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Czytaj książkę: «Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1», strona 39

Czcionka:

Als die Prinzessin sich umwandte, sah sie ihn in dieser Stellung und fragte ihn:

»Was machen Sie da?«

»Madame, ich beschwöre Lorenza Feliciani, persönlich hierher zu kommen, um durch ihre Worte und ihren freien Willen zu bezeugen, daß ich weder ein Betrüger, noch ein Fälscher bin, und dies unbeschadet aller anderer Beweise, welche Eure Hoheit fordern wird.«

»Mein Herr!«

»Lorenza Feliciani,« rief der Graf, Alles, selbst den Willen der Prinzessin beherrschend; »Lorenza Feliciani, verlasse dieses Kabinet und komm’ hierher, komm’, komm’.«

Doch die Thüre blieb geschlossen.

»Komm’, ich will es!« wiederholte der Graf.

Da knarrte der Schlüssel im Schlosse, und die Prinzessin sah zu ihrem unsäglichen Schrecken die junge Frau eintreten, welche ihre Augen ohne irgend einen Ausdruck des Zornes oder des Hasses auf den Grafen heftete.

»Was machen Sie denn, mein Kind, was machen Sie?« rief Madame Louise, »und warum kehren Sie zu diesem Mann zurück, den Sie geflohen haben? Sie waren hier in Sicherheit, wie ich Ihnen sagte.«

»Sie ist auch in meinem Haus in Sicherheit, Madame,« erwiederte der Graf.

Dann wandte er sich gegen die junge Frau um und sprach:

»Nicht wahr, Lorenza, Du bist bei mir in Sicherheit?«

Im höchsten Maße erstaunt, faltete die Prinzessin die Hände und sank in einen Lehnstuhl.

»Lorenza,« sprach der Graf mit einem sanften Tone, in welchem sich jedoch der Ausdruck des Befehles fühlbar machte, »Lorenza, man beschuldigt mich, ich habe Dir Gewalt angethan. Sprich, habe ich mich in irgend einer Beziehung einer Gewaltthat gegen Dich schuldig gemacht?«

»Nie,« antwortete die junge Frau mit einer klaren, festen Stimme, aber ohne diese Verneinung mit irgend einer Bewegung zu begleiten.

»Was soll dann die Entführungsgeschichte bedeuten, die Sie mir erzählt haben?« rief die Prinzessin.

Lorenza blieb stumm; sie schaute den Grafen an, als ob das Leben und das Wort, welches der Ausdruck desselben ist, von ihm kommen müßten.

»Ihre Hoheit wünscht ohne Zweifel zu wissen, warum Du das Kloster verlassen hast? Erzähle Alles, was von dem Augenblick an, wo Du im Chor ohnmächtig geworden bist, bis zu dem, wo Du in der Postchaise wieder erwachtest, vorfiel.«

Lorenza blieb schweigsam.

»Erzähle die Sache in allen ihren Einzelnheiten, ohne etwas wegzulassen,« fuhr der Graf fort. »Ich will es.«

Lorenza konnte sich eines Schauers nicht erwehren. »Ich erinnere mich nicht,« sprach sie. »Suche in Deinen Erinnerungen, und Du wirst Dich entsinnen.«

»Ah! ja, ja! in der That,« sagte Lorenza mit demselben monotonen Ausdruck, »ich erinnere mich.«

»Sprich!«

»Als ich in dem Augenblick, wo die Scheere mein Haar berührte, ohnmächtig wurde, trug man mich in meine Zelle und legte mich auf mein Bett. Meine Mutter blieb bis zum Abend bei mir, und da ich nicht zum Bewußtsein kam, schickte man nach dem Wundarzt des Dorfes; dieser fühlte mir den Puls, hielt einen Spiegel vor meine Lippen und erklärte, da er wahrnahm, daß meine Arterien ohne Schläge und mein Mund ohne Athem waren, ich sei todt.«

»Woher wissen Sie denn dies Alles?« fragte die Prinzessin.

»Ihre Hoheit wünscht zu erfahren, woher Du dies Alles wissest,« wiederholte der Graf.

»Es ist seltsam!« sprach Lorenza, »ich sah und hörte, nur konnte ich die Augen nicht öffnen, nicht sprechen, mich nicht bewegen; ich war wie in eine Lethargie versunken.«

»Tronchin hat mir in der That von Personen erzählt, welche in eine Lethargie verfallen waren und lebendig begraben wurden,« sagte die Prinzessin.

»Fahre fort, Lorenza.«

»Meine Mutter gerieth in Verzweiflung und wollte nicht an meinen Tod glauben: sie erklärte sie würde die nächste Nacht und den kommenden Tag noch bei mir zubringen, Sie that, wie sie gesagt hatte, aber die sechs und dreißig Stunden, während welcher sie mich bewachte, vergingen, ohne daß ich eine Bewegung machte, ohne daß ich einen Seufzer von mir gab.

Dreimal kam der Priester und jedes Mal sagte er meiner Mutter, es heiße sich gegen Gott empören, meinen Leib auf der Erde zurückbehalten wollen, während Gott bereits meine Seele habe; denn da ich unter allen Bedingungen des Heils und in dem Augenblick gestorben, wo ich die Worte habe sprechen wollen, welche meinen ewigen Bund mit dem Herrn besiegelten, so zweifle er nicht daran, daß meine Seele geraden Wegs zum Himmel aufgefahren.

Meine Mutter beharrte so fest auf ihrem Willen, daß es ihr gestattet wurde, noch die Nacht vom Montag auf den Dienstag bei mir zu wachen.

Am Dienstag befand ich mich immer noch in demselben Zustande der Bewußtlosigkeit.

Meine Mutter entfernte sich besiegt. Die Nonnen schrieen über Gottlosigkeit. Die Kerzen wurden in der Kapelle angezündet, wo ich nach dem Gebrauche einen Tag und eine Nacht ausgesetzt werden sollte.

Als meine Mutter weggegangen war, kamen die Leichenbestatterinnen in mein Zimmer; da ich das Gelübde nicht ausgesprochen hatte, so zog man mir ein weißes Kleid an, umgab meine Stirne mit einem Kranze von weißen Rosen, legte meine Arme kreuzweise auf meine Brust und verlangte sodann nach dem Sarg.

Der Sarg wurde in mein Zimmer gebracht;, ein gewaltiger Schauer durchlief meinen ganzen Leib, denn ich wiederhole Ihnen, durch meine geschlossenen Lider sah ich Alles, als ob meine Augen weit geöffnet gewesen wären.

Man nahm mich und legte mich in den Sarg.«

Dann trug man mich mit entblößtem Antlitz, wie dies bei uns Italienerinnen der Brauch ist, in die Kapelle und stellte meinen Sarg, angezündete Kerzen rings um mich her und einen Weihkessel zu meinen Füßen, mitten in das Chor.

Den ganzen Tag kamen die Bauern von Subiaco in die Kapelle, beteten für mich und sprengten Weihwasser auf meinen Leib.

Es kam der Abend. Die Besuche hörten auf; man schloß die Thüren der Kapelle, mit Ausnahme der kleinen Pforte, von innen, und die Schwester Krankenwärterin blieb allein bei mir.

Ein furchtbarer Gedanke erfüllte mich während meines Schlummers, der Gedanke, daß am andern Tage die Beerdigung stattfinden sollte, und ich fühlte, daß ich lebendig begraben werden würde, wenn mir nicht eine unbekannte Macht zu Hülfe käme.

Ich hörte eine nach der andern die Stunden schlagen: es schlug neun Uhr, dann zehn Uhr, dann eilf Uhr.

Jeder Schlag wiederhallte in meinem Herzen; denn ich hörte gräßlicher Weise mein eigenes Todtengeläute.

Wie gewaltig ich mich anstrengte, um diesen eisigen Schlaf zu besiegen, um die ehernen Bande zu brechen, die mich im Grunde meines Sarges gefesselt hielten, weiß nur Gott allein, doch er sah es, denn er hatte Mitleid mit mir.

Es schlug Mitternacht.

Bei dem ersten Schlage kam es mir vor, als würde mein ganzer Körper von einer krampfhaften Bewegung der ähnlich geschüttelt, welche ich gewöhnlich fühlte, wenn sich mir Acharat näherte; dann empfand ich eine Erschütterung im Herzen, dann sah ich ihn an der Thüre der Kapelle erscheinen.«

»Und es war ein Schrecken, was Dich hiebei erfaßte?« fragte der Graf von Fönix.

»Nein, es war Glück, es war Freude, es war Begeisterung, denn ich begriff, daß er kam, um mich dem verzweiflungsvollen Tode zu entreißen, den ich so sehr befürchtete. Er ging langsam auf meinen Sarg zu, schaute mich einen Augenblick mit einem Lächeln voll Traurigkeit an und sprach:

‚Stehe auf und gehe.’

Die Bande, welche meinen Leib gefesselt hielten, brachen sich sogleich; bei dieser mächtigen Stimme stand ich auf und setzte einen Fuß aus meinem Sarge.

‚Bist Du glücklich, daß Du lebst?’ fragte er mich.

‚Ah! ja,’ antwortete ich.

‚Nun, so folge mir.’

An den Leichendienst gewöhnt, den sie bei mir verrichtete, wie sie ihn bei so vielen andern Schwestern verrichtet hatte, schlief die Krankenwärterin auf einem Stuhle. Ich ging an ihr vorüber, ohne sie aufzuwecken, und folgte demjenigen, welcher mich zum zweiten Male dem Tode entriß.

Wir kamen in den Hof. Ich sah den mit glänzenden Sternen besäten Himmel wieder, den ich wiederzusehen nicht mehr gehofft hatte. Ich fühlte die frische Nachtluft, welche die Todten nicht mehr fühlen, während sie für das Leben so süß ist.

‚Ehe Du dieses Kloster verlassest,’ fragte er mich, ‚wähle zwischen Gott und mir. Willst Du Nonne werden? Willst Du mir folgen?’

‚Ich will Dir folgen,’ antwortete ich.

‚So komm,’ sprach er zum zweiten Male.

Wir gelangten zu der Pforte des Thurms; sie war geschlossen.

‚Wo sind die Schlüssel?’ fragte er mich.

‚In den Taschen der Schwester Pförtnerin.’

‚Und wo sind diese Taschen?’

‚Auf einem Stuhle bei Ihrem Bett.’

‚Gehe geräuschlos zu ihr, nimm die Schlüssel, wähle den der Pforte und bring ihn mir.’

Ich gehorchte. Die Thüre der Loge war nicht von innen geschlossen. Ich trat ein und ging gerade auf den Stuhl zu. Ich durchsuchte die Taschen, fand die Schlüssel und unter dem Bunde den des Thurmes und brachte ihn zurück.

Fünf Minuten nachher öffnete sich der Thurm und wir befanden uns auf der Straße.

Dann nahm ich ihn beim Arm und wir eilten an das äußerste Ende des Dorfes Subiaco. Hundert Schritte von dem letzten Hause wartete eine bespannte Postchaise. Wir stiegen ein, und sie entfernte sich im Galopp.«

»Und es wurde Ihnen keine Gewalt angethan, es wurde keine Drohung ausgesprochen, Sie folgten diesem Mann freiwillig?«

Lorenza blieb stumm.

»Ihre königliche Hoheit fragt Dich, Lorenza, ob ich Dich durch eine Drohung oder eine Gewaltthat gezwungen habe, mir zu folgen?«

»Nein.«

»Und warum folgten Sie ihm?«

»Sage, warum Du nur gefolgt bist.«

»Weil ich Dich liebte,« sprach Lorenza.

Der Graf von Fönix wandte sich mit einem triumphirenden Lächeln gegen die Prinzessin um.

LII.
Seine Eminenz der Cardinal von Rohan

Was unter den Augen der Prinzessin vorging, war so außerordentlich, daß sie, der starke und zugleich zarte Geist, sich fragte, ob der Mann, den sie vor sich sah, nicht wirklich ein Zauberer wäre, der über die Herzen und Geister nach seinem Willen verfügte.

Doch der Graf von Fönix wollte nicht hiebei stehen bleiben.

»Das ist noch nicht Alles, Madame,« sagte er, »Eure Hoheit hat aus dem Munde von Lorenza nur einen Theil unserer Geschichte gehört; sie könnte Zweifel hegen, wenn sie aus ihrem Munde nicht auch das Uebrige hören würde.«

Dann wandte er sich gegen die junge Frau um und sprach:

»Erinnerst Du Dich unserer Reise, liebe Lorenza, und daß wir mit einander Mailand, den Lago Maggiore, das Berner Oberland, den Rigi und den herrlichen Rhein, der die Tiber des Norden ist, besucht haben?«

»Ja,« sprach die junge Frau mit ihrem monotonen Ausdruck.

»Nicht wahr, mein Kind, fortgezogen durch diesen Mann? Sie wichen einer unwiderstehlichen Kraft, von der Sie sich selbst keine Rechenschaft geben konnten?« fragte die Prinzessin.

»Warum glauben Sie das, Madame, während Alles, was Eure Hoheit gehört, ihr das Gegentheil beweist? Wenn Sie übrigens einen fühlbareren Beweis, einen materiellen Zeugen brauchen, so nehmen Sie diesen Brief von Lorenza, Ich sah mich gegen meinen Willen genöthigt, sie in Mainz zu lassen; sie beklagte meine Abwesenheit und sehnte sich nach mir, denn in meiner Abwesenheit schrieb sie mir dieses Billet, welches Eure Hoheit lesen mag.«

Der Graf zog einen Brief aus seinem Portefeuille und übergab ihn der Prinzessin. Die Prinzessin las:

»Komm zurück, Acharat, Alles fehlt mir, wenn Du mich verläßt. Mein Gott! wann werde ich für die Ewigkeit Dir gehören?«

»Lorenza.«

Der Prinzessin stand, die Flamme des Zornes auf der Stirne, auf und näherte sich Lorenza, mit dem Billet in der Hand.

Diese ließ sie auf sich zukommen, ohne sie zu sehen, ohne sie zu hören; sie schien nur den Grafen zu sehen und zu hören.

»Ich begreife,« sprach rasch derjenige, welcher entschlossen schien, sich bis zum Ende zum Dolmetscher der jungen Frau zu machen: »Eure Hoheit zweifelt und will wissen, ob das Billet wirklich von ihr ist; Eure Hoheit wird von ihr selbst Aufklärung erhalten. Lorenza antworte, wer hat dieses Billet geschrieben?«

Er nahm das Billet und drückte es in die Hand seiner Frau, welche diese Hand sogleich auf ihr Herz legte.

»Lorenza,« sprach sie.

»Und Lorenza weiß, was in diesem Briefe steht?«

»Gewiß.«

»Nun so sage der Prinzessin, was in dem Briefe steht, damit sie nicht glaube, ich täusche sie, wenn ich behaupte, Du liebest mich. Sage es ihr, ich will es.«

Lorenza schien eine Anstrengung zu machen; dann las sie, ohne das Bittet zu entfalten, ohne ihre Augen darauf zu richten:

»Komm zurück, Acharat, Alles fehlt mir, wenn Du mich verläßt. Mein Gott, wann werde ich für die Ewigkeit Dir gehören?«

»Lorenza.«

»Das ist nicht zu glauben,« sprach die Prinzessin, »und ich glaube Ihnen nicht, denn in Allem dem liegt etwas Unerklärliches, Uebernatürliches.«

»Es war dieser Brief,« fuhr der Graf von Fönix fort, als hätte er Madame Louise nicht gehört, »was mich bestimmte, unsere Verbindung zu beschleunigen. Ich liebte Lorenza ebenso sehr, als sie mich liebte. Unsere Stellung war eine falsche, Ueberdies konnte mir bei dem abenteuerlichen Leben, das ich führe, ein Unglück begegnen; ich konnte sterben, und wenn ich starb, sollten nach meinem Wunsche alle meine Güter Lorenza gehören: sobald wir nach Straßburg kamen, heiratheten wir uns auch.«

»Sie heiratheten sich?«

»Ja«

»Unmöglich.«

»Warum dies, Madame?« versetzte lächelnd der Graf, »ich frage Sie, was war dabei Unmögliches, daß der Graf von Fönix Lorenza Feliciani heirathete?«

»Sie hat mir selbst gesagt, sie sei nicht Ihre Frau.«

Der Graf wandte sich ohne der Prinzessin zu antworten an Lorenza und fragte sie:

»Erinnerst Du Dich, an welchem Tage wir uns heiratheten?«

»Ja,« antwortete sie, »es war am dritten Mai.«

»Wo dies?«

»In Straßburg.«

»In welcher Kirche?«

»In der Kathedrale selbst, in der St. Johanns-Kapelle.«

»Leistetest Du irgend einen Widerstand gegen diese Verbindung?«

»Nein; ich war zu glücklich,«

»Siehst Du, Lorenza,« fuhr der Graf fort, »die Prinzessin glaubt, man habe Dir Gewalt angethan. Man hat ihr gesagt, Du hassest mich.«

Und während der Graf diese Worte sprach, nahm er Lorenza bei der Hand.

Der Leib der jungen Frau zitterte ganz vor Glück.

»Ich Dich hassen!« sprach sie, »Oh! nein, ich liebe Dich. Du bist gut, Du bist edelmüthig, Du bist mächtig.«

»Und seitdem Du meine Frau bist, sprich, Lorenza, habe ich je meine Gattenrechte mißbraucht?«

»Nein, Du hast mich geehrt wie Deine Tochter, und ich bin eine reine, fleckenlose Freundin.«

Der Graf wandte sich gegen die Prinzessin um, als wollte er zu ihr sagen: »Sie hören?«

Von einem Schrecken ergriffen, wich sie bis zu den Füßen des elfenbeinernen Christus zurück, der auf einem Grund von schwarzem Sammet an der Wand des Kabinets befestigt war.

»Ist das Alles, was Eure Hoheit zu wissen wünscht?« sprach der Graf, indem er die Hand von Lorenza wieder fallen ließ.

»Mein Herr,« rief die Prinzessin, »nähern Sie sich mir nicht, und Sie auch nicht.«

In diesem Augenblick hörte man das Geräusch eines Wagens, der vor der Abtei hielt.

»Ah!« rief die Prinzessin, »das ist der Cardinal, »wir werden endlich erfahren, woran wir uns zu halten haben.«

Der Graf von Fönix verbeugte sich, sprach einige Worte zu Lorenza und wartete mit der Ruhe eines Mannes, der die Gabe besäße, die Ereignisse zu leiten und zu beherrschen.

Einen Augenblick nachher öffnete sich die Thüre und man meldete Seine Eminenz den Herrn Cardinal von Rohan.

Durch die Gegenwart eines Dritten beruhigt, nahm die Prinzessin wieder ihren Platz in ihrem Lehnstuhl und sprach:

»Laßt ihn eintreten.«

Der Cardinal trat ein. Doch er hatte nicht sobald die Prinzessin begrüßt, als er Balsamo erblickend erstaunt ausrief:

»Ah! Sie sind es, mein Herr?«

»Sie kennen den Herrn?« fragte die Prinzessin.

»Ja,« antwortete der Cardinal.

»Dann werden Sie uns sagen, wer er ist?« rief die Prinzessin.

»Nichts ist leichter,« sagte der Cardinal, »der Herr ist ein Zauberer.«

»Ein Zauberer!« murmelte die Prinzessin.

»Verzeihen Sie, Madame!« sagte der Graf, »Seine Eminenz wird sich sogleich erklären und zwar, wie ich hoffe, zur Befriedigung von Jedermann.«

»Sollte der Herr Ihrer königlichen Hoheit auch eine Weissagung gemacht haben, daß ich sie in diesem Grade verstört sehe?«

»Den Trauschein! aus der Stelle den Trauschein!« rief die Prinzessin.

Der Cardinal schaute sie erstaunt an, denn er wußte nicht, was dieser Ausruf bedeuten sollte.

»Hier ist er,« sprach der Graf, und bot den Schein dem Cardinal.

»Mein Herr,« sprach die Prinzessin, »es handelt sich darum, zu wissen, ob diese Unterschrift gut, und ob dieser Schein gültig ist?«

Der Cardinal las das Papier, das ihm die Prinzessin reichte.

»Das ist ein in aller Form abgefaßter Trauschein, und diese Unterschrift ist die von Herrn Remy, dem Pfarrer der St. Johannes-Kapelle; doch was ist Eurer Hoheit daran gelegen?«

»Oh! es liegt mir viel daran, mein Herr; die Unterschrift ist also  . . .«

»Sie ist gut, doch nichts sagt mir, sie sei nicht erpreßt worden.«

»Erpreßt, nicht wahr? das ist möglich,« rief die Prinzessin.

»Und die Einwilligung von Lorenza ebenfalls, nicht wahr?« sprach der Graf mit einer Ironie, welche unmittelbar an die Prinzessin gerichtet war.

»Doch sagen Sie, Herr Cardinal, durch welche Mittel hätte man diese Unterschrift erpressen können; wissen Sie das?«

»Durch diejenigen, welche diesem Herrn zu Gebot stehen, durch magische Mittel.«

»Magische! Cardinal, behaupten Sie  . . .«

»Der Herr ist ein Zauberer, ich habe es gesagt und widerrufe nicht.«

»Eure Eminenz scherzt.«

»Nein, und zum Beweise diene, daß ich in ihrer Gegenwart eine ernste Erklärung mit ihm haben werde.«

»Ich wollte sie von Eurer Eminenz verlangen,« versetzte der Graf.

»Vortrefflich; doch vergessen Sie nicht, daß ich es bin, welcher fragt,« sagte hochmüthig der Cardinal.

»Und ich,« entgegnete der Graf, »vergessen Sie nicht, daß ich alle Ihre Fragen selbst vor Ihrer Hoheit beantworten werde, wenn Sie darauf bestehen; aber ich bin fest überzeugt, Sie werden nicht darauf bestehen.«

Der Cardinal erwiederte lächelnd:

»Mein Herr, die Rolle eines Zauberers ist in unserer Zeit schwer zu spielen. Ich sah Sie bei der Arbeit; Sie hatten großen Erfolg; doch ich sage Ihnen zum Voraus, nicht Jedermann wird die Geduld und besonders den Edelmuth der Frau Dauphine haben.«

»Der Frau Dauphine!« rief die Prinzessin.

»Ja, Madame,« sprach der Graf, »ich habe die Ehre gehabt, Ihrer Königlichen Hoheit vorgestellt zu werden.«

»Und wie haben Sie diese Ehre anerkannt? Sprechen Sie, mein Herr, sprechen Sie.«

»Ah!« erwiederte der Graf, »schlechter als ich wollte; denn ich hege keinen persönlichen Haß gegen die Menschen, und besonders gegen die Frauen.«

»Aber was hat denn der Herr meiner erhabenen Nichte gethan?« sagte Madame Louise.

»Madame,« antwortete der Graf, »ich habe das Unglück gehabt, ihr die Wahrheit zu sagen, die sie von mir verlangte.«

»Ja, die Wahrheit, eine Wahrheit, wegen der sie in Ohnmacht gefallen ist.«

»Ist das mein Fehler,« entgegnete der Graf mit jener mächtigen Stimme, welche in gewissen Augenblicken so gut donnerte, »ist es mein Fehler, wenn diese Wahrheit so furchtbar war, daß sie eine solche Wirkung hervorbringen mußte? Habe ich die Prinzessin aufgesucht? Habe ich ihr vorgestellt zu werden verlangt? Nein, ich vermied sie im Gegentheil; man führte mich beinahe mit Gewalt zu ihr; sie befragte mich gleichsam befehlsweise.«

»Aber was war denn die furchtbare Wahrheit, die Sie ihr gesagt haben?« fragte die Prinzessin.

»Diese Wahrheit, Madame, ist der Schleier der Zukunft, den ich zerrissen habe.«

»Der Zukunft?«

»Ja, Madame, der Zukunft, welche Eurer Königlichen Hoheit so bedrohlich vorkam, daß sie in ein Kloster zu fliehen, sie am Fuße der Altäre durch ihre Gebete und ihre Thränen zu bekämpfen suchte.«

»Mein Herr!«

»Ist es mein Fehler, Madame, wenn diese Zukunft, welche Sie als eine Heilige geahnet haben, mir dem Propheten enthüllt worden ist, und wenn die Frau Dauphine erschrocken über diese Zukunft, welche sie persönlich bedroht, in Ohnmacht fiel, als sie ihr enthüllt wurde?«

»Sie hören,« sagte der Cardinal.

»Ach! ach!« seufzte die Prinzessin.

»Denn ihre Regierung ist verdammt,« rief der Graf, »als die unglücklichste, unseligste Regierung der ganzen Monarchie.«

»Mein Herr!« rief die Prinzessin.

»Was Sie betrifft, Madame,« fuhr der Graf fort, »vielleicht haben Ihre Gebete Gnade erlangt, doch Sie werden nichts von Allem dem sehen, denn Sie sind in den Armen des Herrn, wenn diese Dinge sich ereignen. Beten Sie, Madame, beten Sie!«

Beherrscht durch diese prophetische Stimme, welche so gut den Bangigkeiten ihrer eigenen Seele entsprach, fiel die Prinzessin vor dem Crucifix auf die Kniee und fing wirklich an, inbrünstig zu beten.

Da wandte sich der Graf gegen den Cardinal, ging ihm in eine Fenstervertiefung voran und sprach:

»Nun ist die Reihe an uns, Herr Cardinal; was wollen Sie von mir?«

Der Cardinal trat zu dem Grafen.

Die Personen waren folgendermaßen gestellt:

Die Prinzessin betete inbrünstig am Fuße des Crucifixes; Lorenza stand unbeweglich, stumm, die Augen offen und starr, als ob sie nichts sehen würden, mitten im Zimmer. Die zwei Männer waren in der Fenstervertiefung, der Graf auf den Fensterriegel gestützt, der Cardinal halb durch den Vorhang verborgen.

»Was wollen Sie von mir?« wiederholte der Graf, »sprechen Sie.«

»Ich will wissen, wer Sie sind.«

»Sie wissen es.«

»Ich?«

»Allerdings. Haben Sie nicht gesagt, ich sei ein Zauberer?«

»Sehr gut. Doch dort nannte man Sie Joseph Balsamo; hier nennt man Sie den Grafen von Fönix.«

»Nun, was beweist das? daß ich den Namen geändert habe und sonst nichts.«

»Ja; doch wissen Sie daß solche Aenderungen von Seiten eines Mannes wie Sie Herrn von Sartines viel zu denken geben dürften?«

Der Graf lächelte.

»Oh! mein Herr, das ist ein kleiner Krieg für einen Rohan! Wie, Eure Eminenz argumentirt über Worte! Verba et voces, sagt der Lateiner, Hat man mir nichts Schlimmeres vorzuwerfen?«

»Sie werden, glaube ich, spöttisch,« sagte der Cardinal.

»Ich werde es nicht, das ist mein Charakter.«

»Dann will ich mir ein Vergnügen bereiten.«

»Welches?«

»Ich werde machen, daß Sie Ihren Ton herabstimmen.«

»Machen Sie das, mein Herr.«

»Ich bin überzeugt, ich huldige dadurch der Frau Dauphine.«

»Das wird durchaus nicht unnütz sein, wie Sie mit ihr stehen,« versetzte Balsamo phlegmatisch.

»Und wenn ich Sie verhaften ließe, mein Herr Planetenleser, was würden Sie sagen?«

»Ich würde sagen, Sie haben sehr Unrecht, Herr Cardinal.«

»In der That!« versetzte die Eminenz mit einer niederschmetternden Verachtung! »und wer würde das finden?«

»Sie selbst, Herr Cardinal,«

»Ich gebe auf der Steile Befehl dazu, dann wird man genau erfahren, wer der Baron Joseph Balsamo, Graf von Fönix, der erhabene Sprößling eines Stammbaumes ist, dessen Samen ich auf keinem genealogischen Felde Europas gefunden habe.«

»Mein Herr, warum haben Sie sich nicht bei Ihrem Freund dem Herrn von Breteuil nach mir erkundigt?«

»Herr von Breteuil ist nicht mein Freund.«

»Das heißt, er ist es nicht mehr, aber er war es, und zwar einer Ihrer besten Freunde; denn Sie hatten ihm einen gewissen Brief geschrieben.«

»Welchen Brief? fragte der Cardinal, näher tretend.

»Noch näher, Herr Cardinal, noch näher; ich möchte nicht gern laut sprechen, denn ich befürchte, ich könnte Sie gefährden.«

Der Cardinal näherte sich dem Grafen noch mehr.

»Welchen Brief meinen Sie?« sagte er.

»Oh! Sie wissen es wohl.«

»Sprechen Sie immerhin.«

»Nun! einen Brief, den Sie von Wien nach Paris schrieben, um die Heirath des Dauphin zu hintertreiben.«

Der Prälat machte eine Bewegung des Schreckens.

»Dieser Brief  . . .?« stammelte er.

»Ich weiß ihn auswendig.«

»Das ist ein Verrath von Herrn von Breteuil.«

»Warum dies?«

»Weil ich ihn, als die Heirath beschlossen war, zurückforderte.«

»Und er sagte Ihnen?«

»Er sei verbrannt.«

»Er wagte es nicht, Ihnen zu sagen, er sei verloren gegangen.«

»Verloren gegangen?«

»Ja  . . . Sie begreifen, ein verlorener Brief kann wiedergefunden werden.«

»Somit ist der Brief, den ich an Herrn von Breteuil geschrieben habe  . . .?«

»Ja.«

»Von dem er mir sagte, er habe ihn verbrannt  . . .?«

»Ja.«

»Und den er verloren hatte  . . .?«

»Von mir gefunden worden. Oh! mein Gott! durch einen Zufall, als ich durch den Marmorhof in Versailles ging.«

»Und Sie haben ihn nicht wieder Herrn von Breteuil zustellen lassen?«

»Ich habe mich wohl gehütet.«

»Warum dies?«

»Weil ich in meiner Eigenschaft als Zauberer wußte, daß Eure Eminenz, der ich so wohl will, mir auf den Tod grollte; Sie begreifen daher? Ein entwaffneter Mann, welcher weiß, daß er einen Wald durchwandernd angegriffen werden wird, und am Saume dieses Waldes eine geladene Pistole findet  . . .«

»Nun?«

»Dieser Mann ist ein Dummkopf, wenn er die Pistole aus den Händen läßt.«

Den Cardinal ergriff ein Schwindel, und er stützte sich auf das Fenstergesimse.

Nach einem Augenblick des Zögerns, dessen Veränderungen der Graf auf seinem Gesichte verschlang, sprach er:

»Es sei. Doch man soll nicht sagen, ein Prinz meines Hauses habe sich vor der Drohung eines Charlatan gebeugt. Mag dieser Brief verloren gegangen sein, mögen Sie ihn gefunden haben, sollte er der Frau Dauphine selbst gezeigt werden, sollte mich dieser Brief als Politiker zu Grunde richten, ich werde meine Rolle als redlicher Unterthan, als getreuer Botschafter behaupten. Ich werde sagen, was wahr ist, nämlich, daß ich diese Verbindung den Interessen meines Landes schädlich gefunden habe, und mein Land wird mich beschützen, oder beklagen.«

»Und wenn sich Jemand fände,« versetzte der Graf, »welcher behaupten würde, jung, schön, galant, in Betracht seines Namens Rohan und seines Titels als Prinz nichts fürchtend, habe der Botschafter dies nicht gesagt, weil er die österreichische Verbindung als den Interessen Frankreichs schädlich betrachtet, sondern weil dieser stolze Botschafter, Anfangs von der Erzherzogin Marie Antoinette liebreich aufgenommen, die Eitelkeit gehabt habe, in dieser Freundlichkeit etwas mehr zu sehen, als  . . . Freundlichkeit, was wird dann der getreue Unterthan, der redliche Botschafter sagen?«

»Er wird leugnen, mein Herr; denn von dem Gefühle, von welchem Sie behaupten, es habe bestanden, ist kein Beweis mehr übrig.«

»Ah! doch, mein Herr, Sie täuschen sich; es bleibt die Kälte der Frau Dauphine gegen Sie übrig.«

Der Cardinal zögerte.

»Hören Sie, mein Prinz,« sagte der Graf, »glauben Sie mir, statt uns zu entzweien, wie es bereits geschehen wäre, wenn ich nicht mehr Klugheit besäße, als Sie, bleiben wir gute Freunde.«

»Gute Freunde?«

»Warum nicht? Die guten Freunde sind diejenigen, welche uns Dienste leisten.«

»Habe ich je solche von Ihnen gefordert?’’

»Sie hatten Unrecht; denn seit den zwei Tagen, die Sie in Paris sind  . . .«

..Ich?«

»Ja, Sie. Ei, mein Gott! warum wollen Sie mir das verbergen, mir, der ich ein Zauberer bin? Sie haben die Prinzessin in Soissons verlassen, Sie sind mit Post durch Villers-Cotterets und Damartin, das heißt auf dem kürzesten Wege nach Paris gekommen und haben von ihren guten Freunden in Paris Dienste verlangt, die sie Ihnen verweigerten. Nach welcher Weigerung Sie wieder mit Post nach Compiègne abgereist sind, und zwar in Verzweiflung.«

Der Cardinal schien vernichtet.

»Und welche Art von Diensten konnte ich denn von Ihnen erwarten, wenn ich mich an Sie gewendet hätte?« fragte er.

»Die Dienste, die man von einem Mann verlangt, welcher Gold macht!«

»Und was nützt es mich, daß Sie Gold machen?«

»Pest! wenn man fünfmal hundert tausend Franken in acht und vierzig Stunden zu bezahlen hat; sind es fünfmal hundert tausend Franken?«

»Ja, es ist so.«

Sie fragen, wozu es nütze, einen Freund zu haben, welcher Gold macht? Es nützt dazu, daß man die fünfmal hundert tausend Franken, die man bei Niemand hat finden können, bei ihm finden wird.«

»Und wo dies?« fragte der Cardinal.

»In der Rue Saint-Claude, im Marais.«

»Woran werde ich das Haus erkennen?«

»An einem Greifenkopf von Bronze, der als Klopfer an der Thüre dient.«

»Wann kann ich mich dort einfinden?«

»Uebermorgen, Monseigneur, gegen sechs Uhr Abends, und denn …«

»Und dann?«

»So oft es Ihnen Vergnügen macht, dahin zu kommen. Doch sehen Sie, unsere Unterredung endigt zu rechter Zeit, denn die Prinzessin hat so eben ihr Gebet beschlossen.«

Der Cardinal war besiegt; er versuchte es nicht länger, zu widerstehen, näherte sich der Prinzessin und sprach:

»Madame, ich bin genöthigt, zu gestehen, daß der Herr Graf von Fönix vollkommen Recht hat, daß der Schein, den er bei sich trägt, durchaus gültig ist, und daß mich die Erklärungen, die er mir gegeben, völlig befriedigt haben.«

Der Graf verbeugte sich.

»Was befiehlt Eure Königliche Hoheit?« fragte er.

»Ein letztes Wort zu dieser jungen Frau.«

Der Graf verbeugte sich zum Zeichen der Beistimmung.

»Sie wollen aus eigenem Antrieb und freiem Willen das Kloster von Saint-Denis verlassen, wohin Sie gekommen sind, um sich eine Zufluchtsstätte von mir zu erbitten?«

»Ihre Hoheit fragt,« sprach rasch Balsamo, »ob Du aus freiem Willen das Kloster von Saint-Denis verlassen wollest, wohin Du gekommen, um Dir eine Zufluchtsstätte zu erbitten. Antworte, Lorenza.«

»Ja, mit meinem freien Willen,« sprach die junge Frau.

»Und dies um Ihrem Gatten, dem Grafen von Fönix, zu folgen?«

»Und dies um mir zu folgen?« wiederholte der Graf.

»Oh! ja,« sprach die junge Frau.

»Dann halte ich keines von Beiden zurück,« sprach die Prinzessin, »denn dies hieße den Gefühlen Gewalt anthun. Doch wenn Etwas in Allem dem ist, was aus der natürlichen Ordnung der Dinge heraustritt, so falle die Strafe des Herrn auf denjenigen, welcher zu seinen Gunsten oder in seinen Interessen die Harmonie der Natur gestört hat. Gehen Sie, Herr Graf von Fönix, gehen Sie, Lorenza Feliciani, ich halte Sie nicht zurück  . . . Nur nehmen Sie Ihre Juwelen wieder.«

»Sie gehören den Armen, Madame,« sprach der Graf von Fönix, »und von Ihren Händen vertheilt, wird das Almosen Gott zweimal angenehm sein. Ich verlange nur mein Pferd Dscherid.«

»Sie können es im Vorübergehen fordern, mein Herr. Gehen Sie!«

Der Graf verbeugte sich vor der Prinzessin und bot seinen Arm Lorenza; diese stützte sich darauf und ging weg, ohne ein Wort zu sprechen.

»Ah! Herr Cardinal!« sagte die Prinzessin, traurig den Kopf schüttelnd, »es gibt unbegreifliche, unselige Dinge in der Luft, die wir einathmen.«