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Czytaj książkę: «Die schwarze Tulpe», strona 13

Czcionka:

II.
Lehrer und Schülerin

Rosa hing mit warmer Theilnahme und Milde, wie wir dies bereits sehen konnten, an dem Täufling des Cornelius von Witt, während der Kerkermeister Hans die entgegengesetzte Empfindung hegte.

Unter seiner Aufsicht auf dem Löwensteine befanden sich zu jener Zeit nur fünf Gefangene, so das ihm sein Amt nicht nur keine Anstrengung und Mühe kostete, sondern eher als eine Stelle der Ruhe und Erhohlung betrachtet werden konnte.

Aber nichts desto weniger lag in der unausgesetzten Bemühung des Kerkermeisters die Absicht klar am Tage, sich seine Stellung so viel als möglich durch Anhäufungen unnöthiger Geschäfte zu erschweren. Er betrachtete Cornelius van Baerle als eines der gefährlichsten Individuen, widmete ihm dieserwegen seine unausgesetzte Aufmerksamkeit, da er jedem Schritte des Gefangenen folgte und sogar seine Mienen zu erspähen suchte. Aber gerade durch dies Verfahren legte er den Unschuldigen eine härtere Qual und Pein auf, als ihm diese durch einen rechtlichen Ausspruch hätte zugefügt werden können. Er gefiel sich darin, stets der Absicht folgend, den Feind des gütigen und großmüthigen Statthalters, wie er Wilhelm von Oranien nannte, auf jede nur mögliche Art zu quälen.

Ganz unverhofft erschien er mehrmals des Tages zu verschiedenen Stunden, sich jedes mal der Hoffnung hingebend, den Verbrecher bei irgend einer verbotenen Beschäftigung, besonders aber beim Schreiben zu ertappen. Jedes mal war seine Absicht vereitelt, seine Ahnung getäuscht, denn der Gefangene hatte seit dem Augenblicke, wo er Rosa kennen lernte, und sich täglich mit ihr unterhielt, jedes weitere Correspondenz aufgegeben, und es war sogar mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, daß er selbst eine mögliche Befreiung dem Gefängnisse, und der Gegenwart seiner holden Correspondentin vorgezogen haben würde.

Und konnte es auch anders sein, Rosa hatte ihm ja versprochen, jeden Abend um die neunte Stunde zu kommen, und die Erlebnisse des Tages mitzutheilen.

Ein Abend war bereits verstrichen, sie hatte Wort gehalten.

Es kam der zweite Tag. Abermals lauschte Baerle an seinem Gitter. Die neunte Stunde erdröhnte, und kaum war noch ihr letzter Schlag verhallt, als auch schon die schöne Friesin leise und vorsichtig nahte. Sie hatte für diesmal nur den festen Entschluß gefaßt, ihr Antlitz nicht mehr so nahe an das Gitter zu bringen, wie bei der ersten Begegnung, und reichte Cornelius die drei noch immer in demselben Papier verwahrten Zwiebelknospen, um eine Unterhaltung einzuleiten.

Zu ihrem großen Erstaunen drückte aber van Baerle die zarte weiße Hand, ohne das Papier zu berühren, durch das Gitter wieder zurück.

Er schien sich anders überlegt zu haben.

Nach einer kurzen Pause sprach er zu dem noch immer erstaunt dastehenden Mädchen:

»Hört mich einmal an, meine liebe Rosa. Wir würden zu viel wagen, wenn wir die ganze große Unternehmung dem Spiele des Zufalls überließen und einer Hand allein zur Ausführung anvertrauten. Daß die Unternehmung wirklich großartig ist, werdet Ihr wohl nicht bezweifeln, denn es handelt sich um nichts Geringeres, als um die Erzeugung der großen schwarzen, stecklosen Tulpe, ein Phänomen, das bisher von der ganzen Gesellschaft der Garten- und Blumenkünstler für unmöglich gehalten wurde. Ich beschloß demnach alle nur möglichen Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, um mir für den Fall, als das Vorhaben mißlinge, keinen Vorwurf machen zu müssen. Gebt nun recht gut acht, wie ich mir die Sache überlegt und Alles genau berechnet habe, um gewiß zum Ziele zu kommen.«

Rosa folgte mit gespannter Aufmerksamkeit jedem Worte des Gefangenen, obgleich der ganze Gegenstand nur durch den hohen Werth, den ihm Baerle beilegte, ein eigenes Interesse in ihr hervorrief.

»Betrachtet nun das Zusammenwirken in dieser Unternehmung genau, wie ich es entworfen und berechnet habe.«

»Ich gebe vollkommen acht und höre.«

»Bei Euerer Wohnung oder doch wenigstens in der Nähe derselben, werdet Ihr einen Garten haben; und sollte dies nicht der Fall sein, so befindet sich in der Festung ganz gewiß ein Hof, oder in Ermanglung des Hofes eine Terrasse.«

»Es ist ein sehr schöner Garten nahe bei unserer Wohnung, der sich längst der Waal hinzieht, und mit vielen dichten und schattigen Bäumen besetzt ist.«

»Wäret Ihr im Stande, mir aus diesem Garten ein wenig Erde, zu überbringen, die ich untersuchen; könnte.«

»Warum nicht, die sollt Ihr morgen haben.«

»Nehmt zwei Theile dieser Erde. Die eine nämlich von der Sonnen-, die andere von der Schattenseite, da ich genau ihr Verhältniß bezüglich der Feuchte oder Trockenheit untersuchen und beurtheilen muß.«

»Verlaßt Euch ganz auf mich.«

»Die von mir sodann geprüfte und nach Bedarf auch modificirte Erde, werde ich für unsere Zwiebelknospen in drei Theile theilen. Ihr werdet hierauf die eine Zwiebelknospe nehmen, und sie an dem von mir bestimmten Tage in die zubereitete Erde setzen, und sobald Ihr sie nach meinen Anordnungen pflegt, muß sie ganz gewiß erblühen.«

»Seid versichert, daß ich mich keine Secunde von ihr entfernen werde.«

»Die zweite Zwiebel übergeht Ihr, mir, und ich will versuchen, sie in meinem Gefängnisse auszuziehen. Zwar sehe ich ein ungünstiges Resultat mit Gewißheit voraus, ich betrachte die arme Blume als ein Opfer meiner Eigenliebe, und fühle mich darum stark genug, es zu bringen, da sie mir eine Zerstreuung während der Tage, an denen ich Euch nicht sehen kann, bietet. Die Sonne kommt nur spärlich in diesen düsteren Raum, allein ich will jeden ihrer Strahlen, ja sogar die warme Asche meiner Pfeife benützen. Die dritte Zwiebelknospe behalten wir in Reserve für den Fall nämlich, als die Versuche mit den beiden Ersten mißglückten. Nur auf diese Art hoffe ich ein günstiges Resultat zu erzielen, und zugleich die für Euch bestimmte Mitgift von hundert tausend Thalern zu erhalten, abgesehen, die ungeheuere Freude und der Ruhm, die ein glücklicher Erfolg unmittelbar mit sich bringt.«

»Was Ihr da sagt, habe ich ganz gut verstanden. Ich werde Euch morgen die beiden Gattungen Erde zur Probe überbringen und sodann die Weisung erhalten, in welchem Verhältnisse ich sie zu mischen habe. Nur wird es ein wenig lange dauern, bis ich Euch die zu Euern eigenen Versuchen nöthige Quantität überbringen kann, da es mir wohl kaum möglich; sein dürfte, jeden Tag mehr als eine Handvoll, mitzunehmen.«

»Das macht nichts zur Sache, da wir gerade mit der Zeit nicht gedrängt sind. Unsere Zwiebel dürfen vor Ablauf eines Monats noch gar nicht eingesetzt werden, und in einem Monate laßt sich unendlich viel thun. Nur versprecht mir, meine liebe Rosa, daß Ihr bei Behandlung der Tulpe ganz den Vorschriften folgen werdet, die ich Euch gebe.«

»O, das verspreche ich gerne.«

»Sobald sie gepflanzt ist, werdet Ihr auch nicht ermangeln, mir an jedem Abende Nachrichten von dem Fortschritt unseres Zöglings zu überbringen. Ihr werdet alle atmosphärischen Veränderungen beobachten, wie z. B., Abwechslung der Temperatur, die verschiedenen Striche des Windes, besonders die Richtung desselben 2c. 2c., dann müßt Ihr besonders acht geben, daß des Nachts keine Katzen in den Garten kommen. Zwei dieser unglücklichen Thiere haben mir in meinem Garten zu Dortrecht in wenigen Augenblicken die werthvollsten, Rabatten verwüstet.«

»Verlaßt Euch auf meine Wachsamkeit.«

»Dann noch etwas, die Strahlen des Mondes nämlich, doch sagt mir früher noch, ob Ihr eine Aussicht, in den Garten habt?«

»Ja, denn die Fenster meines Kabinets gehen gerade da hinaus.«

»Wenn es der Mondschein gestattet, seht zuweilen auch nach, ob durch die Oeffnungen der Mauern keine; Ratten kommen, denn diese Thiere sind die gefährlichsten Feinde der Tulpenzwiebel. Ich habe Tulpenfreunde gekannt, die es Rosa nie vergeben konnten, daß er diese häßlichen Bestien auch mit in der Arche aufgenommen.«

»Ich will meine ganze Aufmerksamkeit den Ratten; und Katzen zuwenden. Zugleich gebt Ihr mir das Versprechen, mich auch über diesen Punkt jedes mal zu benachrichtigen. Aber,« fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort, in dem sich das ganze Gebiet seiner Zweifel in allen Mienen abspiegelte, »es giebt noch ein ärgeres mehr zu fürchtendes Thier, als Katzen und Ratten.«

»Ein mehr zu fürchtendes Thier?«

»Ja, und das ist der Mensch. Denkt selbst nach, liebe Rosa, er hat das Gefängniß, ja noch bitterere Strafen vor Augen, und scheut sich doch nicht einen Gulden zu stehlen, um wie viel leichter wird er eine Zwiebelknospe nehmen, die es ihm möglich macht, Hunderttausend zu erhalten.«

»O, seid ganz beruhigt, außer mir soll Niemand in den Garten kommen.«

»Gut, Ihr versprecht mir das heilig und theuer.«

»Noch mehr, ich schwöre es.«

»Dank Euch, liebe, himmlische Rosa, Dank, tausend Dank für die unendliche Freude, die Ihr mir bereitet.«

Baerle näherte sein Antlitz dem Gitter mit derselben Gluth wie Tags zuvor. Allein Rosa war aufmerksam, sie zog ihren Kopf zurück, und da die Stunde der Trennung bereits geschlagen hatte, reichte sie dem Gefangenen bloß die rechte Hand durch das Gitter.

Und in dieser reizend schön geformten Hand, auf welche das junge Mädchen selbst eine besondere Sorgfalt verwendete, befand sich eine Zwiebelknospe.

Baerle drückte diese Hand an seine Lippen. Und warum? Küßte er sie mit so großem Feuer, mit solcher Innbrunst, weil sie die Zwiebel enthielt —? oder vielleicht darum, weil es Rosas Hand war?

Darüber möge der Leser nach seinem eigenen Ermessen entscheiden.

Dann eilte Rosa fort. Sie hatte also noch zwei Zwiebelknospen, man konnte dies ja deutlich sehen, denn sie drückte diese zarten Wesen mit gleicher Wärme an ihr Herz.

Waren ihr die Zwiebelknospen darum so theuer, weil ihr glückliches Empor keimen einen nahmhaften Geldbetrag versprach, oder vielleicht nur, weil sie aus Baerles Händen kamen?

Diese Frage dürfte leichter, als die vorhergegangene beantwortet werden.

Von diesem Augenblicke wurde die Lage des Gefangenen mit jeder Stunde angenehmer.

Er hatte, wie wir dies vor Kurzem sahen, von Rosa eine Zwiebelknospe erhalten.

Jedes mal, wenn das Mädchen die von ihr bezeichnete Stunde genau einhaltend, am Abende erschien, brachte sie eine Handvoll jener Erde mit, die Baerle für die beste und ausgezeichnetste anerkannt hatte.

Aus den Trümmern eines großen Kruges, den Cornelius absichtlich gebrochen hatte, bildete er sich eine Art Gefäß, in welchen er die Erde aufbewahrte; dann mischte er diese mit ein wenig Flußschlamm, den er nachher trocknen ließ, und erhielt auf diese Weise eine Erde, die besonders vortrefflich war.

In den ersten Tagen des Monats April legte er seine Knospe ein.

Die List und Gewandtheit, mit welcher Baerle es möglich machte, seine Beschäftigung dem spähenden Auge des Kerkermeisters zu entziehen, läßt sich unmöglich erklären. Aber er hatte ja Zeit, jeden seiner Schritte reiflich zu überlegen, denn wer würde auch nur im Entferntesten zweifeln, daß dem Philosophen eine halbe Stunde der Gefangenschaft, ein Jahrhundert von Ideen und Gedankenfolgerungen wird.

Ein Tag schwand um den andern; an jedem erschien aber Rosa.

Der Hauptbestandtheil ihrer Unterhaltung bestand in der Tulpe. Rosa hörte einen förmlichen Curs über die Behandlung und Zucht der Blume, sie horchte stets aufmerksam, sie begriff Alles schnell und leicht; aber so interessant der Gegenstand auch an und für sich sein mochte, immer konnte man doch nicht von der Tulpe sprechen, dann kamen auch andere Gegenstände zum Vorschein, und der Tulpenfreund staunte oft, wenn die Unterhaltung mit jeder Minute an Ausdehnung gewann und endlich Grenzen zu überschreiten drohte, die bisher in seiner Brust noch unangetastet, gar seltsame Gefühle hervorriefen.

Nur Eines störte und betrübte ihn. Rosa hatte eine sehr üble und unangenehme Gewohnheit angenommen. Seit der ersten Begegnung hielt sie noch immer das Köpfchen unverändert einige Zoll vom Gitter entfernt, sie schien sich von dem Augenblicke selbst nicht .mehr zu trauen, wo sie wahrgenommen hatte, daß der bloße Hauch des Gefangenen bis tief zum Herzen dringe.

Zu diesem Uebelstande gesellte sich ein zweiter, der Baerle noch mehr, ja sogar ernsthaft beunruhigte.

Die Abhängigkeit, in der Rosa ihrem Vater gegenüber stand.

Alle seine trüben Gedanken verbanden sich in diesem einzigen Punkte. Sein Glück, sein zukünftiger Ruhm, der Preis so nahmhafter Forschungen und Entwürfe, das Gelingen der ganzen großen Unternehmung überhaupt, hing beinahe ganz allein von dem Kerkermeister ab. Und wer war dieser Mensch? eine rohe, gemeine Fleischmasse, keiner höheren Empfindung, keiner edleren Regung fähig, hart wie das Eisen, das er um die Glieder der Gefangenen schloß. Also von ihm hing Alles ab, und war es vielleicht nicht so. Konnte diesem Manne nicht mit einem Male der Aufenthalt auf dem Löwenstein zu langweilig werden, und den Entschluß befestigen, diesen Ort zu verlassen. Mußte Rosa, wenn eine solche Absicht ausgeführt wurde, nicht auch ihrem unbarmherzigen Vater folgen, wurde er dann nicht getrennt von ihr, und zwar auf ewig getrennt, konnte dann noch irgend eine Hoffnung für ihn entstehen, schwand da nicht der letzte flimmende Stern, der ihm noch am Horizonte seines Unglücks leuchtete. Ja gewiß, wenn der Allmächtige dies geschehen ließ, dann war es nur ein Fingerzeig der unendlichen Vorsehung, die für ihre Geschöpfe alles thut, aber endlich doch auch ermüden muß.«

Cornelius theilte Rosa diese Befürchtungen mit.

»Was würden uns,« sprach er, »in einem solchen Falle, auch selbst unsere Zugtauben nützen, da Ihr, mein theueres Kind nicht lesen könnt, und dann auch nicht im Stande seid, mir Euere eigenen Empfindungen, Glück und Unglück das Euch trifft, schriftlich mitzutheilen.«

»Ja, Ihr habt wohl recht,« erwiderte Rosa, die durch die trübe Stimmung des Gefangenen aufgeregt, vor dem bloßen Gedanken an eine Trennung zurück bebte; »aber wir haben ja alle Abende eine Stunde, benützen wir die zum Vortheile.«

»Wie, was sagt Ihr, benützen wir eben diese kurze Zeit nicht schon zu unserm Vortheile.«

»Wohl, aber wir können sie immer noch besser benützen. Habt nur die Gefälligkeit mir zu lehren, wie man schreibt und liest, Ihr sollt sehen, mit welcher Aufmerksamkeit ich Euere Vorträge anhören und welche großartigen Fortschritte ich machen werde. Kann ich dann diese beiden so wichtigen Erfordernisse recht gut, so will ich mich durch eigene Uebung noch vervollkommnen, und dann soll aus dieser Erde nichts unsere Trennung möglich machen, als nur der eigene Wille.«

»O, dann haben wir die herrlichsten und lachendsten Aussichten für die Ewigkeit.«

Aber Rosa zuckte die Achseln und schüttelte das Köpfchen ganz.ungläubig.

»Ihr werdet ja nicht immer im Gefängnisse bleiben,« sprach sie, »der Statthalter wird Euch gewiß in Kurzem die Freiheit geben, wie er Euch das Leben geschenkt hat; dann kehrt ihr auf Euere Güter zurück, und ein Mann, so reich, gelehrt und angesehn, wird es gewiß nicht der Mühe werth erachten, an Rosa, die Tochter des Kerkermeisters, eines Mannes, der dem Henker zunächst steht, zurückzudenken, oder sie nur eines Blickes zu würdigen, wenn Ihr in einem kostbaren Wagen an der Armen vorüberfährt.«

Baerle begann mit einer Masse von Einwürfen, die größtentheils auch aus der Tiefe seines fühlenden Herzens kamen, aber Rosa unterbrach ihn, indem sie fragte:

»Wie befindet sich Euere Tulpe?«

»Sie hatte das rechte Mittel getroffen. Sobald das Gespräch auf die Blumen gelenkt wurde, vergaß Baerle Alles andere, er war im Stande auch Rosa zu vergessen.

»Gut, gut,« rief er mit freudestrahlendem Auge, »die äußere Umhüllung beginnt schon langsam schwarz zu werden, die Gärung ist so eben im Entstehen begriffen, die Adern erwärmen sich und schwellen auf, in längstens acht Tagen hoffe ich mit Gewißheit die ersten Erhebungen des Keimes zu sehen. Aber wie geht es der Eurigen, Rosa

»Vortrefflich, aber ich habe meine Arbeit genau nach Euerer Angabe nur in einem etwas großen und ausgedehnten Maßstabe begonnen.«

»Ich bin doch neugierig zu erfahren, wie Ihr die Sache angegriffen habt, meine liebe Rosa,« aber in den Blicken und Mienen des jungen Mannes drückte sich eine Gluth aus, die etwas mehr als bloße Neugierde verrieth.

Rosa lächelte, in ihrem Innern fragte sie sich vergebens, wie die doppelte Empfindung in der Brust des Gefangenen entstehen, und seine Leidenschaft einen so hohen Grad erreichen konnte, daß er die Blume selbst der heiligsten Empfindung des Herzens vorziehen konnte.

»Nun so hört,« begann sie noch immer lächelnd. »In unserm Garten suchte ich mir ein großes Viereck aus, in welchem ich jedoch die Erde früher genau prüfte, bis ich fand, daß sie mehr feucht als trocken, ohne ein Körnchen Kies oder Sand sei, und hier legte ich mir die Rabatte ganz so an, wie Ihr es in Euerer Erklärung haben wolltet.«

»Gut, sehr gut.«

»Jetzt nachdem die Grundbedingungen ganz regelgerecht geordnet sind, warte ich nur aus Euere ferneren Anordnungen. Sobald Ihr es für gut findet, werde ich an dem nächsten schönen Tage meine Knospepflanzen, aber verzögert diese Zeit lieber noch ein wenig, denn da ich alle Vortheile der Lust und Wärme für mich habe, würde meine Tulpe gewiß früher als die Euere erscheinen, was mir nicht lieb wäre.«

»Ja, ja, Rosa,« Ihr seid ein herrliches, ein liebes Kind, Ihr seid die talentvollste und verständigste Schülerin, die es auf dieser Erde gibt,« rief Cornelius vor Freude in die Hände klatschend. »Seht bin ich erst ganz überzeugt, daß Ihr die hunderttausend Gulden gewinnen müßt.«

»Aber vergeßt nur nicht, daß Euere so gelehrige und auf Euer Lob ganz stolze Schülerin, noch mehr, und ich glaube beinahe sogar Wichtigeres zu lernen hat.«

»O! darauf vergesse ich gewiß nicht, denn lesen müßt Ihr können, ich bin dabei selbst am meisten interessirt.«

»Wann beginnen wir?«

»Gleich jetzt.«

»Nein, erst morgen«

»Warum erst morgen?«

»Weil unsere freie Zeit für heute vorüber ist, und ich fortgehen muß.«

»Ihr müßt schon gehen? Aber worin werden wir unsere ersten Uebungen anfangen?«

»Dafür laßt mich sorgen, ich habe ein Buch, das ich unendlich achte und schätze, und welches Euch vielleicht ein Glück bereiten wird.«

»Gut, es bleibt dabei, morgen.«

»Wie gesagt.«

Und am nächsten Abende erschien Rosa, die Biebel des Cornelius von Witt in ihren Händen.

III.
Die erste Zwiebelknospe

Wie wir so eben gesagt haben, erschien Rosa am Abende des nächsten Tages mit der Bibel des Cornelius von Witt.

Aber jetzt kommt eine jener seltenen Scenen, die das höchste Glück des Romanschriftstellers bilden, und ihn veranlassen, sich ganz den himmlischen Farben, des durch seine rege Phantasie hervorgezauberten, wunderbaren Bildes hin zu geben.

Man stelle sich das Gitter vor, diese einzige Oeffnung, die bisher eine Verständigung zwischen dem Gefangenen und seinem Schutzgeiste, (wenn wir Rosa so nennen wollen, ) möglich machte, man denke sich diese Oeffnung ein wenig zu hoch, so daß die Schülerin genöthigt ist, ihr Köpfchen ganz an dasselbe zu lehnen, man vergegenwärtige sich die reizende, schlanke Gestalt, das geöffnete Buch in der einen Hand, mit dem glühenden Auge genau den Buchstaben und Zeichen folgend, die ihr Cornelius mittelst eines Strohhalmes andeutet und erklärt, und Jedermann wird gestehen, daß dies Gemälde reizend, erhaben schön sein müsse.

Cornelius hatte der Bequemlichkeit wegen den Leuchter mit einem Schnupftuche an das Gitter festgebunden, und die magische Helle dieses Lichtes, hob die herrlichen Formen des reizenden Mädchens nur um so mehr hervor. Ihr reiches, blondes Haar erglänzte dem edlen Metalle gleich und war von der reichen goldgestickten Garnitur der breiten Hände, die wie bereits einmal berührt, den Hauptputz der friesischen Mädchen bildete, nur schwer zu unterscheiden. Das blaue seelenvolle Auge verfolgte unverwandt den leitenden Strohhalm, der kleine niedliche Mund sprach jeden genannten Buchstaben ernst und bedächtig nach, die zarten weißen Finger schwebten bald frei über dem Buche, bald senkten sie sich auf dasselbe nieder, und erhielten durch diese Bewegung jene rosige Färbung, die allein das unter der Haut wohnende Leben beurkundet.

Rosa hatte nicht zu viel gesagt, als sie behauptete, eine ausgezeichnete Schülerin zu werden. Sie begriff leicht und schnell, und wenn dennoch sich die, Schwierigkeiten zu sehr häuften, genügte eine einfache Begegnung der glühenden Augen, aus denen sich gleichsam ein elektrischer Strom entlud und der Seele die nothwendige Verständigung zuführte.

Sobald Rosa auf ihre kleine Kammer kam, wiederholte sie jede Lection mit der angestrengtesten Achtsamkeit, aber sie bemerkte zugleich, daß mit diesen Uebungen die Lectionen in der Liebe bedeutend vorwärtsschritten, obwohl man zur Ausbildung der Letzteren gar keine Stunde festgesetzt hatte.

Eines Abends war die gewöhnliche Zeit der Zusammenkunft herangerückt, Rosa erschien nicht. Erst eine halbe Stunde nachher vernahm Cornelius den leichten, schwebenden Schritt auf der Treppe.

Das war für ihm ein großes, schweres Ereigniß, seine erste Frage bestand darin, nach den Ursachen desselben zu forschen.

»Seid nicht böse, Herr Cornelius,« sprach Rosa. »Ich bin unschuldig an der heutigen Verzögerung. Mein Vater hatte in Haag die Bekanntschaft eines guten Mannes gemacht, der dort das Gefängniß besehen wollte, uns dann öfter besuchte, und sich besonders durch die lieben Geschichten, die er zu erzählen weiß, sowie dadurch, daß er dem Trinkbecher recht gerne zuspricht, beliebt machte. Dieser Mann ist heute hier angekommen, und Ihr könnt Euch leicht denken, daß er meinem Vater sehr willkommen sein muß, da er vor gar keiner Zeche, sei sie noch so groß, zurückschreckt.«

»Wißt Ihr mir nichts Näheres über diesen Mann mitzutheilen, liebe Rosa?«

»Nein, ich hatte überhaupt noch keine Gelegenheit ihn näher zu betrachten, da es erst zwei Wochen sind, seit dem sich mein Vater so sehr in ihn verliebt hat.«

»O, ich befürchte viel, unendlich viel, wer weiß, ob dieser Mann nicht einer jener Spione ist, wie man sie häufig in die Festungen sendet, um die Gefangenen genau zu beobachten?«

»Seid unbesorgt, ich glaube eher alles Andere, als dieses, denn wenn der gute freundliche Mann auch ein Spion sein sollte, so kam er gewiß nicht in der Absicht meinen Vater oder einen der Gefangenen auszuforschen.«

»Ja, aber wem sonst?«

»Wem? mich zum Beispiel.«

»Euch?«

»O ja, findet Ihr das so unmöglich?«

»Nein, im Gegentheile, ich finde dies sehr möglich und fürchte nur, daß Ihr nicht immer fruchtlose Bewerber haben werdet; wer weiß ob dieser Mann nicht Euer Gatte wird?«

»Darauf erwidere ich ganz einfach: Nein.«

»Und worauf stützt Ihr diese Gewißheit?«

»Es ist weniger Gewißheit als Furcht.«

»Ja, Ihr habt Recht, Furcht.«

»Merkt nun auf, worauf ich sie stütze.«

»Sprecht nur, ich horche gespannt.«

»Der Mensch, von dem ich früher sprach, war gerade zu jener Zeit in den Buytenhoff gekommen,, wo Ihr darin eingekerkert ward. Ich bemerkte zu meinem eigenen Staunen, daß er mir eine besondere Aufmerksamkeit widmete. Ging ich aus, so folgte er mir auf dem Fuße nach, kehrte ich zurück, that er wieder ein Gleiches. Bei meinem Vater entschuldigte er seine Zudringlichkeit mit dem Vorwande, daß er gekommen wäre, um Euch zu sehen.«

»Wie, was sagt Ihr? mich zu sehen?«

»Ja., Euch! aber wie ich bereits erwähnte, war dies gewiß nur ein Verwand, denn jetzt, wo er eben so gut weiß, daß Ihr Euch hier befindet und mein Vater Euer Kerkermeister ist, hat er noch gar keine Erwähnung gemacht, und sogar heute, wo ich ihn fragte, ober wieder Euretwegen gekommen sei, mir unverschämt in das Gesicht gesagt, er kenne Euch gar nicht.«

»Unterbrecht Euch nicht, meine theuere Rosa, erzählt weiter und vergesst nicht, mir selbst die kleinsten Einzelheiten bekannt zu geben, damit ich im Stande bin, zu errathen, wer eigentlich dieser Mensch ist.«

»Seid Ihr ganz überzeugt, Herr Cornelius, daß sich kein Freund Euerer besonders annimmt?«

»Dessen bin ich ganz gewiß. Ich besitze auf dieser Welt, außer meiner alten Amme, die Ihr selbst kennt, beinahe kein anderes mir liebevoll zugethanes Wesen. Und die einfache ungebildete Matrone versteht es durchaus nicht, sich zur Erreichung eines Zieles der List zu bedienen. Wäre sie hierher gekommen um mich zu sehen, da würde sie bloß Euch oder Euerem Vater zu Füßen fallen und mit aufgehobenen Händen bitten: Lieber Herr, gutes Mädchen, laßt mich meinen innig geliebten Sohn nur einige Augenblicke sehen, laßt mich nur wenige Worte mit ihm wechseln, ich werde Euch ewig dafür danken und zu Gott beten. Ja, ja, außer dieser guten Alten habe ich keinen Freund.«

»Außerdem fällt es mir so eben ein, daß ich gestern, als ich die selbst zugerichtete Rabatte im Garten noch ein wenig rangirte, von dem seltsamen Manne beobachtet wurde. Er stand gerade zwischen den Holunderbäumen, die hart an der Thüre gepflanzt sind, und sein Schatten, den er gar nicht zu bemerken schien, fiel in der Richtung, wo ich stand. Dies machte mich aufmerksam und meine Blicke nach der bezeichneten Gegend richtend, gewahrte ich den Fremden in einer Stellung, die mir deutlich verrieth, daß er die Absicht habe, sich zu verbergen. Diese Ueberzeugung machte mich vorsichtig, und ohne im geringsten meine Arbeit zu unterbrechen, unterließ ich es dennoch nicht, zeitweise nach ihm zu sehen. Stellt Euch aber auch mein Staunen vor, denn ich ersah klar, daß man weniger mich selbst, als jede meiner Bewegungen auf das Genaueste beobachtet.«

»Ja, ja, er ist verliebt. Sprecht Rosa, sagt mir, ist er jung und schön?«

»Jung, schön!« rief Rosa, indem sie laut auflachte. »Er ist nahe an den Fünfzig, gebückt, häßlich, seine tiefliegenden Augen schlägt er immer zu Boden, und wagt es beinahe gar nicht mich anzusehen.«

»Und wie heißt er denn?«

»Jakob Gisel.«

»Den Namen kenne ich nicht«

»Darum werdet Ihr aber auch einsehen, daß er, nicht Euretwegen kommt.«

»Ich fange an, mich von dieser Wahrheit zu überzeugen. Aber für jeden Fall Rosa, wenn er Euch auch liebt, so liebt doch Ihr ihn nicht?«

»Nein, ganz gewiß nicht.«

»Kann ich also ganz beruhigt sein?«

»Ich fordere Euch dazu auf.

»Nun gut Wenn Ihr aber so weit vorgerückt seid, daß Ihr bereits lesen könnt, so werdet Ihr zuerst genau das durchstudiren, was ich über die Eifersucht und die Qualen der Trennung oder des Fernseins schreiben will.«

»Ich will es lesen, aber Ihr werdet mit großen Buchstaben schreiben müssen.«

Die Wendung, die das Gespräch aus diese Art nehmen wollte, beunruhigte Rosa augenscheinlich, denn sie brach durch eine einfache Frage ganz davon ab.

»Was macht Euere Tulpe?« sprach sie.

»O, ich danke Euch, meine theuere Rosa. Stellt Euch nur meine Freude vor, heute Morgens, als die ersten Sonnenstrahlen in meinen Kerker schienen, machte ich vorsichtig die obere Erde, welche die Knospe bedeckt weg, und sah den ersten zarten Trieb; o, Rosa, mein Herz, alle meine Empfindungen sind so mächtig belebt, dieser weiße zarte Sprößling, den eine anstreifende kleine Fliege vernichten könnte, beurkundet das herrliche Leben, gibt mir die Ueberzeugung, daß die Tulpe erblühen, werde. Ich begrüßte diese Erscheinung mit mehr Wärme und Gefühl, ich fühlte mich glücklicher, als selbst in dem Augenblicke, wo man mir verkündete, der Statthalter habe es für gut befunden, mich nicht richten zulassen«

»Also lächelt Euch die Hoffnung?«

»Ja, mehr noch als die Hoffnung.«

»Aber wann werde ich meine Zwiebelknospen pflanzen dürfen?«

»Sobald ich es für gut finden werde, will ich hieran dem ersten günstigen Tage den Auftrag geben.« Aber nochmals bitte ich Euch, bewahrt dieses Geheimniß vor Jedermann, sei er wer er wolle; ein Tulpenliebhaber könnte sehr leicht aus der Zwiebel allein den unschätzbaren Werth erkennen und Alles aufbieten, ihrer habhaft zu werden. Dann vergesset auch nicht die dritte Knospe auf das Sorgfältigste zu verwahren.«

»Die habe ich noch immer in dem Papiere gelassen, das Ihr mir übergabt. Mit diesem habe ich sie in meinem Schranke unter die Spitzen gelegt, wo sie trocken gehalten und nicht im Geringsten gedrückt wird. Aber nun lebt wohl.«

»Wie, Ihr wollt schon fort?«

»Ja, ich muß.«

»Heute kommt Ihr so spät und eilt so schnell wieder fort.«

»Ihr werdet es aber doch erklärlich finden, daß heute meinem Vater, der noch auf sein dürfte, die lange Entfernung allerlei vermuthen, und meinen vermeintlichen Liebhaber glauben lassen könnte, ich besäße irgendeinen theuern Gegenstand, der meine freie Zeit in Anspruch nimmt.« Aber mit einem Male schwieg sie still und schien aufmerksam zu horchen.

»Was gibt es denn?«

»Es kam mir vor, als hätte ich ein Geräusch gehört.«

»Was für eines i««

»Gleichsam, als wenn Jemand über die Stiege schleichen wolle.«

»Das konnte Gryphus dann unmöglich sein, denn der versteht sich nicht auf das Schleichen, man hört ihn gewöhnlich aus eine ziemlich bedeutende Entfernung.«

»Ihr habt recht, mein Vater ist es nicht.«

»So könnte es Jakob sein.«

Rosa eilte zur Stiege; in demselben Augenblicke hörte man auch, wie unten eine Thüre rasch geschlossen wurde.

Baerle war aufgeregt und unruhig; er ahnte aber nicht, daß dies nur ein Vorspiel des kommenden Ungemachs sei.

In allen trüben und unangenehmen Lagen des Lebens dürften wohl die Meisten bemerkt haben, daß gewöhnlich noch vor ihrem Auftreten gewisse Erscheinungen darauf hindeuten, gleichsam, als wolle die Vorsehung ihr Opfer zuerst in Kenntniß sehen, so wie dies zwei Kämpfende gegenseitig zu thun pflegen.

Die Vorahnungen sind mannigfach und verschieden. Bald erscheinen sie als die Stimme der Vernunft oder des Herzens, bald gestalteten sie sich aus leblosen Wesen, zu einen leicht anschaulichen Bilde, oder vergegenwärtigen uns dasselbe in der Natur. Aber selten pflegt der Mensch auf sie zu achten, er berücksichtigt sie gar nicht, er sucht ihren Ursachen nicht nachzuforschen, und statt durch das Sausen des über seinem Haupte geschwungenen Schwertes aufmerksam gemacht, sich vorzusehen, legt er selbst den Kopf geduldig auf den« Pflock, um ihn vom Rumpfe trennen zu lassen. Der kommende Tag verging ruhig, es fiel nichts Besonderes vor. Der Kerkermeister machte wie gewöhnlich seine Visiten zu ganz ungewissen Stunden, aber seine Absicht, den Gefangenen bei einer verbotenen Beschäftigung zu ertappen, mißlang durch seine Schwerfälligkeit, da Baerle jedes Mal den harten Mann schon von Ferne kommen hörte, und noch genug Zeit hatte, alle Vorsichtsmaßregen zu treffen, die eine Entdeckung verhinderten. Um dies möglich zu machen, hatte er einen eigenen Mechanismus an seinem Fenster angebracht. Durch eine am unteren Rande befindliche kleine, mit Moos bedeckte Spalte, ließ er eine Schnur hindurch, anderem Ende das aus dem zerbrochenen Kruge verfertigte Gartengeschirr angebracht war. Befand er sich allein, so durfte er nur daß Fenster öffnen und die Blume hinaufziehen, hörte er Gryphus nahen, so ließ er das Geschirr vorsichtig hinab und schloß das Fenster, so daß dieser bis zu dem genannten Augenblicke von dem Ganzen gar keine Ahnung hatte.