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Czytaj książkę: «Salvator», strona 69

Czcionka:

LXXXIX
Was geschehen, während Herr Jackal Salvator und Salvator Herr Jackal hatte arretieren lassen

Damit wir die Erklärung des Geheimnisses finden, das Herrn Salvator so furchtbar erschreckte, müssen wir zu Herrn Gérard zurückkommen, wie er mit dem Passe versehen und voll Eile Frankreich zu verlassen, aus dem Bureau des Herrn Jackal weggeht.«


Wir sprechen nicht von den sich durchkreuzenden bangen Gefühlen, deren Beute der Philantrop von Vanvres wurde, als er den langen Corridor und die dunkle und winklige Treppe hinab ging, die von dem Cabinet des Herrn Jackal nach dem Hof der Präfectur führten. Die Genossen dieser ehrenwerthen Persönlichkeit welche unter dem dunkeln Gewölbe entweder in Gruppen umher standen oder hin und her gingen, jenem Gewölbe, das heutzutage verschwunden oder nahe daran ist zu verschwinden, und das, ohne zu übertreiben, einem Luftloch der Hülle verglichen werden konnte, machten ihm den Eindruck von eben so vielen Teufeln, die im Begriffe seien, sich auf ihn zu stürzen und ihm ihre Krallen in das Fleisch zu drücken.

Er ging deßhalb rasch über den Hof, als wenn er fürchtete, von den Agenten erkannt und festgehalten zu werden, noch rascher durch das Gitterthor und als wenn er fürchtete, das Hofthor möchte sich vor ihm schließen und ihn zum Gefangenen machen.

An dem Thore fand er sein Pferd wieder – dessen Zügel er in die Hände eines Commissionärs gegeben, – schenkte diesem etwas und schwang sich mit der Leichtigkeit eines Renners von Newmarket oder Epsom auf das Pferd.

Der. Weg war ein langer Alp, ein forcirter Ritt in dreifachem Galopp; etwas ähnliches wie der phantastische Ritt des Erlkönigs durch den Wald.

Von dem Gewitter, das sich mit so großer Heftigkeit entladen, blieb noch eine tiefschwarze Wolke, welche den Mond bedeckter flüchtige Blitze, die letzten Zuckungen des Gewitters, warfen allein und von Zeit zu Zeit, ohne daß ihnen ein Donner folgte, ihre gelben und unheimlichen Lichter auf den phanstastischen Reiter, der, an die Schrecken der Jugend erinnert, wenn er es gewagt, bei jedem Blitze das Zeichen des Kreuzes gemacht hätte. Kurz, es war eine düstere Nacht. gemacht, um das Gewissen des Unschuldigsten zu erschüttern; selbst der Philantrop von Vanvres, der gerecht gegen sich war und sich durchaus nicht in die Reihe der unschuldigen Herzen stellte, fühlte einen kalten Schweiß über seinen Körper rieseln, während all sein Blut immer mehr in den Adern erstarrte.

Noch zehn Minuten dieses Rittes mit verhängten Zügeln und er hatte Vanvres erreicht. Aber sein Pferd, so stark es auch war, von der Rue de Jerusalem an, mit Spornstreichen gefoltert, und vom ersten Ritte schon ermüdet, schien zu wanken und bei jedem Schritte zusammenstürzen zu wollen; der Wind fing sich in seinen weit geöffneten Nüstern, aber schien nicht mehr bis zu den Lungen vorbringen zu können.

Herr Gérard warf einen durchbohrenden Blick auf den undurchdringlichen Himmel, um zu beurtheilen, wann er ankommen könnte, hielt das Pferd mit dem Zügel und den knieen aufrecht und da er einsah, daß, wenn er einen Augenblick inne hielte, sein Pferd da fallen würde, wo er halte, so drückte er ihm unbarmherzig die Sporen in den Leib.

Nach Verfluß von fünf- oder sechs Minuten, die ihm ganze Stunden erschienen, begann er in der Dunkelheit die finsteren Umrisse seines Schlosses zuerkennen; einige Secunden später befand er sich vor der Thüre.

Was er vorausgesehen; geschah; im Augenblicke, wo er vor dieser Thüre hielt, brach sein Pferd unter ihm zusammen.

Er war auf dies Ereigniß gefaßt, er traf deßhalb seine Vorsichtsmaßregeln, so daß er in dem Augenblick auf den Beinen stand, wo dieses fiel.

Dies Ereigniß, das in jedem andern Augenblicke eine Rührung bei Herrn Gérard hervorgerufen, dessen Philanthropie sich gewöhnlich von den Menschen auf die Thiere übertrug, machte in diesem Momente nicht die geringste Wirkung auf ihn; sein Gedanke, sein einziger Gedanke war, so weit als möglich den Dienern des Herrn Jackal voranzukommen, wenn etwa die Laune des Herrn Jackal – und Herr Gérard wußte, wie launisch sein Beschützer war – sich anders besinnend, ihm an den Fersen nachschicken sollte. Er war zu Hause angekommen; sein Zweck war erreicht, gleichgültig war ihm deßhalb das Leben oder der Tod des edlen Thiers, das ihn gerettet hatte.

Man weiß, daß der Philanthrop von Vanvres gerade kein Muster von Dankbarkeit war.

Er ließ deßhalb das Pferd, wo es war, liegen, ohne es abzusatteln, gleichgültig, was aus dem Thiere werden würde, das, aller Wahrscheinlichkeit nach, erst am andern Tage gefunden ward, da das Thier am Hause und nicht auf dem Wege gefallen, dann öffnete er rasch die Thüre, schloß sie noch rascher doppelt und dreifach hinter sich, stieg schnell zwei Stockwerke hinauf, holte aus einem Cabinet, das ihm als Stiefelzimmer diente, seinen ungeheuren ledernen Koffer, trug ihn in sein Schlafzimmer und zündete ein Licht an.«

Hier athmete er wieder eine Secunde lang; sein Herz schlug so heftig. daß er einen Augenblick fürchten konnte, es werde bersten, während dieser Secunde blieb er aufrecht stehen, die Hand auf die Brust drückend, als versuchte er, Herr seines Athems zu werden; nachdem er diesem Unfall glücklich entkommen war, begann er sich mit den letzten Vorbereitungen seiner Reise, mit dem Einpacken des Koffers zu beschäftigen.

Ein noch so wenig scharfsinniger Beobachter, der in einer Ecke dieses Schlafzimmers verborgen gewesen, würde in Herrn Gérard einen Verbrecher entdeckt haben, wenn er nichts anderes als die wahnsinnige Art gesehen, wie er dieses Geschäft besorgte, das gewöhnlich so viel Nachdenken erfordert. – indem er, wie die Sachen gerade kamen, die Wäsche und die Kleider, die er aus einem Glasschrank und aus den Schiebladen der Kommode zog, in den Koffer packte, die Strümpfe mit den Krügen, die Hemden mit den Westen durcheinander warf, Stiefel in die Fracktaschen, Schuhe in die Rockämel schob, bei jedem Geräusche zitterte, und sich bald mit einem Hemde, bald mit einer Serviette den Schweiß von seiner blassens Stirne wischte.

Als er endlich den Koffer schließen wollte, war er so überfällt, daß es ihm unmöglich wurde, die Schließkappe dem Schlosse zu nähern; er wandte alle seine Kräfte an, aber vergeblich. Er riß deßhalb Wäsche und Kleider, wie es gerade kam, aus dem Koffer, warf sie im Zimmer umher und schloß endlich zu.

Dann öffnete er den Secretär, nahm aus einer doppelt verschlossenen Schieblade ein Portefeuille, das zwei bis drei Millionen österreichische und englische Werthpapiere enthielt, Papiere, die er für eine solche Flucht in Bereitschaft hatte.

Er nahm zwei doppelläufige Pistolen, die neben seinem Bette hingen, stieg dann rasch die Treppe hinab, lief in die Ställe und spannte selbst die zwei Wagenpferde an seine Kalesche, die er nach Saint Cloud fahren wollte; dort konnte er Postpferde zunehmen, die seinigen zurücklassen, und wollte dem Postmeister empfehlen, bis zu seiner Rückkehr gut für sie zu sorgen, und dann den Weg nach Belgien einschlagen.«

In zwanzig Stunden, wenn er den Postillons doppeltes Trinkgeld gab, konnte er die Grenze hinter sich haben.

Nachdem die Pferde gesattelt waren, steckte er die Pistolen in die Wagentaschen, öffnete das Straßengitterthor, um nicht mehr von seinem Sitze herabsteigen zu müssen und stieg aus, um den Koffer hinaufzuziehen.

Der Koffer war furchtbar schwer, Herr Gérard machte einige Versuche ihn auf seine Schulter zu laden; aber er sah ein, daß es unnütze Arbeit sei.

Er entschloß sich daher, ihn mach sich zu ziehen.

In dem Augenblicke jedoch, wo er sich herabbeugte, um ihn an dem Handgriffe zu fassen, glaubte er auf der Seite der Treppe ein leises Geräusch zuhören, wie das eines Kleides.

Er drehte sieh rasch um.

Unter der dunkeln Einfassung der Thüre war eine weiße Gestalt erschienen.

Die Thüre bildete die Nische; die weiße Gestalt die Statue.

Was sollte diese Erscheinung bedenken?

Was es auch sein mochte, Herr Gérard schauerte vor ihr zurück.

Die Erscheinung schien ihre Füße mühsam vom Boden aufzuheben und machte zwei Schritte vorwärts.

Wenn nicht die gemeine Gestalt des Mörders zugegen gewesen, hätte man glauben können, einer Vorstellung des Don Juan anzuwohnen, und zwar in dem Augenblicke, wo der Cemthur mit stummen Schritten über die Platten des Festsaales hinschreitend, seinen erschrockenen Wirth vor sich zurückschauern macht.

»Wer da?« fragte endlich Herr Gérard, dessen Zähne vor Schrecken klapperten.

»Ich,« antwortete das-Phantom mit einer so ernsten Stimme, daß sie aus der Tiefe eines Grabes zukommen schien.

»Sie?« fragte Herr Gérard, mit vorgestrecktem Halse und starrem Auge, indem er den Neuankömmling zu erkennen suchte, ohne daß es ihm gelungen wäre, einen so dichten Schleier wars der Schrecken über seinen Blicke, wer sind Sie?«

Das Phantom antwortete nicht, sondern machte abermals zwei Schritte vorwärts und in den Lichtkreis der Kerze tretend, senkte er seine Kapuze.

Es war wirklich ein Phantom; nie hatte sich verzehrende Magerkeit so despotisch keines menschlichen Geschöpfes bemächtigt; nie war eine leichenhaftete Blässe über ein menschliches Gesicht ergossen.

»Der Mönch!« rief der Mörder in demselben Tone, als hätte er gesagt: »Ich bin des Todes!«

»Ah! Sie erkennen mich endlich!« sagte der Abbé Dominique.«

»Ja . . . ja . . . ja . . . ich erkenne Sie,« stotterte Herr Gérard.

Aber die offenbare Schwache des Mönches und die demüthige und fromme Sendung, die, er auf Erden zu erfüllen hatte, in’s Auge fassend, gewann er wieder einigen Muth.

»Was wollen Sie von mir?«

»Ich will es Ihnen sagen,« antwortete sanft der Abbé.

»Nicht in diesem Augenblick.« sagte Herr Gérard; »morgen . . . übermorgen.«

»Weßhalb nicht sogleich?«

»Weil ich Paris für vierundzwanzig Stunden verlasse, weil ich große Eile habe und meine Abreise nicht einen Moment verschieben kann.«

»Sie müssen mich aber hören,« sagte der Mönch in festem Tone.

»Ein andermal. aber nicht heute, nicht diesen Abend, nicht in diesem Augenblicke.«

Und Herr Gérard nahm seinen Koffer; er machte zwei Schritte, indem er ihn nach sich zog und nach der Thüre ging.

Der Mönch wich zurück, indem er dadurch die Thüre mit seinem Körper schloß.

»Sie werden nicht vorüberkommen!« sagte er.

»Lassen Sie mich durch!« heulte der Mörder.

»Nein,« sagte der Mönch mit ruhiger aber fester, Stimme.

Herr Gérard begriff, daß zwischen ihm und diesem lebendigen Phantome eine furchtbare Scene im Anzuge sei.

Er richtete den Blick aus den Platz, wo gewöhnlich seine Pistolen aufgehängt waren.

Er hatte sie so eben weggenommen und in die Taschen der Kalesche gesteckt.

Er sah sich um, ob er nicht irgendwo eine Waffe entdeckte, die zur Hand wäre.

Nirgends war etwas zu sehen.

Er wühlte convulsivisch in den Taschen, um dort ein Messer zu finden.

Nichts.

»Ja, nicht wahr?« sagte der Mönch. »Sie würden mich morden, wie Sie meinen Neffen gemordet! aber hatten Sie auch eine Waffe, Sie würden mich dennoch nicht morden! Gott will, daß ich lebe!«

Als er dies starre Gesicht sah, diese feierliche Stimme hörte, fühlte Herr Gérard, daß sich sein erster Schrecken wieder seiner bemeisterte.

»Und jetzt,« sagte der Mönch, »wollen Sie mich hören?«

»So sprechen Sich.« sagte Herr Gérard, mit den Zähnen knirschend.

»Ich komme zum letzten Male,« sagte der Mönch mit düsterem Tone, »um Sie um Erlaubnis zu bitten, Ihre Beichte bekannt machen zu dürfen.«

»Aber das ist mein Tod, was Sie von mir verlangen! das heißt mich an der Hand aus das Schaffot führen! – Nie, nie! —«

»Nein, ich fordere nicht Ihren Tod; denn sobald Sie diese Erlaubnis gegeben, die mich meines Gelübdes entbindet, lasse ich Sie frei.«

»Ja, und hinter mir werden Sie mich denunzieren, hinter mir lassen Sie den Telegraphen, spielen und ich bin noch nicht zehn Stunden entfernt, so werde ich arretiert! . . . Nie! Nie!«

»Ich gebe Ihnen mein Wort, mein Herr und Sie wissen ob ich Sclave meines Wortes bin – daß ich erst morgen Mittag von meiner Erlaubnis Gebrauch machen werde.«

»Nein, nein, nein!« wiederholte Herr Gérard, indem er sich durch das Ungestüm seiner Weigerung Muth zu machen suchte.

»Morgen Mittag können Sie Frankreich verlassen haben.«

»Und wenn Sie die Auslieferung verlangen?«

»Ich werde Sie nicht verlangen. ich bin ein Mann des Friedens, mein Herr; ich verlange, daß der Sünder bereue, nicht daß er bestraft werde. Ich will nicht, daß Sie sterben, sondern daß mein Vater am Leben bleibe.«

»Nie! nie!« stammelte der Mörder.

»O, das ist furchtbar!« sagte der Abbé Dominique, als wenn er mit sich selbst spräche. »Aber Sie hören ja nicht, Sie begreifen meine Worte nicht, Sie sehen meinen Schmerz nicht? Sie wissen nicht, daß ich achthundert Stunden zu Fuße gemacht, daß ich in Rom war und daß ich hierher zurückkehrte, um von dem heiligen Vater das Recht zu erhalten, Ihre Beichte zu enthüllen und . . . daß ich es nicht erhalten? . . . «

Herr Gérard hatte geglaubt, er fühle den Flügel des Todes über sich wehen, aber diesmal noch entfernte sich der Flügel, ohne seine Stirne zu berühren.«

Sein Haupt, das sich einen Augenblick gebeugt, hob sich wieder.

»O! Sie wissen,« sagte er, »die Verpflichtung, die Sie gegenüber von mir übernommen, ist eine formelle. Nach meinem Tode, ja! aber so lange ich lebe, nein! . . . «

Der Mönch schauerte und wiederholte mechanisch:

»Nach seinem Tode, ja! aber so lange er lebt nein! . . . «

»So lassen Sie mich jetzt vorbei,« Versetzte Herr Gérard, »da Sie nichts über mich vermögen.«

»Mein Herr,« sagte der Mönch, indem er seine beiden weißen Arme ausbreitete, um ihm die Thüre zu versperren, was ihm das Aussehen eines Cruzifixes gab, von dem er schon die Blässe hatte, »Wissen Sie, daß die Execution meines Vaters auf morgen um vier Uhr anberaumt ist?«

Herr Gérard antwortete nicht,

»Wissen Sie, daß ich in Lyon durch die Anstrengung krank lag? Wissen Sie, daß ich glaubte sterben zu müssen? Wissen Sie, daß ich, da ich das Gelübde that, den ganzen Weg zu Fuß zu machen und ich erst vor acht Tagen wieder ausbrechen konnte, heute beinahe zwanzig Stunden machte?«

Herr Gérard beharrte auf seinem Schweigen.

»Wissen Sie,« fuhr der Mönch fort, »daß ich all das als frommer Sohn gethan, ebenso sehr um Ehre als um das Leben meines Vaters zu retten? Wissen Sie, daß, je mehr die Hindernisse sich vor mir aufthürmten, ich den Schwur that, kein Hinderniß soll mich davon abbringen, meinen Vater zu retten? Wissen Sie, daß ich nach diesem furchtbaren Schwur, während ich Ihr Gitter geschlossen finden konnte, ich dasselbe offen fand; daß, während ich Sie abwesend finden konnte, ich Sie anwesend finde; daß, während ich Sie nie wieder finden konnte, ich Ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehe? Sehen Sie nicht die Hand Gottes in allen diesen Dingen, mein Herr?«

»Ich sehe im Gegentheil, daß Gott nicht will, daß ich gestraft werde. Mönch, weil die Religion Dir verbietet, meine Beichte zu enthüllen und daß Du umsonst in Rom warst, eine Dispensation vom Papste zu erlangen!«

Und mit einer drohenden Bewegung. welche andeutete, daß er ins Ermangelung von Waffen sich handgemein zu machen entschlossen sei, fügte er hinzu:

»Lassen Sie mich durch!«

Aber der Mönch streckte von Neuem die Arme aus, um die Thüre für ihn zu schließen und sagte dann in demselben ruhigen und festen Tone:

»Mein Herr, glauben Sie, daß ich, um Sie zu überreden, alle Worte, alle Bitten verschwendet habe, die im Herzen eines Menschen ein Echo finden können? Glauben Sie, daß es ein Mittel gibt, meinen Vater zu retten, außer dem welches ich Ihnen vorgeschlagen? Wenn es eines gibt. sagen Sie es, ich verlange nicht mehr, als es anwenden zu dürfen – sollte auch mein Leib auf dieser Erde, meine Seele in jener Welt dabei verloren gehen! – O! wenn Sie eines wissen, sagen Sie es, sagen Sie es, ich werfe mich zu Ihren Füßen, um Sie zu bitten, meinen Vater zu retten . . . «

Und der Mönch fiel auf die Kniee, indem er mit bittendem Blicke die Hände ausstreckte.

»Ich kenne keines,« sagte der Elende in seiner Unverschämtheit; lassen Sie mich durch!«

»Ich kenne eines,« sagte der Mönch, »Gott verzeihe mir, daß ich es anwende . . . Da ich Deine Beichte erst nach Deinem Tode enthüllen darf, so stirb.«

Und indem er ein Messer aus seinem Busen zog, stieß er es in das Herz des Mörders.

Herr Gérard gab keinen Laut von sich.

Er stürzte todt zu Boden.

Der Abbé Dominique erhob sich, trat zu der Leiche hin und sah, daß alles Leben aus ihr gewichen war.

»Mein Gott!i« sagte er, »sei seiner Seele gnädig, und vergebe ihm im Himmel, wie ich ihm auf Erden vergebe.«

Dann das blutige Messer in seinen Busen steckend, verließ er das Zimmer, ohne sich umzusehen, stieg die Treppe hinab, schritt langsam durch den Park und verließ ihn durch das Gitterthor, durch welches er hereingekommen.

Der Himmel war ruhig, die Nacht heiter, der Mond glänzte wie eine Topaskugel, die Sterne funkelten wie Diamanten.

XC
Wo der König sich nicht amüsiert!

Wie gesagt, es war eine Soirée das heißt ein Fest im Schlosse von Saint Cloud.

Ein trauriges Fest.

Die gewöhnlich traurigem verdrießlichen und sauertöpfischen Gesichter der Herren de Villéle, de Corbière, de Damas, de Chabrol, de Doudeauville und des Marschalls Qudinos – obgleich das lächelnde und zufriedene Gesicht des Herrn de Peyronnet ihnen als Gegengewicht diente – waren nicht geeignet, eine ausnehmende Heiterkeit zu unterhalten; aber auch die Physiognomie der übrigen Höflinge war in jener Nacht von einer weit ausdrucksvolleren Melancholie denn gewöhnlich; die Unruhe lag in ihren Blicken, ihren Worten, ihren Geberden, ihrer Haltung, in ihren geringsten Bewegungen ausgesprochen. Sie sahen sich unter einander an, als wenn sie sich fragen wollten, was man thun sollte, um aus der schlimmen Lage heraus zu kommen, in der sich die ganze Welt befinde.

Karl X. in der Uniform eines Generals, den blauen Cordon über der Schulter, den Degen an der Seite, ging melancholisch von Saal zu Saal, indem er auf die Zeichen des Respektes, welche sein Vorüberkommen veranlaßte, mit einem nichtssagenden Lächeln, einem zerstreuten Gruße antwortete.

Von Zeit zu.Zeit näherte er sich einem Fenster und sah mit der größten Aufmerksamkeit hinaus. Wonach sah er?«

Er betrachtete den hellen Himmel dieser schönen Nacht und schien seine königliche, aber traurige Soirée mit dem glänzenden und heitern Fest zu vergleichen, das der Mond den Sternen gab – natürlich zum Nachtheil der Ersteren.

Von Zeit zu Zeit stieß er einen tiefen Seufzer aus, ganz als wenn er allein in seinem Schlafzimmer wäre und statt Charles X. Louis XIII. Hieße.

Woran dachte er?

An das traurige Resultat der Kammersitzung von 1827? an das ungerechte Gesetz gegen die Presse? An die Beschimpfung der irdischen Ueberreste des Herrn de la Rochefoucauld-Liancourt? An die Beschimpfungen, die er bei der Revue auf dem Marsfelde hatte erleben müssen? An die Frechheit der Nationalgarde und an die Gährung, die davon die Folge warst An das Gesetz über die Geschworenenliste oder an das Gesetz über die Wahllisten, die Paris in so große Aufregung versetzten? An die Consequenzen der Auflösung der Deputirtenkammer oder an die Wiedereinsetzung der Censur? An diese neue Uebertretung der Versprechungen, welche in Paris so großes Aufsehen machte und die Bevölkerung in fieberhafte Bestürzung versetzt hatte? An das Todesurtheil des Herrn Sarranti endlich, den man den andern Tag hinrichten wollte und der, wie wir aus dem Gespräche zwischen Salvator und Herrn Jackal ersehen, die Hauptstadt in so große Aufregung versetzen konnte?

Nein.

Was König Karl X. beschäftigte, beunruhigte und traurig wachte, war eine letzte schwarze Wolke, welche von dem Gewitter zurückgeblieben und die weiße Stirne des Mondes verdunkelte.

Es war das vorübergezogene Gewitter, dessen Wiederkehr er fürchtete.

Es war für den andern Tag großes Treibjagen im Walde von Compiegne angeordnet und Seine Majestät Karl X., der, wie Jedermann weiß, der größte Jäger vor Gott war, welcher seit Nimrod erschienen, seufzte tief bei dem Gedanken, daß die Jagd unmöglich gemacht oder wenigstens durch das schlechte Wetter beeinträchtigt werden könnte.

»Verteufelte Wolke!« brummte er vor sich hin; »verfluchter Mond!« murmelte er dumpf.

Und bei diesem Gedanken falten sich so traurig seine olympische Stirne, daß die Höflinge sich leise fragten:

»Wissen Sie, was Seiner Majestät ist?«

»Haben Sie keine Ahnung, was Seiner Majestät fehlen mag?«

»Freilich!« sagte man sich, »Manuel ist todt! Aber dieser für die Opposition schmerzliche Tod ist für die Monarchie kein Unglück, das den König so sehr beschäftigen dürfte!«

»Es ist nur ein Franzose weniger in Frankreich!« fügte man, das ächte nationale Wort Karl X. bei seinem Einzuge in Paris: »Es ist nur ein Franzose mehr in Frankreich!« parodierend, hinzu.

»Freilich,« sagte man sich ferner; »wird morgen Herr Sarranti hingerichtet, der, wie man versichert, weder des Diebstahls, noch des Mordes fähig ist, dessen man ihn anklagt; aber wenn er auch kein Dieb ist noch Mörder ist, so ist er, was noch viel schlimmer, ein Bonapartist und wenn er auf der einen Seite auch nur den halben Tod verdient hat, so hat er sicher auf der andern Seite den dreifachen Tod verdient! Darin läge also kein Grund, die erhabene Stirne Seiner Majestät zu furchen.«

In diesem Augenblicke, während eine so tödtliche Unruhe sich unter den Anwesenden zu verbreiten begann, daß sie die Flucht zu ergreifen dachten, stieß der König, der noch immer an eine der Scheiben des Fensters gelehnt war, einen so ausdruckssvollen Freudenschrei aus, daß er wie ein electrischer Funken in die Brust jedes Umstehenden strömte und von Saal zu Saal sich verbreitend, sich bis in die Vorzimmer erstreckte.

»Seine Majestät amüsiert sich,« sagte die Menge, deren gepreßter Athem wieder frei wurde.

Und wirklich der König amüsierte sich ganz außerordentlich.

Die schwarze Wolke, welche den Mond verdunkelte, ohne total zu verschwinden, hatte den Platz verlassen, den sie schon so lange einnahm und ging, von zwei Luftströmungen hin und her geworfen, mit der Anmuth eines Federballs zwischen zwei Raketen, von Ost nach West und von West nach Ost.

Das war es, was Seine Majestät so heiter machte; dieses Schauspiel war’s, das ihn zu dem freudigen Ausruf veranlaßt hatte, der das Herz der Höflinge beruhigte.

Aber sein Glück, – das Glück ist nicht für Sterbliche gemacht – sein Glück war sehr kurz.

Während der Himmel sich aufhellte, verdunkelte sich die Erde.

Man meldete den Polizeipräfecten.

Der Polizeipräfect trat mit noch finsterem Blicke als der Blick des Königs je gewesen, ein.

Er ging gerade auf den König zu und sagte, sich mit dem Respekt vorbeugend, den die doppelte Majestät des Alters und des Ranges verlangten:

»Sire, ich habe die Ehre, Angesichts der Bedenklichkeit der Umstände, vom Könige die Erlaubnis zu erbitten, alle Maßregeln ergreifen zu dürfen, welche die wichtigen Ereignisse fordern, deren Schauplatz die Hauptstadt morgen vielleicht sein wird.«

»Wodurch sind die Umstände bedenklich und von welchen Ereignissen wollen Sie sprechen?« fragte der König, der nicht begreifen konnte, daß in diesem Augenblicke auf dem Globus etwas Interessanteres geschehen konnte, als was zwischen dem Monde, der schwarzen Wolke und den beiden Luftströmungen vor sich ging.

»Sire, sagte Herr Delavau, »ich sage Eurer Majestät nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, daß Manuel todt ist.«

»Ich weiß es allerdings,« unterbrach ihn Karl X. Ungeduldig; »er war ein Mann von großem Verdienste, wie man mich versichert; aber wie man mich zu gleicher Zeit versichert, war er ein Revolutionär und dieser Tod braucht uns also nicht so ernstlich zu grämen.«

»Der Tod Manuels betrübt oder erschreckt mich auch nicht in dieser Richtung.«

»In welcher denn? Sprechen Sie, Herr Präfect.«

»Der König erinnert sich, fuhr dieser fort, »jener bedauerlichen Scenen, zu denen das Leichenbegängniß des Herrn La Rochefoucauld Liancourt Veranlassung gab, oder vielmehr der Vormund wurde?«

»Ich erinnere mich,« sagte der König. »Es ist noch nicht so lange her, seit jene Dinge geschehen, daß ich sie schon vergessen haben sollte.«

»Jene unglücklichen Ereignisse« fuhr der Präfect fort, »haben in der Kammer eine Aufregung hervorgerufen, welche sich einem bedeutenden Theile Ihrer guten Stadt Paris mittheilte.«

»Meiner guten Stadt Paris! . . . meiner guten Stadt Paris!« murmelte der König. »Nun. Fahren Sie fort.«

»Die Kammer . . . «

»Die Kammer ist aufgelöst, Herr Präfect. Sprechen wir nicht weiter von ihr.«

»Gut!« sagte der Präfect etwas entmuthigt; »aber gerade, weil sie aufgelöst ist und wir uns nicht mehr auf sie stützen können, erbitte ich mir unmittelbar vom Könige die Erlaubnis, Paris in Belagerungszustand erklären zu dürfen, um den Ereignissen vorzubeugen, welche das Begräbniß Manuels hervorrufen könnte.«

Nun schien der König den Worten des Polizeipräfecten eine lebhaftere Aufmerksamkeit zu schenken und in etwas unruhigem Tone fragte er ihn:

»Die Gefahr ist also so drohend, Herr Präfect?«

»Ja, Sire,« antwortete mit fester Stimme Herr Delavau, dessen Muth in gleichem Grade wuchs, in welchem er die Unruhe auf der Stirne des Königs sich steigern sah.

»Erklären Sie sich,« sagte Karl X.

Dann sich an die Minister wendend, fuhr er fort, indem er ihnen das Zeichen gab, ihm zu folgen:

»Kommen Sie, meine Herren.«

Er führte sie in eine Fenstervertiefung und sagte dann, als er mit ihnen dort angekommen und den Conseil nahezu vollständig sah, abermals zum Präfecten:

»Erklären Sie sich.«

»Sire,« begann dieser, »wenn ich nur das Leichenbegängniß Manuels zu fürchten hätte, so würde ich den König nicht mit meinen Besorgnissen belästigen, denn wenn man das Begräbnis auf Mittag ankündigte und die Leiche um sieben oder acht Uhr des Morgens fort bringen ließe, so hätte man leichtes Spiel mit der Gährung des Volks; aber der König möge bedenken, daß wenn es schon schwer ist eine revolutionäre Bewegung zu unterdrücken, es sozusagen unmöglich ist, ihrer Herr- zu werden, wenn mit dieser ersten Bewegung sich eine zweite verbindet.«

»Und von welcher Bewegung sprechen Sie?« fragte der König erstaunt.

»Von einer bonapartistischen Bewegung, Sire, antwortete der Polizeipräfect.

»Phantom!« rief der König, »ein Ammenmährchen. mit dem man Frauen und Kinder schreckt! Der Bonapartismus hat seine Zeit gehabt, er hat mit Herrn von Bonaparte ausgespielt; sprechen wir also davon so wenig, als von den Agitationen der Kammer, die auch ausgespielt hat. Requiescat in pace!«

»Erlauben Sie mir, auf meiner Bitte zu beharren. Sire;« sagte der Präfect fest. »Die bonapartistische Partei lebt so gut, daß sie seit einem Monat alle Waffenläden ausgeplündert hat, und die Waffenfabriken von Saint Etienne und Lüttich für ihre Rechnung arbeiten.«

»Was sagen Sie mir da?« . . . fragte der König erstaunt.

»Die Wahrheit, Sire.«

»Sprechen Sie sich deutlicher und umständlicher darüber aus,« sagte der König.

»Sire, morgen wird Herr Sarranti hingerichtet.

»Herr Sarranti? . . . warten Sie.« sagte der Königin seinem Gedächtniß suchend, »ich habe auf die Bitte eines Mönches diesem Verurtheilten etwas wie eine Gnade zu Theil werden lassen.«

»Auf die Bitte seines Sohnes, der Sie um eine Frist von drei Monaten ersuchte, um nach Rom reisen zu können, von wo er die Beweise der Unschuld seines Vaters bringen wollte, haben Sie ihm einen Aufschub gewährt.«

»Ganz richtig.«

»Die drei Monate, Sire, gehen heute zu Ende und in Folge der Befehle, die ich erhaltene soll die Hinrichtung morgen stattfinden.«

»Jener Mönch schien mir ein würdiger junger Mann,« sagte der König nachdenklich, »und war von der Unschuld seines Vaters sehr überzeugt.«

»Ja, Sire; aber er hat sie nicht bewiesen, er ist sogar noch nicht mal wiedergekehrt.«

»Und morgen ist der letzte von ihm geforderte, von mir gewährte Tag?«

»Morgen, ja, Sire.«

»Fahren Sie fort.«

»Nun gut, einer der dem Kaiser ergebensten Männer, der, welcher sogar den König von Rom entführen wollte, hat seit acht Tagen mehr als eine Million aufgewendet, um Herrn Sarranti, seinen Waffengefährten und Freund, zu retten.«

»Glauben Sie, mein Herr,« fragte Karl X., »daß ein Mensch, der wirklich ein Dieb und ein Meuchelmörder wäre, solche Liebe einzuflößen im Stande sein könnte?«

»Sire, er wurde verurtheilt.«

»Wohl,« sagte Karl X. »Und Sie wissen, über welche Kräfte der General Lebastard de Premont verfügt?«

»Über eine beträchtliche Macht, Sire.«

»Nun gut, so stellen Sie ihm eine doppelte, dreifache, vierfache entgegen.«

»Diese Maßregeln sind getroffen, Sire.«

»Was fürchten Sie dann.?« fragte der König ungeduldig und den Himmel durch die Fensterscheiben betrachtend.

Die Wolke war gänzlich verschwunden; das Gesicht des Königs klärte sich mit dem Hellwerden des Himmels auf.

»Was ich fürchte, Sire,« fuhr der Polizeipräfect fort, »das ist das Zusammentreffen des Leichenbegängnisses von Manuel und der Hinrichtung des Herrn Sarranti; es entsteht dadurch eine Verbindung der Bonapartisten und Jacobiner; das Ansehen ferner, das beide Männer bei beiden Parteien genießen; endlich die verschiedenen beunruhigenden Symptome, wie die Aufhebung und das Verschwinden eines der geschicktesten und ergebensten Agenten Eurer Majestät.«

»Wer wurde aufgehoben?« fragte der König.

»Herr Jackal, Sire.«

»Wie?« fragte der König bestürzt, »man hat Herrn Jackal entführt?«

»Ja, Sire.«

»Wann?«

»Vor ungefähr drei Stunden, Sire, auf dem Wege von Paris nach Saint Cloud, als er sich nach dem Palais des Königs begab, um mit mir und dem Justizminister über neue Thatsachen zu conferiren, die, wie es scheint, zu seiner Kenntniß gekommen. Ich habe deßhalb die Ehre, Sire,« fuhr der Polizeipräfect fort, indem er sein Gespräch wieder aufnahm, »Sie zu bitten, um unberechenbarem Unfuge vorzubeugen, Paris in Belagerungszustand zu erklären.«

Der König schüttelte den Kopf«I ohne zu antworten.«

Als die Minister sahen, daß der König nicht antwortete. schwiegen auch sie.

Der König antwortete aus zweierlei Gründen nicht.

Erstens schien ihm die Maßregel eine sehr ernste.

Dann erinnert man sich des schönen Treibjagen von Compiegne, das schon seit drei Tagen angesagt war und auf das sich der König so sehr freute; es war schwierig mit großem Lärm zu jagen an einem Tage, wo man Paris in Belagerungszustand setzte.

König Karl X. kannte die Oppositionsjournale und wußte wohl, daß sie nicht schweigen würden, wenn sich eine so gute Gelegenheit zu sprechen böte.