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Czytaj książkę: «Die Mohicaner von Paris», strona 44

Czcionka:

LXXX
Der Van Dyk der Rue de l’Quest

Nun, da wir eine Probe vom Charakter von Petrus, an den Tagen, wo er sich in der Schenke befand und sein Nervensystem gereizt war, gegeben haben, wollen wir sehen, was er außerhalb der Schenke oder während seiner Tage guter Laune war.

Wir haben gesagt, es sei ein schöner Junge gewesen; erklären wir uns ein wenig: man ist im Allgemeinen nicht genug einverstanden über das Wort: schöner Junge.

Wir Männer sind schlechte Richter bei dieser Materie; sprechen wir von der Meinung der Frauen.

Für die Einen besteht die Schönheit der Männer in der Gesundheit und in der Frische, das heißt in der Schulterbreite mit Ausschluß der Züge und des Ausdrucks der Physiognomie; diese werden gleich sehr einen Kürassier, einen Roßhändler und einen Jäger lieben; mit einem Worte alle Masken und alle Hälse, welche die Stärke repräsentieren.

Für die Anderen wird die Schönheit der Männer in der Mattheit und Sanftheit des Gesichtes, in der Regelmäßigkeit der Züge, in der Schläfrigkeit der Augen, in der Magerkeit des Körpers bestehen; für diese werden die schönen Männer die weibischen und die Schwäche repräsentierenden Männer sein.

Für uns liegt die Schönheit des Mannes, – ist es überhaupt erlaubt, zu sagen, es gebe schöne Männer, – die Schönheit des Mannes liegt ganz und gar in seinem Auge, in seinen Haaren, in seinem Munde.

Ein Mann ist immer schön, wenn er ein leuchtendes Auge, wohl gescheitelte Haare, einen zugleich festen, lächelnden und gut ausgestatteten Mund hat.

Die Schönheit des Mannes scheint uns vor Allem im Ausdrucke zu bestehen.

Das sind unserer Ansicht nach die beim Manne absoluten Schönheitsbedingungen, welche uns bewogen haben, von Petrus zu sagen, er sei ein schöner Junge gewesen.

Will übrigens der Leser einen genauen Begriff von demjenigen haben, den wir vor seinen Augen stellen lassen, so erinnere er sich jenes wunderbaren, von ihm selbst gemalten Portraits von Van Dyk; und erinnert man sich dieses schönen Portraits nicht, so schaue man bei allen Händlern der Quais und der Boulevards den nach dem Gemälde gemachten Stich an.

Als Jean Robert eines Tages über den Quai Malaquais ging, erblickte er diesen Stich hinter einer Glasscheibe, und er war so betroffen von der Aehnlichkeit des Schülers von Rubens mit Petrus, daß er sogleich in das Magazin eintrat, um hier, nicht diesen Kupferstich von Van Dyk, sondern dieses Portrait seines Freundes zu kaufen.

Er hing es im Atelier von Petrus aus, und die Aehnlichkeit des Malers von Karl I. mit dem jungen Manne war so auffallend, daß von zehn Bürgern, welche zu ihm kamen, um ihr Portrait in Oel, oder das ihrer Frauen, oder ihrer Töchter in Pastell malen zu lassen, neun sich einbildeten, Petrus spotte ihrer, wenn er ihnen sagte, dieser Stich sei nicht nach seinem Bilde, sondern nach dem eines Malers gemacht worden, der vor hundert und achtzig Jahren gestorben.

Es war derselbe Schnitt des Gesichtes, derselbe Ton des Fleisches, wie beim Portrait, wohlverstanden; dieselben in einer einzigen fahlen, gelockten Masse auf der Stirne emporgerichteten Haare. Die Vertiefung des Auges war dieselbe; derselbe aufgestutzte Schnurrbart und derselbe Zwickelbart beschatteten denselben Mund und dasselbe Kinn; kurz, Petrus war ein lebendiger, männlicher, stolzer, verständiger und guter Van Dyk.

Jeder, der in sein Atelier gekommen und zuvor in Genua gewesen wäre, würde sich unwillkürlich der herrlichen Bilder des Rothen Palastes erinnert und mit den Augen die anbetungswürdige Marquise von Brignoles gesucht haben, deren Portrait man aus jedem Schritte in diesem schönen Palais vom flämischen Meister gemalt und mit seinem Zeichen versehen wiederfindet.

Wenn man, Petrus mit seinem zurückgeschlagenen Kragen, mit seinem Sammetrocke, um den sich am Leibe eine seidene Knotenschnur schlang, anschauend, wie er träumerisch in der Tiefe seines Ateliers dasaß und mit seiner Hand, welche so zart und weiß wie eine Priester- oder Frauenhand, seinen Schnurrbart kräuselte, die ideale Gefährtin dieses schönen jungen Mannes gesucht hätte, so war die Aehnlichkeit mit dem Maler von Antwerpen so groß, daß man ihm keine andere Freundin gewünscht haben würde, als diese, durch den lieblichen Pinsel von Van Dyk verewigte Marquise von Brignoles.

Und wahrhaftig, es hätte ihm keine besser angestanden; denn offenbar nicht um einer Grisette oder einem Bürgermädchen zuzufliegen, hatte die Seele, welche in den Augen von Petrus strahlte, ihre Flügel erhalten, und man begriff, daß nur der Abkömmling eines ganzen Geschlechtes von Tapferen zu diesem stolzen, schönen jungen Manne hätte sagen können: »Neige Dich: ich bin Deine Gebieterin.«

Es war in der That die Tochter eines ganzen Geschlechtes von Tapferen, die im Herzen von Petrus Unruhe erregt hatte.

In dieser öden Straße, welche man die Rue de l’Quest nennt, und wo sein Atelier lag, sah der junge Mann eines Tags, als er nach Hause kam, einen Wagen mit Wappen von so großer Art anhalten, daß er, obgleich der Wagen Anfangs nur an ihm vorüber gefahren war, das Wappen erkannt hatte, welches Silber war, mit einem Mohrenkopfe in natürlichen Farben, und darüber eine Fürstenkrone mit dem Wahlspruche: Adsit fortior! (Es komme ein Tapferer!)

Dieser Wagen hielt, wie gesagt, vor der Thüre von Petrus an.

Als der Wagen angehalten hatte, sprang der Bediente, der eine blaue Livree mit Silber trug und hinten saß, von seinem Sitze herab und öffnete den Schlag einer reizenden jungen Frau mit aristokratischem Gange und aristokratischer Tournure.

Nach dieser jungen Frau, oder vielmehr diesem Mädchen, das neunzehn bis zwanzig Jahre alt sein mochte, stieg, sich aus den Arm des Lackeis stützend, eine alte Dame von etwa sechzig Jahren aus.

Die junge Frau schaute über die Thüre des Hauses, vor dem sich der Wagen befand, und da sie ohne Zweifel nicht sah, was sie suchte, so wandte sie sich gegen den Kutscher um und fragte ihn:

»Ganz-Sie sicher, daß hier die Nummer 92 ist?«

»Ja, Prinzessin,« antwortete der Kutscher.

Es war die Nummer von Petrus.

Sobald der junge Mann bemerkte, daß die Damen eingetreten waren, schritt er über die Straße, und in dem Augenblicke, wo er selbst eintreten wollte, hörte er die jüngere von den beiden Frauen den Concierge fragen:

»Nicht wahr, hier wohnt wirklich Herr Petrus Herbel?«

Herbel war der Familienname von Petrus.

Woraus der Concierge, ganz verwundert über die schönen Pelze, in welche die zwei Damen gehüllt waren, mit einer Verbeugung antwortete:

»Ja, er wohnt hier, Madame; er ist aber für den Augenblick nicht zu Hause.«

»Um welche Stunde findet man ihn?« sagte die Fragerin.

»Am Morgen bis um zwölf oder ein Uhr,« erwiderte der Conciergee »übrigens ist er hier,« fügte er bei, als er den Jungen Mann erblickte, der herbeigekommen war, und dessen Kopf die der zwei Frauen überragte.

Beide wandten sich gleichzeitig gegen Petrus um, und dieser verbeugte sich ehrerbietig.

»Sie sind Herr Petrus Herbel, Kunstmaler?« fragte ziemlich impertinent die alte Dame.

»Ja, Madame,« antwortete Petrus kalt.

»Wir kommen wegen eines Portraits,« fuhr die alte Dame immer in demselben Tone fort; »steht es Ihnen an, es zu machen?«

»Das ist mein Gewerbe, Madame,« sagte Petrus mit großer Höflichkeit, jedoch noch kälter, als das erste Mal.

»Nun, wann wollen Sie es anfangen? . . . Wird es lange dauern? brauchen Sie Sitzungen? Antworten Sie rasch: wir sind ganz erfroren!«

Die junge Frau hatte bis dahin kein Wort gesagt; die Impertinenz ihrer Gefährtin und zugleich die ehrerbietige Geduld von Petrus bemerkend, näherte sie sich diesem, nahm nun ebenfalls das Wort und fragte:

»Sie, mein Herr, sind der Maler eines Portraits, das bei der letzten Ausstellung unter der Nummer uns 309 figurierte?«

»Ja, mein Fräulein.« antwortete Petrus. ganz bewegt zugleich von der Schönheit dieser jungen Person und von der Lieblichkeit ihrer Stimme.

»Wenn ich mich nicht irre, mein Herr, war es Ihr eigenes Portrait, nicht wahr?«

»Ja, mein Fräulein,« sagte Petrus erröthend.

»Nun wohl, mein Herr, ich wünschte ein Portrait von mir in derselben Weise gemacht zu haben; dieses war von einem Tone. der mich entzückt hat. Ich besitze schon acht bis zehn Portraits von mir, die meine Mutter oder meine Tante malen ließen, doch keines befriedigt mich; wollen Sie es auch versuchen, eine sehr launenhafte. sehr häkelige Person zu befriedigen?«

»Ich werde mich bemühen. und das wird eine große Ehre für mich sein, mein Fräulein . . . «

»Eure Ehre?« unterbrach die alte Dame, »und warum wird es eine Ehre für Sie sein?«

»Weil es nur einer Celebrität vergönnt sein müßte, das Portrait einer Person von der Schönheit und dem Range von Fräulein von Lamothe-Houdan zu malen,« antwortete Petrus sich verbeugend.

»Ah! Sie kennen uns, mein Herr?« brummte die alte Dame.

»Ich kenne wenigstens den Namen des Fräuleins,« erwiderte Petrus.«

»Ich habe Ihnen gesagt, mein Herr, ich sei launenhaft und häkelig; ich vergaß, Ihnen zu sagen, ich sei neugierig.«

Perus verneigte sich als ein Mann bereit, die Neugierde des schönen Besuches zu befriedigen.

»Woher wissen Sie meinen Namen?« fuhr die junge Dame fort.

»Ich habe ihn an den Füllungen Ihres Wagens gelesen,« antwortete Petrus lächelnd.«

»Ah! das Wappen meiner Familie! Sie verstehen sich also auf Wappen?«

»Ein ich nicht berufen. alle Tage davon Gebrauch zu machen, und kann es einem Historienmaler unbekannt sein, daß von der Einnahme von Constantinopel bis zu der von Berg op Zoom das Wappenschild der Lamothe-Houdan auf allen Schlachtfeldern gestrahlt hat, ohne das zu treffen, was sein Wahlspruch sucht?«

Dieses Tapferkeits- und Adelspatent, ihr so ungestüm, jedoch mit einer vollkommenen Höflichkeit ins Gesicht geworfen, machte die Erbin der Lamothe-Houdan bis ans Weiße der Augen erröthen.

In ihrer Eitelkeit geschmeichelt, konnte selbst die alte Dante nicht umhin, dem Künstler einen Blick des Wohlwollens zu gewähren.

»Nun wohl, mein Herr,« sagte sie mit einer freundlichen Miene, die man von ihrer impertinenten Person zu erwarten nicht berechtigt war, »da Sie den Namen meiner Nichte wissen, so habe ich Sie nur noch um Ihre Stunde zu fragen und Ihnen unsere Adresse zu geben.«

»Meine Stunde wird die Ihrige sein, Madame,« antwortete der junge Mann mit einer Ehrerbietung, welche eine solche Veränderung des Tones gebot, »und

was die Adresse der Prinzessin von Lamothe-Houdan betrifft, so ist es Niemand erlaubt, nicht zu wissens daß ihr Hotel in der Rue Plumet, dem Hotel Montmorin gegenüber, beim Hotel des Grafen Abrial, liegt.«

»Nun wohl, mein Herr,« sagte die junge Dame, um zweiten Male erröthend, »morgen um die Mittagstunde wenn Sie wollen.«

»Morgen um Mittag werde ich zu Ihren Befehlen sein, meine Damen,« erwiderte Petrus. indem er sich tief verbeugte.

Die zwei Damen stiegen wieder in ihren Wagen, und Petrus kehrte in sein Atelier zurück.

Wir haben gesagt, Petrus sei ehrlich gewesen, das hatte aber Petrus nicht abgehalten, gegen Fräulein von Lamothe-Houdan eine der größten Lügen auszusprechen, die aus dem Munde eines Menschen hervorgehen können.

Petrus hatte behauptet, es sei Niemand erlaubt, die Adresse der Lamothe-Houdan nicht zu wissen, und zwei Monate vorher wusste er sie selbst noch nicht, und nur ein Zufall hatte ihn davon unterrichtet.

Wenige Pariser, die Pariser der Faubourgs aeint-Jacques und Saint-Germain ausgenommen, kennen denjenigen Theil der äußeren Boulevards, der von der

Barrière de Grenelle zur Barrière de la Gare geht; diese Boulevards, oder vielmehr diese Promenade von vierzehn bis fünfzehn tausend Metres Länge ist bepflanzt mit vier Reihen Bäume, welche zwei Gegenalleen bilden; sie ist von einem Ende der Straße zur anderen mit Rasen beteppicht, und für Jeden, der allein zu meditieren oder zu zwei in den schattigen Allleen eines Parkes zu träumen gewünscht hat, ist das Boulevard du Midi eine reizende Promenade.

Einige von den Frauen, welche ihre Gesichter nie auf den öffentlichen Promenaden, in den Theatern, bei den Concerten zeigen und, die Zurückgezogenheit bis zum Klosterleben treibend, nur ausgehen, um die Kirche zu besuchen; einige von diesen Frauen, sagen wir, kamen, beruhigt durch die Einsamkeit dieser schattenreichen Thebais, an den Sommerabenden, um hier eine Spazierfahrt zu machen, und der fleißige junge Mann, der unter den großen Bäumen lustwandelnd seinen Codex commentirte, war verwundern auf der Straße, wie die dunstigen Schatten der vornehmen Damen von Einst, schönen, lächelnden Frauen des Foubourg Saint-Germain vorüberkommen zu sehen.

Unter diesen jungen Frauen, – und zwar eine der schönsten, wenn nicht eine der muntersten und lächelndsten, – fuhr im Sommer in einer offenen Caleche, im Winter in einer geschlossenen Caleche die reizende Person vorüber, die wir in diesem Buche schon zweimal haben wiedererscheinen lassen: das erste Mal am Sterbebette von Carmelite; das zweite Mal vor einem Augenblicke im Hause von Petrus; Fräulein Regina von Lamothe-Houdan, Tochter des Marschalls Bernard von Lamothe-Houdan.

Was Petrus betrifft, – er hatte sie ungefähr sechs Monate vor der Epoche, zu der wir gelangt sind, gegen das Ende eines schönen Sommerabends gesehen.

Er war ganz allein mitten auf dem Wege, den die vier Reihen Bäume des Boulevard bilden; er betrachtete am Horizont, auf der Seite des Invalidenhauses, den Effect einer untergehenden Sonne, als er plötzlich, am Ende der Allee, als ob sich zwei von den Pferden des Sonnenwagens losgemacht hätten, mitten in einem Goldstaube zwei Reiter, welche an Schnelligkeit zu wetteifern schienen, auf sich zukommen sah.

Petrus trat auf die Seite, um sie vorüberziehen zu lassen, doch sie kamen nicht so rasch vorbei, daß der junge Mann ihre Gesichter nicht hätte unterscheiden

können. – Wir haben gesagt zwei Reiter; wir hätten sagen sollen, ein Reiter und eine Amazone.

Die Amazone war eine große junge Frau, nach dem Muster von Diana der Jägerin geschnitten, angethan mit einem Reitkleide von rohem Foulard, mit

einem grauen Hute, von dem ein grüner, Schleier herabfiel, auf dem Kopfe; sie hatte in ihrer Haltung, in ihrer Tournure etwas von der reizenden Diana Vernon, welche Walter Scott. geschaffen und unserer Verwunderung übergeben hat, und viel von der anbetungswürdigen Edmée, welche Madame Sand vielleicht schon im Zustande eines Gespenstes in den Nebeln ihres Thales von Corlay hatte vorüberziehen sehen.

Die stolze Art, wie diese junge Frau, —wir müßten sagen dieses Mädchen, – auf ihrem von Mähne schwarzen, von Schaum weißen Pferde saß; die ungestüme Energie, mit der sie den Gang ihres Rosses lenkte und seine Launen bändigte, bezeichneten schon eine Reiterin von erster Stärke, und das Gespräch, das sie mit ihrem Gefährten, trotz des heftigen Galoppes

der Pferde, unterhielt, bewies, daß sie eben so viel Kaltblütigkeit als Gewandtheit besaß.

Ihr Begleiter war ein Greis von sechzig bis, fünfundsechzig Jahren, von schöner Miene und vornehmer Tournure, mit einem grünen Reitrocke, weißen

Hosen und Stiefeln à la francaise bekleidet; er trug einen großen schwarzen Filzhut, unter dem weiß, als wären sie gepudert worden, Haare flatterten, welche etwas vom Schnitte des Directoriums beibehalten hatten. Es war unnötig, das an dem Knopfloche dieses Reiters befestigte mehrfache Band zu sehen, um zu wissen, welcher Klasse der Gesellschaft er angehörte; überdies offenbarten seine dichten Augenbrauen, sein rauher Schnurrbart, essen Spitzen über sein Kinn herabfielen, der ein wenig harte Ausdruck seines Gesichtes bei diesem Manne die Gewohnheit des Befehlens, und mit dem ersten Blicke erkannte man in ihm eine der militärischen Illustrationen der Zeit.

Für Petrus war das rasche Vorüberziehen des Greises und des Mädchens wie eine Vision, und wären sie nicht eine halbe Stunde nachher auf ihrem Wege

zurückgekommen und aufs Neue vor ihm erschienen, so wurde er geglaubt haben, er habe ein schönes Burgfräulein des Mittelalters, das sich rasch nach seinem Familienschlosse, in Begleitung seines Vaters oder irgend eines alten Paladins, begeben, vorbeireiten sehen.

Petrus ging wieder nach Hause und wollte zur Arbeit schreiten; doch die Arbeit ist eine eifersüchtige Geliebte, die sich zurückzieht, wenn Ihr die Stirne

heiß von den Küssen einer Nebenbuhlerin zu ihr kommt.

Die Nebenbuhlerin der Arbeit von Petrus war sein Begegnen, seine Vision, sein Traum.

Vergebens nahm er seine Palette, vergebens suchte er, vor seiner Staffelei stehend, seinen Pinsel auf der Leinwand zu führen: der Schatten der Amazone schwebte über ihm, schob seine Hand auf die Seite, liebkoste seine Stirne.

Nach einer Stunde des Kampfes gegen das schöne Fantom ging er indessen wieder an die Arbeit.

Man hätte glauben können, er sei Sieger: er war besiegt.«

Der untermalte Gegenstand, den die Leinwand darstellen sollte, war ein verwundeter, sterbender, auf dem Sande liegender Kreuzritter, dem ein arabisches Mädchen Hilfe leistete; während schwarze Sklaven, die sich

wunderten, daß man, statt ihm den Garaus zu machen, einem Hunde von Ungläubigen beistand, den Kopf des Sterbenden aufhoben, schöpfte das Mädchen, im zweiten Plane, im Helme des Ritters Wasser an einer von drei

Palmbäumen beschatteten Quelle.

Dieses Gemälde hatte Petrus in dem Augenblicke, wo er nach Hause gekommen war, die genaue Allegorie seines Lebens geschienen. War er nicht in der That dieser Ritter, der verwundet worden in dem harten

Kampfe des Daseins, wo jeder Künstler ein Kreuzritter ist, welcher eine lange und gefährliche Pilgerfahrt nach dem Jerusalem der Kunst vollbringt? Und diese Amazone der er begegnet war, – war sie nicht die beseligende Fee, welche man die Hoffnung nennt, und die aus ihrer nassen Grotte hervorkommt, sobald die Arbeit die Kräfte des Menschen übersteigt, und Tropfen für Tropfen, wie die Venus Aphrodite, aus dem Ende ihrer gewundenen

Haare den Thau, der den Wanderer erquickt, fallen läßt.

Dieses ideale Symbol, das seiner Einbildungskraft zulächelte, dünkte ihm so auffallend, daß er das materielle Symbol seines Lebens daraus zu machen beschloß, und er nahm sein Kratzmesser und tilgte in einem Augenblicke die zwei Köpfe der jungen Araberin und des Kreuzritters aus, und setzte sein Gesicht an die Stelle von dem des Kreuzritters und das der Amazone an die Stelle des der Araberin.

In diesem Zustande des Geistes war er wieder zur Arbeit geschritten; wir hatten also Recht, wenn wir vorhin behaupteten, statt Sieger zu sein sei er besiegt gewesen.

Von diesem Augenblicke an vergingen einige Monate, ohne daß er die Amazone wiedersah, oder besser gesagt, ohne daß er sie wiederzusehen suchte; doch durch denselben Zufall, der ihn das erste Mal ihr hatte begegnen lassen, begegnete er eines Tages im Monat Januar 1827, an einem glänzenden Schneemorgen. Aufs Neue in einer geschlossenen Caleche auf den öden Boulevards dem edlen, schönen Mädchen.

Diesmal war sie schwarz gekleidet, und es befand sich bei ihr eine alte Dame, welche im Fond des Wagens zu schlafen schien.

Die Caleche fuhr vom Boulevard des Invalides nach der Allée de l’Observatoire; hier angelangt, kehrte sie nach dem Boulevard des Invalides zurück, und so begann sie unablässig wieder dieselbe Fahrt.

Endlich verschwand der Wagen auf dem Boulevard des Invalides, an der Ecke der Rue Plumet.

Petrus begriff, daß, in dieser Straße sein Ideal wohnte.

Eines Morgens hüllte er sich bis an die Augen in einen großen Mantel, stellte sich unter das Portal von einem der Häuser der Rue Plumet und erwartete die

Rückkehr des Wagens, den er hatte vor überfahren sehen.

Gegen ein Uhr Nachmittags kam der Wagen in das Hotel zurück, dessen Lage Petrus am Anfange dieses Kapitels so genau angegeben hatte.

Unser moderner Van Dyk erlaubte sich also, wie man sieht, eine grobe Lüge, als er sagte, Jedermann müsse die Adresse der Lamothe-Houdan kennen, da er sie einen Monat vorher selbst nicht kannte.

Es ist überflüssig, von der Freude zu sprechen, welche dem jungen Manne der Besuch dieser Fee verursachte, die er bis dahin nur im Zustande des Dunstes gekannt und fast bewundert hatte, und wäre die alte Dame, die sie begleitete, taub und blind gewesen, so würde Petrus wahrscheinlich in seine Wohnung hinausgegangen sein, und er hätte der jungen Prinzessin nicht nur das Portrait, das sie zu haben wünschte, sondern noch zwanzig andere Portraits gebracht; denn seit sechs Monaten, hatte der junge Maler unwillkürlich allen Frauen seiner Bilder die reizenden, obgleich ein wenig hochmüthigen Züge von Regina gegeben.