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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 19

Czcionka:

Kaum waren wir daher angekommen, als ich zu Biard sagte:

– Gehen wir, das zu sehen, was ich noch nicht gesehen habe.

– Kommen Sie, antwortete er mir lakonischer Weise. Und Biard, Alexander und ich brachen auf.

Unser Führer führte uns geraden Weges nach einem ziemlich schönen, in der Umgegend der Kathedrale gelegenem Hause, blieb vor einem Thorwege stehen, und schellte ohne Zögern.

Ein Bedienter kam herbei und öffnete.

Sein Anblick überraschte mich gleich anfangs. Seine Fingerspitzen waren voll Blut, seine Weste und sein Beinkleid waren buchstäblich mit Federn oder vielmehr mit Flaum bedeckt, welche dem Balge von allen Arten von Vögeln angehörten.

Außerdem hatte er eine sonderbare Bewegung des Kopfes, eine halbkreisförmige Bewegung, gleich der des Wendehalses.

– Mein Freund, sagte Biard, wollen Sie die Güte haben, Ihrem Herrn zu melden, daß Fremde, welche durch Brüssel kommen, seine Sammlung zu besuchen wünschen?

– Mein Herr, antwortete der Bediente, mein Herr ist abwesend, aber ich bin in seiner Abwesenheit beauftragt, die Ehren seines Kabinettes zu machen.

– Ah! den Teufel, äußerte Biard.

Indem er sich hierauf nach mir umwandte, sagte er:

– Das wird weniger sehenswerth sein, aber gleichviel, gehen wir immerhin.

Der Bediente wartete, wir machten ihm ein Zeichen mit dem Kopfe und er ging uns voraus.

– Sehen Sie ihn geben, sagte Biard zu mir, das ist schon eine Merkwürdigkeit.

In der That, der wackere Mann, welcher uns führte, hatte nicht den Gang eines Menschen, sondern den eines Vogels, und der Vogel, welchem er am meisten seinen Gang entliehen zu haben schien, war die Elster.

Wir gingen zuerst über einen viereckigen, mit einer Katze und zwei oder drei Störchen bevölkerten Hof. Die Katze schien mißtrauisch; die Störche schienen im Gegenteile, regungslos auf ihren langen rothen Beinen, voll Vertrauen.

Während der ganzen Zeit, das er über den Hof ging, bemerkte ich nichts Außergewöhnliches an dem Gange unseres Führers, als etwa dieses Drehen des Kopfes, das ich angedeutet habt, und eine ernste Haltung, welche seine Art und Weise, ein Bein vor das andere zu stellen, ihm verlieh.

In der That, er ging, wie ich gesagt habe, nach der Weise der Elstern, wenn die Elstern ernst gehen.

Wir kamen in den Garten.

Der Garten war eine Art botanischer Garten, viereckig wie der Hof, aber weit größer, mit einer Menge von mit Zetteln versehener Blumen und in eine Menge von durch Gänge von einander getrennter Rabatten eingetheilt, so daß man die Rabatten leicht säubern konnte.

Kaum in dem Garten angelangt, änderte sich der Gang unseres Führers.

Von dem ernsten Gange ging er zu dem Hüpfen über.

Auf drei bis vier Schritte Entfernung erblickte er ein Insect, eine Raupe, einen Käfer; sogleich machte er mit einer Bewegung der Hüften, die Nichts zu schildern vermag, mit gleichen Füßen zwei bis drei kleine Sprünge voran, dann einen Sprung zur Seite, fiel auf einen Fuß zurück, bückte sich zu gleicher Zeit, faßte das Thier. ohne es jemals zu fehlen, zwischen dem Daumen und den Zeigefinger, warf es in den Gang, und fiel mit der ganzen., Lost seines Körpers mit dem Fuße darauf, den er in der Luft hielt.

Auf diese Weise war keine Sekunde zwischen der Entdeckung, der Verhaftung und der Hinrichtung des Thieres verloren.

Sobald die Hinrichtung beendigt, befand er sich wieder durch einen kleinen Seitensprung in derselben Allee, als wir.

Dann, bei dem ersten Erblicken eines Thieres begann er von Neuem dieselbe Verrichtung, aber das, ich wiederhole es, so rasch, daß wir ohne uns aufzuhalten, unseren Weg nach einem Pavillon fortsetzen konnten, welcher die erste Nummer der Ausstellung schien.

Die Thür stand weit offen.

Der viereckig gebaute Pavillon war voller Gefächer.

Auf den ersten Blick schien es mir, als ob diese Gefächer voll Sämereien wären; ich glaubte bei irgend einem gelehrten Gärtner zu sein, und ich erwartete interessante Spielarten von Erbsen, Bohnen, Linsen und Wicken zu sehen; aber indem ich mich näherte und aufmerksam hinblickte, bemerkte ich, daß das, was ich für dürre Gemüse hielt, ganz einfach Augen von Vögeln waren: Augen von Adlern, von Geiern, von Papageien, von Falken, von Raben, von Elstern, von Staaren, von Drosseln, von Finken, von Sperlingen, von Meisen, kurz, Augen von allen Arten.

Man hätte es für Schrot von allen Nummern, von der größten bis zum feinsten Vogeldunste halten können.

Nur halten alle diese Augen, Dank einer ohne Zweifel von dem Eigenthümer der Anstalt erfundenen chemischen Zubereitung ihre Farbe, ihre Festigkeit, und ich mögte fast sagen ihren Ausdruck behalten.

Nur hatten diese Augen, aus ihren Höhlen gerissen und ihrer Augenlider beraubt, einen grimmigen und drohenden Ausdruck angenommen.

Ueber jedem Gefache deutete ein Zettel an, welchem Vogel diese Augen angehörten.

– O! Coppelius, Doctor Coppelius! phantastisches Kind Hoffmans, wenn Du, der Du immer Augen, schöne Augen verlangtest, wenn Du nach Brüssel gekommen wärest, wie Du dort das gefunden hättest, was Du mit so vieler Beharrlichkeit für Deine Tochter Olympia suchtest!

– Meine Herren, sagte unser Führer zu uns, als er glaubte, daß wir diese erste Sammlung hinlänglich betrachtet hätten, wollen Sie in die Galerie der Raben gehen?

Wir verneigten uns zum Zeichen der Zustimmung, und folgten unserem Führer, der uns in die Galerie der Raben führte.

Niemals hat eine Galerie ihre Benennung mehr gerechtfertigt. Denke man sich einen langen, zehn Fuß breiten und zwölf Fuß hoben Gang, der durch auf einen Garten gehende Fenster erleuchtet und ganz mit auf den Rücken genagelten Raben mit ausgebreiteten Flügeln, gestreckten Pfoten und Halse bedeckt war.

Diese Raben bildeten längs der Wand die phantastischsten Rosetten, die seltsamsten Zeichnungen.

Die einen, indem sie in Staub zerfielen, die andern in allen Graden der Verwesung; die einen frisch, die andern endlich zappelnd und schreiend.

Es konnten acht bis zehn Tausend dort sein.

Ich wandte mich voller Dankbarkeit nach Biard um;, ich hatte in der Thal niemals etwas Ähnliches gesehen.

– Und, fragte ich den Bedienten, Ihr Herr ist es, der sich die Mühe gibt, alle diese kabalistischen Figuren an die Wand zu zeichnen?

– O! ja, mein Herr, Niemand als er legt die Hand an seine Raben. Ah! er würde schön zufrieden sein, wenn man sie anrührte.

– Aber er hat also durch ganz Belgien Rabenlieferanten?

– Nein, mein Herr, er fängt sie selbst.

– Wie! er fängt sie selbst! und wo das?

– Dort, auf dem Dache.

Und er zeigte mir ein Dach, auf welchem ich wirklich eine Art von Vorrichtung sah, deren sinnreichen Mechanismus ich nicht unterscheiden konnte.

Ich bin ein großer Vogeljäger, obgleich ich die Liebe zur Ornithologie nicht bis zur Sucht treibe, wie es unser würdiger Brüsseler that. Ich hatte in meiner Jugend die Vogelpfeife und den Meisenkasten viel angewandt; diese Vorrichtung begann daher mich zu interessieren.

– Aber, sagte ich zu dem Bedienten, lassen Sie hören, sagen Sie mir ein wenig, wie Ihr Herr es anfängt. Der Rabe ist einer der schlauesten, der listigsten, der mißtrauischsten Vögel, welche es auf der Welt gibt.

– Ja, mein Herr, gegen die alten Mittel, gegen das Gewehr, Hegen die Krähenaugen, gegen die Vogelleimtrichter, aber nicht gegen die Baßgeige.

– Wie! nicht gegen die Baßgeige?

– Ohne Zweifel, mein Herr, der Rabe kann gegen einen Menschen mißtrauisch sein, der ein Gewehr hält, und selbst gegen einen Menschen, der Nichts hält; wie soll er aber gegen einen Menschen mißtrauisch sein, der die Baßgeige spielt?

– Ihr Herr lockt also wie Orpheus die Raben herbei, indem er die Baßgeige spielt?

– Das sage ich gerade nicht.

– Was sagen Sie denn?

– Sehen Sie, ich will Ihnen die Sache erklären; mein Herr hat einen Verräther.

– Einen Verräther!

– Ja, einen gezähmten Raben. Sehen Sie, diesen alten Spitzbuben, der dort in dem Garten spazieren gebt. Und er zeigte uns einen Raben, der in den Gängen herumhüpfte. Es war ein vor Alter fast weißer Rabe.

– Er steht um vier Uhr Morgens auf.

– Der Rabe?

– Nein, mein Herr. – Ah! ja doch, der Rabe; schläft er etwa, am Tage wie bei Nacht hat er die Augen immer offen. – Er brütet über das Böse. – Ich glaube, daß es kein wahrer Rabe ist, – sondern ein Teufel. – Mein Herr steht also um vier Uhr Morgens, vor Tagesanbruche auf; – er geht im Schlafrocke hinunter; – er setzt seinen alten Spitzbuben von Raben mitten in das Netz, das Sie dort oben auf dem Dache an dem andern Ende des Gartens sehen; er bindet die Schnur, welche mit dem Netze in Verbindung steht, an seinen Fuß, nimmt seine Baßgeige und beginnt zu spielen: Ein glühendes Fieber. – Sein Rabe schreit; die Raben von der Kirche der heiligen Gudula hören das, sie kommen hinab, sie sehen einen Kameraden, der weißen Käse verspeist, einen Herrn, der die Baßgeige spielt. – Diese Thiere denken sich Nichts, wie Sie wohl begreifen werden. Sie stiegen zu dem Verräther hinab, je mehr hinab fliegen, desto mehr macht mein Herr mit seinem Bogen Ron Ron Ron. – Dann plötzlich, pauf! zieht er den Fuß, krak! das Netz schließt sich und die Einfältigen sind gefangen. – So ist es.

– Und Ihr Herr nagelt sie dann an?

– O! sehen Sie, dann ist mein Herr kein Mensch mehr, er ist ein Tiger, er läßt seine Baßgeige los, bindet seine Schnur ab, eilt nach der Mauer, klettert die Leiter hinauf, nimmt die Raben, springt ans den Boden, stopft seinen Mund voller Nägel, packt einen Hammer, und paff! paff! paff! da ist ein Rabe gekreuzigt; vergebens schreit er qua! qua! Ah! ja doch, das reizt meinen Herrn noch mehr. Außerdem sehen Sie wohl.

– Ist es lange her, daß Ihr Herr von dieser Krankheit befallen ist?

– O! mein Herr, seit jetzt zehn Jahren! es ist sein Leben; wenn dieser Mann drei Tage zubrächte, ohne Raben zu fangen, so würde er davon krank werden; wenn er acht Tage zubrächte, so würde er daran sterben. Wollen Sie jetzt die Galerie der Meisen sehen?

– Mit Vergnügen.

Diese Tapete von gefiederten Leichen, diese mit stinkenden Ausdünstungen erfüllte Luft, diese krampfhaften Bewegungen und das Geschrei der sterbenden Raben, alles das erregte nur Ekel. Wir gingen von Neuem durch den Garten, und jetzt bemerkte ich, indem ich den alten Raben mit einem Auge, und den Bedienten mit dem andern anblickte, die Aehnlichkeit ihrer Bewegungen in der Aufsuchung und in der Bestrafung der Insecten. Es war am augenscheinlich, daß der Rabe den Bedienten oder der Bediente den Raben nachgeahmt hatte.

Was mich anbetrifft, so hatte ich, da es allgemein bekannt war, daß der Rabe Hundert und zwanzig Jahre alt wäre, und der Bediente nur vierzig alt war, den Bedienten in Verdacht, der Nachahmer zu sein.

Wir kamen in die Galerie der Meisen; es war ein kleiner, an der andern Ecke des Gartens befindlicher Pavillon, der ganz mit Flügeln und Köpfen von Sperlingen bedeckt war, die mit Flügeln, Köpfen und Schwänzen von Meisen ausgeschmückt waren.

Man stelle sich eine große graue Tapete mit gelben und blauen Zeichnungen vor.

Diese Zeichnungen stellten Räder, Rosetten, Sterne, Arabesken, kurz alle die Phantasien vor, welche eine kranke Einbildungskraft mit Körpern, Pfoten und Schnäbeln von Vögeln zeichnen kann.

In den Zwischenräumen der Zeichnungen befanden sich an die Wand genagelte Katzenköpfe mit offenem Rachen, gerunzeltem Gesicht, funkelnden Augen; über diesen Katzenköpfen befanden sich Katzenpfoten, welche wie die Knochen gekreuzt waren, deren traurige Verzierung gewöhnlich die Todtenköpfe begleitet.

Ueber diesen Köpfen selbst befanden sich in folgenden Ausdrücken abgefaßte Inschriften:

Misouf, am 10. Januar 1846 zur Todesstrafe verurtheilt, weil er zwei Distelfinken und eine Meise beschädigt hatte.

Der Doctor, am 7. Juli 1847 zur Todesstrafe verurtheilt, weil er eine Bratwurst von dem Rost gestohlen hat.

Blücher, am 10. Juni 1848 zur Todesstrafe verurtheilt, weil er aus einem Napfe Milch getrunken hat, die für mein Frühstück bestimmt war.

– Ah! ah! äußerte ich, es scheint, daß Ihr Herr sich wie unsere Ritter des Mittelalters das Recht der hohen und niederen Gerichtsbarkeit anmaßt.

– Ja, mein Herr, wie Sie sehen, und er wendet es ohne. Appellation an; er sagt, daß wenn es jeder, wie er machte, und die Plünderer, die Räuber und die Mörder vernichtete, bald nur noch sanfte und gutthätige Thiere auf Erden bleiben würden, und daß dann die Menschen, indem sie nur gute Beispiele hätten, dadurch besser werden würden.

Ich verneigte mich vor diesem Grundsatze; ich achte die Sammler, ohne sie zu begreifen; ich habe in Gent einen Liebhaber besucht, welcher Knöpfe sammelte; nun denn, die Sache schien auf den ersten Blick lächerlich und wurde am Ende interessant; er hatte seine Knöpfe in Klassen seit dem IX, Jahrhunderte bis auf unsere Zeit eingetheilt. Die Sammlung begann mit einem Knopfe von dem Rocke Karls des Großen und endigte mit einem Knopfe von der Uniform Napoleons; es befanden sich darin Knöpfe von allen Regimentern, welche es in Frankreich gegeben hatte, von den Freischützen Karls VII. bis zu den Scharfschützen von Vincennes; es gab darunter welche von Holz, von Blei, von Kupfer, von Zinn, von Silber, von Gold, von Rubinen, von Smaragden und von Diamanten; seine Sammlung ward dem materiellen Werthe nach auf Hundert Tausend Franken geschätzt, sie hatte ihm vielleicht drei Mal Hundert Tausend Franken gekostet.

Ich habe in London einen Engländer gekannt, welcher Stricke von Gefangenen sammelte; er hatte einen Theil des Erdballes bereist, und hatte in dem andern Correspondenten; durch sich und durch seine Correspondenten hatte er sich mit den Scharfrichtern der vier Welttheile in Verbindung gesetzt. Sobald ein Mensch in Europa, in Asien, in Afrika und in Amerika gehängt wurde, so schnitt der Scharfrichter ein Stück von dem Stricke ab, und sandte es mit einer Beglaubigungsurkunde unserem Sammler, welcher dagegen den Preis seiner Sendung zurücksandte; es befand sich unter diesen Stricken einer, welcher ihm Hundert Pfund Sterling gekostet hatte; freilich hatte er die Ehre gehabt Selim III. zu erdrosseln, eine Erdrosselung, an welcher, wie Jedermann weiß, die Englische Politik nicht gänzlich fremd gewesen war.

Ich haue so eben die Grabschrift Meister Blüchers, des Milchtrinkers. abgeschrieben, als es halb zehn Uhr auf der Kirche der heiligen Gudula schlug; wir hatten nur noch eine halbe Stunde, um die Antwerpener Eisenbahn zu erreichen, ich fügte meine Gabe der hinzu, welche Biard bereits beim Eintritte gegeben hatte, und wir verließen eiligst diese Todtenstadt.

Unser Führer begleitete uns voll Dankbarkeit hüpfend bis an die Thür und folgte uns mit den Augen bis an die Ecke der Straße, indem er dabei immer dm Hals drehte.

Wir gelangten in den Bahnhof, als die Dampfmaschine ihren Schrei zum Aufbruche ausstieß.

XI.
Waffeln und Essiggurken

Wir kamen um eilf Uhr nach Antwerpen. Um das Schiff nicht zu verfehlen, das um zwölf Uhr abfuhr, gingen wir auf den Kai. dem Schiffe selbst gegenüber zu frühstücken. Um Mittag befanden wir uns am Bord. Um zwölf Uhr fünf Minuten fuhren wir, begleitet von einem hübschen kleinen feinen Regen ab, welcher, wie ich glaube, Antwerpen eigenthümlich ist, weil ich ihn bei jeder der Reisen, welche ich nach dieser Stadt gemacht, beständig wieder gefunden habe.

Biard war nicht ohne Besorgniß über die Art und Weise, wie wir in Rotterdam, im Haag und in Amsterdam logiren würden, da eine Feierlichkeit, wie die, welcher wir beizuwohnen im Begriffe standen, einen großen Zusammenfluß von Reisenden herbeiführen mußte.

Aber ich bin ein Mann der Vorsichtsmaßregeln. Welches ist außerdem die Stadt, in der ich nicht irgend Jemand kenne?

Im Jahre 1840 fuhr ich die Rhone hinab. Um vier Uhr Morgens in Lyon eingeschifft, war ich gegen eilf bis zwölf Uhr aus dem Verdecke im Schatten des Zeltes eine geschlafen, indem mich die frische Luft liebkosete, welche über die Oberfläche der Flüsse streift.

Dieser Schlummer war etwas so angenehmes, daß ich, zwei oder drei Male durch irgend einen Zufall halb geweckt, die Augen nicht hatte ausschlagen wollen, aus Furcht, gänzlich zu erwachen. Ich war also regungslos geblieben, indem die Erkenntniß des Aeußeren über diesem Unbestimmten schwebte, das die Dämmerung des Schlafes begleitet, als ich, aus meiner seligen Träumerei durch einen dritten oder vierten Stoß erweckt, so zu sagen in das Halbdunkel meines Verstandes einige in französischer Sprache, von Frauenstimmen mit einem leichten englischen Accente ausgesprochene Worte dringen fühlte.

Ich schlug ganz langsam die Augen wieder auf, und indem ich vorsichtig um mich blickte, erkannte ich zwischen meinen drei Viertel geschlossenen Augenlidern eine Gruppe, welche aus zwei jungen Frauen von achtzehn bis zwanzig Jahren, einem jungen Manne von sechs und zwanzig bis acht und zwanzig Jahren und einem Manne von vier und dreißig bis sechs und dreißig bestand.

Die beiden Frauen waren liebenswürdig, nicht allein durch ihre eigene Schönheit, sondern auch noch durch diese ungekünstelte und fast nachlässige, den Engländerinnen ganz eigenthümliche Anmuth.

Die beiden Männer waren von ausgezeichnetem Anstande.

Es fand ein Wortwechsel in der Gruppe statt.

Der Wortwechsel drehte sich um die einzuschlagende Reiseroute; sollte man in Avignon einkehren, sollte man bis nach Arles fahren?

Das war sehr wichtig und besonders sehr in Verlegenheit setzend für Fremde, welche keinen andern Führer, als Reichard hatten.

– Jemand, warf eine der beiden Frauen hin, der die Reise über Arles und über Avignon gemacht hat, müßte so gefällig sein uns Auskunft zu geben.

Dieser Wunsch schien an mich gerichtet zu sein, ich hatte die Reise von Lyon nach Marseille auf der Rhone und durch jede dieser beiden Städte drei bis vier Male gemacht. Ich glaubte, daß der Moment gekommen wäre, mich vorzustellen, und daß der Dienst, den ich der reisenden Gesellschaft zu erzeigen im Begriffe stand, mir meine Kühnheit verzeihen lassen würde.

Ich schlug die Augen gänzlich auf, und indem ich mich halb verneigte, sagte ich:

– Wenn diese Herren dem Verfasser der Reiseeindrücke erlauben wollen, Sie über diese wichtige Frage aufzuklären, so würde ich den Damen sagen, daß es besser ist über Arles, als über Avignon zu gehen.

Die beiden jungen Frauen errötheten; die beiden Männer wandten sich mit dem Lächeln der Höflichkeit nach mir um. Es war augenscheinlich, daß sie mich kannten, bevor ich sie anredete, und daß man ihnen während meines Schlummers gesagt hatte, wer ich wäre,

– Und warum das, wenn es Ihnen gefällig ist? fragte mich der ältere der beiden Reisenden.

– Zuvörderst, weil Sie, wenn Sie über Arles gehen, Arles sehen werden, was wohl der Mühe werth ist, gesehen zu werden. Dann werden sie von Arles nach Marseille einen Weg ohne Staub und außerordentlich merkwürdig dadurch haben, daß er auf der einen Seite an der Camargue hinführt, das heißt, das ehemalige Lager des Marius, und auf der andern an der Crau.

– Ader wir müssen übermorgen in Marseille sein.

– Wir werden dort sein.

– Wir fahren mit dem Schiffe von Livorno.

– Ich fahre mit demselben Schiffe.

– Wir wollen für den Johannistag in Florenz sein.

– Ich werde dort um diese Zeit erwartet.

– Wie werden wir von Arles nach Marseille gehen?

– Ich habe meinen Reisewagen auf dem Schiffe. Wir sind zu fünf es haben sechs darin Platz; wir werden Postpferde nehmen. Wir werden jeder zu den Reisekosten beitragen, und auf der ganzen Reise werde ich Ihr Cicerone sein.

Unsere beiden Reisenden wandten sich nach den beiden jungen Frauen um, welche mit dem Kopfe ein fast unmerkliches Zeichen gaben; die Sache war beschlossen.

Man war in der doppelten Ehe noch in den Flitterwochen, und, wie man weiß, hat die Frau während der Flitterwochen das Recht der Entscheidung.

Wir machten eine herrliche Reise. In Arles besuchten wir die Ruinen des Amphitheaters und kauften Würste. In Marseille wurden wir von Mery empfangen und aßen bei Courty. Endlich sahen wir in Florenz die Wettrennen zu Wagen bei Herrn Finzi und die Illuminationen des Arno bei dem Fürsten Corsini.

Endlich mußten wir uns trennen. Ich blieb in Florenz, und meine Reisegefährten wollten ganz Italien durchwandern. Wir machten uns viele Versprechungen, uns wiederzusehen. Wir wechselten unsere Adressen für den Fall aus, wo diese Herren nach Paris kommen, oder ich nach Holland gehen würde.

Von Seite der Reisenden waren die Karten: die eine die des Herrn Jacobson in Rotterdam, die andere die des Herrn Wittering in Amsterdam.

Gegen die Gewohnheiten dieser Arten von Versprechungen wurden sie gehalten, selbst mehr als gehalten, denn Herr Jacobson ist aus einem Reisegefährten mein Freund geworden, und hat mir bei einem Umstande einen Dienst erwiesen, den gar viele Freunde nicht erweisen würden.

In dem Augenblicke, wo ich nach Holland abreiste, hatte ich daher an Herrn Jacobson in Rotterdam geschrieben, indem ich ihm meine Ankunft meldete.

Das versicherte mir zuvörderst bei ihm, und nachher bei Herrn Wittering eine königliche Gastfreundschaft.

In der That, Herr Jacobson ist nicht allein ein Reisender voll Verstand, ein Banquier voll Ehre, sondern auch noch ein ganz künstlerisches Herz.

Er ist es, der uns unsere schönsten Gemälde von Decamps, von Duprè, von Rousseau, von Scheffer, von Diaz entführt, welche wir nach Holland abgehen sehen; kaum hatte ich daher auch seinen Namen ausgesprochen, als Biard beruhigt war.

Was den Haag anbetrifft, so mußte Jacquand mit seinem Gemälde Wilhelms des Schweigsamen, wie er sein Silbergeschirr an Juden verkauft, um den Unabhängigkeitskrieg fortzusetzen, acht Tage vorher dort angekommen sein.

Er hatte mir ein Zimmer in dem Wirthshause zum Kaiserlichen Hofe bestellen müssen.

Wir konnten uns daher unbesorgt dem Laufe der Schelte überlassen, und während der seltenen Augenblicke, in denen der Wind und der Regen uns erlaubten, auf das Verdeck zu gehen, einen Blick auf die Paul Potters, die Hobbemas und die Van de Veldes werfen, an denen wir vorüberfuhren.

Wir fuhren durch Dortrecht durch einen Wald von Mühlen, neben denen die Mühlen von Puerto-Lapice nur Pygmäen sind. In Dortrecht hat Jedermann seine Mühle; es gibt deren an dem Ufer des Wassers, es gibt deren in den Gärten, es gibt deren auf den Häusern, es gibt deren kleine, es gibt deren große, es gibt deren riesenhafte, es gibt deren für Kinder, für Männer und für Greise; alle haben dieselbe Gestalt, aber jeder streicht seine Mühle nach seiner Laune an; es gibt graue mit weißen Streifen, welche das Ansehen von Wittwen in Halbtrauer haben, es gibt braune mit schwarzen Streifen, welche wie verzweifelte Kapuziner aussehen, es gibt weiße mit blauen Streifen, welche das Ansehen von lustigen Pierrots haben. Es gibt nichts Orginelleres, als diese großen, regungslosen Körper, nichts Phantastischeres, als alle diese großen Flügel, welche sich drehen; zur Seite dieser Mühlen erscheinen so zu sagen in ihrem Schatten kleine, saubere, abgestäubte, reizende rothe Häuser mit grünen Läden hinter Alleen von Bäumen mit dichtem Laube, deren Stämme mit Kalk angestrichen sind, und alles das geht mit der Schnelligkeit von zwei Hundert und.zwanzig Pferden an uns vorüber; es ist ein reizendes Panorama.

Indem man sich Rotterdam nähert, vermehren sich die Gebäude, die über das Wasser gleitenden Schiffe wetteifern mit den regungslosen Mühlen auf dem Lande. Es gibt deren gleichfalls von jeder Größe, Dreimaster, Bricks. Schoopf, Fischerbarken; es gibt deren besonders, welche einen ganz eigenthümlichen Anblick mit ihrem großen ungebleichten Segel und ihrem kleinen blauen Segel auf der Höhe des Mastes haben; man könnte glauben, daß es ungeheure, noch in ihr graues und blaues Papier eingewickelte Zuckerhüte wären, die man auf den Fluß gestellt hat, um zu schmelzen, und ich sage schmelzen, weil sie in dem Maße, als sie sich entfernen, das Ansehen haben, in dem Wasser unterzugehen. Alles das ist lebendig, thätig, handelnd, man fühlt, daß man sich diesem alten Holland nähert, das nur ein unermeßlicher Hafen ist, und das jedes Jahr zehn Tausend Schiffe aussandte.

Um acht Uhr Abends hielt das Dampfschiff vor dem Kai von Rotterdam. Kaum war eine Verbindung zwischen dem Schiffe und dem Lande hergestellt, als ich meinen Namen aussprechen hörte; es war ein Commis Jacobsons, der mir meldete, daß sein Prinzipal nach Amsterdam abgereist sei, wo ich voll Ungeduld von seinem Schwager Wittering erwartet würde, bei welchem sich bereits seit dem Tage zuvor Gudin befände.

Noch eine angenehme Nachricht! Gudin kam, wie ich und Biard, um der Krönung beizuwohnen; er war nicht allein ein Freund, sondern auch noch ein College. Gudin ist zum Mindesten eben so sehr Dichter, als Maler; man erinnere sich des Schiffbrüchigen, der nur noch einen Mast hat, um sich daran zu halten, und nur einen Stern, um sich zu leiten.

Wir sprangen auf das Land; es war keine Zeit zu verlieren, die Eisenbahn ging um neun Uhr nach dem Haag ab, es war halb neun Uhr; wir gingen durch die ganze Stadt mit jener geschäftigen Miene, die nur Leuten eigenthümlich ist, welche den Dampfmaschinen nacheilen.

Wie in Brüssel, kamen wir zu rechter Zeit an.

Drei Viertelstunden nachher gingen wir durch eine fröhliche Kirchweih voll Lärm, Tänze, Geschrei, Klänge von Instrumenten, Jahrmarkthütten, Buden von Schmalzkuchenverkäufern und Hütten von Essiggurkenhändlern.

Die Essiggurkenhändler und die Schmalzkuchenverkäufer sind zwei gewerbliche Eigenthümlichkeiten, welche wohl verdienen hier angeführt zu werden, weil etwas, was diesen beiden Spekulationen gleich ist, uns in Frankreich, wie anderswo, gänzlich fehlt.

In Holland berauscht man sich mit Essiggurken und mit harten Eiern, und man vertreibt sich den Rausch mit Schmalzkuchen und mit Punsch. Der, welcher sich lustig machen will, bleibt ganz einfach vor der Hütte eines Essiggurkenverkäufers stehen, er legt fünf Stüber auf eines der Gestelle, nimmt eine Gabel mit der rechten und ein hartes Ei mit der linken Hand.

Dann sticht er mit der Gabel in einen großen Kübel, in welchem. wie rothe Fische, Stücke von Gurken von der Größe einer gewöhnlichen Essiggurke schwimmen.

Er nimmt eines dieser Stücke heraus, das er verzehrt, und auf das er unmittelbar ein hartes Ei setzt.

Und so wechselt er so lange ab, bis sein Magen ruft: genug; um so besser für die, deren Magen doppelt, dreifach, vierfach zu sich nehmen kann; es kostet ihnen nicht mehr, als den andern.

Es kostet fünf Stüber für Jedermann. .

Die Aerzte aller Länder haben wissenschaftliche und moralische Bemerkungen über die verschiedenen Trunkenheiten angestellt: Trunkenheit von Branntwein, Trunkenheit von Wein, Trunkenheit von Bier, Trunkenheit von Wachholder, Alles ist untersucht worden.

Es gibt nur noch die Trunkenheit von Essiggurken, über welche, wie ich glaube, noch kein Bericht abgestattet worden ist.

Ich will diese Lücke auszufüllen versuchen.

Kaum ist der Holländer von Essiggurken berauscht, als er das Bedürfniß empfindet, Thorheiten zu begehen.

Er nähert sich dem zu Folge den Läden der Waffelbäcker.

Diese Läden verdienen eine ganz besondere Beschreibung.

Es ist ein längliches Viereck, von dem hier der Plan ist.


Vier Frauen halten gewöhnlich diese Läden, zwei von einem ungewissen Alter, zwei junge und hübsche. Alle vier tragen das friesische Kostüm.

Das friesische Kostüm besteht aus einer mehr oder minder eleganten Jacke, aus einem mehr oder minder eleganten Kleide. Darin besteht indessen seine Originalität nicht.

Seine Originalität besteht in einer doppelten Calotte von vergoldetem Kupfer, welche die Schläfe von jeder Seite einschließt. Zwei kleine goldene Verzierungen erheben sich auf dem äußeren Ende der Augenbrauen, man könnte sie für zwei kleine Feuerblöcke halten.

In diese zwei Bleche von Kupfer sind gewöhnlich zwei bis drei Locken falscher Haare eingelegt.

Auf das Ganze setzt man eine Haube mit Spitzen.

Nun denn! im Allgemeinen macht diese seltsame Zusammensetzung von Kupfer, welches dem Kopfe das Ansehen eines vergoldeten Schädels verleihet, von Haaren, welche auf dem Kupfer wachsen, und von Spitzen, welche das zu helle Licht auf den Theilen erlöschen, ein für das Auge sehr angenehmes Ganze.

Diese Damen treiben das Gewerbe, welches die Almeen in Eghpten, und die Bayaderen in Indien treiben, ausgenommen, daß sie weder tanzen noch singen.

Die beiden Frauen von reifem Alter sitzen, die eine auf dem Sessel, der an der Thür steht, die andere auf dem Sessel, der sich hinter dem Schenktische befindet.

Sie sind dann fest gewachsen.

Die, welche sich an der Thür befindet, macht die Waffeln.

Die, welche an dem Schenktische sitzt, bedient mit Punsch.

Die beiden jungen Mädchen machen. . . . . . es ist ziemlich schwierig zu sagen, was sie machen, besonders nachdem wir gesagt haben, was sie nicht thun.

Sie erkennen auf den ersten Blick die von Essiggurken berauschten Leute und winken ihnen.

Wenn die Winke nicht genügen, so verlassen sie den Laden, und gehen, sie zu holen.

Sobald er einmal in den Laden eingetreten ist, verschwindet der Gast in einem der Privatkabinette.

Eine Friesländerin folgt ihm.

Dann wird eine Schüssel Waffeln und eine halbe Bote Punsch hineingebracht.

Dann fallen die Vorhänge, welche den Vorüber kommenden und den Bewohnern des Ladens das Innere der Kabinette verbergen, mit echt holländischer Ungezwungenheit herab.

Eine Viertelstunde nachher kömmt der Mann vollkommen von seinem Rausche befreit wieder heraus.

Das ist es, was wir am 10. Mai Abends sahen, gerade vier und zwanzig Stunden, nachdem wir Paris verlassen hatten.

Dank allen den Krümmungen und Umwegen der Scheide hatten wir während dieser vier und zwanzig Stunden Hundert und sechszig französische Meilen zurückgelegt.

Da wir unsere Betten durch die Aufmerksamkeit unseres Freundes Jacquand zubereitet fanden, so legten wir uns hierauf bei dem Klange der gräßlichsten Musik, die ich jemals gehört habe, zu Bett.