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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 36

Czcionka:

V.
Das Lever des Königs

Der sich selbst überlassene König versuchte nicht den eigensinnigen Doktor zu unterbrechen, dessen wie eine Uhr geordneter Schlaf so lange dauerte, wie er es vorher bestimmt hatte.

Es hatte halb sieben geschlagen, als Lamartinière, da der Kammerdiener nun eintreten mußte, aufstand und in ein anstoßendes Kabinet ging, während man sein Bett fortschaffte.

Dort schrieb er eine Verordnung für die Aerzte des kleinen Dienstes und verschwand.

Der König gab den Befehl, daß man zuerst sein Dienstpersonal eintreten ließe, dann die, welche freien Zutritt hatten.

Er grüßte schweigend, reichte dann die Beine den Kammerdienern, die ihm seine Strümpfe anzogen, seine Strumpfbänder festknüpften und ihm seinen Schlafrock anlegten.

Hierauf kniete er vor seinem Betstuhle nieder, indem er mehrere Male in Mitte des allgemeinen Schweigens seufzte.

Jedermann war gleich dem König niedergekniet, und betete wie er mit vieler Zerstreuung.

Der König wandte sich von Zeit zu Zeit nach der Balustrade um, wo sich gewöhnlich die vertrautesten und die am meisten geliebten seiner Hofleute drängten.

– Was sucht denn der König? fragten sich der Herzog von Richelieu und der Herzog von Ayen leise.

– Wir sind es nicht, denn uns würde er finden, sagte der Herzog von Ayen; aber sehen Sie, der König steht auf.

In der That, Ludwig XV. hatte sein Gebet geendigt, oder er war vielmehr so zerstreut gewesen, daß er nicht gebetet hatte.

– Ich sehe den Herrn Garderobeaufseher nicht, sagte Ludwig XV., indem er um sich blickte.

– Herrn von Chauvelin? fragte der Herzog von Richelieu.

– Ja.

– Aber, Sire, er ist hier.

– Wo denn?

– Dort, äußerte der Herzog, indem er sich umwandte.

Dann äußerte er plötzlich ganz erstaunt:

– Ah! ah!

– Was denn? fragte der König.

– Herr von Chauvelin betet noch!

In der That, der Marquis von Chauvelin, dieser angenehme Heide, dieser lustige Genosse der kleinen königlichen Gottlosigkeiten, dieser geistreiche Feind der Gitter im Allgemeinen und Gottes im Besondern, der Marquis war nicht allein gegen seine Gewohnheit, sondern auch nach gegen die Etikette selbst dann auf den Knieen geblieben, als der König sein Gebet beendigt hatte.

– Nun denn! Marquis, fragte der König lächelnd, schlafen Sie etwa?

Der Marquis stand langsam auf, machte ein Zeichen des Kreuzes und grüßte Ludwig XV. mit tiefer Ehrerbietung.

Jedermann war daran gewöhnt zu lachen, wenn Herr von Chauvelin lachen wollte; man glaubte, daß er scherzte, und man lachte aus Gewohnheit, der König wie die Andern.

– Aber indem er fast sogleich seine ernste Miene wieder annahm, sagte Ludwig XV.:

– Nicht doch! nicht doch, Marquis, Sie wissen, daß ich es nicht gern sehe, daß man mit den heiligen Dingen scherzt. Da Sie mich indessen, wie ich vermuthe, ein Wenig erheitern wollen, so soll Ihnen zu Gunsten der Absicht verziehen sein, nur sage ich Ihnen im Voraus, daß Sie große Mühe haben werden, fügte er mit einem Seufzer hinzu, denn ich bin traurig wie der Tod.

– Sie traurig, Sire? fragte der Herzog von Ayen, und was kann denn Eure Majestät traurig machen?

– Meine Gesundheit, Herzog! meine Gesundheit, die dahin schwindet. Ich lasse Lamartinière in meinem Zimmer schlafen, damit er mich beruhigt; aber dieser Tollkopf gibt sich im Gegentheile Mühe, mir Furcht zu machen. Glücklicher Weise scheint man hier geneigt zu lachen, nicht wahr, Chauvelin?

Aber die Aufforderungen des Königs blieben ohne Erfolg. Selbst der Marquis von Chauvelin, dessen feine und spöttische Züge so gern die Munterkeit des Herrn zurückwarfen, der Marquis, der ein so vollkommener Hofmann war, daß er niemals gegen einen Wunsch des Königs zurückgeblieben, der Marquis blieb dieses Mal, statt auf das von Ludwig XV. ausgesprochene Bedürfniß einer selbst leichten Zerstreuung zu antworten, finster und stumm, und gänzlich in einen unerklärlichen Ernst versunken.

Einige, so sehr lag diese Traurigkeit außer den Gewohnheiten des Herrn von Chauvelin, einige, sagen wir, glaubten, daß der Marquis den Scherz fortsetze, und daß dieser Ernst mit einem glänzenden Ausbruche von Lustigkeit endigen würde; aber der König hatte an diesem Morgen nicht die Geduld zu warten, er fing daher an, die Traurigkeit seines Günstlings anzugreifen.

– Aber was der Teufel haben Sie denn, Chauvelin? sagte Ludwig XV.; setzen Sie etwa meinen Traum von dieser Nacht fort? Wollen Sie Sich etwa auch begraben lassen?

– O!. . . Eure Majestät hätte an diese garstigen Dinge gedacht? fragte Richelieu.

– Ja, einen schweren Traum, Herzog. Aber in Wahrheit, was ich im Schlafe ertrage, mögte ich gern im Wachen nicht wiederfinden. Nun denn! lassen Sie hören, Chauvelin, was haben Sie?

Der Marquis verneigte sich, ohne zu antworten.

– Sprechen Sie, aber so sprechen Sie doch, ich will es! rief der König aus.

– Sire, antwortete der Marquis, ich denke.

– An was? fragte Ludwig XV. erstaunt.

– An Gott! Sire.

– An Gott?

– Ja, Sire. Gott. . . das ist der Anfang der Weisheit.

Diese so kalte und so klösterliche Einleitung ließ den König erbeben, der, indem er auf den Marquis einen aufmerksameren Blick heftete, in seinen ermüdeten, gealterten Zügen die wahrscheinliche Ursache dieser ungewöhnlichen Traurigkeit entdeckte.

– Der Anfang der Weisheit, sagte er. Ah! wahrhaftig, ich verwundere mich nicht, wenn dieser Anfang niemals eine Fortsetzung hat, er ist zu langweilig. Aber Sie denken nicht an Gott ganz allein. Woran denken Sie noch?

– An meine Frau und an meine Kinder, die ich seit langer Zeit nicht gesehen habe, Sire.

– Ei, es ist wahr, Chauvelin, Sie sind verheirathet, Sie haben Kinder, ich hatte es vergessen, und wie mir scheint, Sie gleichfalls, denn seit den fünfzehn Jahren, daß wir uns täglich sehen, sprechen Sie mir zum ersten Male davon. Nun denn! wenn Sie eine Lust nach der Hausmannskost überfällt, so lassen Sie sie kommen, ich habe Nichts dagegen, wie mir scheint, ist Ihre Wohnung im Schlosse groß genug.

– Sire, antwortete der Marquis, Frau von Chauvelin lebt sehr zurückgezogen von der Welt, in großer Frömmigkeit und. . .

– Und sie wird ein Aergerniß an dem Treiben von Versailles finden, nicht wahr? Ich begreife, es ist wie mit meiner Tochter Louise, die ich nicht aus Saint Denis herausbringen kann. Dann sehe ich kein Mittel mehr dagegen, mein lieber Marquis.

– Ich bitte den König um Verzeihung, es gibt Eines.

– Welches?

– Mein Dienst wird sich heute Abend endigen; wenn der König mir erlaubt, nach Grosbois zu gehen, um einige Tage in meiner Familie zuzubringen. . .

– Sie scherzen, Marquis, mich verlassen!

– Ich werde zurückkehren, Sire; aber ich mögte nicht sterben, ohne einige testamentliche Verfügungen getroffen zu haben.

– Sterben! der verwünschte Mensch! Sterben! wie er das sagt! Wie alt sind Sie denn, Marquis?

– Sire, ich bin zehn Jahr jünger als Eure Majestät, obschon ich zehn Jahr älter zu sein scheine.

Der König wandte diesem wunderlichen Menschen den Rücken, und indem er sich an den Herzog von Coigny wandte, der dicht neben seiner Estrade stand, sagte er:

– Ah! Sie sind da, Herr Herzog, Sie kommen zu rechter Zelt, man sprach neulich Abend von Ihnen beim Nachtessen. Ist es wahr, daß Sie auf meinem Schlosse Choisy diesen armen Chentil-Bernard aufgenommen haben? Das wäre eine gute That, über welche ich Sie loben mögte. Wenn indessen alle Gouverneure meiner Schlösser es eben so machten und die närrisch gewordenen Dichter aufnähmen, so würde mir keine andere Zuflucht mehr bleiben, als in Bicêtre zu wohnen. Wie geht es diesem Unglücklichen?

– Immer noch ziemlich schlecht, Sire.

– Und wie ist ihm denn das zugestoßen?

– Sire, weil er sich ehedem ein wenig zu sehr belustigt hat, und besonders weil er kürzlich den jungen Mann hatte spielen wollen.

– Ja, ja, ich begreife. Nun! er ist sehr alt.

– Ich bitte den König um Verzeihung, Sire, aber er ist nur ein Jahr älter als Seine Majestät.

– Wahrlich, das ist unerträglich, sagte der König, indem er dem Herzoge von Coigny den Rücken wandte, sie sind heute nicht allein traurig wie Katafalke, sondern sie sind auch noch dumm wie Gänse.

Der Herzog von Ayen, einer der geistreichsten Männer jener so geistreichen Zeit, begriff die zunehmende üble Laune des Königs; er fürchtete die Ausfälle derselben, und, entschlossen, sie so bald als möglich aufhören zu lassen, that er zwei Schritte vor, um sich zu zeigen. Er trug an seiner Weste, um seine Strumpfbänder und um seinen Rock herum breite und glänzende Goldstickereien, welche nicht ermangeln konnten, die Augen auf ihn zu ziehen. Der Monarch sah ihn in der That.

– Bei meiner Treue, Herzog von Ayen, rief er aus, Sie sind glänzend wie eine Sonne. Haben Sie denn ein Marktschiff gestohlen? Ich glaubte, daß alle Sticker von Paris seit der Verheiratung des Grafen von Provence zu Grunde gerichtet wären, bei welcher kein Hofmann sie bezahlt hat, und zu welcher die Herren Prinzen ohne Zweifel aus Mangel an Geld oder Credit es nicht für angemessen gehalten haben, zu kommen.

– Sie sind daher auch wirklich zu Grunde gerichtet, Sire.

– Wer denn, die Prinzen, die Sticker oder die Hofleute?

– Ei, wie ich glaube, Alle ein wenig; indessen sind die Sticker weit geschickter, sie ziehen sich aus der Verlegenheit.

– Wie?

– Durch diese neue Erfindung. Und er zeigte seine Stickereien.

– Ich verstehe nicht.

– Ja, Sire! diese so gestickten Kleider werden à la Chacelièr genannt.

– Ich verstehe noch weniger.

– Es gäbe wohl ein Mittel, Seine Majestät dieses Räthsel verstehen zu lassen; das wäre die Verse anzuführen, welche diese Pariser Maulaffen gemacht haben, aber ich wage es nicht.

– Sie wagen es nicht, Sie Herzog! sagte der König lächelnd.

– Meiner Treue, nein, Sire, ich erwarte den Befehl des Königs.

– Ich gebe ihnen denselben.

–Der König wird sich zum Mindesten erinnern, daß in nur gehorche. Hier sind also die Verse:

0n fait certains galons de nouvelle matière,

Mais ils ne sont que jours de galas.

0n les nomme à la chancelière.

Pourquoi? C'est qu'ils sont faux et ne rougissent pas.

(Man macht gewisse Poeten ans neuem Stoffe,

aber sie sind nur für die Gallatage

Man nennt sie à la Chancelière.

Warum? Weil sie falsch sind und nicht roth werden.)

Die Hofleute sahen einander erstaunt über so viel Kühnheit an, und alle wandten sich zu gleicher Zeit nach

Ludwig XV. um, um ihre Züge nach den seinigen zu richten. Der Kanzler Maupeou, der, von der Favoritin

unterstützt damals in seiner ganzen Gunst stand, war eine so hochstehende Person, nie daß man es sich zu erlauben wagte, die Epigramme gegen ihn anzuhören, welche ohne Unterlaß sich einander folgten. Der Monarch lächelte, von nun an lächelten die Lippen Aller, er antwortete Nichts, Niemand sagte ein Wort.

Ludwig XV. hatte eine sonderbare Neigung. Er, fürchtete gräßlich den Tod, er wollte nicht, daß man ihm von dem seinigen spräche. Aber bei jeder Veranlassung machte er sich eine Art von Freude daraus, sich über die Schwachheit lustig zu machen, welche fast alle Menschen haben, ihr Alter oder ihre Gebrechen zu verbergen. Er sagte gern zu einem Hofmanne:

– Sie sind alt, Sie haben ein schlechtes Aussehen, Sie werden bald sterben. Er verwandte Philosophie darauf, und an diesem selben Tage, an welchem er zwei grausame Angriffe erhalten hatte, setzte er sich dem aus, einen dritten zu erhalten.

Um das, mit dem Herzoge von Ayen unterbrochene Gespräch wieder anzuknüpfen, sagte er ziemlich unvermuthet zu ihm:

– Wie befindet sich der Chevalier von Noailles? ist es wahr, daß er krank ist?

– Sire, wir haben das Unglück gehabt, ihn gestern zu verlieren.

– Ah! ich hatte es ihm wohl voraus gesagt.

Indem er hierauf den durch die Eingeladenen vermehrten Kreis der Hofleute übersah, erblickte er den Abbé von Broglio, einen mürrischen und barschen Menschen. Er redete ihn in folgenden Ausdrücken an:

– Jetzt ist an Ihnen die Reihe, Abbé. Sie sind gerade zwei Tage jünger als er.

– Sire, erwiderte Herr von Broglio ganz bleich vor Zorn, Eure Majestät ist gestern auf der Jagd gewesen. Es ist ein Gewitter ausgebrochen. Der König ist wie die Andern durchnäßt worden.

Und indem er sich Platz machen ließ, entfernte er sich wüthend.

Der König sah ihn mit ziemlich traurigem Auge fortgehen und fügte hinzu:

– So ist dieser Abbé von Broglio, er wird immer bös.

Indem er hierauf an der Thür seinen Arzt Bonnard, und mit ihm Bordeu, den Günstling der Madame Du Barry erblickte, der darnach strebte, seine Stelle einzunehmen, rief er sie alle beide.

– Kommen Sie, meine Herren, – man spricht hier heute Morgen nur von dem Tode, das ist Ihre Sache. Wer von Ihnen wird die Verjüngungsquelle finden? – Das wäre ein schönes Wunder, und ich verbürge ihm sein sicheres Glück. Wären Sie es, Bordeu? – Sie, Aesculap – bei der Venus, ich begreife, Sie haben an diese Ausbesserungen noch nicht gedacht.

– Ich bitte den König um Verzeihung, ich habe im Gegentheile ein System, das uns zu dieser guten Zeit der Geschichte zurückführen soll.

– Der Fabel, unterbrach ihn Bonnard mit spöttischer Niene.

– Sie glauben, fuhr der König fort, Sie glauben, mein armer Bonnard? Wahr ist es, daß unter Ihrer Leitung meine Jugend nur noch eine sehr bittere Fabel ist, und der, welcher mich jetzt verjüngte, würde mit einem Male Historiograph von Frankreich werden, denn er hätte die schönste Seite meiner Regierung niedergeschrieben. Machen Sie das, Bordeu, eine Kur, die würdig ist zu einer großen Berühmtheit zu gelangen. Einstweilen fühlen Sie Herrn von Chauvelin den Puls, der ganz bleich und ganz traurig da steht. Geben Sie mir Ihre Meinung über diese Gesundheit an, die sehr kostbar für unsere Vergnügungen ist, und für mein Herz, fügte er sehr rasch hinzu.?

Chauvelin lächelte bitter, indem er dem Doctor seinen Arm bot.

– Wem von Ihnen beiden, meine Herrn? fragte er.

– Allen beiden, erwiderte Ludwig XV. lachend, aber nicht Lamartinière; er wäre im Stande, Ihnen einen Schlagfluß zu prophezeihen, wie mir.

– Es sei, an Ihnen ist die Reihe, Herr Bonnard; die Vergangenheit vor der Zukunft. Was ist Ihre Meinung?

– Der Herr Marquis ist sehr krank; es findet Ueberfluß der Säfte, Verstopfung der Fibern und des Gehirns statt, er würde sehr wohl thun sich zur Ader zu lassen, und das sehr schnell.

– Und Sie, Herr Bordeu?

– Ich bitte meinen gelehrten Collegen um Entschuldigung, aber ich kann nicht derselben Meinung sein, als seine Erfahrung. Der Herr Marquis hat einen nervösen Puls. Wenn ich mit einer hübschen Frau spräche, so würde ich sagen, daß er krampfhafte Launen habe. Er bedarf der Heiterkeit, der Ruhe, keine Sorgen, keine Geschäfte, eine gänzliche Zufriedenheit, kurz alles das, was er bei dem erhabenen Monarchen findet, dessen Freund er zu sein die Ehre hat. Ich verordne die Fortsetzung derselben Lebensweise.

– Was das für zwei wundervolle Gutachten sind, und was Herr von Chauvelin nach Ihnen aufgeklärt sein muß! – Mein armer Marquis, wenn Sie sterben sollten, so ist Bordeu ein entehrter Mann.

– Nicht doch, Sire, die krankhaften Launen tödten, wenn man sie nicht pflegt.

– Sire, wenn ich sterbe, – antwortete Herr von Chauvelin, – so bitte ich Gott, daß es zu Ihren Füßen sei.

– Hüte Dich wohl davor, Du würdest mir eine entsetzliche Furcht machen. Aber ist es nicht die Stunde der Messe? Es scheint mir, daß der Herr Bischof von Senez und der Herr Pfarrer von Saint Louis, unsere Pfarrer, hier sind. Dieses Mal wird man mich also ein wenig zufrieden stellen.

– Guten Tag, Herr Pfarrer, wie befinden sich Ihre Pfarrkinder? Gibt es viele Kranke, viele Arme?

– Leider! Sire, gibt es deren viele.

– Aber sind die Almosen nicht reichlich? Ist das Brod theurer geworden? Hat die Anzahl der Unglücklichen sich vermehrt?

– Ach! ja, Sire.

– Wie kommt das? Woher kommen sie?

– Sire, selbst die Bedienten Ihres Hofhaltes verlangen Almosen von mir.

– Ich glaube es wohl, man bezahlt sie nicht. Hören Sie, Herr von Richelieu? Und kann man dem nicht abhelfen? Was der Teufel! Sie sind in diesem Jahre erster Kammerherr.

– Sire, die Bedienten gehören nicht zu meiner Stelle, das geht die Generalintendanz an.

– Und die Intendanz wird sie an einen Andern verweisen. – Arme Leute, sagte der König, für einen Augenblick lang gerührt; aber am Ende kann ich nicht Alles thun. Werden Sie uns in die Messe begleiten, Herr Bischof? fügte er hinzu, indem er sich an den Abbé von Beauvais, Bischof von Senez wandte, welcher die Fastenpredigten vor dem Hofe hielt.

– Ich stehe zu den Befehlen Seiner Majestät, antwortete der Bischof, indem er sich verneigte, aber ich habe hier sehr ernste Worte gehört. Man spricht von dem Tode, und Niemand denkt daran; Niemand bedenkt, daß er zu seiner Stunde kömmt, wenn man ihn nicht erwartet; daß er uns in Mitte der Vergnügungen überrascht, daß er die Großen und die Kleinen mit seiner unerbittlichen Sense trifft. Niemand bedenkt, daß ein Alter kömmt, in welchem die Reue und die Buße eben so sehr eine Nothwendigkeit, als eine Pflicht sind, wo das Feuer der Gelüste vor den erhabenen Gedanken des ewigen Heiles erlöschen muß.

– Richelieu, unterbrach ihn der König lächelnd, es scheint mir, daß der Herr Bischof gar viele Steine in Ihren Garten wirft.

– Ja, Sire, und er wirft sie so heftig hinein, daß davon welche bis in den Park von Versailles zurückspringen.

– Ab! gut geantwortet, Herr Herzog, Sie haben, wie im Alter von zwanzig Jahren, immer eine Antwort bereit. Herr Bischof, diese Rede fängt an, wir werden sie nächsten Sonntag in der Kapelle wieder vornehmen, ich verspreche Ihnen, sie anzuhören. Chauvelin, um Sie zu erheitern, entbinden wir Sie, uns zu begleiten. Gehen Sie, mich bei der Gräfin zu erwarten. Sie hat ihren berühmten goldenen Spiegel, das Meisterstück Rottiers erhalten. Sie müssen das sehen.

– Sire, ich ziehe es vor, mich nach Grosbois zu begeben.

– Nochmals. Sie faseln, mein Lieber, gehen Sie zu der Gräfin, sie wird Sie entzaubern. Meine Herren, in die Messe!t in die Messe! Das ist ein Tag, der sehr schlecht anfängt. Da sieht man, was es ist, alt zu werden!

VI.
Der Spiegel der Madame Du Barry

Um dem Könige zu gehorchen, und trotz des Widerwillens, den er empfand, zu gehorchen, begab sich der Marquis zu der Favoritin.

Die Favoritin war ausgelassen fröhlich, sie tanzte wie ein Kind, und sobald man ihr den Herrn Marquis von Chauvelin meldete, eilte sie ihm entgegen, und ohne ihm Zeit zu lassen, ein einziges Wort zu sagen, rief sie aus:

– O! mein lieber Marquis, mein lieber Marquis, Sie kommen zu rechter Zeit! Ich bin heute die glücklichste Person von der Welt! ich habe das reizendste Erwachen gehabt, das man haben kann. Zuvörderst hat mir Rottiers meinen Spiegel gesandt; Sie kommen ohne Zweifel, ihn zu sehen, aber Sie müssen den König abwarten. Und dann, da ein Glück niemals allein kömmt, so ist die berühmte Kutsche angekommen, Sie wissen, die Kutsche, weiche mir Herr von Aiguillon schenkt.

– Ah! ja, sagte der Marquis, das Vis-à-Vis, von dem man überall spricht; er war Ihnen das wohl schuldig, Madame.

–O! ich weiß wohl, daß man davon spricht; mein Gott! ich weiß sogar, was man davon sagt.

– Wahrhaftig, Sie wissen Alles!

–Ja, so ziemlich; aber Sie werden begreifen, das ich mir Nichts daraus mache! Sehen Sie, hier sind Verse, welche ich heute Morgen in den Taschen m Vis-à-Vis gefunden habe. Ich konnte den armen Sattler verhaften lassen, aber was! so Etwas war Hut für Frau von Pompadur; ich bin zu zufrieden, um mich zu rächen. Außerdem sind die Verse nicht schlecht, wie mir scheint, und wenn man mich immer so behandelte, so würde ich mich auf Ehre nicht beklagen.

Und sie überreichte Herrn von Chauvelin die Verse. .

Herr von Chauvelin nahm und las sie:

 
Pour ce brillant vis-à-vis,
Est -ce le char d'une déesse
Ou de quelque jeune princesse?
Sécriait un bedaud surpris.
Non. . . de la foule curieuse,
Lui répond un caustique, non,
C'est le char de la blauchisseuse
De cet infâme d'Aiguillon!
 
 
(Wozu dieses glänzende Vis-à-Vis,
ist es der Triumphwagen einer Göttin,
oder irgend einer jungen Prinzessin?
rief ein erstaunter Maulaffe aus.
Nein. . . antwortete Ihm ein beißender Witzbold
aus der neugierigen Menge, nein,
es ist der Triumphwagen der Wäscherin
dieses schändlichen von Aiguillon!)
 

Und die sorglose Buhlerin begann in lautes Gelächter auszubrechen. Dann begann sie wieder:

– Die Wäscherin, Sie verstehen, dieses schändlichen von Aiguillon. Ah! meiner Treue, der Verfasser hat Recht, und es ist nicht zu viel gesagt; ohne mich, in Wahrheit, wäre der arme Herzog trotz dem Mehle, mit dem er sich bei der Schlacht von. . . bedeckt hat, ich weiß niemals die Namen der Schlachten, ohne mich wäre der arme Herzog abscheulich schwarz geblieben. Aber was! was liegt daran, wie mein Vorgänger, Herr von Mazarin sagte. Sie singen, sie werden bezahlen, und eine einzige Seitenwand meines Vis-à-Vis ist mehr werth, als alle die Epigramme, die man seit vier Jahren gegen mich gemacht hat. Ich will es Ihnen zeigen. Kommen Sie, Marquis, folgen Sie mir.

Und indem sie vergaß, daß sie nicht mehr Jeanne Vaubernier war, und indem sie das Alter des Marquis vergaß, ging die Gräfin singend die Stufen einer geheimen Treppe hinab, die in einen kleinen Hof führte, in welchem sich ihre Remisen befanden.

– Sehen Sie, sagte sie zu dem Marquis, der ganz außer Athem war, ist das anständig genug für den Wagen einer Wäscherin?

Der Marquis war auf das Höchste erstaunt, er hatte niemals etwas Prachtvolleres und zugleich Elegantens gesehen. Auf den vier Hauptfeldern sah man die Wappen der Du Barrys mit dem berühmten Feldgeschrei: Boute en avant! (Vorwärts!) Auf jedem der Seitenfelder sah man einen Korb mit einem Bette von Rosen versehen, wiederholt, auf welchem sich zwei Tauben zärtlich schnäbelten; das Ganze von Martin-Firniß, wovon das Geheimniß jetzt verloren ist.

Die Kutsche kostete sechsundfünfzig Tausend Livres.

– Hat der König dieses kostbare Geschenk gesehen, Frau Gräfin? fragte der Marquis von Chauvelin.

– Noch nicht, aber ich bin von einer Sache überzeugt.

– Wovon sind Sie überzeugt, lassen Sie hören?

– Daß er entzückt darüber sein wird.

– Ah! ah;. . .

– Wie! ah! ah!

– Ja, ich zweifle daran.

– Sie zweifeln daran?

– Ich wette sogar, daß er Ihnen nicht erlauben wird, es anzunehmen.

– Und warum?

– Weil Sie Sich ihrer nicht würden bedienen können.

– Bah! wahrhaftig, erwiderte sie spöttisch. Ah! Sie verwundern Sich über so Weniges.

– Ja.

– Dann werden Sie noch ganz andere Dinge sehen, z. B. den goldenen Spiegel, und dieses, fügte sie hinzu, indem sie ein Papier aus ihrer Tasche zog, aber, was dieses anbetrifft, so werden Sie es nicht sehen.

– Wie es Ihnen gefällig ist, Madame, antwortete der Marquis, indem er sich verneigte.

– Sie sind indessen nach diesem alten Affen von Richelieu der älteste Freund des Königs; Sie kennen ihn genau; er hört auf Sie; Sie könnten mir beistehen, wenn Sie es wollten, und dann. . . Gehen wir wieder in mein Kabinet hinauf, Marquis.

– Zu Ihren Befehlen, Madame.

– Sie sind heute sehr übler Laune. Was haben Sie denn?

– Ich bin traurig, Madame.

– Ah! um so schlimmer. Das ist albern!

Und indem sie dem Marquis zum Führer diente, schlug Madame Dubarry mit einem weit ernsteren Schritte diese geheime Treppe wieder ein, welche sie leicht und singend wie ein Vogel hinabgeeilt war.

Sie kehrte in ihr Kabinet zurück, indem Herr von Chauvelin ihr immer folgte; hierauf verschloß sie die Thür wieder, und indem sie sich rasch nach dem Marquis umwandte, sagte sie zu ihm:

– Sagen Sie an, sind Sie mein Freund, Chauvelin?

'– Sie können an meiner Achtung und an meiner Ergebenheit nicht zweifeln, Madame.

– Sie würden mir gegen Jeden dienen?

– Ausgenommen gegen den König.

– Wenn Sie das nicht billigen, was Sie erfahren werden, so werden Sie in jedem Falle neutral bleiben.

– Ich verpflichte mich dazu, wenn Sie es verlangen.

– Ihr Wort.

– So wahr ich Chauvelin heiße!

– Dann lesen Sie.

Und die Gräfin übergab ihm das sonderbarste, das kühnste, das spaßhafteste Aktenstück, das jemals ein Edelmann vor Augen gehabt hat. Der Marquis begriff anfangs nicht die ganze Wichtigkeit desselben.

Es war ein an den Papst gerichtetes Verlangen, ihre Ehe mit dem Grafen Du Barry unter dem Vormunde als nichtig zu erklären, daß, da sie die Geliebte seines Bruders gewesen wäre, und die Kirchengesetze in einem solchen Falle jede Verheirathung verböten, diese Ehe durchaus nichtig wäre; sie fügte hinzu, daß sie gleich nach der ehelichen Einsegnung von der Gottlosigkeit benachrichtigt, welche sie zu begehen im Begriffe stände, und die sie bis dahin nicht geahnet hätte, von Furcht ergriffen worden wäre, und daß die Ehe nicht vollzogen worden sei.

Der Marquis las diese Bittschrift zwei Mal durch, und indem er sie der Favortin zurückgab, fragte er sie, was sie damit zu machen gedächte.

– Ei, sie übersenden, wie es scheint, antwortete diese mit ihrer gewöhnlichen Frechheit.

– An wen?

– An ihre Adresse.

– An den Papst?

– An den Papst.

– Nachher?

– Sie errathen nicht?

– Nein.

– Mein Gott, was Sie heute so schwer begreifen!

– Das ist möglich, aber die Wahrheit ist, daß ich nicht errathe.

– Sie haben also geglaubt, daß ich Frau von Montesson ohne Zweck begünstigte? Sie haben also den großen Dauphin und Mademoiselle Chouin vergessen, Ludwig XIV. und Frau von Maintenon? Man ruft jeden Tag dem Könige zu, seinen berühmten Großvater nachzuahmen. Man wird also Nichts zu sagen haben. Wie mir scheint, bin ich wohl so viel werth, als die Wittwe Scarron, und über dem bin ich keine sechzig Jahre alt.

– O! Madame, Madame, was habe ich gehört! sagte Herr von Chauvelin, indem er erbleichte und einen Schritt zurück that.

In diesem Augenblicke ging die Thür auf, und Zamore meldete:

– Der König.

– Der König! rief Madame Du Barry aus, indem sie die Hand des Herrn von Chauvelin ergriff, der König, kein Wort. Wir werden ein anderes Mal wieder über diesen Gegenstand sprechen.

Der König trat ein.

Seine Blicke richteten sich zuerst auf Madame Du Barry, und dennoch war es der Marquis, den er zuerst anredete.

– Ah! Chauvelin, Chauvelin, rief der König überrascht über die Entstellung der Züge des Marquis aus, wollen Sie denn in allem Ernste sterben? Wahrlich, Sie haben das Aussehen eines Gespenstes, mein Freund.

– Sterben! Herr von Chauvelin, sterben, rief die ausgelassene junge Frau aus, ah! ja doch, ich verbiete es ihm. Sie vergessen also das Horoscop, Sire, das man ihm vor fünf Jahren auf dem Jahrmärkte von Saint Germain gestellt hat?

– Welches Horoscop? fragte der König.

– Muß ich es wiederholen?

– Ohne Zweifel.

– Sie glauben hoffentlich nicht an Horoscope, Sire.

– Nein, und dann, wenn ich auch daran glaubte, sagen Sie es immerhin.

– Nun denn! man hat Herrn von Chauvelin prophezeit, daß er zwei Monate vor Eurer Majestät sterben würde.

– Und wer ist der Alberne, der ihm das prophezeit hat? fragte der König mit einer gewissen Besorgniß.

– Ei, ein sehr geschickter Hexenmeister, derselbe, der mir prophezeit hat. . .

– Alles das sind Albernheiten, unterbrach sie der König mit einer sehr deutlichen Regung des Unwillens, sehen wir den Spiegel.

– Dann, Sire, müssen wir in das Zimmer zur Seite gehen.

– Gehen wir hinein.

– Zeigen Sie uns den Weg, Sire, Sie kennen es, es ist das Schlafzimmer Ihrer ganz gehorsamen Dienerin.

Der König kannte in der That den Weg und ging voraus.

Der Spiegel war mit einem dichten Schleier bedeckt, der auf den Befehl des Königs fiel, auf die Toilette gestellt, und man konnte ein wahres, Benvenuto Cellinis würdiges Meisterstück bewundern. Dieser Spiegel, mit einem Rahmen von massivem Golde, war von zwei Amors in erhabener Arbeit überragt, welche eine königliche Krone trugen, unter welche sich natürlicher Weise der Kopf der Person gestellt befand, die sich in dem Spiegel betrachtete.

– Ah! das ist prachtvoll! rief der König aus. Wahrlich, Rottiers hat sich übertroffen. Ich werde ihm mein Kompliment darüber machen. Gräfin, wohl verstanden bin ich es, der Ihnen das schenkt.

– Sie schenken mir Alles?

– Ohne Zweifel, ich schenke Ihnen Alles.

– Spiegel und Rahmen?

– Spiegel und Rahmen.

– Selbst das? fügte die Gräfin mit dem Lächeln einer Sirene hinzu, welches den Marquis besonders nach dem, was er gelesen hatte, wanken machte.

Die Gräfin zeigte die königliche Krone.– Dieses Spielwerk? antwortete der König. Die Gräfin machte ein kleines Zeichen mit dem Kopfe.

– O! Sie können sich damit so lange belustigen, als es Ihnen beliebt, Gräfin, nur sage ich Ihnen im Voraus, daß sie schwer ist. Aber! Chauvelin, Sie werden sich also nicht erheitern, nicht einmal in Gegenwart von Madame und in Gegenwart ihres Spiegels, was eine doppelte Gunst ist, die sie Ihnen bewilligt, da Sie dieselbe zwei Male sehen?

Die königliche Artigkeit wurde durch einen Kuß der Gräfin belohnt.

Der Marquis verzog keine Miene.

– Was halten Sie von diesem Spiegel, Marquis? Sagen Sie uns doch Ihre Meinung, lassen Sie hören.

– Wozu, Sire? fragte der Marquis.

– Ei, weil Sie ein Mann von gutem Geschmacke sind, bei Gott!

– Ich hätte ihn lieber nicht sehen mögen.

– Gut! und warum?

– Weil ich zum Mindesten sein Bestehen hätte leugnen können.

– Was soll das heißen?

– Sire, die königliche Krone ist in den Händen der Liebesgötter schlecht angebracht, antwortete der Marquis, indem er sich tief verneigte.

Madame Du Barry wurde purpurroth vor Zorn.

Der König, welcher verlegen war, schien nicht zu verstehen.

– Wie denn, im Gegentheile, diese Liebesgötter sind köstlich, begann Ludwig XV. wieder; Sie halten diese Krone mit einer unvergleichlichen Anmuth. Sehen Sie ihre kleinen Arme, wie sie sich runden, sollte man nicht meinen, daß sie eine Blumenguirlande trügen?

– Das ist ihr wahres Amt, Sire; die Liebesgötter sind nur dazu gut.

– Die Liebesgötter sind zu Allem gut, Herr von Chauvelin, sagte die Gräfin; ehedem zweifelten Sie nicht daran; aber in Ihrem Alter erinnert man sich dieser Dinge nicht mehr.

– Ohne Zweifel, und es geziemt den jungen Leuten meiner Art, sich daran zu erinnern, sagte der König lachend. Kurz, es sei, der Spiegel gefällt Ihnen nicht?

– Es ist nicht der Spiegel, Sire.

– Aber was denn sonst? wäre es etwa das reizende Gesicht, das sich darin spiegelt? Den Teufel! Sie sind schwierig, Marquis.

– Niemand huldigt im Gegentheils der Schönheit von Madame wahrhafter, als ich.

– Aber, fragte Madame Du Barry unwillig, wenn es weder der Spiegel noch das Gesicht ist, welches er zurückwirft, was ist es denn sonst? sagen Sie.