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Czytaj książkę: «Tausend und Ein Gespenst», strona 11

Czcionka:

XIII.
Das Schloß der Brancovan's

Kostaki ließ mich aus seinen Armen auf den Boden gleiten, und stieg fast zugleich zu mir ab; – aber so rasch seine Bewegung auch gewesen sein mogte, er war nur der Gregoriska gefolgt.

Wie es Gregoriska gesagt hatte, war er auf dem Schlosse wirklich der Herr.

Als sie die beiden jungen Leute und die Fremde am kommen sahen, welche sie mitbrachten, eilten die Diener herbei, aber obgleich die Aufmerksamkeiten zwischen Kostaki und Gregoriska getheilt waren, so fühlte man doch, daß die größten Rücksichten, daß die tiefste Ehrerbietung für diesen letzteren waren.

Zwei Frauen näherten sich; Gregoriska ertheilte ihnen einen Befehl in moldauischer Sprache und gab mir einen Wink mit der Hand ihnen zu folgen.

Es lag so viel Ehrerbietung in dem Blicke, der diesen Wink begleitete, daß ich nicht zögerte. Fünf Minuten nachher befand ich mich in einem Zimmer, das, so kahl und unbewohnbar es auch dem am Leichtesten zu Befriedigenden scheinen mogte, augenscheinlich das schönste des Schlosses war.

Es war ein großes viereckiges Zimmer mit einer Art von Divan von grüner Sarsche; am Tage der Sitz, des Nachts das Bett. Fünf bis sechs große Sessel von Eichenholz, eine große Truhe, und in einer der Ecken dieses Zimmer ein Thronhimmel gleich einem großen und prachtvollen Kirchenstuhle.

Von Vorhängen an den Fenstern, von Vorhängen an dem Bette war keine Rede.

Man ging nach diesem Zimmer auf einer Treppe hinauf, auf welcher in Nischen drei Statuen der Brancovan's von mehr als natürlicher Größe standen.

In dieses Zimmer brachte man nach Verlauf eines Augenblickes das Gepäck, unter welchem sich meine Felleisen befanden. Die Frauen boten mir ihre Dienste an. Aber indem ich der Unordnung abhalf, welche dieses Ereigniß in meiner Toilette hervorgebracht hatte, behielt ich meinen Amazonen-Anzug bei, ein Kostüm, das mehr in Uebereinstimmung mit dem meiner Wirthe stand, als irgend eines von denen, welche ich hätte anlegen können.

Kaum waren diese kleinen Veränderungen vorgenommen, als ich leise an meine Thür klopfen hörte.

– Herein, sagte ich natürlicher Weise auf Französisch, da, wie Sie wissen, das Französische uns Polen fast eine Muttersprache ist.

Gregoriska trat ein.

– Ah! Madame, ich bin sehr erfreut, daß Sie Französisch sprechen.

– Und auch ich bin sehr erfreut, diese Sprache zu sprechen, mein Herr, antwortete ich ihm, da ich durch diesen Zufall Ihr großmüthiges Verfahren gegen mich habe würdigen können. – In dieser Sprache haben Sie mich gegen die Absichten ihres Bruders vertheidigt, in dieser Sprache biete ich Ihnen den Ausdruck meiner sehr aufrichtigen Dankbarkeit an.

– Ich danke, Madame. – Es war ganz natürlich, daß ich mich für eine Frau in der Lage interessirte, in welcher Sie Sich befanden. Ich jagte in den, Gebirge, als ich unregelmäßige und fortdauernde Schüsse hörte; ich sah ein, daß es sich um irgend einen Angriff mit bewaffneter Hand handelte, und ich rückte gegen das Feuer, wie man im militärischen Ausdruck sagt. – Ich bin, dem Himmel sei Dank, zur rechten Zeit gekommen; aber werden Sie mir erlauben, Madame, mich zu erkundigen, durch welchen Zufall eine Frau von Stande, wie Sie es sind, sich in unsere Gebirge gewagt hatte?

– Ich bin Polin, mein Herr, antwortete ich ihm, meine beiden Brüder sind in dem Kriege gegen Rußland gefallen; mein Vater, den ich verlassen habe, indem er bereit war unser Schloß gegen den Feind zu vertheidigen, wird zu dieser Stunde ohne Zweifel zu ihnen gegangen sein, und ich kam, indem ich auf den Befehl meines Vaters dieses Blutbad floh, eine Zuflucht in dem Kloster Sahastru zu suchen, in welchem meine Mutter in ihrer Jugend und unter ähnlichen Umständen eine sichere Freistätte gefunden hatte.

– Sie sind die Feindin der Russen; dann um so besser, sagte der junge Mann, dieser Titel wird Ihnen ein mächtiger Beistand auf dem Schlosse sein, und wir haben alle unsere Kräfte nöthig, um den Kampf zu bestehen, der sich vorbereitet. Zuvörderst, da ich weiß, wer Sie sind, Madame, so erfahren Sie, wer wir sind; der Name Brancovan ist Ihnen nicht fremd, Madame, nicht wahr?

Ich verneigte mich.

Meine Mutter ist die letzte Fürstin dieses Namens, der letzte Nachkomme dieses erlauchten Oberhauptes, das die Cantimirs, diese elenden Höflinge Peters I. umbringen ließen. Meine Mutter heirathete in erster Ehe meinen Vater, Serban Waivady, Fürst wie sie, aber von minder berühmtem Stamme.

Mein Vater war in Wien erzogen worden, er hatte dort die Vorzüge der Civilisation schätzen gelernt. Er beschloß, aus mir einen Europäer zu machen. Wir gingen nach Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland.

Ich weiß wohl, daß es einem Sohne nicht geziemt, das zu erzählen, was ich Ihnen sagen will; da es aber für unser Heil nöthig ist, daß Sie uns genau kennen, so werden Sie die Gründe dieser Mittheilung würdigen. Meine Mutter, welche während der ersten Reisen meines Vaters, als ich in meiner frühesten Kindheit war, strafbare Verbindungen mit einem Hauptmanne von Parteigängern gehabt hatte, so nennt man in dieser Gegend die Leute, welche Sie angegriffen haben, fügte Gregoriska lächelnd hinzu, – meine Mutter, sage ich, welche strafbare Verbindungen mit einem Grafen Giordaki Koproly, halb Grieche, halb Moldauer, gehabt hatte, schrieb meinem Vater, um ihm Alles zu sagen und die Scheidung von ihm zu verlangen, indem sie dieses Verlangen darauf stützte, daß sie, – eine Brancovan, – nicht die Frau eines Mannes bleiben wollte, der sich mit jedem Tage seinem Vaterlande mehr entfremdete. – Leider hatte mein Vater nicht nöthig seine Einwilligung zu dieser Forderung zu geben, welche Ihnen sonderbar scheinen kann, die aber bei uns das Gewöhnlichste und das Natürlichste ist. – Mein Vater war an einer Pulsadergeschwulst gestorben, an welcher er seit langer Zeit litt, – und ich war es, der den Brief empfing.

Ich hatte nichts zu thun, als sehr aufrichtige Wünsche für das Glück meiner Mutter auszusprechen. – Diese Wünsche überbrachte ihr ein Brief von mir, indem er ihr meldete, daß sie Wittwe wäre.

Dieser selbe Brief verlangte von ihr für mich die Erlaubniß meine Reisen fortzusetzen, eine Erlaubniß, welche mir bewilligt wurde.

Meine sehr bestimmte Absicht war, mich in Frankreich oder in Deutschland niederzulassen, um mich nicht einem Manne gegenüber zu befinden, der mich verabscheute und den ich nicht lieben konnte, das heißt dem Gatten meiner Mutter, als ich plötzlich erfuhr, daß der Graf Giordaki Koproly, wie man sagte, von den ehemaligen Kosaken meines Vaters ermordet worden wäre.

Ich beeilte mich zurückzukehren; ich liebte meine Mutter; ich begriff ihr Alleinstehen, ihr Bedürfniß in einem solchen Momente die Personen bei sich zu haben, welche ihr theuer sein konnten. Ohne daß sie jemals eine sehr zärtliche Liebe für mich gehabt hatte, war ich ihr Sohn, Eines Morgens kehrte ich ohne erwartet zu sein auf das Schloß unserer Väter zurück.

Ich fand dort einen jungen Mann, den ich anfangs für einen Fremden hielt, und von dem ich nachher erfuhr, daß er mein Bruder wäre.

Das war Kostaki, der Sohn des Ehebruches, den eine zweite Ehe legitimirt hatte. – Kostaki, das heißt das unbändige Geschöpf, das Sie gesehen haben, dessen einziges Gesetz die Leidenschaften sind, dem nichts auf dieser Welt heilig ist, als seine Mutter, der mir nur gehorcht, wie der Tiger dem Arme gehorcht, der ihn gebändigt hat, aber mit einem ewigen, durch die dunkle Hoffnung, mich eines Tages zu zerreißen, unterhaltenem Brüllen. – In dem Innern des Schlosses, in der Wohnung der Brancovans und der Waivadys, bin ich noch der Herr; sobald er aber außer diesen Ringmauern, sobald er im freien Felde ist, so wird er wieder der wilde Sohn der Wälder und der Berge, der alles unter seinen eisernen Willen beugen will. Wie hat er heute nachgegeben? wie haben seine Leute nachgegeben? ich weiß es nicht; eine alte Gewohnheit, ein Rest von Ehrerbietung. Aber ich mögte keine neue Probe wagen. Bleiben Sie hier, verlassen Sie dieses Zimmer, diesen Hof, kurz das Innere der Mauern nicht, und ich stehe für Alles; thun Sie einen Schritt außerhalb des Schlosses, so stehe ich für Nichts mehr, als mich tödten zu lassen, um Sie zu vertheidigen.

– Könnte ich denn nicht den Wünschen meines Vaters gemäß meine Reise nach dem Kloster Sahastru fortsetzen?

– Thun Sie es, versuchen Sie es, befehlen Sie, ich werde Sie begleiten; – aber ich werde auf dem Wege bleiben, – und Sie, Sie . . . Sie werden nicht ankommen.

– Was dann thun?

– Hier bleiben, abwarten, sich nach den Ereignissen richten, die Umstände benutzen. – Nehmen Sie an, daß Sie in eine Räuberhöhle gefallen sind, und daß Ihr Muth allein Sie herauszuziehen, daß Ihre Kaltblütigkeit allein Sie zu retten vermag. Trotz ihrer Vorliebe für Kostaki, dem Sohne ihrer Liebe, ist meine Mutter gut und großmüthig. Außerdem ist sie eine Brancovan, das beißt eine wahre Fürstin. Sie werden sie sehen; sie wird Sie vor den rohen Leidenschaften Kostakis schützen. Stellen Sie Sich unter ihren Schutz; – Sie sind schön, sie wird Sie lieben. Außerdem, – er blickte mich mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke an! – wer vermögte Sie zu sehen und Sie nicht zu lieben? Kommen Sie jetzt in den Speisesaal, wo sie uns erwartet. Zeigen Sie weder Verlegenheit noch Mißtrauen; sprechen Sie Polnisch: Niemand versteht hier diese Sprache; ich werde Ihre Worte meiner Mutter übersetzen, und, sein Sie ohne Sorgen, ich werde nur das sagen, was zu sagen nöthig ist. Vor Allem kein Wort über das, was ich Ihnen mitgetheilt habe; man darf nicht ahnen, daß wir uns verstehen. Sie kennen die List und die Verstellung des Aufrichtigsten unter uns noch nicht. Kommen Sie.

Ich folgte ihm auf diese Treppe, welche von Harzfackeln erleuchtet war, die in eisernen, aus den Mauern hervortretenden Händen brannten.

Es war augenscheinlich, daß man diese ungewöhnliche Erleuchtung meinetwegen gemacht hatte.

Wir kamen in den Speisesaal.

Sobald Gregoriska die Thüre desselben aufgemacht und in moldauischer Sprache ein Wort ausgesprochen hatte, von dem ich seitdem erfahren, daß es die Fremde bedeutete, schritt eine große Frau auf uns zu.

Es war die Fürstin Brancovan.

Sie trug ihre weißen Haare um ihren Kopf herum geflochten; sie war mit einer kleinen Mütze von Zobelpelz bedeckt, auf der sich eine Reiherfeder befand, das Zeug: niß ihres fürstlichen Ursprunges. Sie trug eine Art von Tunika von Goldtuch mit einem mit Edelsteinen gestickten Mieter, welche ein langes Kleid von türkischem Stoffe bedeckte, das mit Pelzwerk gleich dem der Mütze besetzt war.

Sie hielt einen Rosenkranz von Bernstein-Perlen in der Hand, die sie sehr rasch durch ihre Finger rollen ließ.

An ihrer Seite befand sich Kostaki, der das glänzende und majestätische magyarische Kostüm trug, unter welchem er mir noch weit seltsamer schien.

Es bestand in einem Rocke von grünem Sammet mit weiten Aermeln, der bis über das Knie herabfiel. Beinkleider von rothem Kasimir, Stiefeln von mir Gold gesticktem Saffian; sein Kopf war unbedeckt; und seine langen schwarzen Haare fielen auf seinen bloßen Hals herab, den nur der schmale weiße Streifen eines seidenen Hemdes umgab.

Er grüßte mich linkisch und sprach in moldauischer Sprache einige Worte aus, welche unverständlich für mich blieben.

– Du kannst Französisch sprechen, mein Bruder, sagte Gregoriska, Madame ist Polin und versteht diese Sprache.

Nun sprach Kostaki in französischer Sprache einige für mich fast eben so unverständliche Worte aus, als die, welche er in moldauischer Sprache ausgesprochen hatte; aber die Mutter unterbrach sie, indem sie würdevoll den Arm ausstreckte. Es war augenscheinlich für mich, daß sie ihren Söhnen erklärte, daß es an ihr wäre, mich zu empfangen.

Nun begann sie in moldauischer Sprache eine Bewillkommungsrede, welcher ihr Gesicht einen leicht anzuwendenden Sinn gab. Sie zeigte mir den Tisch, bot mir einen Sessel neben sich an, bezeichnete mir mit der Geberde das ganze Haus, wie um mir zu sagen, daß es das meinige wäre, und indem sie sich zuerst mit einer wohlwollenden Geberde setzte, machte sie ein Zeichen des Kreuzes und begann ein Gebet. Nun nahm jeder seinen Platz ein; einen durch die Etikette bestimmten Platz. Gregoriska saß neben mir. Ich war die Fremde, und schuf dem zu Folge Kostaki einen Ehrenplatz neben seiner Mutter Smeranda.

So hieß die Gräfin.

Gregoriska hatte gleichfalls das Kostüm gewechselt. Er trug die magyarische Tunika wie sein Bruder, nur war diese Tuinka von granatfarbigem Sammet und seine Beinkleider von blauem Kasimir. Ein glänzender Orden hing an seinem Halse: es war der Nisham des Sultans Mahmud.

Die übrigen Hausgenossen aßen an demselben Tische, jeder in dem Range, den ihm seine Stellung unter den Freunden oder unter den Dienern verlieh.

Das Abendessen war traurig, nicht ein einziges Mal richtete Kostaki das Wort an mich, obgleich sein Bruder immer die Aufmerksamkeit hatte, Französisch mit mir zu sprechen. Was die Mutter anbetrifft, so bot sie mir mit dieser feierlichen Miene, welche sie niemals ablegte, von Allem selbst an. Gregoriska hatte die Wahrheit gesagt, sie war eine wahre Fürstin.

Nach dem Abendessen schritt Gregoriska auf seine Mutter zu. Er erklärte ihr in moldauischer Sprache das Bedürfnis, das ich haben müßte allein zu sein, und wie sehr nach den Gemüthserschütterungen eines solchen Tages die Ruhe mir nothwendig wäre. Smeranda machte mit dem Kopfe ein Zeichen der Billigung, reichte mir die Hand, küßte mich auf die Stirn, wie sie es mit ihrer Tochter gethan hätte, und wünschte mir eine gute Nacht auf ihrem Schlosse.

Gregoriska hatte sich nicht geirrt; ich wünschte diesen Augenblick der Einsamkeit sehnlichst. Ich dankte daher auch der Fürstin, welche mich bis an die Thüre zurückbegleitete, wo mich die beiden Frauen erwarteten, die mich bereits in mein Zimmer geführt hatten.

Ich grüßte sie gleichfalls, so wie ihre beiden Söhne, und kehrte in das nämliche Zimmer zurück, aus welchem ich eine Stunde zuvor gekommen war.

Ich dankte den Frauen. Ich gab ihnen einen Wink, daß ich mich allein auskleiden würde; sie entfernten sich sogleich mit Beweisen der Ehrerbietung, welche Andeuteten, daß sie den Befehl hätten, mir in allen Dingen zu gehorchen.

Ich blieb in diesem unermeßlichen Zimmer, von dem mein Licht, indem ich es weiter trug, nur die Theile erleuchtete, welche ich durchschritt, ohne jemals das Ganze derselben erleuchten zu können. Ein seltsames Spiel des Lichtes, das zwischen dem Scheine meiner Kerze und dem Scheine des Mondes, der durch meine Fenster ohne Vorhänge fiel, einen Kampf entstehen ließ.

Außer der Thüre, durch welche ich eingetreten war, und die auf die Treppe führte, befanden sich zwei andere Thüren in meinem Zimmer; aber ungeheure, an diesen Thurm auf meiner Seite angebrachte Riegel genügten, um mich zu beruhigen.

Ich ging an die Eingangsthüre, welche ich untersuchte. Diese Thüre hatte, wie die andern, ihre Vertheidigungsmittel.

Ich machte mein Fenster auf, es ging auf einen Abgrund.

Ich sah ein, daß Gregoriska mit diesem Zimmer eine überlegte Wahl getroffen hatte.

Indem ich nach meinem Sopha zurückkehrte, fand ich endlich auf einem an meinem Bette stehenden Tische ein kleines zusammengeschlagenes Billet.

Ich machte es auf und las in polnischer Sprache:

»Schlafen Sie ruhig, Sie haben Nichts zu fürchten, so lange als Sie in dem Innern des Schlosses bleiben.

Gregoriska.«

Ich befolgte den mir gegebenen Rath, und indem die Ermüdung über meine Sorgen den Sieg davon trug, legte ich mich zu Bett und schlief ein.

XIV.
Die beiden Brüder

Von diesem Augenblicke an wohnte ich auf dem Schlosse, und von diesem Augenblicke an begann das Drama, das ich Ihnen erzählen will.

Die beiden Brüder verliebten sich in mich, jeder nach der Art seines Charakters.

Kostaki sagte mir gleich am folgenden Tage, daß er mich liebe, erklärte, daß ich ihm, und keinem Andern angehören würde, und daß er mich eher tödten würde, als mich, wem es auch sein mögte, angehören zu lassen.

Gregoriska sagte nichts; aber er umgab mich mit Aufmerksamkeiten und Artigkeiten. Alle Mittel einer glänzenden Erziehung, alle Erinnerungen, einer an den edelsten Höfen Europas zugebrachten Jugend wurden angewandt, um mir zu gefallen. Ach! Das war nicht schwer; bei dem ersten Klange seiner Stimme hatte ich gefühlt. daß diese Stimme meiner Seele schmeichle; bei dem ersten Blicke seiner Augen hatte ich gefühlt. daß dieser Blick mir bis in das Herz drang.

Nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Kostaki hundert Male wiederholt, daß er mich liebe, und ich haßte ihn; nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Gregoriska noch kein einziges Wort von Liebe gesagt, und ich fühlte, daß ich ganz die seine sein würde, sobald er es verlangte.

Kostaki hatte auf seine Ausgänge verzichtet. – Er verließ das Schloß nicht mehr. Er hatte für den Augenblick zu Gunsten einer Art von Lieutenant abgedankt, der von Zeil zu Zeit kam, um seine Befehle zu holen und verschwand.

Smeranda liebte mich gleichfalls mit leidenschaftlicher Freundschaft, deren Ausdruck mir Furcht machte. Sie begünstigte sichtlich Kostaki, und schien weit eifersüchtiger auf mich, als er es selbst war. Nur, da sie weder polnisch noch französisch, und ich die moldauische Sprache nicht verstand, so konnte sie nicht sehr zu Gunsten ihres Sohnes in mich dringen; aber sie hatte drei Worte in Französischer Sprache sagen gelernt, die sie mir jedes Mal wiederholte, wenn sich ihre Lippen auf meine Stirn drückten:

– Kostaki liebt Hedwig.

Eines Tages empfing ich eine schreckliche Nachricht, welche mein Unglück auf das Höchste steigerte: die vier Männer, welche den Kampf überlebt hatten, waren wieder in Freiheit gesetzt worden; sie waren wieder nach Polen abgegangen, indem sie ihr Wort verpfändeten, daß einer von ihnen vor Ablauf von drei Monaten zurückkehren würde, um mir Nachrichten von meinem Vater zu bringen.

Einer von ihnen erschien in der That eines Morgens wieder. Unser Schloß war genommen, verbrannt und geschleift worden, und mein Vater hatte sich bei seiner Vertheidigung tödten lassen.

Ich stand von nun allein auf der Welt.

Kostaki verdoppelte seine Bewerbungen und Smeranda ihre Zärtlichkeit, aber dieses Mal schützte ich die Trauer um meinen Vater vor. Kostaki beharrte darauf, indem er sagte, daß ich um so mehr einer Stütze bedürfte, je einsamer ich dastände; seine Mutter beharrte wie er und mit ihm, vielleicht mehr noch als er darauf.

Gregoriska hatte mir von der Gewalt gesprochen, welche die Moldauer über sich selbst haben, wenn sie nicht in ihren Gefühlen lesen lassen wollen. Er war ein lebendiges Beispiel davon. Es war unmöglich, von der Liebe eines Mannes überzeugter zu sein, als ich es von der seinigen war; wenn man mich indessen gefragt hätte, auf welchem Beweise diese Ueberzeugung beruhe, so wäre es mir unmöglich gewesen, es zu sagen; Niemand auf dem Schlosse halte seine Hand die meinige berühren, seine Augen die meinigen suchen sehen. Die Eifersucht allein konnte Kostaki über diese Nebenbuhlerschaft aufklären, wie meine Liebe allein mich über diese Liebe aufzuklären vermogte.

Ich gestehe indessen, daß diese Gewalt Gregoriskas über sich selbst mich beunruhigte. – Zuverlässig glaubte ich, aber das war nicht genug, ich hatte das Bedürfniß überzeugt zu werden, – als ich eines Abends, wo ich so eben in mein Zimmer zurückgekehrt war, leise an die eine jener beiden Thüren klopfen hörte, welche ich als sich von Innen schließend bezeichnet habe; nach der Art, mit welcher man klopfte, errieth ich, daß dieser Ruf der eines Freundes wäre. Ich näherte Mich und fragte wer da sei.

– Gregoriska, antwortete eine Stimme, über deren Ton ich mich zuverlässig nicht irrte.

– Was wollen Sie von mir? fragte ich ihn ganz bebend.

– Wenn Sie Vertrauen zu mir haben, sagte Gregoriska, wenn Sie mich für einen Mann von Ehre halten, so bewilligen Sie mir meine Bitte.

– Worin besteht sie?

– Löschen Sie Ihr Licht aus, wie, als ob Sie zu Bett gegangen wären, und öffnen Sie mir in einer halben Stunde Ihre Thüre.

Kommen Sie in einer halben Stunde wieder, war meine einzige Antwort. Ich löschte mein Licht aus und erwartete.

Mein Herz klopfte heftig, denn ich sah ein, daß es sich um irgend ein wichtiges Ereigniß handelte.

Die halbe Stunde verfloß; ich horte noch weit leiser als das erste Mal klopfen. Während der Zwischenzeit hatte ich die Riegel zurückgezogen, ich hatte daher nur die Thüre zu öffnen.

Gregoriska trat ein, und ohne daß er mir es nur sagte, machte ich die Thüre wieder hinter ihm zu und verschloß die Riegel.

Er blieb einen Augenblick lang stumm und regungslos, indem er mir mit der Geberde Schweigen auferlegte. Dann, als er sich versichert hatte, daß uns keine dringende Gefahr bedrohte, führte er mich in die Mitte des großen Zimmers, und indem er an meinem Zittern fühlte, daß ich nicht stehen zu bleiben vermögte, hatte er mir einen Stuhl.

Ich setzte mich oder ließ mich vielmehr auf diesen Stuhl sinken.

– O, mein Gott! sagte ich zu ihm, was gibt es denn, und wozu so viele Vorsichtsmaßregeln?

– Weil mein Leben, was nichts wäre, weil vielleicht auch das Ihrige von der Unterhaltung abhängt, welche wir mit einander haben werden.

Ich ergriff ihn ganz erschreckt bei der Hand.

Er drückte meine Hand an seine Lippen, indem er mich dabei anblickte, um mich über eine solche Vermessenheit um Verzeihung zu bitten.

Ich schlug die Augen nieder, das hieß einwilligen.

– Ich liebe Sie, sagte er mit seiner wie ein Gesang lieblichen Stimme zu mir, lieben Sie mich?

– Ja, – antwortete ich ihm.

– Würden Sie einwilligen, meine Gattin zu werden?

– Ja.

Er legte mit einem tiefen Seufzer des Glückes die Hand auf seine Stirn.

– Dann werden Sie sich nickt weigern mir zu folgen?

– Ich werde Ihnen überall hin folgen!

– Denn Sie werden begreifen, fuhr er fort, daß wir nur glücklich sein können, indem wir fliehen.

– O! ja, rief ich aus, lassen Sie uns fliehen.

– Still! äußerte er erbebend, – still!

– Sie haben Recht.

Und ich näherte mich ihm ganz zitternd.

– Hören Sie, was ich gethan habe, sagte er zu mir; hören Sie, warum ich so lange geschwiegen habe, ohne Ihnen zu gestehen, daß ich Sie liebte. – Ich wollte, daß sich Nichts mehr unserer Verbindung widersetzen könnte, sobald ich Ihrer Liebe gewiß wäre. Ich bin reich, Hedwig, unermeßlich reich, aber nach der Weise des moldauischen Adels: – reich an Ländereien, an Heerden, an Leibeigenen. – Nun denn! ich habe an das Kloster Hango für eine Million Ländereien, Heerden und Dörfer verkauft. Sie haben mir dagegen drei Mal Hundert Tausend Franken Werth an Edelsteinen, Hundert Tausend Franken in Gold, – das Uebrige in Wechseln auf Wien gegeben. Wird Ihnen eine Million genügen?

Ich drückte ihm die Hand.

– Ihre Liebe hätte mir genügt, Gregoriska, urtheilen Sie.

– Wohlan! hören Sie: ich gehe morgen nach dem Kloster Hango, um meine letzten Verabredungen mit dem Superior zu treffen. Er hält mir Pferde bereit; diese Pferde werden uns von neun Uhr an Hundert Schritte weit von dem Schlosse versteckt erwarten. Nach dem Abendessen gehen Sie wie heute wieder auf ihr Zimmer, löschen wie heute Ihr Licht aus, und wie heute werde ich zu Ihnen eintreten. Aber statt allein Ihr Zimmer zu verlassen, werden Sie mir morgen folgen, wir erreichen das Thor, welches auf das Feld führt, finden unsere Pferde, schwingen uns darauf, und übermorgen werden wir mit Tagesanbruche dreißig Stunden zurückgelegt haben.

– Warum ist es nicht schon Uebermorgen!

– Theure Hedwig.

Gregoriska drückte mich an sein Herz, – unsere Lippen begegneten sich. O! er hatte ganz richtig gesagt, daß ich einem Manne von Ehre die Thüre meines Zimmers geöffnet hätte; – aber er sah es wohl ein; wenn ich ihm nicht durch den Körper angehörte, so gehörte ich ihm durch die Seele an.

Die Nacht verfloß, ohne daß ich einen einzigen Augenblick lang schlafen konnte. Ich sah mich mit Gregoriska fliehend, – ich fühlte mich von ihm fortgetragen. Wie mich Kostaki fortgetragen hatte; – nur vewandelte sich dieses Mal dieses schreckliche, entsetzliche, grausige Rennen in eine süße und entzückende Umschlingung, welcher die Schnelligkeit Wollust hinzufügte, denn die Schnelligkeit hat gleichfalls eine ihr eigene Wollust.

Der Tag brach an. Ich ging hinab. Es schien mir, als ob noch Etwas bei Weitem Finstereres als gewöhnlich in der Art und Weise läge, mit der Kostaki mich begrüßte. – Sein Lächeln war sogar nicht mehr ein Spott, es war eine Drohung. Was Smeranda anbelangt, so schien sie mir dieselbe wie gewöhnlich.

Während des Frühstückes bestellte Gregoriskas seine Pferde. – Kostaki schien auf diesen Befehl durchaus nicht zu achten.

Gegen eilf Uhr grüßte er uns, indem er seine Rückkehr erst für den Abend meldete und seine Mutter bat, ihn nicht zum Mittagessen zu erwarten; indem er sich hierauf an mich wandte, bat er mich gleichfalls, ihn zu entschuldigen.

Er verließ das Zimmer. Das Auge seines Bruders folgte ihm bis zu dem Augenblicke, wo er über die Schwelle trat, und in diesem Augenblicke sprühte aus diesem Auge ein solcher Blitz des Hasses, daß ich schauderte.

Der Tag verstoß unter Bangigkeiten, welche Sie begreifen werden. Ich hatte Niemandem Etwas von unseren Plänen mitgetheilt, kaum sogar in meinen Gebeten, wenn ich es gewagt hätte, Gott davon zu sprechen, und es schien mir, als ob diese Pläne Jedermann bekannt wären, daß jeder Blick, der sich auf mich heftete, bis auf den Grund meines Herzens dränge und in ihm lesen könnte.

Das Mittagessen war eine Marter; finster und schweigsam, sprach Kostaki selten; dieses Mal begnügte er sich damit, zwei bis drei Male in moldauischer Sprache das Wort an seine Mutter zu richten, und jedes Mal ließ mich der Ausdruck seiner Stimme erbeben.

Als ich aufstand, um wieder in mein Zimmer hinaufzugehen, umarmte mich Smeranda wie gewöhnlich, und indem sie wich umarmte, sagte sie mir jene drei Worte, welche ich seit acht Tagen nicht über ihre Lippen hatte treten hören:

– Kostaki liebt Hedwig!

Diese Worte verfolgten mich wie eine Drohung; sobald ich in meinem Zimmer war, schien es mir, als ob eine verhängnißvolle Stimme an meinem Ohre flüsterte: Kostaki liebt Hedwig!

Nun aber war die Liebe Kostakis, wie Gregoriska mir gesagt hatte, der Tod.

Gegen sieben Uhr Abends, und als der Tag sich zu neigen begann, sah ich Kostaki über den Hof gehen. – Er wandte sich um, um nach meiner Seite zu blicken, aber ich trat rasch zurück, damit er mich nicht sehen könnte.

Ich war besorgt, denn so lange als die Lage meines Fensters mir erlaubt hatte, ihm zu folgen, hatte ich ihn nach den Ställen zuschreiten sehen. – Ich wagte die Riegel meiner Thüre aufzuziehen, und in das anstoßende Zimmer zu schlüpfen, von wo aus ich Alles das sehen konnte, was er thun würde.

Er begab sich in der That nach den Ställen. – Er zog nun selbst sein Lieblingspferd heraus, sattelte es mit eigenen Händen und mit der Sorgfalt eines Mannes, der die größte Wichtigkeit auf die geringsten Umstände legt. – Er trug dasselbe Kostüm, unter welchem er mir zum ersten Male erschienen war. Nur trug er als ganze Waffe seinen Säbel.

Als sein Pferd gesattelt war, warf er nochmals die Augen auf das Fenster meines Zimmers. Dann, da er mich nicht sah, schwang er sich auf den Sattel, ließ sich dasselbe Thor öffnen, durch welches sein Bruder ausgeritten war und zurückkehren mußte, und entfernte sich in: Galopp in der Richtung des Klosters Hango.

Nun wurde mein Herz auf eine schreckliche Weise beklommen, eine unglückselige Ahnung sagte mir, daß Kostaki seinem Bruder entgegenginge.

Ich blieb an diesem Fenster, so lange als ich diesen Weg unterscheiden konnte, der eine Viertelstunde weit von dem Schlosse eine Krümmung machte und sich in dem Anfange eines Waldes verlor. Aber die Nacht wurde mit jedem Augenblicke finsterer, der Weg verschwand am Ende gänzlich. Ich blieb noch. Endlich gab mir meine Besorgniß gerade durch ihr Uebermaß meine Kraft wieder, und da es augenscheinlich war, daß ich in dem unteren Saale die ersten Nachrichten von dem Einen oder dem Andern der beiden Brüder haben müßte, so ging ich hinab.

Mein erster Blick war Smeranda. Aus der Ruhe ihres Gesichtes ersah ich, daß sie keine Befürchtung empfand; sie ertheilte ihre Aufträge für das gewöhnliche Abendessen, und die Gedecke der beiden Brüder lagen an ihren Plätzen.

Ich wagte Niemand zu befragen. Wen hätte ich außerdem befragen können? Mit Ausnahme von Kostaki und Gregoriska sprach Niemand auf dem Schlosse die beiden einzigen Sprachen, welche ich sprach.

Bei dem geringsten Geräusche erbebte ich.

Gewöhnlich setzte man sich um neun Uhr zum Abendessen zu Tisch. Ich war um halb neun Uhr Hinabgegangen, ich folgte mit den Augen dem Minutenzeiger, dessen Gang auf dem großen Zifferblatts der Uhr fast sichtbar war.

Der wandernde Zeiger überschritt den Raum, der ihn von dem Viertel trennte. Das Viertel schlug. – Die Glocke erschallte traurig und grausig, – dann begann der Zeiger seinen schweigenden Lauf wieder, und ich sah ihn von Neuem den Raum mit der Regelmäßigkeit und der Langsamkeit der Spitze einer Magnetnadel durchlaufen.

Einige Minuten vor neun Uhr schien es mir, als ob ich den Galopp eines Pferdes auf dem Hofe hörte. – Smeranda hörte ihn auch, denn sie wandte den Kopf nach der Seite des Fensters; aber die Nacht war zu finster, als daß sie sehen konnte.

O! wie sie hätte errathen können, was in meinem Herzen vorging, wenn sie mich in diesem Augenblicke angeblickt hätte, – man hatte nur den Aufschlag eines einzigen Pferdes gehört, – und das war ganz natürlich. Ich wußte wohl, daß nur ein Reiter zurückkehren würde.

Aber welcher?

Schritte erschallten in dem Vorzimmer, – diese Schritte waren langsam und schienen voller Zögern, – jeder dieser Schritte schien auf meinem Herzen zu lasten.

Die Thüre ging auf, ich sah in der Dunkelheit einen Schatten erscheinen. Dieser Schatten blieb einen Augenblick lang unter der Thüre stehen. Mein Herz hörte auf zu schlagen.

Der Schatten schritt vor, und in dem Maße, als er in den Kreis des Lichtes trat, athmete ich wieder auf.

Ich erkannte Gregoriska. Ein Augenblick des Zweifels mehr, und mein Herz wäre gebrochen.

Ich erkannte Gregoriska, aber bleich wie ein Todter. Bei seinem bloßen Anblicke errieth man, daß sich irgend etwas Schreckliches zugetragen hatte.

– Bist Du es, Kostaki? fragte Smeranda.