Czytaj tylko na LitRes

Książki nie można pobrać jako pliku, ale można ją czytać w naszej aplikacji lub online na stronie.

Czytaj książkę: «Salvator», strona 20

Czcionka:

»Es ist also in der That möglich, daß er die Absicht gehabt hat, Ihnen angenehm zu sein,« sagte der Abbé Dominique.

»Das ist möglich: doch lassen Sie uns in mein Haus gehen: Sehen Sie jenen trunkenen Menschen: er folgt uns von der Rue de Jerusalem an: sobald wir jenseits der Thüre sind, wird er seinen Rausch verloren haben.«

Salvator zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Gangthüre, ließ Dominique vorangehen, und schloß die Thüre wieder hinter sich.

Roland hatte seinen Herrn gerochen: die zwei jungen Leute fanden auch den Hund im ersten Stocke und Fragola Salvator vor der Thüre ihrer Wohnung erwartend.

Das Mittagsbrod stand bereit, denn die Zeit war unter diesen verschiedenen Ereignissen verlaufen, und es hatte sechs Uhr geschlagen.

Obschon ernst, war das Gesicht der beiden Männer doch ruhig. Es war also nichts wirklich Aergerliches vorgefallen.

Fragola befragte Salvator mit dem Blicke.

»Alles geht gut,« erwiderte dieser mit einem Halblächeln.

»Der Herr Abbé erweist uns die Ehre, unser Mahl zu theilen?« sagte Fragola.

»Geben Sie mir nun Ihren Paß, mein Bruder,« sprach Salvator.

Der Mönch zog aus seiner Brust den zusammengefalteten Paß.

Salvator entfaltete den Paß, untersuchte ihn sorgfältig, drehte ihn hin und her, jedoch ohne etwas Verdächtiges zu bemerken.

Endlich hielt er ihn an eine Fensterscheibe.

In der Durchsichtigkeit des Papiers erschien ein Buchstabe, der in jeder andern Lage, als in der, in welche Salvator das Papier gebracht hatte, unsichtbar gewesen wäre.

»Sehen Sie?« sagte Salvator.

»Was?« fragte der Abbé.

»Dieser Buchstabe.«

Und er deutete mit dem Finger auf den Buchstaben.

»Ein S

»Ja, ein S; begreifen Sie?«

»Nein.«

»Ein S ist der erste Buchstabe des Wortes surveillance14«

»Nun?«

»Nun, das bedeutet: »»Im Namen des Königs von Frankreich, empfehle ich, Jackal, Vertrauter des Herrn Polizeipräfecten, allen französischen Agenten, im Interesse Seiner Majestät, und allen auswärtigen Agenten, im Interesse ihrer respectiven Regierungen, dem Inhaber dieses Passes auf der Spur zu folgen, ihn zu überwachen, ihn auf der Landstraße anzuhalten, und im Nothfalle gefänglich einzuziehen;«« mit einem Worte, mein Freund, Sie stehen, ohne es zu wissen, unter der Aufsicht der hohen Polizei.«

»Was liegt mir im Ganzen daran?« sagte der Abbé.

»Oh! geben wir wohl Acht,« erwiderte ernst Salvator; »die Art, wie der Proceß Ihres Vaters geführt worden ist, beweist, daß man sich nicht ungern seiner entledigen würde, und ich will das Verdienst von Fragola nicht hervorheben,« fügte Salvator mit einem unmerklichen Lächeln bei, »doch es hat nicht weniger gebraucht, als die hohen Einflüsse, über die sie verfügt, daß Sie Ihre Audienz erhielten, und in Folge Ihrer Audienz die zwei Monate Aufschub, die Ihnen der König bewilligt hat.«

»Glauben Sie, der König würde sein Versprechen nicht halten?«

»Nein; doch Sie haben nur zwei Monate.«

»Das ist mehr, als ich brauche, um nach Rom zu gehen und von dort zurückzukehren,«

»Wenn man Ihnen keine Verlegenheiten bereitet, keine Hindernisse, in den Weg legt, Sie nicht verhaftet; wenn man Sie endlich, sind Sie dort angekommen, nicht durch tausend verborgene Intriguen verhindert, denjenigen zu sehen, welchen Sie sehen wollen.«

»Ich glaubte, jeder Mönch, der, eine Pilgerfahrt von vierhundert Meilen vollendend, in Rom barfuß und mit einem Stabe in der Hand ankomme, brauche nur vor der Pforte des Vaticans zu erscheinen, und die Treppe, welche nach der Wohnung desjenigen führt, welcher einst selbst ein einfacher Mönch war, werde ihm geöffnet sein.«

»Mein Bruder, Sie glauben noch an viele Dinge, an welche Sie nach und nach zu glauben aufhören werden . . . Der Mensch, so wie er ins Leben eintritt, ist wie ein Baum, dessen Blüthen der Wind Anfangs zerstreut, dessen Blätter er sodann abreißt, dessen Aeste er hernach bricht, bis der Sturm, der auf den Wind folgt, an einem schönen Tage ihn selbst zerbricht . . . Mein Bruder, sie haben ein Interesse dabei, daß Herr Sarranti stirbt, und sie wenden alle mögliche Mittel an, um das Wort, das Sie dem König abgelistet haben, unnütz zu machen!«

»Abgelistet!« rief Dominique, Salvator mit Erstaunen anschauend.

»Abgelistet aus ihrem Gesichtspunkte . . . Wie denken Sie, daß Sie den Einfluß erklären, der gemacht hat, daß die Frau Herzogin von Berry, die vielgeliebte Tochter des Königs, deren Gemahl unter dem Streiche eines Fanatikers gestorben ist, sich für den Sohn eines andern Revolutionärs interessierte, der selbst Revolutionär und Fanatiker?«

»Das ist wahr,« sagte Dominique erbleichend; »doch was thun?«

»Darauf werden wir bedacht sein.«

»Aber wie?«

»Indem wir diesen Paß verbrennen, der Ihnen nicht nützlich sein kann.«

Und Salvator zerriß den Paß und warf die Stücke davon in den Ofen.

Dominique schaute ihm mit Bangigkeit zu.

»Doch nun,« sagte er, »ohne Paß, wie wird es mir ergehen?«

»Vor Allem glauben Sie mir, es ist besser, ohne Paß zu reisen, als mit diesem zu reisen; Sie werden indessen nicht ohne Paß reisen.«

»Wer wird mir einen geben?«

»Ich!« antwortete Salvator.

Und er öffnete einen kleinen Secretär, ließ eine geheime Schublade spielen und nahm unter mehreren in derselben verborgenen Papieren einen Paß, der völlig unterzeichnet, auf dem aber Name und Signalement nicht ausgefüllt waren.

Er füllte die Namen und das Signalement aus: die Namen mit dem Namen von Bruder Salvator; das Signalement nach dem Signalement von Sarranti.

»Doch das Visa?« fragte Dominique.

»Er ist visirt von der sardinischen Gesandtschaft für Turin. Ich glaubte nach Italien, und zwar, wohl verstanden, incognito dahin zu gehen, und darum hatte ich mich mit diesem Passe versehen; er wird Ihnen dienen.«

»Doch in Turin?«

»In Turin sagen Sie, Ihre Geschäfte nöthigen Sie, bis Rom zu gehen, und man wird Ihren Paß ohne Schwierigkeit visiren.«

Der Mönch ergriff und drückte die Hände von Salvator.

»Oh! mein Bruder! oh! mein Freund!« rief er, »wie vermag ich je für Alles, was ich Ihnen schuldig bin, erkenntlich zu sein?«

»Ich habe Ihnen gesagt, mein Bruder,« erwiderte lächelnd Salvator, »was ich auch für Sie thun mag, ich werde immer Ihr Schuldner bleiben.«

Fragola kam zurück; sie hörte diese letzten Worte.

»Wiederhole unserem Freunde, was ich ihm sage, mein Kind,« sprach Salvator, dem Mädchen die Hand reichend.

»Er verdankt Ihnen das Leben, mein Vater; ich verdanke ihm mein Glück; Frankreich wird ihm nach Maßgabe dessen, was ein Mensch thun kann, vielleicht seine Befreiung verdanken. Sie sehen wohl, die Schuld ist ungeheuer. Verfügen Sie also über uns.«

Der Mönch schaute die zwei jungen Leute an.

»Sie thun das Gute: seien Sie glücklich!« sagte er mit einer Geberde väterlicher und barmherziger Nachsicht.

Fragola deutete auf den servierten Tisch.

Der Mönch setzte sich zwischen die zwei jungen Leute und sprach ernst das Benedicite, das sie mit einem Lächeln reiner Seelen anhörten, welche überzeugt sind, das Gebet steige zu Gott auf.

Man aß rasch und stillschweigend.

Ehe das Mahl beendigt war, stand Salvator, der die Ungeduld in den Augen des Mönches las, auf.

»Ich bin zu Ihren Befehlen, mein Vater, doch ehe wir gehen, lassen Sie mich Ihnen einen Talisman geben . . . Fragola, hole die Briefcassette.«

Fragola ging hinaus.

»Einen Talisman!« wiederholte der Mönch.

»Ah! seien Sie ruhig, mein Freund, es ist nichts Abgöttisches; doch Sie wissen, was ich Ihnen in Betracht der Schwierigkeiten gesagt habe, die Sie erfahren dürften, um bis zum heiligen Vater zu gelangen.«

»Ja; Sie vermögen also etwas für mich dort?« »Vielleicht!« erwiderte Salvator lächelnd. Sodann, als Fragola mit der verlangten Cassette zurückkam:

»Eine Kerze, Siegellack und das Wappenpetschaft.«

Das Mädchen stellte die Cassette auf den Tisch und ging abermals hinab.

Salvator öffnete die Cassette mit einem vergoldeten Schlüsselchen, das er an einer Kette hängend an seinem Halse trug.

Sie enthielt etwa zwanzig Briefe; von diesen zwanzig Briefen nahm er einen aufs Gerathewohl.

Fragola kehrte in diesem Augenblicke mit der Kerze, dem Siegellack und dem Petschaft zurück.

Salvator legte den Brief in einen Umschlag, siegelte ihn mit dem Wappenpetschaft und schrieb folgende Adresse darauf:

An den Herrn Vicomte von Chateaubriand

in Rom.

»Hören Sie,« sagte er zu Dominique, »es sind drei Tage, daß derjenige, an welchen dieser Brief adressiert ist, müde der Art, wie die Dinge in Frankreich gehen, nach Rom abgereist ist.«

»An den Herrn Vicomte von Chateaubriand?« wiederholte der Mönch.

»Ja; vor einem Namen wie der seinige öffnen sich alle Thüren. Halten Sie die Schwierigkeiten für unüberwindlich, so überreichen Sie ihm diesen Brief, sagen Sie ihm, er sei Ihnen vom Sohne desjenigen übergeben worden, welcher ihn geschrieben hat, und rufen Sie im Namen dieses Briefes Emigrationserinnerungen an. Er wird Ihnen vorangehen, und Sie werden ihm nur zu folgen haben. Wenden Sie übrigens dieses Mittel nur im äußersten Nothfalle an; denn es wird ein Geheimniß enthüllen, das sodann unter drei Personen sein wird: Sie, Herr von Chateaubriand und wir, Fragola und ich, die wir nur Eins bilden.«

»Ich werde blindlings Ihre Instructionen befolgen, mein Bruder.«

»Nun wohl, das ist Alles, was ich Ihnen zu sagen hatte. Küsse dem frommen Manne die Hand, Fragola; ich, ich begleite ihn bis zum letzten Hause der Stadt.«

Fragola näherte sich und küßte die Hand dem Mönche, der ihr mit einem sanften Lächeln zuschaute.

»Ich erneure meinen Segen,« sprach er; »seien Sie so glücklich, als Sie keusch, gut und schön sind.«

Sodann, als ob alle lebendige Wesen des Hauses ein Recht aus seinen Segen hätten, strich er mit der Hand über den Kopf des Hundes und ging ab.

Salvator, der zurückgeblieben war, drückte sanft seine Lippen aus die von Fragola und murmelte:

»Ah! ja, keusch, gut und schön!«

Und er folgte dem Mönche.

VII
Der Pilger

Ehe er abreiste, mußte der Abbé noch in seine Wohnung gehen: die zwei jungen Leute schlugen also den Weg nach der Rue du Pot-de-Fer ein.

Kaum hatten sie zehn Schritte gemacht, als ein Commissionär, dem ein in einen Mantel gehüllter Mann einen Brief übergeben, sich von der Mauer trennte und ihnen folgte.

»Hören Sie,« sagte Salvator zum Mönche, »ich wette, das ist ein Commissionär, der aus derselben Seite zu thun hat wie wir!«

»Wir werden also bespäht?«

»Bei Gott!«

In der That, die jungen Leute wandten sich dreimal um, einmal an der Ecke der Rue de l’Eperon, einmal an der Ecke der Rue Saint-Sulpice, und einmal vor der Thüre des Abbé: der Commissionär hatte, wie es schien, an demselben Orte wie sie zu thun.

»Ah!« murmelte Salvator, »das ist ein geschickter Mann, dieser Herr Jackal, da wir aber Gott für uns haben, und er nur den Teufel für sich hat, so werden wir vielleicht noch geschickter sein als er.«

Sie traten ein: der Abbé nahm seinen Schlüssel. Ein Mann plauderte mit der Portiere und streichelte ihre Katze.

»Sehen Sie diesen Mann recht an, wenn wir weggehen,« sagte Salvator, während er die Treppe hinaufstieg.

»Welchen Mann?«

»Den, welcher mit Ihrer Portiere plaudert.«

»Nun?«

»Nun, er wird sie bis an die Barrière begleiten, und vielleicht noch viel weiter.«

Man trat in das Zimmer von Dominique ein.

Es war eine Oase, dieses Zimmer, wenn man von der Conciergerie oder der Präfectur kam. Die untergehende Sonne beleuchtete es zu dieser Stunde mit ihren sanften Strahlen; die Vögel des Luxembourg sangen in den blühenden Kastanienbäumen; die Luft war rein, und man fühlte sich glücklich, wenn man nur in diesen Winkel eintrat.

Salvator aber fühlte sein Herz beklommen bei dem Gedanken, der arme Mönch sollte diese heitere Atmosphäre verlassen, um auf den Landstraßen von Land zu Land, unter der glühenden Sonne des Süden, unter dem eisigen Winde der Nacht umherzuirren.

Der Abbé blieb einen Augenblick mitten im Zimmer stehen und schaute rings umher.

»Ich bin glücklich hier gewesen!« sagte er, durch Worte den Gedanken seines Geistes formend; »ich habe die süßesten Stunden meines Lebens in dieser friedlichen Einsamkeit zugebracht, wo ich Vergnügen nur vom Studium, Trost nur von Gott verlangte. Jenen Mönchen ähnlich, welche den Thabor oder den Sinai bewohnen, kamen dann wie Erinnerungen aus einem vergangenen Leben, wie Offenbarungen eines zukünftigen Lebens zu mir. Ich habe hier, wie lebendige Wesen, die blühendsten Träume meiner Jugend, die zauberhaftesten Glückseligkeiten meiner Jünglingszeit vorüberziehen sehen; ich verlangte nur einen Freund: Gott gab mir diesen Freund in Colombau, Gott hat ihn mir genommen! doch er hat Sie mir gegeben, Salvator. Der Wille Gottes geschehe!«

Und nachdem er diese Worte gesprochen, nahm der Mönch ein Buch, das er in seine Rocktasche steckte, und knüpfte eine einfache Schnur um seinen weißen Rock; dann holte er aus einer Ecke des Zimmers einen langen Dornenstock und zeigte ihn seinem Freunde.

»Ich habe ihn von einer traurigen Pilgerfahrt zurückgebracht,« sagte er; »es ist das einzige materielle Andenken, das mir von Colombau bleibt.«

Sodann, als befürchtete er, weich zu werden und auszubrechen, sprach er:

»Wollen wir gehen, mein Freund?«

»Gehen wir!« erwiderte Salvator, indem er aufstand.

Sie stiegen die Treppe hinab; der Mann war nicht mehr bei der Portiere, doch er war an der Ecke der Straße.

Die zwei jungen Leute durchschritten den Luxembourg; der Mann folgte ihnen. Sie erreichten die Allee de l’Observatoire, nahmen ihren Weg durch die Rue Cassini, den Faubourg Saint-Jaques, und gelangten so., mehr stumm als sprechend, durch die äußeren Boulevards bis zur Barrière Fontainebleau; sie gingen durch die Barrière, verfolgt von den neugierigen Blicken der Douaniers und der Leute aus dem Volke, welche an den Anblick des mönchischen Gewandes wenig gewohnt waren; die zwei Freunde setzten ihren Marsch fort; der Mann folgte ihnen immer.

allmählich trennten sich die Häuser, dann wurden sie die Straße entlang seltener; endlich sah man rechts , und links nichts mehr als die Ebene, wo die Aehren sich zu schaukeln ansingen.

»Wo werden Sie heute übernachten?« fragte Salvator.

»In dem ersten Hause, wo man so gut sein will, mir Gastfreundschaft zu geben,« antwortete der Mönch.

»Diese Gastfreundschaft, mein Bruder, dulden Sie, daß ich sie Ihnen gebe?«

Der Mönch nickte mit dem Kopfe zum Zeichen der Beistimmung.

»Fünf Meilen von hier, etwas vor der Cour de France, finden Sie links einen kleinen Fußpfad, den Sie an einem Pfosten erkennen, auf welchem Sie ein weißes Kreuz sehen, das die Form von dem hat, was man in der Heraldik ein Pfotenkreuz nennt.«

Dominique nickte zum zweiten Male.

»Sie folgen diesem Fußpfade, der Sie ans Ufer des Flusses führt. Sodann, hundert Schritte von da, mitten unter einer Gruppe von Erlen, Pappelbäumen und Weiden, werden Sie bei den Strahlen, des Mondes ein weißes Häuschen sehen. Ueber der Thüre dieses Hauses werden Sie ein Kreuz ähnlich dem des Pfostens erkennen.«

Dominique nickte zum dritten Male.

»Ganz nahe dabei ist eine hohle,Weide,« fuhr Salvator fort: »Sie werden in der Höhlung dieser Weide suchen und einen Schlüssel finden: das ist der Schlüssel der Thüre. Sie nehmen ihn und öffnen. Für diese Nacht, und für so viel Nächte als Sie wollen, gehört die Hütte Ihnen.«

Es fiel dem Mönch nicht einmal ein, Salvator zu fragen, zu welchem Zwecke er ein Haus am Ufer des Flusses habe: er öffnete seine Arme seinem Freunde.

Das Herz angeschwollen von tiefer Erregung, preßten sich die jungen Leute an einander.

Man mußte sich trennen.

Der Abbé ging ab.

Salvator blieb unbeweglich an dem Platze stehen, wo er seinen Freund verlassen hatte, und folgte ihm mit den Augen so weit, als seine Augen seine Form in der wachsenden Dunkelheit unterscheiden konnten.

Jeder, der diesen schönen Mönch friedlich und ernst, seinen Dornenstock in der Hand, mit seinem von Weiße glänzenden Rocke und seinem hinter ihm flatternden Mantel hätte hinwandeln sehen: Jeder, sagen wir, der so zu Fuße aus seine lange, fromme Pilgerfahrt diesen schönen Mönch mit dem festen Gange, mit dem gleichen Schritte hätte abgehen sehen, würde sich zugleich von Mitleid und von Traurigkeit, von Ehrfurcht und von Bewunderung ergriffen gefühlt haben.

Endlich verlor ihn Salvator aus dem Gesicht«: er machte ein Zeichen, welches bedeutete: »Gott behüte Dich!« und stieg gegen die rauchige, kothige Stadt hinab, – mit einem Kummer mehr und einem Freunde weniger.

VIII
Der Urwald der Rue d’Enfer

Lassen wir den Abbé aus der Straße nach Italien, seine traurige, lange Pilgerfahrt von dreihundert fünfzig Meilen vollbringend, das Herz erfüllt von schmerzlichen Bangigkeiten, die Füße gequetscht durch die harten Kieselsteine des Weges, und sehen wir, was, ungefähr drei Wochen nach seiner Abreise, das heißt am Montag dem 21. Mai, um Mitternacht, in einem Hause, oder vielmehr im Parke eines öden Hauses von einer der volkreichsten Vorstädte von Paris vorging.

Unsere Leser erinnern sich vielleicht des nächtlichen Besuches, den Carmelite und Colombau, zur Zeit ihres so schnell verlaufenen Glückes, in einer Frühlingsnacht dem Grabe von la Ballière machten. In jener Nacht, wie man sich auch erinnert, gingen sie, nachdem sie die Rue Saint-Jacques und die Rue du Val-de-Grace durchschritten hatten, gegen links und kamen in der Rue d’Enfer vor eine kleine hölzerne Gitterthüre, welche dem ehemaligen Garten der Carmeliterinnen als Eingang dient.

Nun wohl, jenseits der Straße, – folglich rechts, wenn man nach dem Observatoire geht, diesem Garten der Carmeliterinnen beinahe gegenüber, war eine gewölbte Thüre mit eisernem Gitter und durch eine eiserne Kette geschlossen.

Schaut im Vorübergehen durch die Gitterstangen dieser Thüre, und Ihr werdet erstaunt sein, wenn Ihr die üppigste Vegetation seht, die Ihr je vor den Augen gehabt, die Ihr je in einem Traume erschaut habt.

In der That, man denke sich einen Wald von Platanen, Adamsfeigenbäumen, Kastanienbäumen, Sumachs, Fichten, Tulpenbäumen mit einander wie Lianen verschlungen und verbunden durch tausendarmigen Epheu, in einem unentwirrbaren Durcheinander, in einer unglaublichen Verwirrung: ein für den Menschen undurchdringlicher Wald, ein Urwald Indiens oder Americas, und man wird kaum einen Begriff von der Zauberwirkung haben, die aus den erstaunten Vorübergehenden der Anblick dieses vereinzelten, mehr als vereinzelten, geheimnißvollen Parkwinkels hervorbringt,

Doch der Zauber, den der Anblick eines Urlandes und einer üppigen Vegetation verursacht, verschwand sehr bald und machte einer Art von Schrecken Platz, wenn, statt diesen Wald am hellen Tage zu sehen, der Vorübergehende seinen Blick durch die Gitterstangen in der Abenddämmerung oder in der Finsternis tauchte, welche der Mitternachtsmond sichtbar machte.

Da erblickte er, beim bleichen Scheine der Königin mit dem silbernen Diadem, in der Ferne die Trümmer eines eingestürzten Hauses und einen ungeheuren gähnenden Brunnen in einem Dickicht von hohem Grase: da hörte er unter der tiefen Stille jene tausend seltsamen Geräusche, die um Mitternacht aus den Kirchhöfen, den verfallenen Thürmen und den unbewohnten Schlössern hervorkommen: dann, wenn, – statt von jenem dreifachen Erze umschlossen zu sein, von dem Horaz in Beziehung auf den ersten Schiffer spricht, – die Einbildungskraft des verspäteten Wanderers, eines Schülers von Göthe oder Lesers von Hoffmann, auch nur ein wenig von der Lecture dieser zwei Dichter erfüllt wäre, würden ihm die Erinnerung an die Burgen des Rheins, wohin die Gespenster der Feudalbaronen zurückkehren, die Geister der böhmischen Wälder, alle Mährchen, alle Legenden, alle schlimmen Geschichten des alten Deutschlands wieder in den Kopf kommen, und er würde von diesen schweigsamen Bäumen, von diesem offenen Brunnen, von diesem eingestürzten Hause ihre Geschichte, ihr Mährchen oder ihre Legende verlangen.

Was wäre es dann bei dem, welcher, nachdem er die Trödlerin, – eine gute, brave Frau Namens Thomas, die gerade gegenüber, auf der andern Seite der Straße, wohnt, – was wäre es dann, sagen wir, wenn er, nachdem er diese brave Frau über die Legende oder die Geschichte des geheimnißvollen Parkes befragt hätte, durch Vergünstigung, durch Gewalt oder durch List das Mittel, ihn zu besichtigen, erhielte! Er würde sicherlich schauern, sähe er nur durch das Gitter diesen seltsamen, düsteren, unbeschreiblichen Wirrwarr von alten Bäumen, hohen Gräsern, Farnkräutern, Nesseln und kriechendem Epheu.

Ein Kind würde es nicht wagen, die Schwelle dieser Thüre zu überschreiten; eine Frau würde beim Anblicke dieses Parkes ohnmächtig werden.

Mitten in diesem Quartier, das schon so voll von Legenden, – mit der vom Teufel von Vauvert anzufangen, – ist dieser Park eine Art von Nest, wo tausend Legenden entstehen, die Euch der erste der Beste von der Barrière bis zur Porte Saint-Jacques, vom Observatoire bis zur Place Saint-Michel erzählen wird.

Welche ist die wahrste von allen diesen sich widersprechenden Legenden? Wir vermöchten es nicht zu sagen; doch wir wollen, ohne sie als ein evangelisches Wort zu geben, diejenige mittheilen, welche uns persönlich ist, und man wird begreifen, warum die Erinnerung an dieses düstere, fantastische Haus bei uns so tief in den Geist eingedrungen ist, daß sie nach Verlauf von dreißig Jahren noch darin bleibt.

Ich war kurz zuvor in Paris angekommen; ich zählte zwanzig Jahre, wohnte im Faubourg Saint-Denis und hatte eine Geliebte in der Grande-Rue-d’Enfer.

Sie fragen mich, warum ich, im Faubourg Saint-Denis wohnend, eine Geliebte in diesem abgelegenen Quartier, das so fern von dem meinigen, gewählt habe. Daraus antworte ich Ihnen, daß man mit. zwanzig Jahren, wenn man von Villers-Coterets ankommt und nur zwölfhundert Franken Gehalt hat, seine Geliebte nicht wählt, sondern von ihr gewählt wird.

Ich war also von einer hübschen jungen Person gewählt worden, welche, wie gesagt, in der Grande-Rue-d’Enfer wohnte.

Ich machte dreimal in der Woche, zur großen Angst meiner armen Mutter, dieser schönen jungen Person einen nächtlichen Besuch; ich ging um zehn Uhr Abends von Hause weg und kam gegen drei Uhr Morgens zurück.

Nach meiner Gewohnheit als noctambuler Tourist trug ich, auf meine hohe Gestalt und meine Stärke mich verlassend, weder Stock, noch Pistolen, noch Dolch bei mir.

Der Weg, den ich machte, war sehr einfach; wäre er auf der Karte von Paris mit einem Lineal und einem Bleistift gezogen worden, er hätte keine geradere Linie verfolgt: ich ging vom Faubourg Saint-Denis Nr. 53 aus; ich wanderte über den Pont-au-Change, durch die Rue de la Barillerie, über den Pont Saint-Michel; ich durchschritt die Rue de la Harpe; sie führte mich nach der Rue d’Enfer, die Rue d’Enfer nach der Rue de l’Est, die Rue de l’Est nach der Place de l’Observatoire;, dann zog ich mich am Hospice des Enfants-Troupés hin und trat durch die Barrière, und zwischen der Rue de la Pepinière und der Rue de la Rochefoucauld öffnete ich die kleine Thüre eines Gartens, der nach einem Hause führte, das heute verschwunden ist und vielleicht nur noch in meiner Erinnerung lebt. Ich kam auf demselben Wege zurück, das heißt, ich machte ungefähr zwei Meilen in meiner Nacht.

Meine arme Mutter, die sich schon sehr ängstigte, ohne zu wissen, wohin ich ging, würde sich wohl noch viel mehr geängstigt haben, hätte sie mir folgen, und sehen können, durch welche finstere Wüste mein Gang von dem aus, was man die Ecole des Mines nennt, vollführt wurde.

Doch der ödeste und düsterste Ort von dieser ganzen Marschlinie waren unstreitig die fünfhundert Schritte, die ich von der Rue de l’Abbé-de-l’Epée nach der Rue de Port-Royal gehend und von der Rue de Port-Royal nach der Rue de l’Abbé-de-l’Epée zurückkehrend machte. Diese fünfhundert Schritte gingen längs den Mauern des verfluchten Hauses hin.

Ich gestehe, daß in mondlosen Nächten diese fünfhundert Schritte mich beklommen machten.

Es gibt einen Gott für die Trunkenen und die Verliebten, sagt man. Gott sei Dank, ich vermöchte, was die Trunkenen betrifft, nicht zu urtheilen; was aber die Verliebten betrifft, da wäre ich versucht, es zu glauben: ich hatte nie ein schlimmes Zusammentreffen.

Gequält von der Wuth, Alles zu ergründen, die mich beständig anstachelte, hatte ich allerdings den Entschluß gefaßt, wie man sagt, den Stier beiden Hörnern zu packen, das heißt, in das Innere dieser geheimnißvollen Einsamkeit einzudringen.

Ich fing damit an, daß ich mich nach der betreffenden Legende bei der Person erkundigte, welche mich, von zwei Nächten eine, die so eben von mir erzählte Unklugheit begehen ließ. Sie versprach, ihren Bruder, einen der unbändigsten Studenten des Quartier Latin, darüber zu fragen; ihr Bruder bekümmerte sich wenig um Legenden; um jedoch die Neugierde seiner Schwester zu befriedigen, erkundigte er sich, und Folgendes sind die Details, die er sammelte.

Die Einen sagten, dieses Haus sei das Eigentum eines reichen Nabobs, der, nachdem er seine Söhne und seine Töchter, seine Enkel und seine Enkelinnen, sowie auch seine Urenkel hatte sterben sehen, – denn der Indier zählte fast anderthalb Jahrhunderte, – geschworen habe, Niemand mehr zu sehen, nur Wasser aus seiner Cisterne zu trinken, nur Gras von seinem Garten zu essen, seinen Leib nur aus der kahlen Erde, seinen Kopf nur aus einem steinernen Kissen ruhen zu lassen.

Andere behaupteten, dieses Haus diene als Schlupfwinkel für eine Falschmünzerbande, und alle falsche Geldstücke, welche in Paris im Umlaufe seien, werden zwischen der Allee de l’Observatoire und der Rue de I’Eft verfertigt.

Die frommen Personen sagten ganz leise, diese Wohnung werde zu unregelmäßigen Zeiten vom Jesuitengeneral besucht, der sich, nachdem er den Brüdern von Montrouge Besuch gemacht, nach diesem seltsamen Orte durch einen unterirdischen Gang begebe, welcher nicht weniger als anderthalb Meilen Länge habe. ,

Die schwachen Geister sprachen unbestimmt von Ketten schleppenden Gespenstern, von Seelen im Fegefeuer, welche um Gebete flehen, von unerklärlichen, außerordentlichen, übermenschlichen Geräuschen, die man zur Mitternachtsstunde, an gewissen Tagen des Monats, bei gewissen Mondsgestalten höre.

Diejenigen, welche sich mit Politik beschäftigten, erzählten Jedem, der es hören wollte, da dieser Park zu den Grundstücken gehöre, aus denen man seitdem die Chartreuse erbaut hat, und vor denen der Marschall Ney erschossen wurde, so habe die Familie Ney, als eine Art von düsterer Weihung, das Haus und die in der Nähe des unseligen Platzes liegenden Grundstücke gekauft, und sich, nachdem sie den Schlüssel des Hauses in den Brunnen und den der Parkthüre über die Mauer geworfen, entfernt, ohne es zu wagen, rückwärts zu schauen.

Kurz, dieses Haus, wo man nie Jemand eintreten sah, diese eisengeharnischte Thüre, die Geschichten von Diebstählen, Morden, Entführungen und Selbstmorden, welche über diesem trostlosen Parke wie eine Schaar Nachtvögel schwebten; die wahren oder falschen Geschichten, die man im Quartier zum Besten gab, der Sycomorenast, wo sich ein Mann Namens Georges, erhenkt hatte, und den man (den Ast) den Vorübergehenden zeigte, wenn sie vor dem Gitter stehen blieben und fragten, – Alles trug dazu bei, in mir das lebhafteste Verlangen zu erregen, bei Tage in diesen öden Garten und in dieses verlassene Haus einzutreten, woran ich dreimal in der Woche bei Nacht schauernd vorbeiging.

Das Gitter des Gartens lag in der Rue d’Enfer, doch der Eingang des Hauses war und ist noch in der Rue de l’Est Numero 37, das heißt das letzte Haus, ehe man zur Chartreuse kommt.

Unglücklicher Weise war ich damals nicht reich; – wohlverstanden, ich will nicht sagen, ich sei es heute viel mehr; – ich war damals nicht reich: ich konnte es also nicht mit dem Zauberschlüssel versuchen, der alle Thüren, Gitter und Schlupfpforten öffnen soll; doch außer diesem setzte ich Bitten, Kniffe und Intriguen, Alles in Bewegung, um in diesen undurchdringlichen Ort einzudringen. Nichts glückte.

Es war wohl die Ersteigung da; doch die Ersteigung ist etwas Ernstes, vom Gesetze Vorhergesehenes, und wäre ich bei der nächtlichen Erforschung meines Urwaldes und meines unbewohnten oder bewohnten,– das wußte man nicht, – Hauses ertappt worden, so hätte ich große Mühe gehabt, meine Richter zu überzeugen, ich sei aus einem Motiv reiner Neugierde hierhergekommen.

Ich hatte mich übrigens dergestalt daran gewöhnt, an dieser Mauer vorüberzugehen, welche von. großen Bäumen überragt wurde, deren Aeste sich wie ein dunkles Wetterdach auf, die Straße vorstreckten, daß ich den Schritt, statt ihn zu beschleunigen, wie in den ersten Zeiten, hemmte, manchmal stehen blieb und mich dabei überraschte, wie ich, wäre die Sache möglich gewesen, ganz bereit war, mein Liebesrendez-vous gegen einen Besuch in diesem fantastischen Garten zu vertauschen.

Und fantastisch war das rechte Wort, wie Sie sogleich sehen werden.

Eines Abends im Monat Juli 1826, das heißt ungefähr ein Jahr vor den Ereignissen, die wir erzählen wollen, – als ich, um ganz für mein Rendezvous geeignet zu sein, im Quartier Latin zu Mittag gegessen hatte, und gegen neun Uhr Abends nach her Rue de l’Est wandelte, schlug ich nach meiner Gewohnheit die Augen zu dem geheimnißvollen Hause auf, und ich sah in der Höhe des ersten Stockes einen ungeheuren Aushängezettel, auf welchem in großen schwarzen Buchstaben die drei Worte geschrieben standen:

Haus zu verkaufen

Ich blieb stehen, da ich schlecht gesehen zu haben glaubte; ich rieb mir die Augen: es war kein Irrthum; es waren wirklich die drei Worte: »Haus zu verkaufen« in Form eines Anschlagzettels an die Facade geschrieben.

»Ah! bei Gott!« sagte ich zu mir selbst, »das ist die Gelegenheit, die ich schon seit so langer Zeit suchte: hüten wir uns wohl, sie entschlüpfen zu lassen.«

Ich stürzte nach der Thüre, und erfreut, daß ich nun eine Antwort zu geben hatte, wenn man mich fragen wurde, was ich wollte, klopfte ich gewaltig an . . . Niemand antwortete.

Ich klopfte zum zweiten Male . . . Abermals Nichts!

Ein drittes, ein viertes, ein fünftes Mal ließ ich den eisernen Klopfer erschallen: doch ich erhielt kein besseres Resultat als das erste und das zweite Mal.

Ich ließ meine Augen umherlaufen: ein Coiffeur, der aus seiner Thürschwelle stand, schaute mir zu. Ich fragte ihn:

»An wen muß ich mich wenden, um dieses Haus zu besichtigen?«

»Sie wollen dieses Haus besichtigen?« sagte mit erstaunter Miene.

14.Überwachung.
Gatunki i tagi
Ograniczenie wiekowe:
0+
Data wydania na Litres:
04 grudnia 2019
Objętość:
1707 str. 13 ilustracje
Właściciel praw:
Public Domain