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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 18

Czcionka:

– Auf Wiedersehen, theure Anna. Auf morgen!

– Auf morgen!

Die Nonne machte sich aus den Armen ihres Geliebten los, entfernte sich langsam von ihm, indem sie dabei den Kopf umwandte, und kehrte in das Chor zurück, das sich hinter ihr wieder verschloß.

Die Arme nach ihr ausgestreckt, aber regungslos auf seinem Platze, ließ sie Bernardo von Zuniga zurückkehren, und erst als er sie hatte verschwinden sehen, dachte er daran, sich zurückzuziehen.

Er stellte vier Bänke neben einander, stellte vier andere Bänke darüber, stellte einen Stuhl auf diese Bänke, und verließ, wie er es im Voraus beschlossen hatte, die Kirche durch das Fenster. Das Gras war hoch und dicht, wie man es gewöhnlich auf den Kirchhöfen findet; er konnte daher, ohne sich irgend ein Leid zuzufügen, von der Höhe von zwölf Fuß hinabspringen.

Er hatte nicht nöthig. das Porträt Annas von Niebla mitzunehmen, da am folgenden Tage Anna von Niebla selbst ihm angehören würde.

IX.
Der lebendige Todte

Der Tag begann am Horizonte aufzugehen, als Don Bernardo von Zuniga sein Pferd in dem Wirthshause, wo er es gelassen hatte, wieder abholte.

Eine unbegreifliche Unbehaglichkeit hatte sich seiner bemächtigt, und obgleich in seinen weiten Mantel gehüllt, fühlte er, wie der Frost ihn allmählig überfiel.

Er fragte den Stallknecht, wer der Schlosser des Klosters wäre; man deutete ihm denselben an.

Er wohnte an dem äußersten Ende des Dorfes.

Um sich wieder zu erwärmen, setzte Don Bernardo sein Pferd in scharfen Trab, und nach Verlauf eines Augenblickes hörte er die Hammerschläge auf dem Ambosse erschallen, und sah durch die Fenster und durch die offene Thüre die glühenden Funken bis in die Mitte der Straße sprühen.

An der Thür des Schlossers angelangt, stieg er vom Pferde; aber immer mehr von dem Froste überfallen, verwunderte er sich über die automatische Steife seiner Bewegungen.

Der Schlosser war gleichfalls mit aufgehobenem Hammer stehen geblieben, indem er diesen edeln, in seinen Rittermantel des Ordens von Alcantara gehüllten Herrn anblickte, der vor seiner Thüre abstieg, und wie ein gewöhnlicher Kunde zu ihm eintrat.

Als er sah, daß er wirklich mit ihm zu thun hätte, legte der Schlosser seinen Hammer auf den Amboß, nahm seine Mütze ab, und fragte höflich:

– Was steht zu Euren Diensten, gnädiger Herr?

– Du bist der Schlosser des Klosters zur Unbefleckten Empfängniß, erkundigte sich der Ritter.

– Ich bin es, ja, gnädiger Herr, antwortete der Schlosser.

– Du hast die Schlüssel des Klosters?

– Nein, gnädiger Herr, sondern nur die Zeichnungen, damit, wenn einer dieser Schlüssel verloren gehen sollte, ich ihn ersetzen kann.

– Wohlan! ich will den Schlüssel zur Kirche.

– Den Kirchenschlüssel?

– Ja.

– Entschuldigt mich, gnädiger Herr, aber es ist meine Pflicht, Euch zu fragen, was Ihr damit zu thun gedenkt.

– Ich will meine Hunde damit brennen, um sie vor der Wasserscheu zu bewahren.

– Das ist ein Recht des Grundherrn. Seid Ihr der Grundherr des Bodens, auf welchem die Kirche gebaut ist?

– Ich bin Don Bernardo von Zuniga, Sohn Peters von Zuniga, Grafen von Bagnarès, Marquis von Ayamonte. Ich habe den Befehl über Hundert Krieger und bin Ritter von Alcantara, wie Du es an meinem Mantel sehen kannst.

– Das ist nicht möglich, sagte der Schlosser mit einem sichtlichen Ausdrucke des Entsetzens.

– Und warum ist das nicht möglich?

– Weil Ihr lebendig und wirklich lebendig seid, obgleich Ihr Frost zu haben scheint, und Don Bernardo von Zuniga heute Nacht gegen ein Uhr Morgens gestorben ist.

– Und wer hat Dir diese schöne Neuigkeit gesagt? fragte der Ritter.

– Ein Knappe in einem Wammse mit dem Wappen von Bejar, der vor einer Stunde vorüberkam, um in dem Kloster zur Unbefleckten Empfängniß eine Todtenmesse zu bestellen.

Don Bernardo brach in Gelächter aus.

– Nimm, sagte er, hier sind einstweilen zehn Goldstücke für Deinen Schlüssel. Ich werde ihn heute Nachmittag abholen, und Dir noch eben so viel dafür bringen.

Der Schlosser verneigte sich zum Zeichen der Einwilligung; zwanzig Goldstücke, das war mehr, als er in einem Jahre verdiente, und das war wohl der Mühe werth, sich einem Verweise auszusetzen.

Warum sollte er außerdem einen Verweis erhalten? Es war der Gebrauch, die Jagdhunde mit den Kirchenschlüsseln zu brennen, um sie vor der Hundswuth zu bewahren. Ein Ritter, der ihn so freigebiger Weise bezahlte, konnte, wer er auch sein mogte, kein Dieb sein.

Don Bernardo stieg wieder zu Pferde. Er hatte versucht sich in der Schmiede zu erwärmen, aber es hatte ihm nicht gelingen wollen; er hoffte mehr von der Sonne, welche sich hell und warm zu zeigen begann, wie sie es in Spanien bereits im Monat März ist.

Er erreichte die Felder und begann zu galoppiren, aber der Frost überfiel ihn immer mehr, und eisige Schauder überliefen seinen ganzen Körper.

Das war nicht Alles; er schien wie an das Kloster gefesselt, er beschrieb einen Kreis, dessen Mittelpunkt der Kirchthurm bildete.

Indem er gegen eilf Uhr durch einen Wald ritt, sah er einen Schreiner, der Bohlen von Eichenholz zuschnitt; das war eine Arbeit, welche er sehr oft Schreiner halte verrichten sehen, und dennoch fühlte er sich wie unwillkürlich fortgerissen, diesen Mann zu befragen.

– Was machst Du da? fragte er ihn.

– Ihr seht es wohl, gnädiger Herr, antwortete dieser.

– Nicht doch, da ich Dich frage.

– Nun denn, ich mache einen Sarg.

– Von Eichenholz? Du arbeitest also für einen vornehmen Herrn?

– Er ist für den Ritter Don Bernardo von Zuniga,

Sohn des gnädigen Herrn Peter von Zuniga, Grafen von Bagnarès, Marquis von Ayamonte.

– Der Ritter ist also gestorben?

– Heute Nacht gegen ein Uhr Morgens, antwortete der Schreiner.

– Er ist ein Narr, sagte der Ritter, indem er die Achseln zuckte, und setzte seinen Weg fort.

Als er sich dem Dorfe näherte, in welchem er den Schlüssel bestellt hatte, begegnete er gegen ein Uhr einem Mönche, der auf einem Maulthiere ritt, und dem ein Meßner folgte, welcher zu Fuß ging.

Der Meßner trug ein Krucifix und einen Weihkessel.

Don Bernardo hatte sein Pferd bereits zur Seite gezogen, um den frommen Mann vorüber zu lassen, als er plötzlich, indem er sich eines andern besann, ihm einen Wink mit der Hand gab, daß er ihn zu sprechen wünsche.

Der Mönch hielt.

– Woher kommt Ihr, mein Vater? fragte der Ritter.

– Von dem Schlosse Bejar, gnädiger Herr.

– Von dem Schlosse Bejar! wiederholte Don Bernardo erstaunt.

– Ja.

– Und was habt Ihr auf dem Schlosse Bejar gemacht?

– Ich war dort, um Don Bernardo von Zuniga, der, da er gegen Mitternacht sich dem Tode nahe fühlte, mich hatte rufen lassen, um Absolution für seine Sünden zu erhalten, Beichte zu hören und die letzte Oehlung zu geben; aber obgleich ich in aller Eile aufgebrochen war, so bin ich dennoch zu spät gekommen.

– Wie! zu spät?

– Ja, bei meiner Ankunft war Don Bernardo von Zuniga bereits gestorben.

– Bereits gestorben! wiederholte der Ritter.

– Ja, und außerdem ohne Beichte gestorben. Möge Voll Erbarmen mit seiner Seele haben!

– Um wie viel Uhr war er gestorben?

– Gegen ein Uhr Nachts, antwortete der Mönch.

– Das ist eine Wette, sagte der Ritter unwillig, diese Leute haben gewettet mich wahnsinnig zu machen.

Und er setzte sein Pferd wieder in Galopp.

Zehn Minuten nachher befand er sich vor der Thüre des Schlossers.

– O! o! sagte der Schlosser, was hat denn Eure Gnaden? Ihr seid sehr bleich.

– Mich friert, sagte Don Bernardo.

– Hier ist Euer Schlüssel.

– Hier ist Dein Gold.

Und er warf ihm die zwölf andern Goldstücke in die Hand.

– Jesus, sagte der Schlosser, wohin steckt Ihr denn Euren Geldbeutel?

– Warum das?

– Euer Gold ist kalt wie Eis. Apropos. . .

– Was gibt es?

– Vergeßt nicht. Euch drei Mal zu bekreuzigen. bevor Ihr Gebrauch von dem Schlüssel macht.

– Warum das?

– Weil, wenn man einen Kirchenschlüssel schmiedet, der Teufel niemals ermangelt, das Feuer anzublasen.

– Es ist gut. Und vergißt Du nicht für die Seele Don Bernardos von Zuniga zu beten, sagte der Ritter, indem er zu lächeln versuchte.

– Mit großem Vergnügen, sagte der Schlosser/ aber ich fürchte sehr, daß meine Gebete zu spät kommen, da er gestorben ist.

Obgleich Don Bernardo diese verschiedenen Erzählungen mit ruhiger Miene aufgenommen und diese verschiedenen Antworten mit einem Lächeln angehört hatte, so hatte dennoch das, was er seit dem Morgen gesehen und gehört, nicht unterlassen, auf ihn einen lebhaften Eindruck zu machen, so tapfer er auch sein mogte. Besonders diese Kälte, diese tödtliche Kälte, welche immer mehr zunahm, indem sie selbst das Klopfen seines Herzens, selbst das Mark seiner Knochen erstarrte, vernichtete ihn unwillkürlich. Er stützte seine Füße auf seine Steigbügel, und fühlte die Stütze nicht mehr, auf welcher er stand. Er drückte eine seiner Hände mit der andern, und fühlte den Druck seiner Hand nicht mehr.

Die Abendluft kam herbei, indem sie wie ein Nordwind an seinen Ohren pfiff und durch seinen Mantel und durch seine Kleider drang, wie als ob der eine und die andern nicht dichter gewesen wären, als ein Spinnengewebe.

Als die Nacht angebrochen, ritt er auf den Kirchhof, und band sein Pferd an den Fuß einer Platane. Er so wenig als sein Pferd halten den ganzen Tag über daran gedacht, etwas zu genießen.

Er legte sich in das hohe Gras, um so viel als möglich dem eisigen Winde zu entgehen, der ihn erstarrte. Kaum aber hatte er den Boden berührt, als es noch weit ärger war. Dieser Boden voll von Atomen des Todes schien eine Marmorplatte.

Allmählig, welche Mühe er sich auch gab, um der Kälte zu widerstehen, versank er in eine Art von Erstarrung, aus welcher er durch das Geräusch erweckt wurde, das zwei Männer machten, die ein Grab gruben.

Er nahm alle seine Kräfte zusammen, und erhob sich auf seinem Ellbogen.

Die beiden Todtengräber, welche einen Mann sahen, der aus einem Grabe hervorzukommen schien, stießen einen Schrei aus.

– O! bei Gott! sagte er zu den Todtengräber, ich danke Euch, mich geweckt zu haben. Es war Zeit.

– In der That, sagten diese Männer, dankt uns, gnädiger Herr, denn wenn man hier einschläft, so erwacht man selten.

– Und was macht Ihr zu dieser Stunde auf diesem Kirchhofe?

– Ihr seht es wohl.

– Ihr grabt ein Grab?

– Ohne Zweifel.

– Und für wen?

– Für Don Bernardo von Zuniga.

– Für Don Bernardo von Zuniga?

– Ja. Es scheint, daß der würdige Herr indem Testamente, das er vor vierzehn Tagen oder drei Wochen gemacht hat, verlangt hat, auf dem Kirchhofe des Klosters zur Unbefleckten Empfängniß begraben zu werden, so daß man uns erst heute Abend gesagt hat, uns uns Werk zu machen; jetzt handelt es sich darum, die verlorene Zeit wieder einzubringen.

– Und um wie viel Uhr ist er gestorben?

– In der vergangenen Nacht um ein Uhr Morgens. Da, jetzt wo das Grab fertig ist, mag Herr Don Bernardo kommen, wann es ihm beliebt. Gott befohlen, gnädiger Herr.

– Warte, sagte der Ritter, jede Mühe verdient ihren Lohn; nimm, das ist für Dich und Deinen Kameraden.

Und er warf sieben bis acht Goldstücke auf den Boden, welche die Todtengräber sich aufzuraffen beeilten.

– Heilige Jungfrau! sagte einer der Todtengräber, ich hoffe, daß der Wein, den wir auf Eure Gesundheit trinken werden, nicht eben so kalt sein wird, als Euer Gold, sonst müßte die Seele in dem Leibe erfrieren.

Und sie verließen den Kirchhof.

Es hatte so eben halb zwölf Uhr geschlagen; Don Bernardo ging noch eine halbe Stunde lang spazieren, indem er alle Mühe von der Welt hatte sich aufrecht zu erhalten, so sehr fühlte er sein Blut in seinen Adern gerinnen; endlich schlug es Mitternacht.

Bei dem ersten Schlage der Glocke steckte Don Bernardo den Schlüssel in das Schloß und machte dir Thüre auf.

Das Erstaunen des Ritters war groß; die Kirche war erleuchtet, das Chor stand offen, die Pfeiler und die Gewölbe waren schwarz behangen, Tausend Kerzen brannten in der Trauerkapelle.

In Mitte der Kapelle war eine Estrade errichtet, und auf der Estrade lag eine weiß gekleidete Nonne, die auf dem Kopfe einen weißen Schleier trug, der mit einem Kranze von weißen Rosen auf ihrer Stirn befestigt war.

Eine seltsame Ahnung beklomm das Herz des Ritters. Er näherte sich der Estrade, neigte sich über die Leiche, lüftete den Schleier und stieß einen Schrei aus.

Diese Leiche war die Annas von Niebla.

Er wandte sich um, blickte um sich, indem er suchte, wen er befragen könnte, und erblickte den Meßner.

– Was ist das für eine Leiche? fragte er.

– Die Annas von Niebla, antwortete der wackere Mann.

– Seit wann ist sie gestorben?

– Seit Sonntag Morgen.

Don Bernardo fühlte die Kälte noch zunehmen, welche seinen Körper erstarrte, obgleich er es für unmöglich hielt.

Er legte seine Hand auf seine Stirn.

– Gestern um Mitternacht war sie also todt? fragte er.

– Ohne Zweifel.

– Wo war sie gestern um Mitternacht?

– Wo sie heute Nacht um dieselbe Stunde ist; nur war die Kirche nicht behangen, die Kerzen des Katafalks waren allein angezündet, und das Gitter des Chores war verschlossen.:

– Jemand, fuhr der Ritter fort, der gestern um dieselbe Stunde Anna von Niebla hätte zu sich kommen sehen, hätte also einen Schatten gesehen? Jemand, der mit ihr gesprochen hätte, hätte also mit einem Gespenste gesprochen?

– Gott bewahre einen Christen vor einem solchen Unglücke! er hätte wirklich mit einem Gespenste gesprochen, er hätte einen Schatten gesehen.

Don Bernardo wankte.

Er begriff Alles; er hatte sich mit einem Schatten verlobt, er hatte den Kuß eines Gespenstes empfangen.

Deshalb war dieser Kuß so kalt, deshalb rollte ein eisiger Strom durch seinen ganzen Körper.

In diesem Augenblicke fiel ihm die Meldung seines eigenen Todes wieder ein, die ihm von dem Schlosser, von dem Schreiner, von dem Priester und von dem Todtengräber gemacht worden war.

Wie man ihm gesagt hatte, war er um ein Uhr gestorben.

Um ein Uhr hatte er den Kuß Annas von Niebla empfangen.

War er todt oder lebendig?

Fand bereits eine Trennung der Seele von dem Körper statt?

War es seine Seele, welche in der Umgegend des Klosters zur Unbefleckten Empfängnis herumirrte, während sein gestorbener Leib auf dem Schlosse Bejar lag?

Er ließ den Schleier wieder fallen, den er von dem Gesichte der Tobten zurückgeschlagen hatte, und stürzte aus der Kirche; der Schwindel hatte ihn ergriffen. Es schlug ein Uhr.

Mit gesenktem Kopfe, mit beklommenem Herzen, stürzte Don Bernardo auf den Kirchhof, strauchelte an dem offenen Grabe, stand wieder auf, band sein Pferd los, schwang sich auf den Sattel, und sprengte in der Richtung des Schlosses Bejar davon.

Dort allein würde sich für ihn das schreckliche Räthsel lösen, zu wissen, ob er todt sei oder lebendig.

Aber, wie sonderbar! seine Empfindungen waren fast erstorben. Das Pferd, das ihn forttrug, fühlte er kaum zwischen seinen Beinen; der einzige Eindruck, für den er empfänglich war, war die zunehmende Kälte, die ihn wie ein Hauch des Todes überfiel.

Er spornte sein Pferd, das selbst ein gespenstiges Pferd schien. Es schien ihm, als ob seine Mähne sich verlängerte, als ob seine Hufe die Erde nicht mehr berührten, als ob sein Galopp aufgehört hätte, auf dem Boden zu erschallen.

Plötzlich tauchten zu seiner Rechten und zu seiner Linken zwei schwarze Hunde ohne Geräusch, ohne Bellen auf; ihr Augen waren Flammen, ihr Rachen blutroth.

Sie sprengten an der Seite des Pferdes mit stammenden Augen, mit offenen Rachen; sie berührten die Erde nicht mehr als das Pferd; Pferd und Hunde glitten über die Oberfläche des Bodens dahin; sie liefen nicht, sie flogen.

Alle Gegenstände, welche sich zur Seite des Weges befanden, verschwanden vor den Augen des Ritters, wie von einem Orkane davongetragen; endlich erblickte er in der Ferne die Thürme, die Mauern und die Thore des Schlosses Bejar.

Dort mußten alle seine Zweifel gelöst werden; er spornte daher auch sein Pferd an, das die Hunde begleiteten, das die Glocke verfolgte.

Das Schloß seiner Seits schien ihm entgegen zu kommen. Das Thor stand offen, der Ritter sprengte hinein, er überschritt die Schwelle, er befand sich in dem Hofe.

Niemand hatte auf ihn geachtet, und dennoch war der Hof voll von Menschen.

Er sprach, man antwortete ihm nicht; er frug, man sah ihn nicht; er berührte, man fühlte ihn nicht.

In diesem Augenblicke erschien ein Herold auf der Freitreppe.

– Hört, hört, hört, sagte er, die Leiche Don Bernardos von Zuniga wird den durch sein Testament ausgedrückten Wünschen zu Folge auf den Kirchhof des Klosters zur Unbefleckten Empfängniß gebracht werden; mögen die, welche das Recht haben, ihn mit Weihwasser zu besprengen, mir folgen.

Und er trat in das Schloß.

Der Ritter wollte seinen Weg bis ans Ende fortsetzen; er ließ sich von seinem Pferde gleiten, aber er fühlte den Boden nicht mehr unter seinen Füßen, und er sank auf die Knie, indem er sich mit der Hand an die Steigbügel feines Pferdes zu klammern versuchte.

In diesem Augenblicke sprangen die beiden schwarzen Hunde ihm an die Gurgel und erdrosselten ihn.

Er wollte einen Schrei ausstoßen, aber er hatte nicht die Kraft dazu. Kaum vermogte er einen Seufzer auszustoßen.

Die Anwesenden sahen zwei Hunde, welche unter sich zu kämpfen schienen, während ein Pferd wie ein Schatten verschwand.

Sie wollten die Hunde schlagen, aber diese trennten sich nicht eher, als bis sie ihr unsichtbares Werk ausgeführt hatten.

Nun sprengten sie neben einander aus dem Hofe und verschwanden.

An der Stelle, wo sie sich zehn Minuten lang aufgehalten hatten, fand man gestaltlose Ueberreste und unter diesen Ueberresten den Rosenkranz Annas von Niebla.

In diesem Augenblicke erschien von den Pagen und von den Knappen des Schlosses getragen die Leiche Don Bernardos von Zuniga auf der Freitreppe.

Am folgenden Tage wurde er mit großem Prunke auf dem Kirchhofe des Klosters zur Unbefleckten Empfängniß zur Seite seiner Base Anna von Niebla begraben.

Gott möge ihm barmherzig sein!

* * *

Ich hatte mein Lesen beendigt, als mein Führer wieder erschien.

Ich ging ihm entgegen.

– Was ist das für ein Manuskript? fragte ich ihn.

– Dieses Manuscript?

Und er betrachtete es.

– Meiner Treue! ich weiß es nicht, sagte er.

– Sie müssen es indessen wissen, denn es ist aus Ihrer Tasche gefallen, als Sie Sich entfernten.

– Wahrhaftig?

– Ja.

– In diesem Falle muß es zu dem Gepäcke eines Gelehrten gehört haben, der vor drei Wochen durch die Sierra gekommen ist.

– Und er ging?

– Wie ich glaube von Malaga nach Sevilla.

– Sie wissen nicht wie er hieß?

– Meiner Treue, nein. Wollen Sie etwas von ihm?

– Ich wünschte ihn um die Erlaubniß zu bitten, diese Sage zu übersetzen.

– Ich gebe sie Ihnen.

– Wie! Sie geben sie mir?

– Ja.

– Mit welchem Rechte?

Der Torero begann zu lachen.

– Als Universalerbe, sagte er.

– Er ist also gestorben?

– Und begraben.

Hierauf, da ich ihn anblickte, wie als ob ich ihn nicht recht verstanden hätte, sagte er:

– Das dritte Kreuz zur Rechten, wenn Sie nach Cordova zurückkehren.

Indem er hierauf plötzlich hinter ein Gebüsch zurücktrat, rief er aus:

– Für Sie, für Sie! den Eber! das Treiben hat begonnen.

Die Heirathen des Vater Olifus

X.
Der Rabenfänger

Als ich eines Morgens im Monat März 1848 aus meinem Schlafzimmer in mein Arbeitskabinet ging, fand ich wie gewöhnlich auf meinem Schreibtische einen Stoß von Zeitungen, und auf diesem Stoße von Zeitungen einen Stoß von Briefen.

Unter diesen Briefen befand sich einer, dessen großes rothes Siegel gleich anfangs meine Blicke auf sich zog. Er hatte durchaus keinen Poststempel und war ganz einfach an Herrn Alexander Dumas in Paris adressirt, was andeutete, daß er von einer dritten Person übergeben war.

Die Handschrift hatte einen fremdartigen Charakter, welcher zwischen der Englischen und der Deutschen Schrift schwankte; der, welcher sie geschrieben hatte, Mußte an das Befehlen gewöhnt sein und eine gewisse Festigkeit des Entschlusses haben, das Ganze war durch Regungen des Herzens und durch Launen der Meinungen gemildert, welche zuweilen aus ihm einen ganz andern Menschen machten, als es den äußern Anschein hatte.

Wenn ich einen Brief von einer unbekannten Handschrift erhalte, und dieser Brief mir von irgend einer angesehenen Person zu kommen scheint, so mache ich mir ziemlich gern im Voraus und nach den unbedeutenden von ihm auf die Aufschrift geschriebenen Zeilen einen Begriff über seinen Rang, seine Gewohnheiten und seinen Charakter.

Als ich meine Betrachtungen angestellt, brach ich den Brief auf, und las folgendes:

»Haag, den 22. Februar 1848. Mein Herr!

Ich weiß nicht, ob Herr Eugene Vivier, der große Künstler, der uns im Laufe des Winters besucht hat, und dessen Bekanntschaft zu machen ich so glücklich gewesen bin, Ihnen gesagt hat, daß ich einer der fleißigsten Leser Ihrer Werke sei, so zahlreich sie auch sein mögen, denn sagte ich, Fräulein von Belle Isle, Amaury, die drei Mousquetaire, Zwanzig Jahre nachher, Bragelonne und Monte Christo gelesen zu haben, hieße Ihnen ein zu alltägliches Compliment machen.

Es drängte mich daher seit langer Zeit, Ihnen ein Andenken anzubieten und Sie zu gleicher Zeit mit einem der größten Künstler unserer Nation, Herrn Backhuisen bekannt zu machen.

Erlauben Sie mir daher, mein Herr, Ihnen hierbei vier Zeichnungen dieses Künstlers zu überreichen, welche die hervorstechendsten Scenen Ihres Romans: Die drei Mousquetaire , vorstellen.

Jetzt sage ich Ihnen Lebewohl, und bitte Sie zu glauben, mein Herr, daß ich bin, Ihr wohlgeneigter

Wilhelm, Prinz von Oranien

Ich gestehe, daß dieser vom 22. Februar 1848, das heißt von dem Tage, an welchem die Pariser Revolution ausbrach, datirte, einen oder zwei nach dem Tage, an welchem man mich unter dem Vorwande hatte umbringen wollen, daß ich ein Freund der Fürsten wäre, empfangene Brief mir ein großes Vergnügen machte.

In der That, für den Dichter ist das Ausland die Nachwelt; frei von unserem kleinlichen literarischen Hasse, von unserer kleinlichen künstlerischen Eifersucht, richtet das Ausland, wie die Zukunft den Mann nach seinen Werken, und der Kranz, der über die Grenze kömmt, ist von denselben Blumen geflochten, welche man auf ein Grab niederlegt.

Die Neugierde siegte indessen über die Dankbarkeit. Ich begann damit, die Mappe zu öffnen, welche auf eine Ecke meines Schreibtisches gelegt war, und fand darin in der That vier allerliebste Zeichnungen, von denen die eine die Ankunft d'Artagnans und seines gelben Pferdes in Meuny umstellte, die andere den Ball, auf welchem Mylady die Diamantnesteln von den Wammse Buckinghams abschneidet. Die dritte die Bastion Saint Gervais, die vierte den Tod Myladys.

Hierauf schrieb ich an den Prinzen, um ihm zu danken.

Uebrigens kannte ich den Prinzen seit langer Zeit als einen Künstler; ich wußte, daß er ein ausgezeichneter Componist wäre, und zwei andere Prinzen, die sich auf Menschen und auf Künste verstehen, hatten mit mir oft von ihm gesprochen, der Herzog von Orleans und der Prinz Hieronymus Napoleon.

Man weiß, daß der Herzog von Orleans vortrefflich in Kupfer stach. Ich habe aus seinen Händen hervorgegangene Probedrucke, welche Muster von Kupferstichen in geätzter und in Tusch-Manier sind.

Was den Prinzen Napoleon anbelangt, so habe ich von ihm, was er wahrscheinlicher Weise vergessen hat, republikanische Verse, welche ihm auf dem Gymnasium in Stuttgart eine derbe Strafpredigt zugezogen hatten, und die mir im Jahre l839 oder 1840 von der schönen Prinzessin Mathilde in Florenz geschenkt wurden.

Ich hatte besonders von der Prinzessin von Oranien als von einer jener erhabenen Frauen sprechen hören, welche, wenn sie sich nicht Elisabeth oder Christine nennen, sich Frau von Sévigné oder Frau von Stoël nennen.

Es geht daraus hervor, daß, als der Prinz von Oranien berufen war, seinem Vater auf dem Throne von Holland zu folgen, natürlicher Weise der Gedanke in mir aufstieg, die Reise nach Amsterdam zu machen, um der Krönung des neuen Königs beizuwohnen, um dem ehemaligen Prinzen von Oranien meinen Dank zu bezeigen.

Ich brach daher am letzten 9. Mai auf.

Am 10. meldeten die Zeitungen, daß ich mich nach Amsterdam begäbe, um eine Beschreibung der Krönungsfestlichkeitcn zu schreiben.

Man hatte dasselbe gemeldet, als ich am 2. Oktober 1846 nach Madrid reiste.

Ich bitte die Zeitungen, welche so gütig sein wollen, sich mit mir zu beschäftigen, um Verzeihung; aber wenn ich auf die Hochzeiten von Fürsten gehe, so gehe ich zu ihnen als Miteingeladener und nicht als Geschichtsschreiber.

Dieses festgestellt, komme ich wieder auf meine Abreise zurück.

Außer dem Vergnügen der Ortsveränderung, außer dem Bedürfnisse, von Zeit zu Zeit eine andere Luft einzuathmen, als die, welche man gewöhnlich einathmet, war mir eine herrliche Ueberraschung vorbehalten.

Als ich aus dem Wartesaale unter die Halle der Eisenbahn gehen wollte, fühlte ich, daß man mich an dem Schooße meines Ueberrockes zog.

– Wo wollen Sie denn hin? fragte mich der, welcher mit Hilfe der bemerkten Geberde meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Ich stieß einen Ausruf der Ueberraschung aus.

– Und Sie?

– Nach Holland.

– Und ich auch. – Die Krönung zu sehen?

– Ja.

– Und ich auch. – Sind Sie direct eingeladen?

– Nein; aber ich weiß, daß der König ein Künstler ist, und da es seit dem Tode des Herzogs von Orleans nicht viele Fürsten gibt, die Künstler sind, so will ich diesen krönen sehen.

Mein Reisegefährte war Biard.

Du, welche den Constitutionel in diesem Augenblicke halten und ihre Zeit damit verlieren, meine Aufsitze zu lesen, kennen Biard dem Namen nach, wenn sie ihn nicht persönlich kennen. Bard ist, wie man weiß, der geistreiche Pinsel, welcher die Revue der Nationalgarde in einem Dorfe, die Taufe des Ostindienfahrers, die vertheilten Ehrenbezeugungen gefertigt hat. Er ist der poetische Pinsel, der uns am Fuße eines Eisberges, welcher kracht und sich spaltet, jene beiden Lappländer gezeigt hat, welche jeder in einer Pirogue vorüberkommen, und die sich im Vorüberkommen umarmen: er ist endlich der Maler aller dieser reizenden weiblichen Porträts voll Zauber und Licht, die man auf der letzten Ausstellung und auch auf der gegenwärtigen hat sehen können; aber er ist besonders und mehr noch als Alles das, denn ich habe die schlechte Gewohnheit, den Menschen vor den Künstler zu stellen, ein liebenswürdiger Mann, ein unermüdlicher Erzähler, ein Wanderer im Süden, wie im Norden, ein wohlwollender Freund, ein Kunstgenosse ohne Eifersucht, der sich vergißt, wenn er von Andern spricht; er ist endlich ein Reisegefährte, wie ich jedem meiner Leser einen wünsche, wenn sie eine Reise um die Welt machen, und wie ich entzückt war einen zu finden, der mit mir nach Holland ging.

Es war ein bis zwei Jahre her, daß wir uns nicht gesehen hatten. Welch seltsames Leben das unsrige ist, man liebt sich, wenn man sich begegnet, man ist glücklich, sich zu sehen, man bringt Stunden, Tage, eine Woche ganz vergnügt über dieses Zusammenleben zu, das der Zufall veranlaßt hat; man kehrt in denselben Wagen zurück, man läßt sich durch denselben Fiaker nach Haus fahren, man drückt sich die Hand, indem man sich auf die ernsteste Weise von der Welt sagt: – Ah! es ist albern, uns nicht zu sehen, besuchen wir uns doch ein wenig, – und man sieht sich nicht wieder.

Denn jeder kehrt in sein Leben zurück, macht sich wieder an sein Werk, baut seinen Ameisenhaufen oder seine Riesengebäude, denen die Nachwelt allein ihre wahre Höhe, die Zeit ihre wahre Dauer anweisen wird.

Diese, auf der Straße von Brüssel zwischen Biard und meinem Sohne zugebrachte Nacht war eine angenehme Nacht; es befanden sich noch fünf bis sechs andere Personen mit uns in derselben Diligence; haben Sie etwas von dem verstanden, was wir gesagt haben? Ich zweifle daran; waren wir nach Verlauf von fünfzig Meilen des Weges und von fünf bis sechs Stunden der Reise für sie noch vernünftige Leute oder Einfaltspinsel? Ich weiß es nicht, unser Witz ist so sonderbar! er springt so rasch von den Höben der Philosophie in die niederen Regionen des Wortspieles herab! er hat ein so eigenthümliches, so persönliches, so excentrisches Gepräge! Er gehört dermaßen einer Kaste an, daß es gewissermaßen einer langen Einweihung in diesen Witz bedarf, um ihn zu verstehen!

Da man aber Alles müde wird, selbst zu lachen, so erschöpfte sich das Gespräch gegen zwei Uhr; gegen drei Uhr schliefen wir ein; gegen fünf Uhr weckte man uns, um unsere Koffer zu visitiren; endlich kamen wir gegen acht Uhr in Brüssel an.

In Brüssel war Alles vollkommen ruhig, und wenn man dort nicht so viel Schlechtes über Frankreich in französischer Sprache hätte sagen hören, so hätte man dort vergessen können, daß es ein Frankreich gäbe.

Wir waren in die volle Monarchie zurückgekehrt. Was Belgien für ein sonderbares Land ist, ein Land, das seinen König behält, weil sein König immer bereit ist fortzugehen.

Freilich ist König Leopold l. ein Mann von außerordentlichem Verstande.

Bei jeder Revolution, welche in Frankreich vor sich geht, oder bei jedem Aufstande, der in Brüssel entsteht, eilt er auf seinen Balkon, nimmt den Hut in die Hand und macht ein Zeichen, daß er sprechen will. Man hört.

– Meine Kinder, sagt er, Ihr wißt, daß man mich wider meinen Willen zum König gemacht hat. Ich hatte keine Lust, es zu sein, bevor ich es gewesen war, und seitdem ich es bin, wünsche ich es nicht mehr zu sein; wenn Ihr es also wie ich meint, und wenn Ihr genug an dem Königthume habt, so gebt mir eine Stunde, ich verlange nicht mehr von Euch; m einer Stunde werde ich außerhalb des Reiches sein; ich habe die Eisenbahnen nur dazu ermuthigt. Nur, seid vernünftig, zerbrecht Nichts, Ihr seht, daß es unnöthig wäre.

Worauf das Volk antwortet:

– Wir wollen nicht, daß Sie gehen. Wir haben das Bedürfniß, ein wenig Lärm zu machen, sonst Nichts; wir haben ihn gewählt, wir sind zufrieden. Es lebe der König!

Worauf der König und das Volk mehr als jemals mit einander zufrieden sich trennen.

Auf der ganzen Reise hatte Biard zu mir gesagt: Seien Sie unbesorgt, bei unserer Ankunft in Brüssel werde ich Sie wohin führen, um Etwas zu sehen, was Sie nicht gesehen haben.

Und bei jedem Male, wo er mir dieses Versprechen machte, zuckte ich in meinem Stolze die Achseln.

Ich bin vielleicht zehn Male in Brüssel gewesen. Bei diesen zehn Reisen hatte ich den Park, den botanischen Garten, den Palast des Prinzen von Oranien, die Kirche der heiligen Gudula, den Boulevard von Waterloo, die Läden von Meline und von Cans, den Palast des Fürsten von Liane gesehen, was konnte mir noch zu sehen übrig bleiben?