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Czytaj książkę: «Die Zwillingsschwestern von Machecoul», strona 24

Czcionka:

IX.
Maître Jacques' Kaninchen

Südlich von Machecoul breiten sich drei Wälder in Form eines Dreiecks um den Marktflecken Légé aus.

Diese drei Wälder, welche die Namen Touvois, Große Heide und La Rocho-Servière führen, sind einzeln nicht sehr groß; aber sie sind kaum drei Kilometer von einander entfernt und sind durch Hecken, Ginster- und Stechpalmenbüsche, die hier häufiger als in andern Theilen der Vendée sind, mit einander verbunden und bilden so einen sehr bedeutenden Forst.

In Folge dieser topographischen Verhältnisse sind die Waldungen ein Sammelplatz für die Aufständischen geworden, welche in Zeiten des Bürgerkrieges aus diesem Versteck in die benachbarten Länder hervorbrachen.

Der Marktflecken Légé, die Heimat des berüchtigten Arztes Jolly, war fast immer das Hauptquartier Charette’s gewesen; nach einer Niederlage hatte er sich in diese Wälder zurückgezogen, um seine stark gelichteten Schaaren wieder zu ergänzen und sich zu neuen Kämpfen zu rüsten.

Seitdem war freilich die strategische Lage von Légé durch die Straße von Nantes nach Sables-d’Olonne verändert worden, aber auch im Jahre 1832 waren die zerklüfteten waldigen Umgebungen ein Hauptsammelplatz für die Aufständischen.

Die drei Wälder bargen in den dichten Gebüschen von Stechpalmen und Farnkräutern, welche im Schatten des Hochwaldes wuchern, zahlreiche Banden von Mißvergnügten, welche aus dem Lande und aus der Ebene täglich neue Zuzüge bekamen.

Hier hausten die Aufständischen in Felsenhöhlen, wie die früheren Chouans, und die Treibjagden, welche die Regierung halten ließ, blieben ohne wesentlichen Erfolg.

Gegen Abend hatte Michel das Schloß Souday verlassen, um sich zu Pferde in Picaut’s Haus zu begeben. Wer hinter einer der hundertjährigen Buchen im Touvoiswalde versteckt gewesen wäre, hätte Zeuge eines seltsamen Schauspiels seyn können.

Zu der Stunde, wo die Sonne sinkt und die Abenddämmerung eintritt, zu der Stunde, wo es im Dickicht schon dunkel ist und die letzten Sonnenstrahlen die Gipfel der hohen Baume vergolden, würde ein einsamer Lauscher von weitem eine Gestalt gesehen haben, die er leicht für ein gespenstisches Wesen hätte halten können. Die Gestalt näherte sich langsam und sah sich scheu nach allen Seiten um.

Dies mochte ihm wohl sehr leicht werden, denn auf den ersten Anblick schien der Unbekannte zwei Köpfe zu haben.

Er war mit schmutzigen Lumpen bekleidet; das Tuch, aus welchem Jacke und Hosen ursprünglich gemacht waren, war unter den zahllosen bunten Flecken ganz verschwunden. Er schien, wie gesagt, zu den zweiköpfigen Ungethümen zu gehören, welche die Natur zuweilen in ihrer tollen Laune hervorbringt.

Die beiden Köpfe waren völlig von einander geschieden und hatten, obschon aus einem und demselben Rumpfe sitzend, nicht die mindeste Familienähnlichkeit.

Neben einem breiten, ziegelrothen, blatternarbigen, bärthigen Gesicht zeigte sich ein minder abschreckendes Antlitz, dessen Charakterzug Arglist und Bosheit war. Das letztere war höflich, das erstere dagegen zeigte einen widerlichen Blödsinn, der sich zuweilen bis zur Wildheit steigerte.

Uebrigens gehörten diese beiden so verschiedenen Gesichter Zweien unserer alten Bekannten, die wir auf dem Jahrmarkte zu Montaigu gesehen haben und hier wieder finden; nämlich dem Schankwirthe Aubin Courte-Joie und dem herkulischen Bettler Trigaud, der in dem Aufstande zu Montaigu ebenfalls eine Rolle spielte, indem er den General vom Pferde warf.

Aubin Courte-Joie hatte mittelst einer recht klugen Berechnung seine eigene mangelhafte Person durch dieses zweifüßige Lastthier, welches ihm zum Glück begegnet war, vervollständigt; seine auf der Straße bei Ancenis zurückgelassenen Beine hatte er durch nervige Gliedmaßen ersetzt, die keine Anstrengung scheuten und seinen Willen mit unbedingtem Gehorsam erfüllten. Bald gehorchten die Beine des zerlumpten Goliath den Gedanken Aubin’s, wenn sich diese nur durch einen Laut, einen Wink und einen Druck der Hand auf der Schulter oder durch eine Kniebewegung kundgaben.

Sonderbarerweise versah Trigaud seinen Dienst als Lastthier mit großem Vergnügen; sein beschränkter Verstand errieth, daß Aubin Courte-Joie für eine Sache wirkte, deren eifriger Anhänger er selbst war; einige Worte von »Weißen« und »Blonden,« die in seine beständig lauschenden Ohren fielen, bewiesen ihm daß er durch den Lastthierdienst zum Vertheidiger des Königthums wurde, und er bildete sich nicht wenig darauf ein. Sein Vertrauen zu Aubin Courte-Joie war grenzenlos; er dachte mit stolzem Selbstgefühl, daß er mit diesem Geiste, dessen Ueberlegenheit er anerkannte, gleichsam verkörpert ward, und er diente ihm mit instinctmäßger Treue und Ergebenheit.

Trigaud trug Aubin bald auf dem Rücken, bald auf den Schultern, mit einer Zärtlichkeit, die eine Mutter ihrem Kinde erwiesen haben würde; er hegte und pflegte den kleinen krüppelhaften Menschen mit einer Sorgfalt, welche den Blödsinn des armen Teufels Lügen zu strafen schien. Er beachtete es gar nicht, wenn seine Füße an spitze Steine stießen, aber beseitigte sorgfältig dies Zweige, welche Aubin am Körper oder im Gesicht hatten verletzen können.

An einer lichten Stelle des Waldes berührte Aubin die Schulter Trigaud’s mit dem Finger, und der Riese stand still.

Ohne ein Wort zu sagen, deutete er auf einen großen Stein, der unter einer alten Buche lag.

Der Riese ging auf die Buche zu, nahm den Stein auf und erwartete den Befehl seines Reiters.

»Jetzt,« sagte Aubin Courte-Joie, »schlage dreimal zu.«

Trigaud gehorchte, die beiden ersten Schläge folgten rasch aufeinander, der letzte folgte nach einer längeren Pause.

Auf dieses Zeichen, welches dumpf an dem Baumstamme dröhnte, hob sich ein Stück Rasen und Moos, und ein Kopf kam aus der Erde hervor.

»Aha! Ihr seyd heute auf der Lauer, Maître Jacques!« sagte Aubin, der sich sehr zu freuen schien, daß er einen guten Bekannten fand.

»Es ist jetzt die Stunde des Anstandes,« erwiderte der Andere; sich sehe gern selbst zu; ob keine Jäger in der Reihe sind, ehe ich meine Kaninchen hinauslasse.«

»Das ist recht, Maître Jacques,« sagte Aubin beistimmend, »zumal heute, denn drüben auf dem freien Felde blitzen gar viele Gewehrläufe.«

»So! erzähle mir’s doch.«

»Sehr gern.«

»Kommst Du herein?«

»O nein, Jacques; es ist uns ohnedies warm genug geworden, nicht wahr, Trigaud?«

Der Riese gab seine Zustimmung durch ein freundliches Grunzen zu erkennen.

»Aha! er spricht,« sagte Jacques, »man sagte, er sey stumm. Du kannst Dir etwas darauf einbilden Trigaud, dass unser Aubin Dir seine Freundschaft geschenkt hat; Du bist jetzt beinahe ein Mensch – und überdies bekommst Du immer dein Futter, was nicht einmal die Jagdhunde des Marquis von Souday sagen können.«

Der Bettler riß seinen großen Mund auf und wollte lachen, aber ein Wink Aubin’s wies diesen Ausbruch der Heiterkeit, den die gewaltigen Lungen des Riesen hätten gefährlich machen können, in den Kehlkopf zurück.

»Nicht so laut, Trigaud!« sagte er gebieterisch.

»Der arme Schelm glaubt noch auf dem Marktplatz in Montaigu zu seyn.«

»Nun, da Ihr nicht hineinkommen wollt, so will ich die Kameraden hinauslassen. Uebrigens hast Du Recht, lieber Courte-Joie es ist heiß hier unten. Einige sagen, sie würden bei lebendigen Leibe gesotten; aber Ihr wißt ja, die Leute klagen immer.«

»Nur Trigaud nicht,« erwiderte Aubin und gab dem Elephanten einen freundlichen Faustschlag auf den Kopf, »er ist immer zufrieden.«

Trigaud nickte und erwiderte die Liebkosung, mit der ihn Courte-Joie beehrte, mit behaglichem Lachen.

Maître Jacques, mit welchem wir nähere Bekanntschaft machen müssen, war ein Mann von fünfzig bis fünfundfünfzig Jahren und hatte das Aussehen eines biedern Landmannes aus dem Lande Retz. Er trug langes Haar, aber sein Bart war sorgfältig geschoren. Sein Anzug bestand in einer sehr sauberen Tuchjacke von fast modischem Schnitt, gestreifter Tuchweste, Leindwandhosen und hohen Kamaschen.

Seine Bewaffnung bestand für den Augenblick nur in einem Paar Pistolen, deren blanke Kolben aus der Jacke hervorschauten.

Trotz seines harmlosen, gutmüthigen Gesichts war Maître Jacques der Anführer einer der kühnsten Banden des Landes und der entschlossenste Chouan in der Umgegend, wo er in sehr hohem Ruf stand.

Jacques hatte in den fünfzehn Jahren der wirklichen Herrschaft Napoleons eigentlich nie die Waffen gestreckt; mit zwei oder drei Männern, oft sogar ganz allein hatte er sich gegen ganze Brigaden gewehrt. Sein Muth und sein Glück hatte etwas Uebernatürliches, und das abergläubische Volk hielt ihn für unverwundbar; die Kugeln der Blauen, meinte man, könnten ihm nichts anhaben. Als er daher nach der Julirevolution, in den ersten Augusttagen 1830, erklärte, dass er einen Kriegszug eröffnen wolle, hatten sich alle Mißvergnügten um ihn geschaart und bald eine starke Bande gebildet, mit welcher er bereits die zweite Reihe seiner Parteikämpfe begonnen hatte.

Maître Jacques der, um mit Aubin zu sprechen, zuerst mit dem Kopfe und dann bis an den Leib aus der Höhle hervorgekommen war, zog sich wieder in dieselbe zurück und fing an leise und auf eigenthümliche Art zu pfeifen.

Auf dieses Zeichen hörte man in der Erde ein Summen, wie in einem Bienenkorb, und bald darauf hob sich in einem nahen Gebüsch eine große Hürde, welche, wie die kleine Falltür, mit Rasen; Moos und Laub bedeckt war, so daß sie von dem Erdboden gar nicht zu unterscheiden war.

Die Mündung eines weiten und tiefen Schachtes kam nun zum Vorschein, und aus derselben stiegen nach einander etwa zwanzig Männer hervor.

Die Kleidung dieser Männer hatte keineswegs die malerische Eleganz, welche die aus den pappenen Höhlen eines Operntheaters hervorkommenden Räuber charakterisieren. Einige unter ihnen waren in ähnlicher Uniform wie der riesenhafte Bettler Trigaud; die elegantesten trugen Tuchjacken, die meisten aber waren in Leinwand gekleidet.

Dieselbe Verschiedenheit war auch in der Bewaffnung zu bemerken; drei bis vier Musketen, ein halbes Dutzend Jagdflinten und eben so viele Pistolen bildeten die Reihe der Feuerwaffen; aber die Reihe der »blanken Waffen« war bei weitem nicht so respectabel, denn sie bestand nur aus dem Säbel, der Jacques gehörte, aus zwei Piken, die schon im ersten Vendéekriege Dienste geleistet hatten, und aus acht bis zehn sorgfältig geschliffenen Heugabeln.

Als alle diese tapfern Männer aus der Erde hervorgekommen waren, setzte sich Jacques auf einen umgehauenen Baum; Trigaud setzte Aubin Courte-Joie an seine Seite und entfernte sich einige Schritte, ohne jedoch seinen Reiter aus den Augen zu lassen, so dass er jeden Augenblick bereit war, dem Winke desselben Folge zu leisten.

»Ja, lieber Courte-Joie,« begann Maître Jacques, »die Wölfe gehen auf Raub aus; aber es freut mich doch, daß Du Dich bemüht hast, mich zu warnen. – Aber wie kommst Du denn hierher?« fragte er, sich schnell besinnend, »Du bist ja zugleich mit Jean Oullier festgenommen worden. Jean Oullier ist in der Furt von Pontfarcy entwischt. Daß er davongekommen ist, wundert mich gar nicht, aber Du, armer Stelzfuß, wie hast Du es angefangen?«

»Ich habe den Gendarm der mich festhielt, ein bisschen mit dem Messer gekitzelt, und es scheint ihm nicht gut bekommen zu seyn, denn er ließ mich los. Die Fäuste meines Gevatters Trigaud thaten das Uebrige. Aber wer hat Dir die Geschichte erzählt, Maître Jacques?«

Jacques zuckte die Achseln und ohne die Frage, die ihm nicht der Beachtung werth zu seyn schien, zu beantworten, sagte er:

»Willst Du mir etwa anzeigen, daß es für einen andern Tag bestimmt ist?«

»Nein, es bleibt bei dem 24.«

»Das freut mich,« erwiderte Maître Jacques, »denn das Aufschieben und Zögern macht mich ungeduldig. Mein Gott! braucht man denn so viele Umstände zu machen, um sein Gewehr zu nehmen, seiner Frau Lebewohl zu sagen und aus dem Hause zu geben?«

»Nur Geduld, Du hast nicht mehr lange zu warten, Maître Jacques.«

»Vier Tage!« sagte dieser mit Ungeduld. »Ich finde, daß drei Tage zu viel sind; Jean Oullier hat mehr Glück als ich, er hat ihnen in der Baugéschlucht übel mitgespielt.«

»Ja, ich habe es gehört.«

»Leider,« setzte Maître Jacques hinzu, »haben sie sich grausam gerächt.«

»Wie so?«

»Weißt Du es denn nicht?«

»Nein, ich komme geradeswegs von Montaigu.«

»Dann kannst Du auch nichts erfahren haben.«

»Was ist denn geschehen?«

»Sie haben in Pascal Picaut’s Hause einen braven jungen Mann todtgeschossen, den ich hochschätzte, obschon ich sonst Seinesgleichen nicht leiden kann.«

»Wen denn?«

»Den Grafen von Bonneville.«

»Wann denn?«

»Heute, gegen zwei Uhr Nachmittags.«

»Wie hast Du denn das in deinem Erdloch erfahren?«

»Ich erfahre Alles was mir nützlich seyn kann.«

»Dann wird’s kaum nöthig seyn Dir zu sagen, weshalb ich komme.«

»Warum denn?«

»Weil Du es wahrscheinlich schon weißt.«

»Das ist wohl möglich.«

»Ich möchte meiner Sache aber gewiß seyn; es würde mir eine unangenehme, mit Widerwillen übernommene Bestellung ersparen.«

»Du kommst wohl im Auftrages der Herren?«

Maître Jacques sagte dieses letzte Wort in einem halb höhnischen, halb drohenden Tone.

»Ja wohl,« erwiderte Aubin Courte-Joie, »und dann hat mir Jean Oullier, der mir begegnete, auch einen Auftrag an Dich gegeben.«

»Jean Oullier! dann bist Du mir doppelt willkommen. Jean Oullier ist mir ein lieber Freund – schon seit Jahren; er hat einmal etwas gethan, was ihm meine Zuneigung erworben hat.«

»Was denn?«

»Das ist sein Geheimniß, und ich darf es nicht verrathen. Aber laß zuerst hören, was die großen Herren von mir wollen.«

»Dein Divisionschef schickt mich zu Dir.«

»Der Marquis von Souday?«

»Ja.«

»Was will er von mir?«

»Er beklagt sich, daß Du durch deine zu häufigen Ausfälle die Aufmerksamkeit der Regierungssoldaten erregst; daß Du durch deine Erpressungen die Stadtleute erbitterst und dadurch im Voraus die allgemeine Bewegung erschwerst.«

»Warum zögern sie so lange? Wir haben wahrhaftig schon lange genug gewartet; ich bin schon seit dem 30. Juli schlagfertig.«

»Und dann –«

»Wie! es ist noch nicht Alles?«

»Nein; er befiehlt Dir –«

»Er befiehlt mir?«

»Höre nur – Du kannst ja gehorchen oder nicht gehorchen, aber er befiehlt —«

»Ich erkläre Dir im Voraus, Courte-Joie, daß ich nicht gehorchen werde. Jetzt sprich, ich höre.«

»Er befiehlt Dir, Dich in deinem Standquartier bis zum 24. ruhig zu verhalten, und durchaus keinen Postwagen oder Reisenden auf der Landstraße anzuhalten, wie Du in diesen Tagen gethan.«

»Und ich erkläre,« antwortete Jacques, »daß der Erste, der diesen Abend von Légé nach St. Étienne, oder von St. Étienne nach Légé durchpassirt, in meine Hände fallen wird. Du bleibst hier, Courte-Joie, und statt der Antwort kannst Du ihm erzählen, was Du gesehen.«

»Nein, Jacques,« erwiderte Aubin, »das wirst Du nicht thun.«

»Doch, ich thue es.«

»Bedenke doch, Jacques « mahnte der Schenkwirth, »daß unsere Sache sehr dadurch gefährdet wird.«

»Das ist möglich, aber ich will dem alten Landsknecht beweisen, daß ich mit meinen Leuten nicht in seine Division treten will, und daß seine Befehle hier nie vollzogen werden sollen. Jetzt bist Du mit den Befehlen des Marquis von Souday fertig, laß’ hören, was mir Jean Oullier sagen läßt.«

»Er begegnete mir drüben bei der Brücke; er fragte mich, wohin ich ginge und als ich ihm sagte, daß ich zu Dir gehe, erwiderte er: Ei, das trifft sich ja schön! Frage Maître Jacques, ob er für einige Tage ausziehen und Jemanden seine Erdhöhle überlassen will.«

»Hat er den Jemand genannt?«

»Nein.«

»Nun, er soll willkommen seyn, wenn ihn Jean Oullier schickt. Uebrigens würde er mich nicht belästigen, wenn’s nicht der Mühe werth wäre, er macht’s nicht wie die faulen Herren, die nur Lärm machen und uns die Arbeit lassen.«

»Es gibt gute und schlechte,« sagte Courte-Joie.

»Wann wird der Jemand kommen, den er verstecken will?« fragte Jacques.

»Diese Nacht.«

»Woran ist er zu erkennen?«

»Jean Oullier würde ihn herführen.«

»Ist dies Alles, was er verlangt?«

»Nein, er wünscht, daß Du diese Nacht jede verdächtige Person aus dem Walde entfernest und die ganze Umgegend, insbesondere den Weg nach Grand-Lieu genau durchsuchen lässest.«

»Du siehst, der Divisionschef befiehlt mir, Niemand anzuhalten, und Jean Oullier verlangt, daß der Weg frei seyn soll von Rothhosen und Patauds; ich habe also um so mehr Ursache, mein Wort zu halten, das ich Dir so eben gab. – Wie soll Jean Oullier erfahren, daß ich ihn erwarte?«

»Wenn er kommen kann, wenn keine Truppen im Walde sind, so soll ich ihn davon benachrichtigen.«

»Wie denn?«

»Durch einen Stechpalmenzweig mit sieben Blättern, der auf halbem Wege nach Machecoul, am Kreuzwege bei La Benaste, mitten auf der Straße liegen soll; die Spitze des Zweiges soll gegen Touvois gewandt seyn.«

»Hat er Dir ein Losungswort gegeben? Jean Oullier hat es gewiß nicht vergessen.«

»Ja, der Eine soll sagen: Sieg, und die Antwort lautet: Vendée.«

»Gut,« sagte Maître Jacques, indem er aufstand und mitten auf den freien Platz trat.

Hier rief er vier seiner Leute und flüsterte ihnen einige Worte zu. Die vier Chouans entfernten sich, ohne zu antworten, in vier verschiedenen Richtungen.

Jacques ließ einen Krug mit Branntwein heraufbringen und bot seinem Freunde zu trinken. Gleich darauf erschienen vier Männer von den Seiten, wo sich die ersten entfernt hatten.

Es waren die Schildwachen, die von ihren Cameraden abgelöst worden waren.

»Gibt’s etwas Neues?« fragte Jacques.

»Nein,« antworteten drei der abgelösten Wachen.

»Und Du sagst nichts?« fragte er den vierten, »Du hattest doch den besten Posten.«

»Der Postwagen von Nantes war von vier Gendarmen escortirt.«

»Aha! Du hast eine feine Nase, Du witterst Geld! Und doch gibt es Leute, die uns das Handwerk legen wollen! Aber seyd nur ruhig, Freunde, ich bin da.«

»Nun, was soll ich melden?«

»Es ist keine Rothhose in der Nähe; melde unserm Freunde Jean Oullier, daß er mit seinen Leuten kommen kann.«

»Gut,« sagte Courte-Joie, der während des Verhörs der Schildwachen einen Stechpalmenzweig in der mit Jean Oullier verabredeten Form geschnitten hatte, »ich will Trigaud hinschicken. – Komm hierher!« rief er dem Riesen zu.

Maître Jacques hielt ihn zurück.

»Bist Du von Sinnen!« sagte er, »Du wirst Dich doch nicht von deinen Beinen trennen? Denke doch, was aus Dir werden würde, wenn Du ihn brauchtest! Wir haben ja gegen vierzig Leute, die gern aus ihrer Höhle hervorkommen. Du wirst sehen. – Heda! Joseph Picaut!«

Auf diesen Ruf richtete sich unser alter Bekannter auf, der im Grase geschlafen hatte und der Ruhe sehr zu bedürfen schien.

»Joseph Picaut!« wiederholte Maître Jacques ungeduldig.

Picaut entschloß sich endlich, stand murrend auf und trat vor.

»Hier ist ein Stechpalmenzweig,« sagte Maître Jacques zu ihm. »Du mußt kein Blatt davon abreißen. Geh geschwind und lege ihn auf den Kreuzweg, der den Weg nach Machecoul durchschneiden die Spitze gegen Touvois gewandt. Du weißt doch, dem Calvarienberge gegenüber.«

Bei diesen letzten Worten schlug er ein Kreuz.

»Aber, —« entgegnete Picaut, sich sträubend.

»Was denn?«

»Ich bin vier Stunden über Stock und Stein gelaufen und bin so müde, daß ich kaum einen Fuß regen kann.«

»Joseph Picaut,« erwiderte Maître Jacques, dessen Stimme laut und hell klang, wie der Ton einer Trompete, »Du hast dein Haus verlassen, um in meine Bande zu treten; Du bist ungerufen gekommen. Jetzt merke wohl, daß Du mir unbedingten Gehorsam schuldig bist, und daß die erste Auflehnung gegen meinen Befehl dein Tod seyn würde!«

Bei diesen Worten zog Jacques ein Pistol unter der Jacke hervor, faßte es beim Lauf und schlug den Bauer mit dem Kolben auf den Kopf.

Die Erschütterung war so heftig, daß Joseph Picaut betäubt auf ein Knie niedersank. Zum Glück schützte ihn sein dicker Filzhut, sonst wäre ihm aller Wahrscheinlichkeit nach der Schädel zertrümmert worden.

»Jetzt geh’,« fuhr Maître Jacques fort, indem er mit der größten Ruhe nachsah, ob das Pulver nicht von der Pfanne gefallen war.

Ohne ein Wort zu antworten, stand Joseph Picaut wieder auf, schüttelte den Kopf und entfernte sich.

Courte-Joie schaute ihm nach, bis er verschwunden war.

»Du hast also den da in deiner Bande?« fragte er seinen Freund.

»Ja, sprich nicht mehr von ihm.«

»Schon lange?«

»Seit einigen Stunden.«

»Da hast Du einen schlechten Fang gemacht.«

»Das will ich gerade nicht sagen: der Bursch hat Muth, wie sein seliger Vater, den ich gekannt habe, er muß nur erst an die Manieren meiner Kaninchen und an das Leben unter der Erde gewöhnt werden – es wird schon kommen.«

»Ich zweifle gar nicht daran, Ihr habt ein schönes Erziehungstalent.«

»O! ich treibe es ja nicht seit gestern,« erwiderte Maître Jacques. »Doch es ist Zeit, daß ich meine Runde mache, ich muß Dich verlassen, lieber Courte-Joie. Es bleibt also bei der Abrede, die Freunde Oulliers sind willkommen; der Divisionschef wird diesen Abend meine Antwort erhalten. Ist dies Alles, was Dir Jean Oullier gesagt hat?«

»Ja.«

»Besinne Dich recht.«

»Es ist Alles.«

»Dann lassen wir’s gut seyn. Wenn ihm die Grube recht ist, so trete ich sie ihm und seinen Leuten ab; es ist mir um meine Kaninchen nicht bange, sie sind wie die Mäuse, sie haben mehr als ein Schlupfloch. – Auf baldiges Wiedersehen also, Aubin. Unterdessen laß Dir’s schmecken, ich sehe, daß sie sich anschicken, das Abendbrot zu machen.«

Maître Jacques stieg in die Grube hinunter, kam aber bald wieder herauf. Er hatte seine Büchse geholt und schüttete frisches Pulver auf die Pfanne.

Dann verschwand er zwischen den Bäumen.

Unterdessen war es lebendiger auf dem freien Platze geworden, der einen sehr malerischen Anblick darbot.

Ein großes Feuer brannte in der Grube, und der durch die Fallthür dringende röthliche Schein warf ein phantastisches Licht auf die Gebüsche.

An diesem Feuer wurde das Abendbrot der Mißvergnügten gekocht. Einige derselben beteten kniend ihren Rosenkranz, andere saßen und sangen mit gedämpfter Stimme ihre Volkslieder, deren klagende, schleppende Melodien ganz zu dem Charakter der Landschaft paßten. Zwei neben der Grube liegende Bretagner, deren gebräunte Gesichter grell beleuchtet wurden, würfelten um einige Geldstücke, während ein blasser Bauernbursch, der an seiner kränklichen Gesichtsfarbe als ein Bewohner des Torfmoors zu erkennen war, sich alle erdenkliche Mühe gab, den Lauf und das Schloß einer alten Kugelbüchse vom Rost zu reinigen.

Aubin, der an solche Scenen gewöhnt war, achtete nicht darauf. Trigaud hatte aus dürrem Laube ein Ruhebett bereitet; der Krüppel saß auf diesem improvisirten Lager und rauchte so ruhig seine Pfeife, als ob er in seiner Schenke zu Montaigu gewesen wäre.

Plötzlich glaubte er in der Ferne einen Lärmruf zu hören. Es war das bekannte Zeichen des Eulengeschreies, aber so unheimlich, so langgezogen, daß es offenbar eine Gefahr andeutete.

Aubin Courte-Joie pfiff leise, um die Sänger zum Stillschweigen zu ermahnen. Gleich darauf fiel ein Schuß in einer Entfernung von etwa tausend Schritten.

In einem Augenblicke waren die zu diesem Zwecke bereit gehaltenen Eimer mit Wasser auf das Feuer geschüttet, die Fallthür war niedergelassen und Maître Jacques Kaninchen, mit Inbegriff Aubins, den sein Gevatter wieder auf die Schultern genommen, hatten sich in allen Richtungen zerstreut, um das Zeichen ihres Anführers zu erwarten.

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Data wydania na Litres:
06 grudnia 2019
Objętość:
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