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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 20

Czcionka:

XII.
Meerweibchen und Sirenen

Gedächtniß, herrliches Geschenk des Himmels, mit dessen Hilfe der Mensch in sein vergangenes Leben zurückblickt, zauberischer Spiegel, der die Gegenstände zurückwirft, indem er ihnen die unbestimmte Poesie der Dämmerung, den lieblichen Umriß der Entfernung verleiht, besonders bei mir ist Deine Gegenwart wirklich, Deine hinreißende Gewalt unwiderstehlich. Ich ergreife die Feder in der festbeschlossenen Absicht, den Raum im Vogelfluge zu durchziehen, in der einzigen Absicht, aufzubrechen und anzukommen. Aber da hat auf der ganzen Strecke des Weges das Gedächtniß Merkpfähle aufgesteckt, die es wiederfindet. Da gehöre ich mir selbst nicht mehr an, da bin ich mit Leib und Seele der Vergangenheit. Da schwebt mein Geist, der rasch wie der Blitz den Raum durchziehen wollte, schwankend gleich der Seifenblase, welche der Hauch des Windes fortträgt, und die, indem sie sich in dem Saphir, in dem Rubin und in dem Opale badet, auf ihrer schnell vergänglichen Kugel die Häuser, die Felder, den Himmel, das heißt eine ewige Welt auf einer Welt eines Augenblickes widerspiegelt.

Es ist indessen wahr; ich wollte mit einem einzigen Kapitel Frankreich verlassen, durch Belgien gehen, die Scheide hinabfahren, Amsterdam erreichen, mich nach Monikendamm einschiffen, wo wir den Vater Olifus finden sollten. Aber da begegne ich auf dem Wege Biard, dem König der Belgier, dem Manne mit der Baßgeige, den Mühlen von Dortrecht, den Gebäuden von Asselmonde, dem Briefe von Jacobson, Jacquand, der Kirchweih im Haag, den Verkäufern von Essiggurken, den Waffelbäckern und den Friesinnen mit goldenen Hauben; da verweile ich bei jeder und bei jedem, bei den Menschen und bei den Dingen; da habe ich die Hand ausgestreckt, den Kopf umgewandt, bin langsamer gegangen, und bin daher beim Anfange meines dritten Kapitels noch wo? im Haag, am Vorabende der Krönung; da hätte ich an diesem Kapitel noch nicht genug, um von dem Könige, von der Königin, von Amsterdam mit seinen drei Hundert Kanälen, seinen dreißig Tausend Fahnen, seinen zwei Mal Hundert Tausend Einwohnern zu sprechen. Mögen meine Leser mir verzeihen; Gott hat mich so geschaffen; mögen sie mich daher nehmen, wie mich Gott geschaffen hat, oder das Buch zuschlagen.

Ich verliere indessen nicht die Hoffnung, an dem Ende des Kapitels nach Monikendamm zu kommen. – Aber der Mensch denkt und Gott lenkt.

Wie die Schiffe von Papier, welche die Kinder auf einen kleinen Wasserlauf setzen, der für sie ein Strom ist, will ich mich daher dem Laufe meiner Erzählung auf die Gefahr hin überlassen, heute zu scheitern und erst morgen anzukommen.

Ich hatte von dem Könige Hieronymus Napoleon, einen Brief für seine Nichte, die Königin von Holland. Gleich nach meiner Ankunft hatte ich diesen Brief an seine Adresse übergeben lassen, so daß ich durch einen Boten des Palastes geweckt wurde.

Ich streckte meinen Kopf aus dem Federbette, in das ich begraben war, und erkundigte mich nach der Ursache meines Erwachens.

Der Adjutant des Königs ließ mir im Auftrage Seiner Majestät eine Bevollmächtigung zukommen, mit meinen Reisegefährten den Extrazug zu nehmen, und sandte mir Karten, um auf der diplomatischen Tribüne der Krönung beizuwohnen.

Der Extrazug fuhr um eilf Uhr ab, es war neun Uhr, ich dankte dem Boten und versuchte aus meinem Bette aufzustehen.

Ich sage, daß ich versuchte aus meinem Bette aufzustehen, und das ist der richtige Ausdruck; es ist nichts leichtes aus einem holländischen Bette aufzustehen, das in Form eines Kastens gemacht und mit zwei mit Federn ausgestopften Matratzen versehen ist, in die man seinen Körper eindrückt und die sich über uns zusammenziehen.

Es gibt etwas Unglaubliches, nämlich die Mannigfaltigkeit, welche man den Zubehörden und der Gestalt eines Möbels gegeben hat, das in allen Ländern der Welt denselben Zweck hat, das heißt den, den menschlichen Körper zu respectiren. Diejenigen welche stets an einem Orte weilen, glauben, daß man sich überall so ziemlich auf dieselbe Weise zu Bette legt; sie irren sich gewaltig.

Man stelle ein Englisches, ein Italienisches, ein Spanisches, ein Deutsches und ein holländisches Bett neben einander, lasse sie von einem gelehrten Pariser untersuchen, der niemals ein anderes, als ein französisches Bett gesehen hat, und man wird einen Band von Vermuthungen, von denen die einen merkwürdiger als die andern sind, über die verschiedene Anwendung erhalten, zu welcher diese verschiedenen Möbel angewandt werden können.

Er wird Ihnen Hundert verschiedene Bestimmungen anweisen, bevor er erräth, daß es Schlafmaschinen sind.

Glücklicher Weise bin ich seit langer Zeit mit den seltsamsten Betten vertraut, und ich hatte vollkommen gut in meinem holländischen Bette geschlafen.

Dem war nicht so mit meinem Sohne Alexander und mit Biard, welche seit sieben Uhr Morgens ein Badehaus aufsuchten. Sie hofften, daß das Wasser sie wieder von den Federn reinigen, und die Badewanne von dem Lager herstellen würde.

Sie kehrten um halb zehn Uhr zurück, indem sie drei Male die Runde von dem Haag gemacht, alle Museen und alle Trödelbuden besucht, aber nicht ein einziges Badehaus hatte entdecken können.

Freilich befindet sich das Meer nur eine Stunde weit von dem Haag.

Es blieb mir gerade noch die Zeit, selbst nach dem Museum zu gehen.

Es gab darin Etwas, das ich, abgesehen von den Rembrandts, den Van Dyks, den Hobbemas, den Paul Potters und allen den Meisterwerken der niederländischen Schule sehen wollte, das war in den unteren Sälen in Mitte des pittoresken Museums ein Glaskasten, in welchem man mehrere Proben von Meerweibchen aufbewahrt.

Das Meerweibchen ist ein Holland und seinen Kolonien eigenthümliches Erzeugniß.

Wie man weiß, oder wie man nicht weiß, theilt sich das Meerweibchen in zwei Klassen:

Die Sirene und die Nereide.

Die Sirene ist das Ungeheuer des Alterthumes mit dem Kopfe einer Frau und einem Fischschwanze.

Es sind die Töchter der Parthenope, der Ligea und der Leucosia. Wenn man den Schriftstellern des XVI., des XVII. selbst des XVIII. Jahrhunderts glauben soll, so sind die Sirenen nicht selten. Der englische Kapitän John Smith sah im Jahre 1614 in Neuengland in Ostindien eine Sirene, welche den oberen Theil des Körpers vollkommen gleich dem einer Frau hatte. Sie schwamm mit aller möglichen Anmuth, als er sie an dem Ufer des Meeres erblickte. Ihre großen, obgleich ein wenig runden Augen, ihre wohlgestaltete, obgleich ein wenig stumpfe Nase, ihre Ohren von einer hübschen, obgleich ein wenig langen Form, machten aus ihr eine sehr angenehme Person, welcher lange grüne Haare einen Charakter von Seltsamkeit verliehen, der nicht ohne Reiz war. Unglücklicher Weise machte die schöne Badende einen Burzelbaum, und der Kapitän John Smith, der anfing, in sie verliebt zu werden, bemerkte, daß die Frau von dem Nabel an nur noch ein Fisch war.

Dieser Fisch hatte freilich einen doppelten Schwanz, aber ein doppelter Schwanz ersetzt nicht zwei Beine.

Der Doctor Kircher bestätigt in einem wissenschaftlichen Berichte, daß eine Sirene in dem Zuydersee gefangen und in Leyden von dem Professor Peter Paw zergliedert worden sei, und in demselben Berichte spricht er von einer Sirene, die in Dänemark gefunden wurde, und welche spinnen und die Zukunft vorhersagen lernte.

Diese Sirene hatte langes Kopfhaar, das nicht aus Haaren, sondern aus Fleischfäden gebildet war. Sie hatte ein angenehmes Gesicht, feurige und anmuthige Augen, wenig Nase, weit längere Arme, als die der Menschen, die Finger ihrer Hände waren durch Knorpel, ähnlich der an den Gänsepfoten, mit einander verbunden, sie hatte runde und feste Brüste, ihre Haut war mit so weißen und so feinen Schuppen bedeckt, daß man sie von Weitem für eine weiße und fette Haut halten konnte. Sie erzählte, daß Tritonen und Sirenen eine unterseeische Bevölkerung bilden, welche in der Geschicklichkeit dem Affen und dem Biber gleich, sich an für die Taucher unzugänglichen Orten Grotten von Felsen bauen, in welchen sie sich Betten von Sand ausbreiten, aus denen sie ausruhen, schlafen und lieben.

Johann Philipp Abelinus berichtet in dem ersten Bande seines Europäischen Theaters, daß im Jahre 1619 Räthe des Königs von Dänemark, die zur See von Norwegen nach Kopenhagen fuhren, einen Meermann auf dem Meere herumwandern sahen, der ein Bund Gras auf seinem Kopfe davon trug. Man warf ihm eine Lockspeise zu, welche einen Angelhaken verbarg. Wie es scheint, war der Meermann gefräßig wie ein Erdmensch. Er ließ sich mit einem Stück Speck fangen, biß hinein und wurde am Bord des Schiffes gezogen. Kaum war er aber auf dem Verdecke, als er das reinste Dänisch zu sprechen und das Schiff mit seinem Untergange zu bedrohen begann. Bei den ersten Worten waren die Matrosen, wie man sich wohl denken wird, sehr erstaunt. Als er aber von einfachen Worten zu Drohungen überging, so verwandelte sich ihr Erstaunen in Entsetzen. Sie beeilten sich, den Meermann wieder in das Meer zu werfen, indem sie sich auf alle mögliche Weise entschuldigten.

Da dieses das einzige Beispiel eines Meermannes ist, der gesprochen hat, so behaupten Abelinus Ausleger freilich, daß es kein Triton, sondern ein Gespenst war.

Johnston erzählt, daß man im Jahre 1403 in einem See in Holland ein Meerweibchen fing, welches von dem Meere in denselben geworfen worden war. Sie ließ sich kleiden, gewöhnte sich daran, Brod und Milch zu essen, lernte spinnen, blieb aber stumm.

Endlich, um wie bei einem Feuerwerke mit dem schönsten Stücke zu endigen, erzählt Dimas Bosque, der Arzt des Vicekönigs der Insel Mannar, in einem in Bartholes Geschichte von Asien aufgenommenen Briefe, daß, als er mit einem Jesuiten an dem Ufer des Meeres spazieren ging, ein Haufen Fischer im vollen Laufe den Vater aufzufordern kam, in ihre Barke zu kommen, um ein Wunder zu sehen. Der Vater folgte ihrer Einladung, und Dimas Bosque begleitete ihn.

In dieser Barke befanden sich sechszehn Fische mit menschlichen Gesichtern, neun Weibchen und sieben Männchen, welche die Fischer mit einem einzigen Wurfe des Netzes gefangen hatten. Man zog sie auf das Ufer und untersuchte sie genau. Ihre Ohren waren hervorstehend, wie die unsrigen, knorpelich und mit einer dünnen Haut überzogen, Ihre Augen waren in Farbe, Gestalt und Lage gleich den unsrigen, sie waren in unter der Stirn verborgenen Höhlen eingeschlossen, waren mit Augenlidern versehen, und hatten nicht, wie die der Fische, verschiedene Achsen der Seekraft. Die Nase wich von der menschlichen Nase nur dadurch ab, daß sie ein wenig platt, wie die der Neger, und leicht gespalten, wie die der Bullenbeißer war. Der Mund und die Lippen waren vollkommen den unsrigen gleich. Die Zähne waren breit und dicht an einander gewachsen. Sie hatten eine breite und mit einer außerordentlich weißen Haut bedeckte Brust, welche die Blutgefäße sehen ließ.

Die Weibchen hatten runde und feste Brüste, und ohne Zweifel säugten einige von ihnen, denn, indem man die Brüste drückte, spritzte eine weiße und sehr reine Milch heraus. Ihre zwei Spannen lange und weit volleren Arme, als die unsrigen, waren ohne Gelenke, die Hände waren an den Ellbogenknochen gewachsen. Endlich theilte sich der Unterleib von den Hüften an in einen doppelten Schwanz, gleich dem der Fische.

Man wird begreifen, daß ein solcher Fang großes Aufsehen machte. – Der Vicekönig kaufte diesen Fang den Fischern ab, und machte mit dieser ganzen Gesellschaft von Tritonen und von Sirenen seinen Freunden und Bekannten ein Geschenk, indem er sie vereinzelte.

Der holländische Resident empfing für seinen Theil eine Sirene, die er an seine Regierung sandte, welche sie in das Museum nach dem Haag schickte.

Man wird begreifen, daß eine wahre Sirene, eine authentische Sirene, eine in einem Museum befindliche und überschriebene Sirene, von der die Wissenschaft erklärt hat, daß sie nicht zu der Familie des Lazarille de Tormes oder des Cadet Roussel Esturgeon gehört, sondern ein authentischer Nachkomme des Flusses Achelus und der Nymphe Caliope sei, bei weitem sehenswerther war, als eine Galerie von Raben, hätte es auch zehn Tausend Raben in dieser Galerie gegeben.

Denn am Ende sieht man alle Tage Raben, und die Sirenen werden dagegen immer seltener.

So daß, da ich nicht wußte, ob ich jemals nach dem Haag zurückkommen würde, ich diese Gelegenheit, eine Sirene zu sehen, nicht verfehlen wollte.

Aber so große Eile ich auch hatte, mir dieses Vergnügen zu gewähren, so wurde ich doch sogleich bei meinem Eintritte zurückgehalten.

Ich wußte, daß sich in demselben Museum das vollständige Kostüm ausgestellt befände, welches Wilhelm von Nassau, Prinz von Oranien, dem die Geschichte den Beinamen des Schweigsamen gegeben hat, trug, als er am 10. Juli 1584 in Delft von Balthasar Gerard ermordet wurde.

Diese historische Erinnerung hatte für mich einen bestimmten Reiz, der wohl den der Sirenen und der Meerweibchen aller Länder aufwog.

Ich bat daher den Cicerone, mir zuvor das Gefach anzudeuten, in welchem die Kleider Wilhelms enthalten waren, nachher den Schrank, in welchem die Leiche des Meerweibchens ausgestellt wäre.

Die Kleider des Gründers der holländischen Republik, des Urhebers der Utrechter Union, des Gatten der Wittwe Telignys, befinden sich zur Linken beim Eintritte in den ersten Saal; seit zwei Hundert vier und sechszig Jahren sind sie der Verehrung des Volkes ausgestellt, dem Wilhelms letzter Seufzer galt.

– Herr, habe Erbarmen mit meiner Seele und mit diesem armen Volke! sagte der Schweigsame, als er fiel.

Das Wamms, die Weste und das mit Blut befleckte Hemd befinden sich da mit der Kugel, welche ihm die Brust durchbohrte, mit der Pistole, aus welcher sie kam.

Es ist ein lebendiger und ewiger Fluch gegen den Mörder.

Ich kenne Nichts, das mehr zur Betrachtung, zu dem Träumen, zu der Poesie antreibt, als der Anblick materieller Gegenstände.

Wie vieles liegt in dem Messer Ravaillacs! wie vieles in der Kugel Balthasar Gerards!

Wer vermag zu sagen, wie viel drei Zoll Stahl oder zwei Loth Blei in dem Schicksale der Völker wiegen!

Zufall, Vorsehung oder Verhängniß, die Welt wird über diese drei Worte ergrauen.

Der Sphinx, der über sie wacht, ist der Zweifel.

Ich würde allein darum nach dem Haag zurückkehren, um dieses mit Blut befleckte Hemd, diese Pistole und diese Kugel wieder zu sehen.

Aber es war drei Viertel auf eilf Uhr, ich hatte nur noch einige Minuten für mich. Ich verlangte meine Sirene zu sehen; man führte mich nach einem Kasten, welcher drei Ungeheuer enthielt; einen Faun, einen Vampyr und eine Sirene.

Die Sirene war es, welche ich sehen wollte. Ich ließ den Vampyr und den Faun bei Seite.

Sie war ausgetrocknet und ohngefähr von der Farbe eines Karaiben-Kopfes. Ihre Augen waren geschlossen; die Nase war eingefallen; die Lippen hatten sich an die selten gewordenen Zähne geklebt; der Busen war augenscheinlich, obgleich eingefallen; einige seltene und kurze Haare sträubten sich auf ihrem Kopfe; endlich endigte sich der untere Theil des Körpers in einem Fischschwanze.

Es gab nichts dagegen zu sagen; es war wirklich eine Sirene.

Von mir befragt, erzählte mir nun mein Cicerone die Geschichte des Arztes Dimas Bosque, des Jesuiten, des Vicekönigs von Monora und des holländischen Residenten, so wie ich sie erzählt habe.

Als er hierauf sah, daß ich darauf bestand, andere Umstände zu erhalten, sagte er zu mir:

– Es scheint, daß Sie begierig auf Auskünfte über diese Arten von Thieren sind.

Ich fand meinen Cicerone ziemlich unverschämt, ein Geschöpf unter die Zahl der Thiere zu stellen, das den Kopf einer Frau, die Hände einer Frau und den Busen einer Frau hatte; da ich aber keine Zeit hatte mit ihm zu streiten, so antwortete ich ihm:

– Sehr begierig, und wenn Sie mir deren geben können. . .

– Ah! nicht gerade ich; aber ich kann Ihnen angeben, wo Sie deren finden werden.

– Wo das? sagen Sie geschwind.

– In Monikendamm.

– Was ist das, Monikendamm?

– Es ist ein Flecken zwei Stunden weit von Amsterdam, in dem Hintergrunde eines kleinen Meerbusens von dem Zuydersee.

– Und dort werde ich Auskünfte über die Sirenen erhalten?

– O! ganz gewiß, über die Sirenen, über die Meerweibchen, was noch bei weitem merkwürdiger ist.

– Es befindet sich also deren eine in dem Museum von Monikendamm?

– Nein, aber es befindet sich deren eine auf dem Friedhofe; sie werden ihren Gatten und ihre Kinder sehen, was wohl auch merkwürdig sein wird.

– Sie hat sich also verheirathet? sie hat also Kinder gehabt?

– Sie hat sich verheirathet und sie hat Kinder gehabt. Freilich verleugnen ihre Kinder sie, aber ihr Gatte wird Ihnen Alles erzählen.

– Spricht er Französisch?

– O! er spricht alle Sprachen. Er ist ein alter Seewolf.

– Und Sie nennen ihn?

– Den Vater Olifus.

– Wo werde ich ihn finden?

– Vielleicht in Amsterdam selbst; er hat ein Schiff, mit welchem er Reisende von Amsterdam nach Monikendamm überfährt; wenn Sie ihn nicht in Amsterdam finden, so werden Sie ihn in Monikendamm finden, wo seine älteste Tochter ein Wirthshaus Zum alten Ostindienfahrer hält.

– Sie sagen: der Vater Olifus?

– Der Vater Olifus.

– Gut.

Ich warf einen letzten Blick auf die Sirene, von der Biard eine Zeichnung entwarf, und wir sprangen mit dem Ausrufe in unsere Lohnkutsche:

– Nach der Eisenbahn.

XIII.
Das Wirthshaus Zum Alten Ostindienfahrer

Holland ist das Vaterland der Eisenbahnen; von dem Haag nach Amsterdam haben die holländischen Ingenieure nicht einen Graben auszufüllen, nicht einen Maulwurfshügel zu durchstechen gehabt.

Uebrigens ist die Gegend immer dieselbe; eine unermeßliche, ganz mit Wasserstreifen, kleinen Gehölzen von dem frischesten Grün durchschnittene Wiese voll von in ihre Wolle gehüllter Schaafe und bunter Kühe.

Nichts ist der Wahrheit getreuer, als die Landschaften der holländischen Meister. Wenn man Hobbema und Paul Potter gesehen hat, so hat man Holland gesehen.

Wenn man Teniers und Terburg gesehen hat, so hat man die Holländer gesehen.

Und dennoch mögen die, welche Holland nicht gesehen haben, dorthin gehen; selbst nach Hobbema und Paul Potter ist Holland schön zu sehen, selbst nach Teniers und Terburg ist es gut die Holländer kennen zu lernen.

In zwei Stunden waren wir in Amsterdam.

Eine Viertelstunde nachher gingen wir die Freitreppe eines allerliebsten, auf der Kaisers Gracht gelegenen Hauses hinauf, und durch Bedienten angekündigt, welche uns erwarteten, sahen wir Madame Wittering, die Herren Jacobson und Gudin uns entgegen eilen.

Madame Wittering war immer noch die liebenswürdige Frau, welche ich bereits drei Male die Ehre gehabt hatte, schön, bescheiden, wie ein Kind erröthend, eine anmuthige Mischung der Pariserin und der Engländerin zu sehen.

Ihre Schwester, Madame Jacobson, war in London.

Während fünf Minuten fand ein Wetteifer von Umarmungen und Händedrücken statt.

Wie ich gesagt, war Gudin da, der von Schottland kam.

Der Tisch war gedeckt.

Ich habe nach meinen französischen Gewohnheiten gesprochen, indem ich sagte: der Tisch war gedeckt.

In Holland ist der Tisch immer gedeckt, dort ist das Haus in der ganzen Annahme des Wortes gastfreundschaftlich.

Jeder von uns hatte sein Zimmer in diesem reizenden Hause eingerichtet, das zu gleicher Zeit Ähnlichkeit mit einem Schlosse und einer Sennerhütte halte.

Es war ein Vergnügen, diese durchsichtigen Fensterscheiben, diese glänzenden Thürklinken, diese Teppiche in den Zimmern, auf den Gängen, auf den Treppen zu sehen; diese Bedienten, die man niemals sieht, und die man immer mit der Sauberkeit, der Eleganz und dem Wohlsein beschäftigt erräth.

Indem sie uns an den Tisch führte, erinnerte uns Madame Wittering daran, daß der König um drei Uhr seinen Einzug hielte, und daß wir bei einer ihrer Freundinnen ein Fenster hätten, um diesem Einzuge beizuwohnen.

Wir nahmen doppelte Bissen, und um drei Viertel auf drei Uhr gingen wir nach dem Hause, wo wir erwartet wurden.

Der 11. Mai war herbeigekommen. Vor sieben Tagen hatte ich in Paris das Fest des 4. Mai gesehen. Nach sieben Tagen und einer Entfernung von Hundert und fünfzig Meilen sah ich ein zweites Fest, das auf den ersten Blick eine Fortsetzung des ersten zu sein schien. In Amsterdam, wie in Paris, in Parts, wie in Amsterdam, gingen wir unter dem Geschrei des Volkes unter einem Gewölbe von dreifarbigen Fahnen durch. Nur tragen die französischen Fahnen die drei Farben senkrecht, und die holländischen Fahnen die drei Farben wagerecht; nur rief man in Paris: Nieder mit dem Königthume! und in Amsterdam: Es lebe der König!

Wir wurden unseren augenblicklichen Wirthen vorgestellt. Ihre Wohnung war eine neue Probe eines holländischen Hauses; es war ein wenig großer, als das Witterings und lag wie das seinige zwischen einem Kanale und einem Garten, die vordere Seite auf den Kanal, die Hintere auf den Garten.

Die Decke der Zimmer war mit schönen Malereien verziert.

Ich erwartete in Holland auf jedem Schritte Möbeln von Lack, Vasen von Porzellan, China und Japan, in den Speisesälen und in den Salons anzutreffen; aber die Holländer sind wie jene geringschätzenden Eigenthümer, welche das nicht schätzen, was sie haben. Ich sah viele französische Etagèren, einige kleine Figuren von sächsischem Porzellan, aber wenig Kaminschirme, wenig Nachgeahmtes, wenig chinesische Spielereien.

Um ein Viertel auf vier Uhr hörten wir einen großen Lärm, der uns an die Fenster eilen ließ. Das war der Anfang des Zuges. Wir sahen zuerst die Musik kommen, dann die Cavalerie, dann Volk und Wägen untereinander gemischt, dann endlich eine Nationalgarde zu Pferde, in bürgerlichen Kleidern und ohne eine andere Waffe, als eine Reitpeitsche, ohne andere Auszeichnung, als ein großes Band von carmoisinrothem Sammet.

Dem Ganzen zogen zwei bis drei Hundert Handwerksburschen und Gassenbuben voraus, welche ihre Mützen in die Luft warfen, und die holländische Nationalhymne sangen.

Nur ist es das Merkwürdige dabei, daß die Nationalhymne der Holländer, das heißt des am meisten republikanischen Volkes der Erde, eine monarchische Hymne ist.

Wahrend ich über alle die königlichen Einzüge nachdachte, welche ich bereits in meinem Leben gesehen hatte, kam der Zug vorüber und der König kam in Ritte von ein Dutzend Generälen oder hohen Beamten seines Palastes uns näher.

Er war ein Mann von dreißig bis zwei und dreißig Jahren, blond, mit blauen Augen, denen er wechselsweise einen erhabenen Ausdruck von Sanftmuth und von Festigkeit zu geben weiß, und einem Barte, der den untern Theil seines Gesichtes bedeckt.

Das Ganze des Gesichts war theilnehmend, die Grüße waren herablassend und dankbar.

Als er vorüber kam verneigte ich mich, und er grüßte mich, indem er sich umwandte persönlich mit dem Auge und mit der Hand.

Ich vermogte nicht zu glauben, daß dieser doppelte Gruß sich an mich richtete; ich wandte mich daher auch um, um zu wissen, wer diese königlichen Ehrenbezeugungen erhalten hätte.

Jacobson verstand meine Bewegung.

– Nein, nein, sagte er zu mir, Sie sind es wirklich, den der König gegrüßt hat.

– Ich, den der König gegrüßt hat? Unmöglich, er kennt mich nicht.

– Deshalb hat er sie gerade erkannt. Er kennt alle unsere Gesichter auswendig. Er hat ein fremdes Gesicht gesehen, und er hat sich gesagt: – Das ist mein Dichter.

Das Merkwürdige dabei ist, daß es die Wahrheit war, und daß der König es mir am folgenden Tage selbst sagte.

Der König war zu Pferde und trug die Admiralsuniform.

Ein großer vergoldeter Wagen kam hinterher; er war mit acht weißen Pferden bespannt, jedes von einem Livreebedlenten am Zügel geführt. An den beiden Seiten des Wagens, im Gleichgewichte auf Kutschentritten, erkannte man die Pagen an ihrer rothen Uniform mit Gold.

Eine Frau von fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahren, zwei Kinder von sechs bis acht Jahren saßen in dem Wagen und grüßten.

Die Kinder, ohne an Etwas zu denken, die Frau, indem sie vielleicht zu viel dachte.

Diese Frau und diese beiden Kinder waren die Königin, der Prinz von Oranien und der Prinz Moritz.

Es ist unmöglich, ein anmuthigeres und zugleich schwermüthigeres Gesicht, als das der Königin zu sehen; sie ist eine Frau in ihrer vollen Anmuth, eine Fürstin in ihrer ganzen Majestät.

Ich habe die Ehre gehabt, drei Male von ihr während der beiden Tage empfangen zu werden, die ich in Amsterdam geblieben bin; ich habe nicht ein Wort von dem vergessen, was sie mir gesagt hat.

Möge ihr Volk ihr gut und treu bleiben, und Gott ihre Schwermuth niemals in Leiden verwandeln!

Der Zug kam vorüber, entfernte sich und verschwand. Seltsame Erscheinung in dieser Zeit, in welcher die Könige mit einem verhängnißvollen Stempel bezeichnet zu sein scheinen.

Ach! wer hat von ihnen Recht, sie oder die Völker?

Das ist das große Räthsel, dem Karl l. und Ludwig XVl. geopfert worden sind.

Die Restauration von 1660 hat dem Volke Unrecht gegeben.

Die Revolution von 1848 hat den Königen Unrecht gegeben

Die Zukunft wird entscheiden. Nur mögte ich für die Völker wetten.

Sobald der Zug vorüber gekommen und verschwunden war, halte ich in Amsterdam Nichts mehr zu thun, bis am folgenden Tage um eilf Uhr. Ich beurlaubte mich daher bei meinen Wirthen, indem ich sie bat, mir Auskünfte zu ertheilen, auf welche Weise ich mich nach Monikendamm begeben könnte.

Dieser Einfall schien ihnen sonderbar. Was konnte ich in Monikendamm zu thun haben?

Ich hütete mich wohl, ihnen zu sagen, daß ich ein Meerweibchen aufsuchen wollte.

Ich beharrte nur darauf, nach Monikendamm zu gehen.

Man gab mir zu meiner Begleitung den Bruder Witterings mit.

Alexander trennte sich von mir, er wollte nach Broek gehen.

Biard blieb an mein Schicksal gefesselt, und erklärte, daß er mich nach Monikendamm begleiten würde.

Wie ich glaube, schämte sich Biard ein wenig, an dem Nordkap gewesen zu sein, von dem äußersten Ende von Europa aus zwei Meere gesehen, und in diesen beiden Meeren kein einziges Meerweibchen angetroffen zu haben.

Er rechnete auf meinen Stern in Ermangelung des seinigen.

In dem Hafen angelangt, suchte ich oder bat vielmehr meinen Führer, den Vater Olifus aufzusuchen.

Die Aufsuchung war lange vergebens; die Barke war wohl da, aber der Führer befand sich nicht darin.

Endlich entdeckte man ihn in einer Art von abscheulicher Kneipe, in welcher er gewohnt war, sich aufzuhalten. Man benachrichtigte ihn, daß ein Reisender, der nach Monikendamm ginge, nur mit ihm fahren wollte.

Dieser Vorzug schmeichelte ihm; er willigte ein, seinen Grog zu verlassen, und schritt ganz lächelnd auf mich zu.

– Da ist der Vater Olifus, sagte der Mann zu mir, der auf die Bitte Witterings so gefällig gewesen war, diesen aufzusuchen.

Ich gab meinem Menschenaufsucher einen Gulden.

Der Vater Olifus bemerkte den Gulden, und als er sah, wie gering ich den Preis desselben schätzte, wurde er liebenswürdiger als jemals.

Während dieser Zeit musterte ich ihn mit einer Neugierde, die mit seiner Wichtigkeit im Verhältnisse stand.

Biard entwarf sein Porträt.

Wie man mir gesagt hatte, war er ein alter Seewolf von sechszig bis vier und sechszig Jahren, der mehr einem Seekalbe, als einem Menschen glich. Weiße Haare und weißer Bart, beide einen Zoll lang; Haare und Bart steif wie die Borsten eines Kanonenwischers; Fayence-blaue runde Augen mit feuchten Augensternen; ein bis an die Ohren gespaltener Mund, der zwei gelbe Zähne von oben nach unten, wie die Zähne eines Seehundes, blicken ließ, feine Gesichtsfarbe war wie Mahagoniholz.

Er war in weite Hosen gekleidet, die ehemals blau gewesen waren, und in eine Art von Paletot mit Kapuze, auf dessen Nähten man noch einige Verzierungen unterscheiden konnte, welche diesem Paletot einen spanischen oder neapolitanischen Ursprung anwiesen.

Die eine seiner Wangen war durch eine ungeheure Masse Kautabak wie durch einen Rothlauf aufgeschwellt.

Von Zeit zu Zeit spie er einen Strom schwarzen Speichels mit jenem, den Tabakskauern ganz eigenthümlichen Pfeifen aus seinem Munde.

– Ah! Sie sind Franzose, sagte er zu mir.

– Woher wissen Sie das?

– Gut! es verlohnte sich der Mühe die vier Welttheile, Asien, Afrika und Amerika gesehen zu haben, wenn man nicht auf den ersten Blick einen Mann erkennte. Franzose, Franzose, Franzose!

Und er begann zu singen:

Für das Vaterland zu sterben. . .

Ich unterbrach ihn kurz.

– Ah! nicht das, Vater Olifus, he! etwas Anderes.

– Warum das nicht?

– Weil ich diesen Refrain kenne.

– Gut, wie Sie wollen. – Sie wünschen also nach Monikendamm zu gehen?

– Ja.

– Und Sie halten darauf, daß es der Vater Olifus ist, der Sie dorthin fährt, nicht übel?

– Ja.

– Wohlan! man wird Sie dorthin fahren, und das noch ohne den Preis zu bestimmen. . .

– Und warum ohne den Preis zu bestimmen?

– Weil man Augen hat und man gesehen hat, das ist genug; werden Sie in Monikendamm übernachten?

– Ja.

– Nun denn! ich empfehle Ihnen das Wirthshaus Zum Alten Ostindienfahrer.

– Das ist es gerade, wohin ich gehe.

– Meine Tochter Margaretha ist die Wirthin davon.

– Ich weiß das.

– Ah! äußerte der Vater Olifus, ah! Sie wissen das. Gut!

Und er schien zu überlegen.

– Nun denn! wenn wir aufbrächen, Vater Olifus?

– Ja, ja, brechen wir auf. Indem er sich hierauf nach meiner Seite umwandte, sagte er: ich weiß, warum Sie kommen.

– Sie wissen es?

– Ich weiß es; Sie sind ein Gelehrter, und Sie wollen mich plaudern lassen.

– Macht es Ihnen etwa Mühe zu sprechen, Vater Olifus, wenn man den Anfang des Gespräches mit Ratafia, die Mitte mit Rum und das Ende mit Arak begießt?

– Ei! Sie kennen die Steigerung.

– O! meiner Treue, nein, es ist zufällig.

– Wohlan! man wird sprechen, aber nicht in Gegenwart der Kinder, verstehen Sie?

– Und wo sind die Kinder?

– Sie werden sie sogleich sehen.

Und er wandte sich nach drei verschiedenen Richtungen und pfiff.

Das Pfeifen des Vater Olifus glich sehr dem Schreie einer Locomotive.

Bei diesem Pfeifen sah ich aus den verschiedenen Richtungen fünf große junge Burschen herbeikommen, welche auf einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt zuschritten.

Dieser gemeinschaftliche Mittelpunkt war Biard, der Vater Olifus und ich.

– Hierher, Joachim! hierher, Thomas! hierher, Johann! hierher, Simon und Judas! rief er in holländischer Sprache aus, eilen wir uns ein wenig. Da ist Kundschaft für uns und für Eure Schwester Margaretha.

Bei dem Namen Margaretha und aus der Art und Weise, mit welcher der Vater Olifus die fünf großen Burschen anredete, die auf uns zu kamen, verstand ich so ziemlich, was er gesagt hatte.