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Czytaj książkę: «Salvator», strona 26

Czcionka:

XIV
Discussion in Betreff eines Menschen und eines Pferdes

Wir verlassen Salvator und den General unten an der Freitreppe und in dem Augenblicke, wo sie sich, Brasil voran, nach dem Teiche wenden; ihnen folgen hieße, wie man leicht begreift, uns auf einem Wege vertiefen, den wir schon ausgekundschaftet haben.

Werfen wir zuerst einen Blick auf Justin und auf Mina,; dieser Blick wird uns ganz natürlich zu Herrn Lorédan von Valgeneuse zurückführen.

Als sie den Pistolenschuß hörten, blieben Justin und Mina, welche schon um zu fliehen ein paar Schritte querfeldein gemacht hatten, stehen; und während Mina, im Korne knieend, zu Gott betete, er möge Salvator vor jedem Uebel bewahren, klammerte sich Justin mit einem Sprunge an die Mauer an und wohnte dem Kampfe bei, der mit der Festnahme von Lorédan endigte.

Die zwei jungen Leute konnten also noch von fern das Pferd sehen, das, von den zwei Mohicanern geführt, Herrn von Valgeneuse wegbrachte. Sie schlossen sich fest an einander an, als sähen sie, nachdem sie den Donner lange über ihren Häuptern rollen gehört, endlich den Blitz hundert Schritte von sich einschlagen.

Sie verbeugten sich zum Zeichen des Dankes und sprachen zwischen zwei Küssen den Namen Salvator aus alsdann entflohen sie, die schmalen Pfade suchend, wo sie den Fuß aufsetzen sollten, aus Furcht, die Kornblumen zu zertreten. Sie hatten eine Religion für diese reizende Blume der Felder, denn man erinnert sich, daß in einer Frühlingsnacht ähnlich der, deren durchsichtige Flügel um sie schauerten, Justin in einem Acker von Kornblumen und Feldmohn Mina entschlummert unter dem wachsamen Auge des Mondes, wie die kleine Fee der Ernte, gefunden hatte.

Auf einem etwas breiteren Pfade angelangt, konnten sie sich beim Arme nehmen und neben einander gehen; nach einigen Minuten befanden sie sich vor der Dickung, wo der Wagen verborgen stand.

Bernard erkannte Justin, und als er ihn in Begleitung eines Mädchens sah, fing er an das wahre Wort des Dramas, in welchem er eine Rolle spielte, zu begreifen. Er nahm ehrerbietig seinen mit Bändern geschmückten Hut ab, und sobald sich das Mädchen und sein Geliebter bequem in der Caleche festgesetzt hatten, machte er jenes Zeichen des Verständnisses, welches bedeutet: »Und nun, wohin gehen wir?«

»Straße nach dem Norden!« antwortete Justin.

Bernard schlug wieder den Weg ein, den er schon gemacht hatte, und der Wagen verschwand bald auf der Straße von Paris, die man ganz, von der Barrière de Fontainebleau bis zur Barrière de la Vilette, durchfahren mußte.

Wünschen wir eine glückliche Reise den zwei Kindern, lassen wir sie einander in ihre Herzen alle Freuden und alle Traurigkeiten ergießen, wovon das Herz von Jedem voll ist, und kehren wir zum Gefangenen zurück.

Herr von Valgeneuse in die Hütte eintreten machen war nicht die Schwierigkeit, welche die zwei Wächter aufhielt und sie träumerisch vor der Thüre verweilen ließ; wie aber das Pferd hineinbringen?

Die Hütte bestand aus einem einfachen Erdgeschoße von fünfzehn Fuß Länge und zwölf Breite, ohne Stall und Schoppen. Drei Menschen und ein Pferd wären in einem solchen Raume gewiß sehr beengt gewesen.

»Teufel!« rief Jean Taureau, »daran dachten wir nicht.«

»Und Herr Salvator auch nicht,« erwiderte Toussaint.

»Dummkopf!« versetzte Jean Taureau, »wie hätte er daran denken sollen?«

»Gut! denkt er nicht an Alles?«

»Da er nicht daran gedacht hat, so wollen wir daran denken,« sprach Jean Taureau.

»Denken wir daran,« sagte Toussaint.

Sie dachten daran; doch die Einbildungskraft war nicht der glänzendste Theil der zwei wackeren Leute.

»Im Ganzen ist der Fluß nicht fern,« bemerkte Jean Taureau nach einem Augenblicke der Ueberlegung.

»Wie, der Fluß?«

»Gewiß!«

»Das Pferd ersäufen?«

»Das Pferd eines bösen Menschen!« sagte Jean Taureau mit Verachtung.

»Das Pferd eines bösen Menschen kann ein sehr redliches Pferd sein!« erwiderte sententiös Toussaint-Louverture.

»Das ist wahr . . . doch was thun?«

»Wenn wir es in die Auberge de la Grâce-de-Dieu führen würden?«

»Wie dumm bist Du, selbst für einen Auvergnat!«

»Du glaubst?«

»Begreife doch: der Wirth von der Grâce-de-Dieu wird, sieht er ihm Toussaint-Louverture oder Jean Taureau ein Herrenpferd bringen, fragen, wo der Herr des Pferdes sei. Was wirst Du ihm antworten? . . . Sprich, sprich! Hast Du ihm etwas zu antworten, so nimm das Pferd und führe es zur Grâce-de-Dieu.«

Toussaint schüttelte den Kopf.

»Ich habe nichts zu sagen,« erwiderte er.

»Dann schweige.«

»Das thue ich.«

Und Toussaint schwieg.

Es erfolgte ein neues Stillschweigen von einer Minute, das Jean Taureau zuerst brach.

»Höre, willst Du Eines thun?« sagte er zu Toussaint.

»Gewiß will ich es thun, wenn es thunlich ist.«

»Schaffen wir zuerst den Particulier ins Haus hinein.«

»Ist er einmal am Orte seiner Bestimmung, so nehme ich ihn auf mich.«

»Ich würde ihn auch wohl auf mich nehmen, bei Gott! nicht er setzt uns in Verlegenheit, sondern sein Pferd.«

»Bringe mich nicht aus der Fassung!«

»Gut! nun bringe ich ihn aus der Fassung!«

»Ist der Particulier einmal im Hause, so übernimmst Du das Pferd!«

»Ich übernehme es? . . . Nein, ich übernehme es nicht, da ich nicht weiß, was ich damit thun soll!«

»Warte doch! . . . Du übernimmst das Pferd und führst es zurück . . . «

»Wohin?«

»Nach dem Schlosse Viry, verstehst Du?«

»Halt! das ist im Ganzen wahr.«

»Du hättest nie hieran gedacht!« sagte Jean Taureau, ganz stolz auf seine Einbildungskraft.

»Nein.«

»Und Du findest den Gedanken gut?«

»Vortrefflich!«

»So machen wir den Particulier los,« sagte Jean Taureau.

»Machen wir den Particulier los,« erwiderte Toussaint-Louverture, der nur durch die Augen seines Freundes sah.

»Doch nein!«

»Machen wir ihn also nicht los.«

»Doch ja!«

»Ah! ich verstehe nicht mehr,« sagte Toussaint-Louverture, der sich nicht länger den Kopf zerbrach.

»Was Teufels brauchst Du denn zu verstehen?«

»Aber . . . um zu arbeiten . . . «

»Begnüge Dich damit, daß Du das Pferd hältst.«

»Ja.«

»Du sagst: »»Machen wir ihn los;«« gut! machen wir ihn mit einander los, so hält Niemand mehr das Pferd.«

»Das ist wahr.«

»Ist der Particulier losgebunden, so verhindert nichts das Pferd, wegzugehen.«

»Das ist abermals wahr.«

»Machen wir ihn also nicht los . . . Ich mache ihn allein los, und Du hältst mittlerweile den Vierfüßigen.«

Vorwärts!« sagte Toussaint, indem er das Gebiß des Pferdes ergriff.

Jean Taureau fing damit an, daß er an die Weide ging, den Schlüssel daraus nahm und die Thüre der Hütte öffnete; sodann, da er gern klar bei der Sache sah, steckte er eine kleine Lampe an.

Sobald diese Vorbereitungen beendigt waren, band er den Gefangenen los und hob ihn herab, wie es ein Kind mit seinem Polichinelle thut.

»Nun, in Rotten links!« sagte Jean Taureau zu Toussaint, indeß er den Grafen ins Innere der Hütte trug.

Toussaint ließ sich den Befehl nicht zweimal wiederholen; ehe ihm sein Freund den Rücken zugewendet hatte, saß er auf dem Pferde, und war mit derselben Geschwindigkeit abgegangen, als hätte er den Preis der Stadt Paris am Ende des Rennens bekommen.

Als er an das Gitter des Schlosses kam, fand er es wieder geschlossen; er schickte sich an, die Mauer zu ersteigen, da machte sich das Knurren eines Hundes hörbar, und Brasil legte seine beiden Pfoten auf die eiserne Querstange.

»Gut!« sagte Toussaint in jenem auvergnatischen Patois, das Jean Taureau verachtete, »ist Roland hier, so kann Herr Salvator nicht fern sein.«

In der That, fast in demselben Augenblicke glänzte ein Licht.

»Ah! ah!« rief eine Stimme, »Du bist es, Toussaint?«

»Ja, Herr Salvator, ich bin es,« antwortete Toussaint ganz freudig. »Ich bringe Ihnen das Pferd zurück.«

»Und der Mensch?«

»Ah! der Mensch ist in Sicherheit, denn er ist in den Händen von Jean Taureau. In jedem Falle, – seien Sie unbesorgt, – kehre ich dorthin zurück, Herr Salvator! Vier Hände sind mehr werth als zwei.«

Und die Sorge, das Pferd in seinen Stall zurückzuführen, Salvator überlassend, ging Toussaint, sagen wir es zu seinem Lobe, mit einem solchen Schritte wieder ab, daß, wie er den Preis des Pferderennens streitig zu machen geschienen hatte, den Preis des Rennens zu Fuße hätte streitig machen können.

XV
Wo Herr von Valgeneuse Gefahr läuft, und Jean Taureau Angst hat

Sehen wir, was in der Hütte am Rande des Wassers während der Abwesenheit von Toussaint vorgefallen war.

Jean Taureau, nachdem er Lorédan von Valgeneuse in die Stube gebracht hatte, legte ihn provisorisch, gebunden wie eine Mumie, wie er war, aus einen langen nußbaumenen Tisch, der die Mitte der Stube einnahm und mit dem halb in eine Art von Alcoven zurückgeschobenen Bette das Hauptmeuble derselben bildete.

So gesehen, steif und ohne Bewegung, glich Herr von Valgeneuse einem Leichname, den man aus dem Tische eines Amphitheaters zu seciren im Begriffe ist.

»Werden Sie nicht ungeduldig, mein edler Herr,« sagte Jean Taureau: »lassen Sie mir nur die Zeit, die Thüre zu schließen und einen Ihrer würdigen Sitz zu finden, und ich gebe Sie einer Halbfreiheit zurück.«

So sprechend, schloß Jean Taureau die Thüre mit dem Riegel und suchte nach seinem Ausdrucke, einen seines hohen Gefangenen würdigen Sitz.

Herr von Valgeneuse antwortete nicht: doch Jean Taureau gab nicht Acht auf sein Stillschweigen, das er Anfangs natürlich fand.

Während er mit dem Fuße einen hinkenden Schemel, der melancholisch in einer Ecke der Stube stand, an sich zog, fuhr Jean Taureau fort:

»Bei meiner Treue, mein junger Herr, wir sind hier nicht im Palaste der Tuilerien, und man muß sich mit diesem Gegenstande da begnügen.«

Er rückte den Schämel an die Wand, legte einen Pfropf unter den zu kurzen Fuß, wie man einen Absatz einem Schuh beifügt, um ein Bein zu verlängern, und kam zu dem Gefangenen zurück, der immer unbeweglich aus seinem Tische lag.

Er nahm ihm zuerst den Knebel ab.

»So!« sagte er, »das wird Ihnen ein wenig athmen helfen!«

Doch zum großen Erstaunen von Jean Taureau ließ der Graf nicht das geräuschvolle Athmen vernehmen, das jeder Mensch, der seine Freiheit oder wenigstens den Gebrauch der Sprache wiedererlangt, hören läßt.

»Nun, mein edler Herr,« sagte der Zimmermann mit seinem sanftesten Tone.

Lorédan antwortete aber nicht.

»Wir schmollen, Herr Graf?« fragte Jean Taureau, der die Stricke von den Armen loszubinden anfing.

Der Gefangene behauptete fortwährend das beharrlichste Stillschweigen.

»Spiele den Todten, spiele den Todten, das steht Dir wohl frei,« sagte Jean Taureau, indem er vollends die Knoten löste, welche die Hände hielten.

»So, stehen Sie nun auf, wenn es Ihnen beliebt, gnädigster Herr!«

Herr von Valgeneuse rührte sich eben so wenig als ein Klotz.

»Ah!« sagte Jean Taureau, »glauben Sie etwa, ich werde Sie in Gängelbänder legen und Sie gehen machen, wie es eine Amme bei ihrem Säuglinge thut? Nein, ich danke! ich habe heute Abend genug gearbeitet.«

Doch der Graf gab kein Lebenszeichen von sich.

Jean Taureau blieb stehen und schaute von der Seite den Gefangenen an, der unbeweglich und stumm im Schatten lag.

»Teufel! Teufel!« sagte er, beunruhigt durch dieses völlige Stillschweigen: »sollten wir ein wenig das Auge verdreht haben, um unserem Freunde Jean Taureau Mühe zu machen?«

Und er nahm die Lampe und hielt sie ans Gesicht von Herrn von Valgeneuse.

Die Augen des jungen Mannes waren geschlossen, sein Gesicht war bleich; von seiner Stirne rieselten Tropfen kalten Schweißes.

»Gut!« sagte Jean Taureau, »ich habe die Mühe gehabt, und er schwitzt nun! . . . Ein sonderbarer Bursche, der Particulier!«

Doch die Todesblässe, welche das Gesicht des Grafen bedeckte, wahrnehmend, murmelte er:

»Bei meiner Treue! ich befürchte, er spielt den Todten aus einem guten Grunde.«

Und Jean Taureau rüttelte und schüttelte seinen Gefangenen in allen Richtungen. Dieser ließ sich rütteln und schütteln wie ein Leichnam.

»Sacredi!« rief Jean Taureau, indem er den Grafen mit großen Augen anschaute. »Sacredi! Sollten wir ihn erstickt haben, ohne es absichtlich zu thun? . . . Nun wohl, Herr Salvator wird zufrieden sein! – Abscheulicher Mensch! diese Reichen machen nie etwas wie die Andern.«

Jean Taureau blickte umher und entdeckte in der Ecke der Stube einen ungeheuren Krug voll Wasser.

»Ah!« sagte er, »das suchte ich gerade!«

Er ging aus den Krug zu, hob ihn auf, stieg auf einen Schemel, der beim Tische war, und bildete durch die Neigung des, Gesäßes eine Cascade von vier bis fünf Fuß, die bei der Stelle ihres Falles das Gesicht von Herrn von Valgeneuse traf.

Die ersten Tropfen schienen keine Wirkung aus den Grafen hervorzubringen; anders war es aber bei den zweiten.

Bei dem Wasserstrahle, der auf den Kopf ging, bei der Berührung dieser eiskalten Douche, stieß Herr von Valgeneuse einen Seufzer aus, einen Seufzer, der Jean Taureau beruhigte, welcher zahlreiche Schweißtropfen aus seiner Stirne zu fühlen anfing.

»Ah! Sacredi,« rief er geräuschvoll athmend, als hätte man ihm eine Last von fünfhundert Pfund von der Brust genommen, »Sie haben mir schön Angst gemacht, Herr, dessen können Sie sich wohl rühmen!«

Er stieg vom Schemel herab, stellte den Krug an seinen Platz und näherte sich wieder seinem Gefangenen.

»Ah,« sagte er zu ihm mit einer spöttischen Miene, die bei ihm mit der Gewißheit, der Graf sei nicht todt, wiedergekommen war, »wir haben also ein hübsches kleines Bad genommen? . . . Nun muß es besser gehen, edler Herr?«

»Wo bin ich?« fragte Lorédan, wie es, ich weiß nicht warum, nach ihrer Ohnmacht alle Personen fragen, welche zum Leben zurückkehren.

»Sie sind in der Stube eines ergebenen Freundes,« antwortete Jean Taureau, während er die Stricke losmachte, welche noch die Beine des Gefangenen banden, »und wollen Sie von Ihrem Piedestal herabsteigen und sich setzen, so steht dies Ihnen vollkommen frei.«

Herr von Valgeneuse ließ sich die Einladung nicht wiederholen: er glitt vom Tische herab und stand; doch seine erstarrten Beine konnten ihn nicht tragen: er schwankte.

Jean Taureau nahm ihn in seinen Armen aus, führte ihn zum Schemel und lehnte ihn an die Wand an.

»Sind Sie gut so?« fragte Jean Taureau, indem er sich aus seine Absätze niederhockte, um das Niveau seines Kopfes in das des Kopfes von Herrn von Valgeneuse zu setzen.

»Und nun,« fragte verächtlich der Graf, »was wollt Ihr aus mir machen?«

»Meine vertrauteste Gesellschaft, Herr Graf . . . die meinige und die eines auf eine Viertelstunde abwesenden Freundes, der bald zurückkommen muß.«

Als Jean Taureau diese Worte sprach, klopfte man aus eine gewisse Art an die Thüre.

Jean Taureau kannte diese Art, zu klopfen; er öffnete folglich, und man sah Toussaint-Louverture erscheinen, dessen schwarzes, nun mit weißen Flecken gesprenkeltes Gesicht, – ein durch den Schweiß, der von seiner Stirne troff, verursachtes Phänomen, – auf Herrn von Valgeneuse die Wirkung des tätowierten Gesichtes eines Indianers machte.

»Ist es gethan?« fragte Jean Taureau seinen Freund.

»Es ist gethan,« antwortete Toussaint.

Und sich gegen Herrn von Valgeneuse wendend, sagte er:

»Meinen Gruß der Gesellschaft!«

Sodann zu Jean Taureau:

»Warum bist Du so naß?«

»Ah! sprich mir nicht davon,« erwiderte Jean Taureau, die Achseln zuckend; »seit Deinem Abgange bin ich ausschließlich beschäftigt, diesen edlen Herrn zu besprengen.«

»Was willst Du damit sagen?« fragte Toussaint, der durchaus keinen Scharfsinn besaß.

»Ich will damit sagen, daß der Herr sich unwohl befunden hat,« fügte Jean Taureau mit Verachtung bei.

»Unwohl befunden?« wiederholte Toussaint in demselben Tone.

»Mein Gott, ja.«

»Und zu Ehren welches Heiligen?«

»Unter dem Vorwande eines erbärmlichen Knebels, den wir ihm auf den Mund gelegt haben.«

»Unglaublich!« rief der Kohlenbrenner.

Mittlerweile schaute Herr von Valgeneuse den zwei Männern ins Gesicht, und ohne Zweifel war die Inspection nicht beruhigend, denn sein, schon halb geöffneter, Mund schloß sich wieder, ohne ein Wort vorzubringen.

In der That, die Miene von Toussaint und Jean Taureau war ein wenig zurückstoßend: und hätte Herr von Valgeneuse die geringste Velleität zu fliehen gehabt, der Anblick allein des vor ihm stehenden Colossen hätte ihn rasch aus dieses gefährliche Vorhaben verzichten gemacht.

Er begnügte sich also für den Augenblick damit, daß er das Haupt neigte und überlegte.

XVI
Wein von unserem Gewächse

Indeß der Graf überlegte, ging Jean Taureau an einen Schrank, öffnete ihn, zog eine Flasche und zwei Gläser heraus und stellte sie aus den Tisch: jedoch wahrnehmend, daß sie zu drei waren, machte er eine zweite Reise nach dem Schranke und brachte ein drittes Glas zurück: nur brachte er dieses dritte Glas erst, nachdem er es ausgespült und mit der größten Sorgfalt abgetrocknet hatte: dann stellte er es aus den Tisch vor Herrn von Valgeneuse und beinahe in den Bereich seiner Hand.

Hieraus winkte er Toussaint-Louverture, sich zu setzen, setzte sich selbst, hob den Hals der Flasche über das Glas seines Gefangenen empor, und sprach mit aller Höflichkeit, der er fähig war:

»Mein Edelmann, man ist Gefangenwärter, doch man ist nicht Henker. Sie müssen eben so sehr Durst haben, als wir; wollen Sie ein Glas Wein annehmen?«

»Ich danke!« antwortete Herr von Valgeneuse laconisch.

»Ohne Umstände, mein junger Herr!« fuhr Jean Taureau fort, der immer die Flasche empor hielt.

»Ich danke!« sagte zum zweiten Male und noch trockener als das erste Mal Herr von Valgeneuse.

»Nach Ihrem Belieben, mein Herr!« erwiderte Jean Taureau mit dem Ausdrucke, der ihm eigenthümlich war, wenn man seine Oberhaut unangenehm gekitzelt hatte.

Dann füllte er das Glas von Toussaint, statt das des Grafen zu füllen, und sprach:

»Auf Deine Gesundheit, Toussaint!«

»Auf Deine Gesundheit, Jean!« antwortete dieser.

»Auf den Tod der Schlechten!«

»Auf das Leben der Braven!«

Der Gefangene schauerte, als er den energischen Toast von diesen zwei entschlossenen Männern aussprechen hörte.

Jean Taureau leerte den Inhalt seines Glases auf einen Zug, setzte dann das Glas ungestüm auf den Tisch und sagte:

»Bei meiner Seele, das thut wohl, wo das durchkommt . . . Ich hatte Durst.«

»Ich auch,« fügte Toussaint der Bewegung nachahmend bei.

»Noch eine Runde, Toussaint!«

»Noch eine Runde, Jean!«

Und, diesmal ohne einen Toast auszubringen, leerte jeder sein Glas Wein auf einen Zug.

Diese Geschwindigkeit des Verschlingens gab Herrn von Valgeneuse eine Idee ein; er wartete auf eine Gelegenheit, sie zu benutzen; diese Gelegenheit bot sich bald.

Jean Taureau hatte sich gegen den Gefangenen umgedreht, und da er an ihm ein minder verdrießliches Gesicht wahrzunehmen glaubte, so sagte er, der von Natur gut war, wie alle starke Leute:

»Sie haben sehr Unrecht, gegen Ihren Leib zu trotzen . . . Zum zweiten und zum letzten Male, mein Edelmann: ich gebe mir die Ehre, Ihnen ein Glas Wein anzubieten: gefällt es Ihnen, es anzunehmen?«

»Sie bietend es mir auf eine so artige Weise an, mein Herr,« antwortete der Graf, »daß es mir leid ist, es Ihnen ein erstes Mal abgeschlagen zuhaben.«

»Das thut nichts, es ist noch Zeit, die Sache wieder gut zu machen. So lange sich Wein in der Flasche und in den Flaschen im Schranke befindet, können Sie sich eines Andern besinnen.«

»Dann nehme ich an!« sprach der Graf.

»So ist es gut, Herr!« sagte Jean Taureau mit einem treuherzigen Wesen, während er das Glas des Grafen bis an den Rand füllte.

Alsdann sich an seinen Gefährten wendend:

»Eine andere Flasche, Toussaint.« ,

Und nun war die Reihe am Kohlenbrenner, an den Schrank zu gehen und eine Flasche zu holen.

Jean Taureau nahm sie ihm aus den Händen, als befürchtete er seine Unerfahrenheit, und füllte die zwei leeren Gläser.

Dann ergriff er sein Glas, winkte Toussaint, dasselbe zu thun, und sprach:

»Auf Ihre Gesundheit, Herr Graf!«

»Auf die Ihre, Herr!« wiederholte Toussaint.

»Aus die Ihrige, meine Herren!« antwortete Lorédan, der eine ungeheure Vergünstigung zu gewähren glaubte, wenn er den Titel meine Herren den zwei Mohicanern gab.«

Als dieser Toast ausgebracht war, leerten alle Drei ihre Gläser: Jean Taureau und Toussaint-Louverture auf einen Zug, Herr von Valgeneuse langsam und drei bis vier Mal wiederansetzend.

»Ei!« sagte Jean Taureau, indem er seine Zunge schnalzen ließ, »ich will Ihnen diesen Wein nicht für alten Macon20 oder für Bordeaux-Laffitte ausgeben; doch Sie kennen das Sprichwort: »»Das schönste Mädchen der Welt kann nur geben, was es hat.««

»Oh! ich bitte um Verzeihung,« erwiderte Lorédan, der sich sichtbar anstrengte, um das Gespräch zu unterhalten, und besonders, um sein Glas vollends zu leeren, »dieser Wein ist durchaus nicht schlecht; es ist Landwein.«

»Gewiß ist es Landwein!« rief Toussaint-Louverture; »als ob es Wein gäbe, der nicht vom Lande wäre!«

»Mein lieber Freund,« bemerkte Jean Taureau, »es gibt vor Allem den, welchen man in Paris fabriziert; doch das ist es nicht, was der Herr Graf zu sagen uns die Ehre erweist. Landwein bedeutet Wein, der im Lande, wo man sich befindet, geerntet worden ist.«

»Wein von unserem Gewächse, wenn Sie lieber wollen, mein Freund,« sprach liebreich der junge Mann.

»Oh! von unserem Gewächse!« sagte Jean Taureau, »das ist er, und er schämt sich dessen nicht.«

»Ich glaube wohl,« versetzte spöttisch lächelnd Toussaint-Louverture, der im Fluge den Scherz seines Freundes Jean Taureau aufgriff: »er ist weiß!«

»Und ich füge bei,« fuhr der Zimmermann fort, »wenn ich ein Gelübde zu thun habe, so ist es das, nie einen schlechteren zu trinken.«

»Ich thue dasselbe Gelübde wie mein Freund,« sagte Toussaint-Louverture sich verbeugend, nicht vor dem Grafen, sondern vor der Gottheit, an die er sein Gelübde richtete.

»Ich habe zu wenig getrunken, um eine richtige Meinung zu haben,« sprach Herr,von Valgeneuse.

»Oh! darauf soll es uns nicht ankommen, mein Edelmann,« erwiderte Jean Taureau aufstehend; »es sind noch ein Fünfzig ähnliche Flaschen im Schranke, wenn Ihnen davon beliebt.«

»Ich sehe nur dieses Mittel, um die paar Stunden, die wir beisammen zu bleiben haben, heiter zuzubringen,« sprach der Gefangene, »und ist diese Ergötzlichkeit nach Ihrem Geschmacke, so bin ich ihr Mann.«

»Sprechen Sie offenherzig?« fragte Jean Taureau sich umwendend.

»Sie sollen sehen,« erwiderte entschlossen Herr von Valgeneuse.

»Bravo!« rief Toussaint; »das ist ein Gefangener, wie ich die Gefangenen liebe!«

Jean Taureau ging an den Schrank und kam bewaffnet oder geschmückt, wie man will, mit acht Flaschen von der schönsten Halsgestalt zurück.

Lorédan lächelte, als er die zwei Mohicaner so naiv in die Falle gehen sah, die er ihnen stellte, welche Falle natürlich schon von unsern Lesern errathen worden ist.

Es war in der That eine ziemlich gute Combination, zwei Männer, die den Wein liebten, trinken machen, nichts konnte leichter sein; sie trinken machen, bis sie die Vernunft verloren, nichts konnte noch leichter sein.

Lorédan, als er einmal hierzu entschlossen war: reichte muthig sein Glas dar und trank so freundlich und artig als nur immer möglich.

Man leerte auf diese Art zwei, Flaschen, und Herr von Valgeneuse fand den Wein so gut, daß er zwei weitere Flaschen entpfropfen ließ.

»Ah! Sie gehen tüchtig zu, mein Kamerad!« sagte Jean Taureau, der, als er sah, daß sein Gefangener so gut trank als er, sich mit ihm vertraulich zu machen und den Grafen als seines Gleichen zu behandeln anfing.

»Ei! man geht, wie man kann,« erwiderte Valgeneuse mit einer scheinbaren Treuherzigkeit.

»Trauen Sie nicht, mein Edelmann,« bemerkte Jean Taureau: »das ist ein verrätherischer Wein.«

»Glauben Sie?« fragte der Gefangene mit einer Miene des Zweifels.

»Oh! dafür stehe ich!« sagte Toussaint-Louverture, indem er die Hand aufhob, als ob er einen Eid schwüre. »Habe ich nur drei Flaschen davon getrunken, dann gute Nacht Gesellschaft! ich gehe, es ist Niemand mehr da.«

»Bah!« machte Valgeneuse, immer mit einer Miene des Zweifels, »ein Bursche wie Sie?«

»So wahr ich die Ehre habe, es Ihnen zu sagen,« antwortete Toussaint. »Ich gehe auf drei, auf drei und eine halbe. Er, Jean Taureau, der ein Coloß ist, geht aus vier; doch beim letzten Glase, Patsch! der gesunde Verstand zieht aus, mein guter Mann wird wüthend, und er zerschmettert aller Welt die Rippen! – Nicht wahr, Jean?«

»Man sagt es,« erwiderte einfach der Coloß.

»Und Du, Du bezweifelst es.«

Dieser letzte, übrigens für Herrn von Valgeneuse sehr belehrende, Aufschluß ließ den Gefangenen in einer ziemlich nahen Zukunft so gefährliche Chancen erschauen, daß dieser, als er die siebente Flasche entpfropfen sah, die Hand über seinem Glase ausstreckte und sagte:

»Ich danke! ich habe genug getrunken.«

Jean Taureau hob den Hals der Flasche empor und schaute Herrn von Valgeneuse starr an.

20.Eine Sorte Burgunder.