Ihre Kreativität voll zu entfalten. Schließlich gibt es keine Regel, die besagt, dass Kreativität nur in einem geordneten Umfeld existieren kann. Ihre Veränderungen symbolisieren auch Ihnen selbst, dass nun eine neue Phase in Ihrem Leben begonnen hat: Sie haben ein eigenes Vorhaben oder Projekt, das Sie durchziehen wollen. Damit sind Sie schon in der Zielsetzung ein anderer Mensch als zuvor, das sollte auch in allen anderen Aspekten Ihres Lebens deutlich werden.

Anna zog am Tag, als sie ihre erste Seite schreiben wollte, zum ersten Mal in ihrem Leben einen Rock an. Das lag auch daran, dass all ihre Hosen gerade auf der Wäscheleine zum Trocknen hingen. Anfangs war es ihr ungemütlich und kühl, und sie musste regelmäßig ihre Arbeit unterbrechen, um die Heizung zu prüfen – zu kühl kam es ihr vor. Aber bald hatte sie sich damit arrangiert und nebenbei auch ihre Lieblingsfarbe gewechselt: von einem gedeckten Blau zu grellem Bunt. Sie befürchtete, wenn sie einen heiteren Roman schreiben wollte, würde ihre alte Farbe unbewusst eine trübe Stimmung bewirken, während die leuchtenden Farben doch Frohsinn und Heiterkeit einbringen würden. Da sie über eine Frau, ihre Großmutter, schreiben wollte, war es auch angemessen, nur noch Röcke zu tragen.

Josef ging die Harmonie mit Mara zunehmend auf den Geist. Je länger er darüber nachdachte, desto gereizter reagierte er, dass Mara und er immer einer Meinung waren. Nie gab es Streit; wenn sie einmal verschiedener Meinung waren, besprachen sie dies auf „neutralem Boden“, in der Weinschänke nebenan; meist waren es nur Missverständnisse. Doch, so frage sich Josef, wie soll ein Vorhaben erfolgreich sein, wenn es nie kreative Differenzen gibt. So begann er, Mara zunehmend zu widersprechen, einfach um etwas Abwechslung und Auseinandersetzung in das Projekt zu bringen, wovon sicherlich die Kreativität profitierte. Mara ihrerseits zog zur Klärung von Streitigkeiten immer häufiger abgelegene „neutrale Böden“ vor, und so trafen sie sich häufig in angesagten Klubs und Diskos. Dort konnte Josef auch ungestört anderen Männern hinterherschauen, da er die Theorie entwickelt hatte, dass eine unterdrückte Bisexualität dem Vorhaben eher abträglich wäre. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er eine solche Veranlagung hätte. Also schrie er allabendlich gegen den Diskolärm Mara seine Argumente ins Ohr, während sein Blick suchend umherschweifte.

Jan beschloss, dass Schallplatten zwar schöne Dinge für seinen Laden sind, aber dass er das Angebot interessanter gestalten müsste. Also nahm er Bücher über Ikebana und Feng Shui ins geplante Sortiment auf. Diese Erweiterung war für ihn nur logisch und konsequent, ebenso dass er nur noch barfuß lief; seine Freunde, die ihn bisher moralisch immer unterstützt hatten, reagierten eher irritiert und deuteten die Zeichen falsch. Während sie ihn versuchten zu überzeugen, wenigstens teilweise sein klischee-asiatisches Verhalten abzustellen, erklärte Jan, dies wäre genau die Haltung, die dafür sorgen würde, dass sie nie ein solch revolutionäres Projekt, wie er es mit seinem Laden plane, umsetzen könnten.

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