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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 45

Czcionka:

VI.
Ein Verliebter und ein Narr

In dem Augenblicke, wo einige Personen, welche aus der Jesuitenkirche kamen, obgleich die Messe kaum bald beendigt war, die Aufmerksamkeit Hoffmanns weit gespannter machten, als jemals, klopfte man an seine Thür.

Der junge Mann schüttelte den Kopf und stampfte mit einer Regung der Ungeduld mit dem Fuße, aber antwortete nicht.

Man klopfte ein zweites Mal.

Er schleuderte dem Unbescheidenen einen schiefen Blick durch die Thür zu.

Man klopfte ein drittes Mal.

Dieses Mal blieb der junge Mann gänzlich regungslos; er war augenscheinlich entschlossen, nicht aufzumachen.

Aber statt darauf zu beharren, zu klopfen, begnügte sich der Besuch, einen der Vornamen Hoffmanns auszusprechen.

– Theodor, sagte er.

– Ah! Du bist es, Zacharias Werner, murmelte Hoffmann.

– Ja, ich bin es; hältst Du darauf, allein zu sein?

– Nein, warte.

Und Hoffmann ging aufzumachen.

Ein großer, bleicher, magerer und blonder junger Mann trat ein wenig verwirrt ein. Er konnte drei bis vier Jahre alter sein, wie Hoffmann. In, dem Augenblicke, wo die Thür aufging, legte er ihm die Hand auf die Schulter und drückte ihm die Lippen auf die Stirn, wie es ein älterer Bruder hätte thun können.

Er war in der That ein wahrer Bruder für Hoffmann. In demselben Hause, als er, geboren, war Zacharias Werner, der zukünftige Verfasser von Martin Luther, von Attila, des 24. Februar, des Kreuzes an der Ostsee unter dem doppelten Schutze seiner Mutter und der Mutter Hoffmanns herangewachsen.

Beide von einem Nervenübel befallen, das sich mit Wahnsinn endigte, hatten die beiden Frauen diese Krankheit auf ihre Kinder übertragen, welche, durch die Uebertragung gemildert, sich bei Hoffmann in phantastische Einbildungskraft verwandelte und bei Zacharias in Neigung zur Schwermuth. Die Mutter dieses Letzteren glaubte sich gleich der Jungfrau mit einer göttlichen Sendung beauftragt.

Ihr Sohn, ihr Zacharias, sollte der neue Christus, der zukünftige, von der heiligen Schrift verheißene Silos sein. Während er schlief, flocht sie ihm Kränze von Kornblumen, mit denen sie seine Stirn umschlang; sie kniete vor ihm nieder, indem sie mit ihrer sanften und lieblichen Stimme die schönsten Loblieder Luthers in der Hoffnung sang, bei jedem Verse den Kranz von Kornblumen sich in einen Heiligenschein verwandeln zu sehen.

Die beiden Kinder waren mit einander erzogen; besonders weil Zacharias in Heidelberg wohnte, wo er studirte, war Hoffmann aus dem Hause seines Onkels entflohen, und indem er Hoffmann Freundschaft durch Freundschaft erwiderte, hatte Zacharias nun auch Heidelberg verlassen, und war zu Hoffmann nach Mannheim gekommen, als Hoffmann in Mannheim eine bessere Musik gesucht, als die, welche er in Heidelberg fand.

So bald sie aber einmal vereinigt, so bald sie einmal in Mannheim fern von der Gewalt dieser so sanften Mutter waren, hatten die beiden jungen Leute Gefallen an Reisen gefaßt, dieser unerläßlichen Vollendung der Erziehung des deutschen Studenten, und sie hatten beschlossen Paris zu besuchen.

Werner, wegen des außerordentlichen Schauspieles, welches die Hauptstadt von Frankreich in Mitte der Schreckenszeit bieten mußte, zu welcher sie gelangt war.

Hoffmann, um die französische Musik mit der italieschen zu vergleichen, und besonders, um die Mittel der französischen Oper für die Aufführung und für die Decorationen zu studiren, da Hoffmann seit dieser Zeit den Gedanken hatte, Theaterdirector zu werden, den er sein ganzes Leben lang hegte.

Leichtfertig aus Temperament, obgleich religiös durch die Erziehung, gedachte Werner wohl zu gleicher Zeit für sein Vergnügen diese außerordentliche Freiheit der Sitten zu benutzen, zu der man im Jahre 1793 gelangt war, und von der einer seiner seit kurzem von einer Reise nach Paris zurückgekehrten Freunde ihm eine so reizende Schilderung gemacht, daß diese Schilderung dem wollüstigen Studenten den Kopf verdreht hatte.

Hoffmann gedachte die Museen zu besuchen, von denen man ihm viele Wunder erzählt hatte, und, da er noch m seiner Manier schwankte, die italienische Malerei mit der deutschen zu vergleichen.

Welches übrigens die geheimen Beweggründe auch sein mogten, welche die beiden Freunde antrieben, das Verlangen, Frankreich zu besuchen, war bei Beiden gleich.

Um diesen Wunsch auszuführen, fehlte ihnen nur Eines, das Geld.

Aber durch ein seltsames Zusammentreffen hatte es der Zufall gewollt, daß Zacharias und Hoffmann an demselben Tage jeder von seiner Mutter fünf Friedrichsd'or erhalten hatten.

Zehn Friedrichsd'or machten ohngefähr zwei Hundert Franken aus; das war eine hübsche Summe für zwei Studenten, welche mit monatlich fünf Thalern für Wohnung, Kost und Heizung lebten. Aber diese Summe war sehr unzulängllch, um die merkwürdige im Plane stehende Reise auszuführen.

Ein Gedanke war in den beiden jungen Leuten aufgestiegen, und da sie diesen Gedanken Beide zu gleicher Zeit gehabt hatten, so hatten sie ihn für eine Eingebung des Himmels gehalten.

Er bestand darin, an die Spielbank zu gehen, und Jeder die fünf Friedrichsd'or zu wagen.

Mit diesen zehn Friedrichsd'or war keine Reise möglich. Wenn man diese zehn Friedrichsd'or auf das Spiel setzte, so konnte man eine Summe gewinnen, um die Reise um die Welt zu machen.

Wie gesagt, so gethan, die Badezeit nahte Kern,, und seit dem l. Mai waren die Spielhäuser eröffnet; Werner und Hoffmann gingen in ein Spielhaus.

Werner versuchte zuerst das Glück, und verlor in fünf Malen seine fünf Friedrichsd'or.

Die Reihe Hoffmanns war gekommen.

Hoffmann wagte zitternd seinen ersten Friedrichsd'or und gewann.

Durch diesen Anfang ermnthigt, verdoppelte er. Hoffmann hatte einen Glückstag; er gewann vier Male unter fünf, und der junge Mann gehörte zu denen, welche Vertrauen zu dem Glücke haben. Statt zu zögern, ging er dreist von Parolis zu Parolis, man hätte glauben können, daß eine übernatürliche Macht ihn unterstützte; ohne irgend eine Berechnung warf er sein Gold auf eine Karte, und sein Gold verdoppelte, verdreifachte, verfünffachte sich; zitternder als ein Fieberkranker, bleicher als ein Gespenst, murmelte Zacharias: – Genug, Theodor, genug! – aber der Spieler spottete über diese kindische Verzagtheit, das Gold folgte dem Golde, und das Gold erzeugte das Gold. Endlich schlug es zwei Uhr Morgens; das war die Stunde von dem Schlusse der Bank, das Spiel horte auf; ohne zu zählen, nahmen die beiden jungen Leute jeder eine Last Gold. Zacharias, der nicht zu glauben vermogte, daß all dieses Vermögen sein wäre, entfernte sich zuerst; Hoffmann wollte ihm folgen, als ein alter Officier, der ihn während der ganzen Zeit nicht aus dem Gesicht verloren hatte, wo er gespielt, ihn in dem Augenblicke zurückhielt, als er über die Schwelle der Thür schreiten wollte.

– Junger Mann, sagte er, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn fest anblickte, wenn Sie so fort spielen, so werden Sie die Bank sprengen, ich gebe es zu; aber wenn die Bank gesprengt ist, werden Sie dadurch nur eine um so sichere Beute für den Teufel sein.

Und ohne die Antwort Hoffmanns abzuwarten, verschwand er. Hoffmann verließ nun auch das Haus, aber er war nicht mehr derselbe. Die Prophezeiung des alten Soldaten hatte ihn wie ein Eisbad erkaltet, und dieses Gold, mit dem seine Taschen angefüllt waren, drückte ihn. Es schien ihm, als ob er eine Sündenlast trüge.

Werner erwartete ihn vergnügt. Beide kehrten mit einander in Hoffmanns Wohnung zurück, der eine lachend, tanzend, singend; der andere tiefsinnig, fast traurig.

Der, welcher lachte, tanzte und sang, war Werner.

Der, welcher tiefsinnig und fast traurig war, war Hoffmann.

Uebrigens beschlossen Beide, am Abende des folgenden Tages nach Frankreich abzureisen.

Sie trennten sich, indem sie sich umarmten.

Allein geblieben, zählte Hoffmann sein Gold.

Er hatte fünf Tausend Thaler.

Er überlegte lange, und schien schwierig zu einem Entschluß zu kommen.

Während er bei dem Scheine einer kupfernen Lampe überlegte, die das Zimmer erleuchtete, war sein Gesicht bleich und seine Stirn triefte von Schweiß.

Bei jedem Geräusche, das um ihn herum entstand, mogte dieses Geräusch auch so unauffaßbar als das Rauschen von dem Flügel einer Mücke sein, erbebte Hoffmann, wandte sich um und blickte voll Schrecken um sich.

Die Prophezeiung des Officiers fiel ihm wieder ein; er murmelte leise Verse aus dem Faust, und er meinte auf der Schwelle der Thür die nagende Ratte, in der Ecke seines Zimmers den schwarzen Pudel zu sehen.

Endlich war sein Entschluß gefaßt.

Er legte Tausend Thaler bei Seite, welche er als die höchstens für seine Reise nothwendige Summe betrachtete, machte aus den andern vier Tausend Thalern ein Paket, befestigte dann mit Siegellack eine Karte auf das Paket, und schrieb auf diese Karte:

An den Herrn Bürgermeister von Königsberg, um unter die ärmsten Familien der Stadt vertheilt zu werden.

Dann, zufrieden mit dem Siege, den er über sich selbst davon getragen, wieder gestärkt durch das, was er gethan hatte, kleidete er sich aus, legte sich zu Bett, und schlief bis zu dem folgenden Tage um sieben Uhr Morgens.

Um sieben Uhr erwachte er, und sein erster Blick war für seine Tausend sichtbaren, und seine vier Tausend versiegelten Thaler. Er glaubte geträumt zu haben.

Der Anblick der Gegenstände versicherte ihn über die Wirklichkeit dessen, was sich am Tage zuvor zugetragen hatte.

Aber was, besonders für Hoffmann, eine Wirklichkeit war, obgleich kein materieller Gegenstand da war, um ihn daran zu erinnern, war die Prophezeiung des alten Officiers.

Er kleidete sich daher auch ohne irgend eine Reue wie gewöhnlich an, und indem er seine vier Tausend Thaler unter den Arm nahm, ging er aus, um sie selbst auf die Post zu tragen, nachdem er indessen Sorge getragen hatte, die übrigen Tausend Thaler in seine Schublade zu verschließen.

Hierauf, da es, wie man sich erinnern wird, verabredet war, daß die beiden Freunde am selben Abend nach Frankreich abreisen sollten, so begann Hoffmann seine Vorbereitungen zur Reise zu machen.

Im Hin, und Hergehen, indem er ein Kleid abstäubte, ein Hemd zusammen schlug, zwei Taschentücher zusammenlegte, warf Hoffmann die Augen auf die Straße und blieb in der Stellung, in welcher er war.

Ein junges Mädchen von sechszehn bis siebzehn Jahren, reizend, zuverlässig fremd in der Stadt Mannheim, da Hoffmann sie nicht kannte, kam von dem entgegengesetzten Ende der Straße und ging nach der Kirche.

In seinen Träumen als Dichter, als Maler und als Musiker hatte Hoffmann niemals etwas Aehnliches gesehen.

Es war Etwas, das nicht allein Alles das übertraf, was er gesehen hatte, sondern auch noch Alles das, was er zu sehen hoffte.

Und indessen sah er von der Entfernung aus, in welcher er sich befand, nur ein bezauberndes Ganzes; die einzelnen Umstände entgingen ihm.

Das junge Mädchen war von einer alten Magd begleitet.

Beide schritten langsam die Stufen der Jesuitenkirche hinauf und verschwanden unter dem Portale.

Hoffmann verließ seinen halbgepackten Koffer, einen halb verschossenen rothbraunen Frack, seinen halb zusammengeschlagenen polnischen Rock, und blieb regungslos hinter seinem Vorhange.

Dort haben wir ihn gefunden, wie er das Herauskommen derer abwartete, die er hatte eintreten sehen.

Er fürchte nur Eines; nämlich, daß es ein Engel sein mögte, und daß sie, statt durch die Thür herauszukommen, durch das Fenster davon flöge, um wieder gen Himmel zu ziehen.

In dieser Stimmung haben wir ihn überrascht, und überrascht ihn sein Freund Zacharias Werner nach uns.

Der Neuangekommene drückte, wie wir gesagt haben, zu gleicher Zeit seine Hand auf die Schulter und seine Lippen auf die Stirn seines Freundes.

Dann stieß er einen ungeheuren Seufzer aus.

Obgleich Zacharias Werner immer sehr bleich war so war er indessen noch bleicher als gewöhnlich.

– Was hast Du denn? fragte ihn Hoffmann mit wahrer Unruhe.

– O! mein Freund! rief Werner aus. . . ich bin ein Dieb! ich bin ein Elender! ich verdiene den Tod. . . spalte mir den Kopf mit einem Beile. . . durchbohre mir das Herz mit einem Pfeile. Ich bin nicht mehr würdig, das Licht des Himmels zu sehen.

– Bah! fragte Hoffmann mit seiner ruhigen Zerstreutheit eines Glücklichen; was hat sich denn zugetragen lieber Freund?

– Es hat sich zugetragen. . . was sich zugetragen hat, nicht wahr?. . . Du fragst mich, was sich zugetragen hat?. . . Nun denn! mein Freund, der Teufel hat mich in Versuchung geführt!

– Was willst Du damit sagen?

– Daß, als ich heute Morgen all mein Gold gesehen habe, es so viel war, daß es mir wie ein Traum vorkommt.

– Wie! ein Traum?

– Ein Tisch war damit ganz bedeckt, fuhr Werner fort. Nun denn! als ich das gesehen habe, ein wahres Vermögen, Tausend Friedrichsd'or, mein Freund; nun denn! als ich das gesehen habe, als ich aus jedem Goldstücke einen Blitz habe hervorsprühen sehen, hat mich die Raserei wieder ergriffen, ich habe nicht zu widerstehen vermogt, ich habe den dritten Theil meines Goldes genommen und bin nach der Spielbank gegangen.

– Und Du hast verloren?

– Bis auf meinen letzten Kreuzer.

– Das ist nicht zu ändern, es ist ein kleines Unglück, da Dir noch die beiden Drittel übrig bleiben.

– Ah! ja doch, die beiden Drittel! Ich bin zurückgekehrt das zweite Drittel zu holen, und. . .

– Und Du hast es wie das erste verloren?

– Weit schneller, mein Freund, weit schneller.

– Und Du bist zurückgekehrt, um Dein drittes Drittel zu holen?

– Ich bin nicht zurückgekehrt, ich bin zurückgeflogen; ich habe die übrigen fünfzehn Hundert Thaler genommen, und habe sie auf Roth gesetzt.

– Dann, sagte Hoffmann, ist Schwarz herausgekommen, nicht wahr?

– Ach! mein Freund, das Schwarze, das abscheuliche Schwarze, ohne Zögern, ohne Gewissensbiß, wie als ob es im Herauskommen mir nicht meine letzte Hoffnung raubte. Herausgekommen, mein Freund, herausgekommen.

– Und Du bedauerst die Tausend Friedrichsd'or nur wegen der Reise?

– Wegen nichts Anderem. O! wenn ich nur so viel bei Seite gelegt hätte, um nach Paris zu gehen, – fünf Hundert Thaler!

– So würdest Du Dich trösten, das übrige verloren zu haben?

– Auf der Stelle.

– Wohlan! darauf soll es nicht ankommen, mein lieber Zacharias, sagte Hoffmann, indem er ihn nach seiner Schublade führte, nimm, hier sind die fünf Hundert Thaler, reise ab.

– Wie! ich soll abreisen? rief Werner aus, und Du?

– O! ich reise nicht mehr ab.

– Wie, Du reisest nicht mehr ab?

– Nein, zum Mindesten nicht in diesem Augenblicke.

– Aber warum? aus welchem Grunde? was verhindert Dich abzureisen? was hält Dich in Mannheim zurück?

Hoffmann zog seinen Freund rasch nach dem Fenster. Man fing an die Kirche zu verlassen, die Messe war beendigt.

– Da, sieh, sieh, sagte er, indem er mit dem Finger Jemand der Aufmerksamkeit Werners bezeichnete.

Und in der That, das junge unbekannte Mädchen erschien auf der Höhe des Portales, indem es sein Gebetbuch an die Brust gedrückt mit gesenktem Kopf, bescheiden und tiefsinnig wie Göthes Margarethe, langsam die Stufen der Kirche hinabschritt.

– Siehst Du, flüsterte Hoffmann, siehst Du?

– Gewiß sehe ich.

– Nun denn, was sagst Du?

– Ich sage, daß es keine Frau auf der Welt gibt, die werth ist, daß man ihr die Reise nach Paris opfert, wäre es auch die schöne Antonia, wäre es auch die Tochter, des alten Gottlieb Murr, des neuen Musikdirectors des Mannheimer Theaters.

– Du kennst sie also?

– Gewiß.

– Du kennst also ihren Vater?

– Er war Musikdirector am Frankfurter Theater.

– Und Du kannst mir einen Empfehlungsbrief an ihn geben?

– Vollkommen?

– Setz Dich dorthin, Zacharias, und schreibe.

Zacharias setzte sich an den Tisch und schrieb.

In dem Augenblicke, wo er nach Frankreich abreiste, empfahl er seinen jungen Freund Theodor Hoffmann seinem alten Freunde Gottlieb Murr.

Hoffmann ließ Zacharias kaum Zeit, seinen Brief zu beendigen; als er unterschrieben, nahm er ihm denselben aus den Händen, und indem er seinen Freund umarmte, stürzte er aus dem Zimmer.

– Gleichviel, rief ihm Zacharias Werner ein letztes Mal nach, Du wirst sehen, daß es keine Frau gibt, so hübsch sie auch sein möge, welche im Stande wäre, Dich Paris vergessen zu lassen.

Hoffmann hörte die Worte seines Freundes, aber er hielt es nicht einmal für nöthig, sich umzuwenden, um ihm nur durch ein Zeichen der Billigung oder der Mißbilligung zu antworten.

Was Zacharias anbetrifft, so steckte er seine fünf Hundert Thaler in seine Tasche, und um nicht mehr von dem Dämon des Spieles in Versuchung geführt zu werden, eilte er eben so schnell nach der Post, als Hoffmann nach dem Hause des alten Musikdirectors eilte.

Hoffmann klopfte gerade in dem Augenblicke an die Thür des Meister Gottlieb Murr, wo Zacharias Werner in den Postwagen nach Straßburg stieg.

VII.
Meister Gottlieb Murr

Es war der Musikdirector, welcher Hoffmann in Person aufmachte.

Hoffmann hatte Meister Gottlieb niemals gesehen, und dennoch erkannte er ihn.

Dieser Mann, so wunderlich er auch war, konnte nur ein Künstler, und selbst ein großer Künstler sein.

Er war ein kleiner Greis von fünfundfünfzig bis sechzig Jahren, der ein krummes Bein hatte, und der im dessen nicht zu sehr mit diesem Beine hinkte, das einem Stopfenzieber glich. Indem er ging, oder vielmehr indem er hüpfte, und sein Hüpfen glich sehr dem einer Bachstelze, indem er hüpfte und den Leuten vorausging, blieb er stehen, drehte sich auf seinem krummen Beine, was ihm das Ansehen gab, einen Bohrer in die Erde zu drehen, und setzte seinen Weg fort.

Indem er ihm folgte, betrachtete ihn Hoffmann genau, und prägte seinem Geiste eines jener phantastischen und wundervollen Porträts ein, von denen er uns in seinem Werken eine so vollständige Gallerie geliefert hat.

Das Gesicht des Greises war zugleich schwärmerisch, schlau und geistreich, mit einer roth und schwarz gesteckten Pergamenthaut überzogen, gleich einem Kirchennotenblatt. In Mitte dieses seltsamen Antlitzes funkelten zwei feurige Augen, deren scharfen Blick man um so mehr schätzen konnte, als die Brille, welche er trug und die er niemals, selbst während seines Schlafes, ablegte, beständig auf seine Stirn hinauf-, oder auf die Spitze seiner Nase herabgebogen war. Nur wenn er Violine spielte, wobei er den Kopf zurückwarf und wenn er in die Ferne blickte, benutzte er endlich dieses kleine Möbel, das für ihm mehr ein Gegenstand des Luxus, als der Notwendigkeit schien.

Sein Kopf war kahl und beständig mit einem schwarzen Käppchen bedeckt, das ein unzertrennlicher Theil seiner Person geworden war. – Bei Tage und bei Nacht erschien Meister Gottlieb den Besuchern mit seinem Käppchen. Nur, wenn er ausging, begnügte er sich, eine kleine Perrücke à la Jean Jacques darüber zu ziehen, so daß sich das Käppchen zwischen dem Schädel und der Perrücke befand. Es versteht sich von selbst, daß Meister Gottlieb sich nicht im Allergeringsten um den Theil Sammet bekümmerte, der unter seinen falschen Haaren vorguckte, welche, da sie mehr Verwandtschaft mit dem Hute als mit dem Kopfe hatten, jedes Mal, wo Master Gottlieb grüßte, den Hut bei seinen Ausflügen in die Luft begleiteten.

Hoffmann blickte um sich, aber er sah Niemand.

Er folgte daher Meister Gottlieb, wohin Meister Gottlieb, der, wie wir gesagt haben, vor ihm ging, ihn führte.

Meister Gottlieb hielt in einem großen Kabinette voll aufgehäufter Partituren und einzelner Notenblätter an; auf einem Tische befanden sich zehn bis zwölf mehr oder minder verzierte Kästchen, welche alle jene Gestalt hatten, welche ein Musiker nicht verkennen kann, nämlich die Gestalt eines Violinkastens.

Für den Augenblick war Meister Gottlieb damit beschäftigt, die heimliche Ehe von Cimarosa für das Mannheimer Theater, auf welchem er einen Versuch mit der Italienischen Musik machen wollte, einzurichten.

Ein Bogen war, wie die Pritsche Harlekins, in seinen Gürtel gesteckt, oder wurde vielmehr durch die zugeknöpfte Tasche seines Beinkleides gehalten, eine Feder reckte stolz ihre Spitze hinter seinem Ohre in die Höhe, und feine Finger waren mit Tinte befleckt.

Mit diesen mit Tinte besteckten Fingern nahm er dm Brief, den ihn Hoffmann überreichte, und nachdem er einen Blick auf die Adresse geworfen und die Handschrift erkannt hatte, sagte er:

– Ah! Zacharias Werner ist Dichter, Dichter, Dichter, aber Spieler. Dann, wie als ob die gute Eigenschaft den Fehler ein Wenig gut machte, fügte er hinzu: Spieler, Spieler, aber Dichter, den Brief erbrechend fügte er hinzu:

– Abgereist, nicht wahr, abgereist?

– Er reift in diesem Augenblicke selbst ab, mein Herr.

– Gott geleite ihn, fügte Gottlieb hinzu, indem er die Augen gen Himmel erhob, wie um seinen Freund Gott anzuempfehlen. Aber er hat wohl gethan abzureisen, die Reisen bilden die Jugend aus, und wenn ich keine Reisen gemacht hätte, so würde ich den unsterblichen Paesiello und den göttlichen Cimarosa nicht kennen gelernt haben.

– Aber, sagte Hoffmann, Sie würden nichtsdestoweniger wohl ihre Werke kennen, Meister Gottlieb.

– Ja, ihre Werke, zuverlässig; aber was hilft's, das Werk ohne den Verfasser zu kennen? Das beißt die Seele ohne den Körper kennen; das Werk ist das Gespenst, die Erscheinnng; das Werk ist das, was nach unserm Tode von uns übrig bleibt. Aber der Körper ist das, was gelebt hat, Sie werden niemals das Werk eines Mannes gänzlich verstehen, wenn Sie den Mann selbst nicht gekannt haben.

Hoffmann nickte mit dem Kopfe.

– Es ist wahr, sagte er, ich habe Mozart niemals vollständig gewürdigt, als bis ich Mozart gesehen habe.

– Ja, sagte Gottlieb, Mozart hat etwas Gutes, aber warum hat er etwas Gutes? Weil er in Italien gereist ist. Die Deutsche Musik, junger Mann, ist die Musik der Menschen, aber merken Sie Sich wohl Folgendes, die Italiänische Musik ist die Musik der Götter.

– Mozart bat indessen nicht in Italien Figaros Hochzeit und Don Juan componirt, erwiderte Hoffmann lächelnd, da er die eine in Wien für den Kaiser, die andere in Prag für das Italienische Theater geschrieben hat.

– Das ist wahr, junger Mann, und ich freue mich, bei Ihnen diesen Nationalgeist zu finden, der Sie Mozart vertheidigen läßt. Ja, zuverlässig, wenn der arme Teufel am Leben geblieben, und wenn er noch eine oder zwei Reisen nach Italien gemacht hätte, so wäre er ein Meister, ein sehr großer Meister geworden. Aber diesen Don Juan, von dem Sie sprechen, diese Hochzeit des Figaro, von der Sie sprechen, nach was hat er sie gemacht? Nach Italienischem Texte, auf Italienische Worte, unter den Glanz der Sonne von Bologna, von Rom oder Neapel. Glauben Sie mir, junger Mann, man muß diese Sonne gesehen, gefühlt haben, um ihren Werth zu würdigen. Sehen Sie, ich habe Italien seit vier Jahren verlassen; seit vier Jahren bebe ich vor Frost, ausgenommen wenn ich an Italien denke; schon allein der Gedanke an Italien erwärmt mich wieder; ich bedarf keines Mantels mehr, wenn ich an Italien denke; ich bedarf keines Rockes, nicht einmal meines Käppchens mehr. Die Erinnerung belebt mich wieder; o Musik von Bologna! O Sonne von Neapel! O!. . .

Und das Gesicht des Greises drückte einen Augenblick lang eine hohe Seligkeit aus, und sein ganzer Körper schien von einem unendlichen Genusse zu erbeben, wie als ob die Ströme der südlichen Sonne, indem sie noch auf sein Haupt herabstrahlten, von seiner kahlen Stirne auf seine Schultern, und von seinen Schultern auf seine ganze Person herabfielen.

Hoffmann hütete sich wohl, ihn aus seiner Begeisterung zu wecken, nur benutzte er sie, um um sich herum zu blicken, weil er immer noch hoffte, Antonia zu sehen. Aber die Thüren waren verschlossen, und man hörte kein Geräusch hinter irgend einer dieser Thüren, das die Anwesenheit irgend eines lebenden Wesens dahinter verrieth.

Er mußte daher zu Meister Gottlieb zurückkehren, dessen Begeisterung sich allmählig beruhigte, und der am Ende mit einer Art von Schauder aus derselben erwachte.

– Brrrr! Junger Mann, sagte er, und Sie sagen also?

Hoffmann erbebte.

– Ich sage, Meister Gottlieb, daß ich im Namen meines Freundes Zacharias Werner komme, welcher mir von Ihrer Güte für junge Leute erzählt hat, und da ich ein Musiker bin. . .

– Ah! Sie sind Musiker?

Und Gottlieb richtete sich wieder auf, erhob den Kopf, warf ihn zurück und betrachtete Hoffmann durch seine, für den Augenblick auf die äußerste Grenze seiner Nase geschobene Brille.

– Ja, fügte er hinzu, Kopf eines Musikers, Stirn eines Musikers, Auge eines Musikers und was sind Sie? Componist oder Instrumentist?

– Das Eine und das Andere, Meister Gottlieb.

– Das Eine und das Andere? sagte Meister Gottlieb, das Eine und das Andere! Diese jungen Leute zweifeln an Nichts. Es bedürfte des ganzen Lebens eines, zweier, dreier Männer, um nur das Eine oder das Andere zu sein, und Sie sind das Eine und das Andere?

Und er hob die Arme gen Himmel, drehte sich um sich selbst, so daß es das Ansehen hatte, als ob er den Stopfenzieher seines rechten Beines in den Fußboden bohrte.

Als er hierauf die Pirouette beendigt, blieb er vor Hoffmann stehen und sagte:

– Laß hören, junger Eingebildeter, was hast Du in Bezug auf Compositionen gemacht?

– Sonaten, Choräle, Quintetten!

– Sonaten nach Sebastian Bach, Choräle nach Pergolese, Quintetten nach Franz Joseph Haydn! Ah! Jugend! Jugend!

Hierauf fuhr er mit dem Ausdruck innigen Mitleidens fort:

– Und als Instrumentist? als Instrumentist? Welches Instrument spielen Sie?

– So ziemlich Alle, von der Fiedel bis zum Klavier, von der Geige bis zur Theorbe; aber das Instrument, mit dem ich mich hauptsächlich beschäftigt habe, ist die Violine.

– In Wahrheit, versetzte Meister Gottlieb, mit spöttischer Miene, in Wahrheit, Du hast der Violine diese Ehre erzeigt! Meiner Treue! Das ist ein wahres Glück für die arme Violine! Aber, Unglückseliger, fügte er hinzu, indem er, um schneller zu gehen, nur auf einem Bein wieder auf Hoffmann zuhüpfte, weißt Du, was die Violine ist? Die Violine! und Meister Gottlieb schaukelte seinen ganzen Körper auf diesem einzigen Beine, von dem wir gesprochen haben, wobei das andere wie das eines Kranichs in der Luft blieb, die Violine! Aber das ist das schwierigste von allen Instrumenten, die Violine ist von Satan selbst erfunden worden, um den Menschen in die Verdammniß zu stürzen, als Satan mit seinen Erfindungen zu Ende war. Mit der Violine, siehst Du, hat Satan mehr Seelen ins Verderben gestürzt, als mit den sieben Todsünden insgesammt. Es gibt nur den unsterblichen Tartini, Tartini, meinen Lehrer, meinen Helden, meinen Gott, es gibt nur ihn, der jemals Vollkommenheit auf der Violine erreicht hat; aber er allein weiß, was es ihm in dieser und in jener Welt gekostet hat, um eine ganze Nacht auf der Violine des Teufels selbst gespielt, und seinen Bogen behalten zu haben. O! Die Violine! Weißt Du, unglückseliger Entweiher, daß dieses Instrument unter seiner fast armseligen Einfachheit die unerschöpflichsten Schätze von Harmonie verbirgt, die es dem Menschen möglich ist, aus dem Becher der Götter zu trinken! Hast Du dieses Holz, diese Saiten, diesen Bogen, dieses Pferdehaar, besonders dieses Pferdehaar, studiert? hoffst Du unter Deinen Fingern dieses wundervolle Ganze zu vereinigen, zu versammeln, zu bändigen, das seit zwei Jahrhunderten den Anstrengungen der Gelehrtesten widersteht, das unter ihren Fingern schreit, sich beklagt, stöhnt und jammert, und das niemals, als unter den Fingern des unsterblichen Tartini, meines Lehrers, gesungen hat? Hast Du wohl bedacht, was Du thatest, junger Mann, als Du zum ersten Male eine Violine in die Hand genommen hast? Aber Du bist nicht der Erste, fügte Meister Gottlieb mit einem aus der Tiefe seiner Brust geschöpften Seufzer hinzu, und Du wirst nicht der letzte sein, den die Violine ins Verderben gestürzt hat, die Violine, der ewige Versucher! Andere, als Du, haben auch an ihren Beruf geglaubt, und haben ihr Leben damit verloren, die Darmsaiten zu kratzen, und Du wirst die bereits so große, der Gesellschaft so nutzlose, ihren Nebenmenschen so unerträgliche Zahl dieser Unglücklichen vermehren.

Und indem er hierauf plötzlich und ohne irgend einen Uebergang eine Violine und einen Bogen ergriff, wie ein Fechtmeister zwei Rappiere ergreift, überreichte er sie Hoffmann, und sagte mit einer Miene der Herausforderung zu ihm:

– Wohlan! spiele mir Etwas; laß hören, spiele, und ich will Dir sagen, wie weit Du bist, und ob es noch Zeit ist, Dich aus dem Abgrunde zu retten; ich werde Dich aus ihm retten, wie ich den armen Zacharias Werner aus ihm gerettet habe. Auch er spielte Violine; er spielte sie wie ein Besessener, voll Wuth. Er träumte Wunder, aber ich habe ihm den Verstand geöffnet. Er zerbrach seine Violine in Stücken und verbrannte sie. Hierauf gab ich ihm einen Baß in die Hände, und das beruhigte ihn vollends. Auf ihm gab es Raum für seine langen magern Finger. Im Anfange ließ er sie zehn Meilen in der Stunde zurücklegen, und jetzt – jetzt spielt er den Baß hinlänglich, um seinem Onkel zum Namenstage Glück zu wünschen, während er niemals Violine spielen gelernt hätte, als um den Teufel zu seinem Namenstage Glück zu wünschen. Nun denn, nun denn, junger Mann, hier ist eine Violine, – zeige mir, was Du zu machen verstehst.

Hoffmann nahm die Violine und betrachtete sie.

– Ja, ja, sagte Meister Gottlieb, Du untersuchst, von wem sie ist, wie der Weinkenner den Wein anriecht, den er trinken will. Schlage eine Saite an, eine einzige, und wenn Dein Ohr Dir nicht den Namen dessen sagt, der die Violine gemacht hat, so bist Du nicht würdig, sie zu berühren.

Hoffmann schlug eine Saite an, welche einen vibrirenden, anhaltenden, bebenden Ton von sich gab.

– Sie ist von Antonio Stradivarius, sagte er.

– Ah! Nicht übel; aber aus welchem Lebensabschnitte Stradivarius? Sehen wir ein wenig, er hat von dem Jahre 1698 bis zu dem Jahre 1728 gar viele Violinen gemacht.

– Ah! Was das anbetrifft, sagte Hoffmann, so gestehe ich meine Unwissenheit ein, und es scheint mir unmöglich. . .

– Unmöglich! Lästerer, unmöglich! Das ist gerade, als ob Du mir sagtest, Unglückseliger, daß es unmöglich sei, das Alter des Weines zu erkennen, wenn man ihn kostet. Höre wohl: so wahr, als wir heute den 10. Mai 1793 haben, ist diese Violine während der Reise gemacht worden, welche der unsterbliche Antonio im Jahre 1705 von Cremona nach Mantua machte, und wo er seine Werkstatt seinem ersten Zöglinge überlassen hat. Dieser Stradivarius, ich freue mich, es Dir zu sagen, gehört daher auch nur in den dritten Rang; aber ich fürchte sehr, daß er nach zu gut für einen armen Schüler ist, wie Du einer bist. Spiele, spiele. —