Czytaj tylko na LitRes

Książki nie można pobrać jako pliku, ale można ją czytać w naszej aplikacji lub online na stronie.

Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 48

Czcionka:

– Hoffmann, Reisender, der von Mannheim kömmt, hat in Straßburg eine Kiste mit folgender Ueberschrift in Empfang genommen: O.B.

–– Das ist wahr, sagte Hoffmann.

– Nun denn! was enthält diese Kiste?

– Ich habe meine Erklärung auf dem Zollamte in Straßburg gemacht.

– Seht, Bürger, was dieser kleine Duckmäuser hierher bringt. . . Erinnert Ihr Euch der Sendung unserer Patrioten von Auxerre?

– Ja, sagte einer von ihnen, eine Kiste Speck.

– Wozu?

– Um die Guillotine einzuschmieren, rief ein Chor vergnügter Stimmen aus.

– Nun denn! sagte Hoffmann ein wenig bleich, welchen Bezug kann die Kiste, welche ich mitbringe, mit der Sendung der Patrioten von Auxerre haben?

– Lies, sagte der Pariser, indem er ihm seinen Paß zeigte, lies, junger Mann: »Für die Politik und für die Kunst reisend.« Das steht geschrieben!

– O Republik! murmelte Hoffmann.

– Gestehe daher, junger Freund der Freiheit, sagte sein Beschützer zu ihm.

– Das hieße mich eines Gedankens rühmen, den ich nicht gehabt habe, erwiderte Hoffmann. Ich mag keinen falschen Ruhm; nein, die Kiste, welche ich in Straßburg in Empfang genommen habe, und die mir mit Fuhre zukommen wird, enthält nur eine Violine, einen Farbekasten und einige zusammengerollte Bilder.

Diese Worte verringerten die Achtung um Vieles, welche einige für Hoffmann gefaßt hatten. Man gab ihm seine Papiere zurück, man trank die vollen Gläser aus, aber man hörte auf, ihn als einen Retter der Völker aus der Sclaverei zu betrachten.

Einer der Patrioten fügte sogar hinzu:

– Er gleicht Saint Just, aber ich ziehe Saint Just vor.

Wieder in seine Träumerei versunken, welche der Ofen, der Tabak und der Burgunder erwärmten, blieb Hoffmann einige Zeit lang schweigend. Aber indem er plötzlich den Kopf wieder erhob, sagte er:

– Man guillotinirt also hier viel?

– Nicht übel, nicht übel; doch nimmt es seit den Brissotinere ein wenig ab, aber es ist noch befriedigend.

– Wissen Sie, wo ich eine gute Herberge finden werde, meine Freunde?

– Ueberall.

– Aber um Alles zu sehen?

– Ah! dann logire Dich in der Gegend des Blumenkais ein.

– Gut.

– Weißt Du, wo sich der Blumenkai befindet?

– Nein, aber das Wort Blumen gefällt mir. Ich sehe mich bereits an dem Blumenkai eingerichtet. Welchen Weg muß man dahin einschlagen?

– Wenn Du die Straße d'Enfer geraden Weges hinabgehst, wirst Du an den Kai kommen.

– Kai, das heißt, daß man sich an dem Wasser befindet? sagte Hoffmann.

– Ganz recht.

– Und das Wasser ist die Seine?

– Es ist die Seine.

– Dann gränzt der Blumenkai an die Seine?

– Du kennst Paris besser als ich, Bürger Deutscher.

– Ich danke, Adieu; kann ich gehen?

– Du hast nur noch eine kleine Förmlichkeit zu erfüllen.

– Welche?

– Du wirst zu dem Polizeicommissär gehen, und Dir eine Aufenthaltskarte ausfertigen lassen.

– Sehr wohl! Adieu.

– Warte noch. Mit dieser Erlaubniß des Commissärs wirst Du auf die Polizei gehen.

– Ah! Ah!

– Und Du wirst die Adresse Deiner Wohnung angeben.

– Es sei! ist das fertig?

– Nein, Da wirst Dich bei dem Viertelsmeister vorstellen.

– Wozu?

– Um Dich über Deine Existenzmittel auszuweisen.

– Ich werde Alles das thun, und das wird Alles sein?

– Noch nicht, Du wirst patriotische Geschenke machen müssen.

– Mit Vergnügen.

– Und dann den Schwur des Hasses gegen die französischen und ausländischen Tyrannen ablegen.

– Von ganzem Harzen. Ich danke für diese köstlichen Unterweisungen.

– Und dann wirst Du nicht vergessen, Deinen Namen und Vornamen leserlich auf einen Anschlagezettel vor Deiner Thür zu schreiben.

– Das soll geschehen.

– Pack Dich, Bürger, Du bist uns im Wege.

Die Flaschen waren leer.

– Adieu, Bürger, großen Dank für Eure Artigkeit. Und Hoffmann entfernte sich, immer noch in der Gesellschaft seiner mehr als je brennenden Pfeife.

So hielt er seinen Einzug in die Hauptstadt des republikanischen Frankreichs.

Das reizende Wort, – Blumenkai, – hatte ihn angezogen. Hoffmann stellte sich bereits ein kleines Zimmer vor, dessen Balkon auf diesen wundervollen Blumenkai ging.

Er vergaß den December und die Nordwinde; er vergaß den Schnee und den vorübergehenden Tod der ganzen Natur. Die Blumen waren in seiner Einbildungskraft unter dem Rauche seiner Lippen aufgeblüht, trotz der Nacht sah er nur noch die Sonne; er roch nur noch trotz der Kloaken der Faubourgs den Jasmin und die Rose.

Schlag neun Uhr kam er auf den Blumenkai, der vollkommen dunkel und verlassen war, wie es im Winter die Kais der Nordseite sind. Jedenfalls war an diesem Abende diese Einsamkeit noch trauriger und fühlbarer als anderswo.

Hoffmann hatte zu viel Hunger, und es fror ihn zu sehr, um unterwegs zu philosophiren; aber es befand sich kein Wirthshaus auf dem Kai.

Als er die Augen erhob, erblickte er endlich an der Ecke des Kais und der Straße de la Barillerie eine große rothe Laterne, in deren Scheiben ein schmieriges Lichtstumpchen zitterte.

Dieser Leuchtturm hing und schaukelte sich an dem Ende eines eisernen Galgens, der zu jenen Zeiten des Aufruhres sehr geeignet war, einen politischen Feind aufzuhängen.

Hoffmann sah nur folgende, mit grünen Buchstaben auf das rothe Glas geschriebene Worte: Logis für Fußgänger. – Möblirte Zimmer und Kabinette.

Er klopfte hastig an die Thür einer Hausflur, die Thür ging auf, und der Reisende trat tappend ein.

Eine barsche Stimme rief ihm zu:

– Machen Sie Ihre Thür zu. Und ein großer bellender Hund schien ihm zu sagen:

– Nehmen Sie Ihre Beine in Acht.

Als das Zimmer gewählt, und der Preis mit einer ziemlich einnehmenden Wirthin abgeschlossen war, befand sich Hoffmann im Besitze von fünfzehn Fuß Länge auf acht Fuß Breite, was zu gleicher Zeit ein Schlaf- und ein Arbeitszimmer bildete, für dreißig Sous täglich, die jeden Morgen bei dem Aufstehen zahlbar wären.

Hoffmann war so vergnügt, daß er vierzehn Tage voraus bezahlte, aus Furcht, daß man ihm diese kostbare Wohnung streitig machen mögte.

Als das geschehen, legte er sich in ein ziemlich feuchtes Bett; aber für einen Reisenden von achtzehn Jahren ist jedes Bett ein Bett.

Und dann, wie konnte man sich schwierig zeigen, wenn man das Glück hatte, auf dem Blumenkai zu logiren!

Außerdem beschwor Hoffmann das Andenken Antonias, und ist das Paradies nicht immer dort, wohin man die Engel beschwört?

XI.
Wie die Museen und die Bibliotheken geschlossen waren, wie aber der Revolutionsplatz offen war

Das Zimmer, welches Hoffmann vierzehn Tage lang zum irdischen Paradiese dienen sollte, enthielt ein Bett, das wir kennen, einen Tisch und zwei Stühle.

Es hatte ein Kamin, das mit zwei Vasen von blauem Glas mit künstlichen Blumen verziert war. Ein Genius der Freiheit von Zucker prunkte unter einer Crystallglocke, in welcher sich seine dreifarbige Fahne und seine rothe Mütze wiederspiegelten.

Ein kupferner Leuchter, ein Eckschrank von altem Rosenholz, eine Tapete aus dem XII. Jahrhundert als Vorhänge, das war das ganze Ameublement, so wie es bei den ersten Strahlen des Tages erschien.

Diese Tapete stellte Orpheus vor, der die Violine spielte, um Eurydice wieder zu erobern, und die Violine erinnerte natürlicher Weise Hoffmann wieder an Zacharias Werner.

– Theurer Freund! dachte unser Reisender, er ist in Paris, ich auch; wir sind fast bei einander, und ich werde ihn heute oder spätestens morgen sehen.

Womit soll ich anfangen? Wie soll ich es angreifen, um die Zeit des lieben Gottes nicht zu verlieren, und um Alles in Frankreich zu sehen?

Seit mehren Tagen sehe ich nur sehr häßliche lebendige Gemälde, gehen wir nach dem Salon des Louvre, des Ex-Tyrannen, ich werde alle schönen Gemälde sehen, welche er hatte, die Rubens, die Poussins, gehen wir geschwind.

Er stand auf, um einstweilen das Panoramabild seines Quartieres zu betrachten.

Einen grauen finsteren Himmel, schwarzen Koth unter den weißen Bäumen, eine geschäftige Bevölkerung, die begierig war, zu laufen, und ein gewisses Geräusch gleich dem Gemurmel fließenden Wassers, das war Alles, was er entdeckte.

Das war wenig blühend. Hoffmann machte sein Fenster zu, frühstückte und ging aus, um zuerst den Freund Zacharias Werner zu sehen.

Aber, im Begriffe eine Richtung einzuschlagen, erinnerte er sich, daß ihm Werner niemals seine Adresse gegeben hatte, ohne welche es schwer war, ihn anzutreffen.

Das war kein kleiner Querstrich für Hoffmann.

Aber bald dachte er:

– Thor, der ich bin; was ich liebe, liebt Zacharias auch. Ich habe Lust Gemälde zu sehen, er wird gleichfalls Lust gehabt haben, Gemälde zu sehen. Ich werde ihn oder seine Spur im Louvre finden. Gehen wir nach dem Louvre.

Man sah das Louvre von dem Kai aus, Hoffmann ging geraden Weges nach dem Gebäude zu.

Aber er hatte den Schmerz, an der Thüre zu erfahren, daß die Franzosen, seitdem sie frei wären, sich nicht dadurch verweichlichten, Gemälde von Sclaven zu sehen, und daß. angenommen, was nicht wahrscheinlich war, wenn die Gemeinde von Paris nicht bereits alle die Sudeleien gebraten hätte, um das Feuer in den Stückgießereien anzuzünden, man sich wohl hüten würde, nicht mit alle diesem Oele die Ratten zu ernähren, welche zu der Nahrung der Patrioten für den Tag bestimmt wären, wo die Preußen Paris belagern würden.

Hoffmann fühlte, daß ihm der Schweiß auf die Stirne trat; der Mann, der mit ihm so sprach, hatte eine gewisse Art zu sprechen, welche von seiner Wichtigkeit zeigte. Man grüßte diesen Sprecher viel.

Hoffmann erfuhr von einem der Anwesenden, daß er die Ehre gehabt hätte, mit dem Bürger Simon, dem Erzieher der Kinder von Frankreich und Oberaufseher der Königlichen Museen zu sprechen.

– Ich werde keine Gemälde sehen, sagte er seufzend, ach! das ist Schade! aber ich werde nach der Bibliothek des selbigen Königs gehen, und in Ermangelung von Gemälden werde ich dort Kupferstiche, Medaillen und Manuscripte sehen; ich werde dort das Grab Childcrich's. Clovis Vater, und die Himmels- und Erdkugeln des Vaters Coronelli sehen.

Hoffmann hatte bei seiner Ankunft den Schmerz, zu erfahren, daß die Französische Nation, indem sie die Wissenschaft und die Literatur als eine Quelle des Verderbnisses und des Mangels an Bürgertugend betrachtete, alle die Anstalten geschlossen hätte, in denen die angeblichen Gelehrten und die angeblichen Literaten sich verschwören, das Alles als Maßregel der Menschlichkeit, um sich den Schmerz zu ersparen, diese armen Teufel zu guillotiniren. Außerdem war die Bibliothek selbst unter dem Tyrannen nur zweimal wöchentlich geöffnet.

Hoffmann mußte sich zurückziehen, ohne etwas gesehen zu haben; er mußte sogar vergessen, sich nach seinem Freunde Zacharias zu erkundigen.

Da er aber ausdauernd war, so beharrte er darauf, und wollte das Museum Saint Avoin sehen.

Man sagte ihm nun, daß der Eigenthümer zwei Tage zuvor guillotinirt worden wäre. Er ging bis zu dem Luxembourg, aber dieser Palast war ein Gefängniß geworden.

Am Ende seiner Kräfte und seines Muthes, schlug er wieder den Weg nach seinem Wirthshause ein, um seine Beine ein wenig auszuruhen, von Antonia, von Zacharias zu träumen, und in der Einsamkeit eine gute Pfeife von zwei Stunden zu rauchen.

Aber, welches Wunder! Dieser so ruhige, so einsame Blumenkai war schwarz von einer Menge versammelter Leute, welche auf eine unharmonische Weise sich geberdeten und schrieen.

Hoffmann, der nicht groß war, sah nichts über den Schultern aller dieser Leute; er beeilte sich, mit seinem spitzigen Ellbogen durch die Menge zu gelangen und in sein Zimmer zurückzukehren.

Er stellte sich an sein Fenster.

Alle Blicke wandten sich sogleich nach ihm, und er war einen Augenblick lang darüber in Verlegenheit, denn er bemerkte, wie wenig Fenster offen waren. Die Neugierde der Anwesenden richtete sich indessen bald auf einen anderen Punkt, als auf's Fenster Hoffmann's, und der junge Mann machte es wie die Neugierigen, er betrachtete die Vorhalle eines großen, schwarzen Gebäudes mit spitzigen Dächern, dessen Glockenturm einen dicken viereckigen Thurm überragte.

Hoffmann rief die Wirthin.

– Bürgerin, sagte er, ich bitte Sie, mir zu sagen, was das für ein Gebäude ist.

– Der Palast, Bürger.

– Und was macht man in dem Palaste?

– Im Justizpalaste, Bürger? man richtet darin.

– Ich glaubte, daß es keine Tribunale mehr gäbe.

– Doch, es gibt das Revolutionstribunal.

– Ah! es ist wahr. . . und alle diese wackern Leute?

– Erwarten die Ankunft der Karren.

– Wie, der Karren? ich verstehe nicht recht, entschuldigen Sie mich, ich bin Fremder.

– Die Karren, Bürger, das ist gerade als wenn man die Leichenwagen für die Leute sagte, welche sterben werden.

– Ach! mein Gott!

– Ja, des Morgens kommen die Gefangenen an um sich vor dem Revolutionstribunale richten zu lassen.

– Gut.

– Um vier Uhr sind alle diese Gefangenen gerichtet, und man packt sie auf die Karren, welche der Bürger Fouquier zu diesem Zwecke bat holen lassen.

– Wer ist das, der Bürger Fouquier?

– Der öffentliche Ankläger.

– Sehr wohl, und dann?

– Und dann fahren die Karren im kleinen Trabe nach dem Revolutionsplatze, wo die Guillotine in Permanenz ist.

– In Wahrheit?

– Wie! Sie sind ausgegangen und Sie sind nicht hingegangen, um die Guillotine zu sehen; das ist das Erste, was die Fremden bei ihrer Ankunft besuchen; es scheint, daß wir Franzosen allein Guillotinen haben.

– Ich wünsche Ihnen Glück dazu, Madame.

– Sehen Sie, da kommen die Karren. . .

– Sie ziehen sich zurück, Bürgerin?

– Ja, ich mag das nicht mehr sehen.

Und die Wirthin zog sich zurück.

Hoffmann ergriff sie sanft bei dem Arme.

– Entschuldigen Sie mich, wenn ich eine Frage an Sie richte, sagte er.

– Thun Sie es.

– Warum sagen Sie, daß Sie das nicht mehr sehen mögen? Ich hätte gesagt, ich mag das nicht sehen.

– Die Sache ist folgende, Bürger. Im Anfange guillotinirte man Aristokraten, die, wie es scheint, sehr schlecht waren. Diese Leute trugen den Kopf so hoch, sie hatten alle so unverschämte, so herausfordernde Mienen, daß das Mitleiden nicht leicht unsere Augen netzte. Man sah daher gerne zu. Dieser Kampf der muthigen Feinde der Nation gegen den Tod war ein schönes Schauspiel. Aber da habe ich eines Tages einen Greis den Karren besteigen sehen, dessen Kopf die Leitern des Wagens schlug, das war schmerzlich. Am folgenden Tage sah ich Nonnen. Eines andern Tages sah ich ein Kind von vierzehn Jahren, und endlich sah ich ein junges Mädchen auf einem Karren, ihre Mutter befand sich auf dem andern, und diese beiden armen Frauen sandten sich Küsse zu, ohne sich ein Wort zu sagen. Sie waren so bleich, sie hatten einen so traurigen Blick, ein so unglückseliges Lächeln auf den Lippen, diese Finger, welche sich allein bewegten, um die Küsse auf ihrem Munde zu bilden, waren so zitternd und so perlmutterfarbig, daß ich dieses gräßliche Schauspiel niemals vergessen werde und geschworen habe, mich dem nicht mehr auszusetzen, es jemals zu sehen.

– Ah! Ah! sagte Hoffmann, indem er sich von dem Fenster entfernte, dem ist so?

– Ja, Bürger. Nun denn! was machen Sie?

– Ich mache das Fenster zu, Bürgerin.

– Warum?

– Um nicht zu sehen.

– Sie ein Mann!

– Sehen Sie, Bürgerin, ich bin nach Paris gekommen, um die Künste zu studiren und eine freie Luft zu athmen. Nun denn! wenn ich unglücklicher Weise eines dieser Trauerspiele sähe, von denen Sie mir so eben gesprochen haben, wenn ich ein junges Mädchen oder eine Frau zum Tode schleppen und das Leben bedauern sähe, Bürgerin, so würde ich an meine Braut denken, welche ich liebe, und die vielleicht. . . Nein, Bürgerin, nein, ich werde nicht länger in diesem Zimmer bleiben; haben Sie eines, das hinten hinausgeht?

– Still! Unglückseliger, Sie sprechen zu laut; wenn meine Dienstwilligen Sie hörten. . .

– Ihre Dienstwilligen! was ist das, Dienstwillige?

– Es ist ein republikanisches Synonym für Bediente.

– Nun denn! wenn Ihre Bedienten mich hörten, was würde geschehen?

– Daß ich in drei bis vier Tagen Sie von diesem Fenster aus auf einem dieser Karren um vier Uhr Nachmittags würde sehen können.

Als sie dieses heimlicher Weise gesagt, ging die gute Frau eilig hinab, und Hoffmann machte, es ihr nach.

Er schlich aus dem Hause, zu Allem entschlossen, um dem Volksschauspiele zu entgehen.

Als er an der Ecke des Kai's war, funkelten die Säbel der Gendarmen, es entstand eine Bewegung in der Menge, die Massen heulten und begannen zu laufen.

Hoffmann erreichte im vollen Laufe die Straße Saint Denis, in welcher er sich wie ein Wahnsinniger vertiefte; er machte gleich dem Reh mehrere Wendungen in verschiedene kleine Straßen, und verschwand in diesem Irrgarten von Gaffen, welche sich zwischen dem Kai de la Ferraille und den Hallen verwickelten.

Er athmete endlich wieder auf, als er sich in der Straße de la Ferronerie sah, wo er mit dem Scharfblicke des Dichters und des Malers den durch die Ermordung Heinrichs IV. berühmten Platz errieth.

Indem er immer ging, immer suchte, gelangte er in die Mitte der Straße Saint Honoré. Ueberall schlossen sich die Läden auf seinem Wege. Hoffmann bewunderte die Ruhe dieses Quartieres; nicht allein die Läden verschlossen sich, sondern auch noch die Fenster gewisser Häuser wurden voll Vorsicht dicht zugemacht, wie als ob sie ein Signal erhalten hätten.

Dieses Manöver wurde Hoffmann bald erklärt; er sah die Fiaker sich umwenden, und die Seitenstraßen einschlagen; er hörte einen Galopp von Pferden und erkannte Gendarmen; dann hinter ihnen sah er in dem ersten Nebel des Abends ein gräßliches Durcheinander von Lumpen, aufgehobenen Armen, geschwungenen Piken und flammenden Augen.

Ueber alle dem zeigte sich ein Karren.

Aus diesem Strudel, der auf ihn zu kam, ohne daß er sich verbergen oder entfliehen konnte, hörte Hoffmann so schneiendes, so jammerndes Geschrei erschallen, daß bis zu diesem Abende seine Ohren nichts so gräßliches gehört hatten.

Auf dem Karren befand sich eine weißgekleidete Frau. Dieses Geschrei erschallte aus den Lippen, der Seele, dem ganzen aufgerichteten Körper dieser Frau.

Hoffmann fühlte, wie feine Beine ihm den Dienst versagten. Dieses Geheul hatte die Nervengefäße zerrissen, er sank auf einen Eckstein, den Kopf gegen die noch nicht ganz geschlossene Thüre eines Ladens gelehnt, so sehr war die Schließung dieses Ladens übereilt worden

Der Karren langte in Mitte von Banditen und abscbeulichen Frauen, seinen gewöhnlichen Trabanten, an, aber wie sonderbar, dieser ganze Pöbel lärmte nicht, dieses ganze Gesindel schrie nicht, das Opfer allein wand, sich m den Armen zweier Männer, und rief Himmel, Erde, Menschen und Dinge um Hilfe an.

Hoffmann hörte plötzlich in seinen Ohren durch die Spalte des Ladens folgende traurig von der Stimme eines jungen Mannes ausgesprochene Worte:

– Arme Du Barry! Da bist Du also?

– Madame Du Barry! rief Hoffmann aus, sie ist es, sie ist es, welche auf diesem Karren vorüber kömmt?

– Ja, mein Herr, antwortete die leise und klagende Stimme an dem Ohre des Reisenden, und so nahe, daß er durch die Bretter den warmen Hauch des Sprechers fühlte.

Die arme Du Barry hielt sich gerade, und auf dem beweglichen Boden des Karrens geklammert; ihre kastanienbraunen Haare, der Stolz ihrer Schönheit, waren im dem Nacken abgeschnitten worden, fielen aber an den Schlafen in langen, in Schweiß gebadeten Flechten herab, schön mit ihren großen, verstörten Augen, mit ihrem kleinen Munde, zu klein für das gräßliche Geschrei, das sie ausstieß, schüttelte die unglückliche Frau von Zeit zu Zeit mit einer krampfhaften Bewegung den Kopf, um ihr Gesicht von den Haaren frei zu machen, welche es maskirten.

Als sie vor dem Ecksteine vorbei kam, auf den Hoffmann gesunken war, rief sie: Zu Hilfe! retten Sie mich! ich habe niemals Böses gethan, zu Hilfe! und beinahe hätte sie den Knecht des Scharfrichters niedergeworfen, der sie unterstützt?. ^

Die hörte nicht auf, diesen Hilferuf unter dem tiefen, Schweigen, der Anwesenden auszustoßen. Diese Furien, die daran gewöhnt waren, die tapfern Verurtheilten zu beseitigen, fühlten sich durch die unwiderstehliche Regung des Entsetzens einer Frau erschüttert; sie fühlten, daß es ihrem Geschrei nicht gelingen würde, ihr Stöhnen zu überschallen; sie fürchteten sich vor der Verdoppelung dieses Fiebers, das an Wahnsinn gränzte und den Gipfel des Schrecklichen erreichte.

Hoffmann stand auf, indem er sein Herz nicht mehr in seiner Brust fühlte; er begann wie die andern dem Karren nachzulaufen, ein neuer, dieser Prozession von Gespenstern hinzugefügter Schatten, welche die letzte Bedeckung einer königlichen Buhlerin bildeten.

Indem sie ihn sah, rief Madame Du Barry nochmals aus: Das Leben! das Leben!. . . ich gebe mein ganzes Vermögen der Nation! mein Herr!. . . retten Sie mich!

– O! dachte der junge Mann, sie hat mich angeredet! arme Frau, deren Blicke so theuer waren, deren Worte keinen Preis hatten, sie hat mich angeredet!

Er blieb stehen. Der Karren hatte den Revolutionsplatz erreicht. In der durch einen kalten Regen noch dunkler gewordenen Dämmerung unterschied Hoffmann nur noch zwei Schattenrisse; den einen weiß, das war der des Opfers, den andern roth, das war der des Schaffottes.

Er sah die Scharfrichter das weiße Kleid nach der Treppe schleppen. Er sah die gepeinigte Gestalt sich krümmen, um Widerstand zu leisten, dann Plötzlich verlor die arme Frau in Mitte ihres gräßlichen Geschrei's das Gleichgewicht, und fiel auf das Fallbrett.

Hoffmann hörte sie.rufen: Gnade, Herr Scharfrichter, noch eine Minute, Herr Scharfrichter. . . und das war Alles, das Messer fiel, indem es einen fahlen Blitz schleuderte.

Hoffmann, rollte in den Graben, der den Platz umgab.

Das war ein schönes Bild für einen Künstler, der nach Frankreich kam, um Eindrücke und Ideen zu suchen.

Gott hatte ihm die zu grausame Züchtigung derer gezeigt, welche dazu beigetragen hatte, die Monarchi ins Verderben zu stürzen.

Dieser feige Tod der Du Barry schien ihm die Absolution der armen Frau. Sie hatte also niemals Stolz gehabt, da sie nicht einmal zu, sterben wußte! Zu sterben wissen, ach! war in jenen Zeiten die letzte Tugend derer, welche niemals etwas Anderes, als das Laster gekannt hatten.

Hoffmann dachte im diesem Tage, daß, wenn er nach Frankreich gekommen wäre, um Außerordentliches zu sehen, seine Reise nicht verfehlt wäre.

Nun ein wenig durch die Philosophie der Geschichte getröstet, sagte er sich: – es bleibt das Theater, gehen wir in das Theater. Ich weiß wohl, daß nach der Schauspielerin, welche ich so eben gesehen habe, die der Oper oder die des Trauerspieles keinen Eindruck auf mich machen werden, aber ich werde nachsichtig. sein. Man darf nicht zu viel von Frauen verlangen, die nur zum Spaß sterben.

Nur werde ich trachten, diesen Platz genau wieder zu erkennen, um ihn mein Lebenlang nicht wieder zu betreten.