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Czytaj książkę: «Die beiden Dianen», strona 20

Czcionka:

»Das ist ein schlecht beschützter Punkt,« dachte Gabriel, bei dem sein fixer Gedanke stets wachte, zu sich selbst.

Doch er kehrte sogleich zu Diana zurück, die sich noch nicht völlig beruhigt hatte.

»Seid nun unbesorgt, meine Schwester« sagte er, »die Gefahr ist vorüber. Doch hört mich, denn die Zeit drängt und ich habe auf meinem Herzen noch die zwei Gewichte die es drückten. Ihr habt mir noch nicht gesagt, daß Ihr meinen Wahnsinn vergeben, und ich muß immer noch die schwere Last der Vergangenheit tragen.«

»Verzeiht man das Fieber und die Verzweiflung? nein, mein Bruder, man beklagt sie und tröstet. Ich grollte Euch nicht, ich weinte; Ihr seid nun zur Vernunft und zum Leben zurückgekehrt, und ich füge mich in den Willen Gottes.«

»Ach! die Resignation ist nicht Alles, meine Schwester,« rief Gabriel, »Ihr müßt auch Hoffnung haben. Zu diesem Behufe wollte ich Euch sehen. Ihr habt mich von meinen Gewissensbissen über die Vergangenheit befreit, und dafür danke ich Euch. Doch Ihr müßt mir die Angst für Eure Zukunft von meiner Brust nehmen. Seht Ihr, Ihr seid einer von den strahlenden Zielpunkten meines Daseins. Ueber diesen Zielpunkt beruhigt, muß ich mich, wenn ich darauf losgehe, nur um die Gefahren des Weges zu bekümmern haben; ich muß sicher sein, Euch am Ende meines Weges zu finden, mit einem traurigen Lächeln, wenn ich scheitere, mit einen freudigen, wenn es mir gelingt, doch in jedem Fall mit einem Lächeln. Deshalb darf keine Geringschätzung zwischen uns bestehen. Es wird jedoch nöthig sein, meine Schwester, daß Ihr an mein Wort glaubt; denn das Geheimniß, das dem Grunde meiner Handlungen innewohnt, gehört nicht mir; ich habe geschworen, es zu bewahren, und wenn man die gegen mich eingegangenen Verbindlichkeiten halten soll, so muß ich auch den Verbindlichkeiten entsprechen, die ich gegen Andere übernommen habe.«

»Erklärt Euch,« sprach Diana.

»Ah! Ihr seht wohl, daß ich zaudere und Umschweife suche, weil ich an das Kleid denke, das Ihr tragt, an den Namen Schwester, den ich Euch gebe, und mehr noch, als an dies Alles, an die Ehrfurcht, die ich für Euch im Herzen hege; und ich will kein Wort aussprechen, das zu berauschende Erinnerungen oder zu gefährliche Täuschungen zu erwecken vermöchte. Und dennoch muß ich es Euch wohl sagen, daß Euer angebetetes Bild nie aus meiner Seele verschwunden ist oder sich nur geschwächt hat, und daß Nichts und Niemand je im Stande sein wird, es zu schwächen.«

»Mein Bruder! . . .« unterbrach ihn Diana zugleich verwirrt und entzückt.

»Oh! hört mich bis zum Ende, meine Schwester,« sprach Gabriel. »Ich wiederhole, nichts hat je diese glühende . . . Ergebenheit, die ich Euch geweiht, verändert, nichts wird sie je verändern, und es wird mir sogar, ich bin glücklich, es zu denken und zu sagen, es wird mir sogar, was auch kommen mag, nicht nur gestattet, sondern beinahe geboten sein, Euch zu lieben. Nur fragt es sich, von welcher Natur diese Zärtlichkeit wird sein müssen? Ach! Gott allein weiß es! Doch ich hoffe, wir werden es bald auch erfahren. Mittlerweile hört, was ich mir von Euch zu erbitten habe, Schwester. Dem Herrn und Eurem Bruder vertrauend, laßt Ihr die Vorsehung und meine Freundschaft gewähren, welche nichts hofft, aber auch nicht verzweifelt. Versteht mich wohl. Ihr habt mir einst gesagt, Ihr liebtet mich, und, verzeiht mir! ich fühle in meinem Herzen, daß Ihr mich noch lieben könnt, wenn das Schicksal es will. Ich wünsche das zu mildern, was meine Worte in meinem Wahnsinn, als ich Euch im Louvre verließ, zu Trostloses hatten: Wir dürfen uns weder durch leere Chimären ködern lassen, noch glauben, Alles sei endgültig entschieden für uns in dieser Welt. Wartet, binnen Kurzem sage ich Euch von zwei Dingen eines. Entweder: »Diana, ich liebe Dich, erinnere Dich unserer Kindheit und Deiner Geständnisse; Du mußt mir gehören, Diana, und wir müssen durch alle mögliche Mittel vom König seine Einwilligung zu unserer Verbindung erlangen.« Oder spreche ich zu Euch: »Meine Schwester, ein unüberwindliches Mißgeschick widersetzt sich unserer Liebe und will nicht, daß wir glücklich sein sollen; nichts hängt hierbei von uns ab, und es ist etwas Uebermenschliches, beinahe Göttliches, was sich zwischen uns stellt, meine Schwester. Ich gebe Euch Euer Versprechen zurück. Ihr seid frei. Schenkt Euer Leben einem Andern, Ihr werdet weder zu tadeln, noch zu beklagen sein, denn leider wären sogar unsere Thränen hier zu viel. Beugen wir das Haupt, ohne ein Wort zu sagen, und nehmen wir unser unvermeidliches Schicksal an. Ihr werdet mir stets theuer und heilig sein; doch unsere beide Existenzen, welche, Gott sei Dank! noch neben einander gehen können, dürfen sich nie mehr vereinigen.«

»Welch ein seltsames, furchtbares Räthsel!« sprach unwillkührlich Frau von Castro, in eine schreckensvolle Träumerei versunken.

»Dieses Räthsel werde ich Euch dann wohl erklären können. Bis dahin würdet Ihr vergebens den Abgrund dieses Geheimnisses zu erforschen suchen. Bis dahin wartet und betet. Versprecht Ihr mir vor Allem, an mein Herz zu glauben und dann den trostlosen Gedanken nicht mehr zu hegen, auf diese Welt Verzicht zu leisten, um Euch in einem Kloster zu begraben? Versprecht Ihr mir Glauben und Hoffnung zu haben, wie Ihr schon die Liebe habt?«

»Glauben an Euch, Hoffnung auf Gott, ja, das kann ich Euch nun versprechen, Bruder. Doch warum soll ich mich anheischig machen, in die Welt zurückzukehren, wenn nicht, um Euch dahin zu begleiten? Ist es nicht genug mit meiner Seele? warum soll ich Euch auch mein Leben unterwerfen, wenn Ihr es vielleicht nicht seid, dem ich es widmen soll? Mein Gott! ist denn nicht Alles um mich her und in mir Finsternis?«

»Schwester,« sprach Gabriel mit seiner eindringlichen, feierlichen Stimme, »ich verlange von Euch dieses Versprechen, um fortan friedlich und stark auf meinem furchtbaren, vielleicht tödtlichen Pfade fortzuwandern und um sicher zu sein, daß ich Euch frei finde und bereit zu der Zusammenkunft, die ich Euch geben werde.«

»Es ist gut, mein Bruder, ich werde Euch gehorchen.«

»Ohl Dank! Dank!« rief Gabriel. »Die Zukunft gehört nun mir. Wollt Ihr Eure Hand als Unterpfand Eures Versprechens in die meinige legen, meine Schwester?«

»Hier ist sie.«

»Oh! jetzt bin ich sicher, daß, ich siege,« sprach der glühende junge Mann. »Mir ist, als könnte nun nichts mehr meinen Wünschen und Absichten entgegenstehen.«

Doch als sollte dieser Traum doppelt Lügen gestraft werden, riefen in demselben Augenblick Stimmen nach der Schwester Bénie von der Seite der Stadt, und zu gleicher Zeit glaubte Gabriel ein leichtes Geräusch auf der Seite der Gräben zu vernehmen. Doch bekümmerte sich Anfangs nur um den Schrecken von Diana.

»Man sucht mich! man ruft mich! Jesus, wenn man uns beisammen fände! Gott befohlen, mein Bruder! Gott befohlen, Gabriel!«

»Auf Wiedersehem meine Schwester! auf Wiedersehen, Diana! Geht, ich bleibe hier. Ihr seid nur heraufgegangen, um Luft zu schöpfen. Auf baldiges Wiedersehen und noch einmal meinen Dank.«

Diana stieg schleunigst wieder die Treppe hinab und eilte den Leuten entgegen, welche Fackeln in den Händen trugen und, die Mutter Monica voran, aus vollem Halse nach ihr riefen.

Wer hatte durch falsche und alberne Einflüsterungen den Verdacht der Superiorin erweckt, wenn nicht Arnauld, der sich mit der kläglichsten Miene unter diejenigen mischte, welche die Schwester Bénie suchten. Niemand hatte ein so unschuldiges Aussehen, wie dieser Schurke! er glich auch dem guten Martin-Guerre.

Beruhigt, als er in der Ferne Diana ohne Hinderniß mit der Mutter Monica zusammentreffen sah, schickte sich Gabriel an, den Wall ebenfalls zu verlassen, als sich plötzlich ein Schatten hinter ihm erhob.

Ein Mann, ein Feind, stieg, vollständig bewaffnet, auf die Mauer.

Auf diesen Mann zulaufen, ihn mit einem Schwertstreich niederschlagen und, ein Lärmgeschrei erhebend, die an die Mauer angelegte und ganz mit Spaniern beladene Leiter am Kopf packen, war für Gabriel das Werk eines Augenblicks.

Es handelte sich ganz einfach um eine nächtliche Ueberrumpelung, und Gabriel hatte sich nicht getäuscht: der Feind hatte Schlag auf Schlag zweimal am Tag gestürmt, um in der Nacht sicherer diesen kühnen Versuch wagen zu können.

Doch die Vorsehung oder, um richtiger und heidnischer zu sprechen, die Liebe hatte Gabriel an diesen Punkt geführt. Ehe ein zweiter Feind Zeit hatte, demjenigen, welchen er schon niedergeschlagen, auf die Plattform zu folgen, ergriff er mit seinen starken Händen die beiden Stützen der Leiter, stemmte sich um mehr Kraft zu haben, mit den Füßen an das steinerne Schilderhaus an und warf die Leiter und die zehn Belagerer, welche sie trug, rückwärts in den Graben.

Ihr Geschrei, als sie sich auf dem Boden zerschellten, vermischte sich mit dem Geschrei von Gabriel, der fortwährend: »Zu den Waffen! zu den Waffen!« rief. Doch zwanzig Schritte von ihm hatte sich eine andere Leiter erhoben, und hier war kein Stützpunkt für Gabriel. Zum Glück erblickte er im Schatten einen großen Stein, die Gefahr verdoppelte seine Kräfte, er vermochte ihn bis auf die Brustwehr emporzuheben, von wo er ihn nur auf die zweite Leiter hinabstoßen durfte: diese furchtbare Last brach sie entzwei und die Unglücklichen, welche daran hinaufstiegen, fielen erschlagen oder gequetscht in den Graben, und erschreckten durch ihren Todeskampf ihre nun zögernden Kameraden.

Das Geschrei von Gabriel hatte indessen Alarm gegeben; die Schildwachen hatten ihn verbreitet: die Trommler schlugen heraus; die Sturmglocke der Collegiale erscholl in hastigen Schlägen. Es vergingen keine fünf Minuten, als schon hundert Mann zum Vicomte d’Ermès herbeieilten, bereit, mit ihm die Angreifenden zurückzuwerfen, die es wagen würden, sich noch zu zeigen, und selbst mit Vortheil auf diejenigen schießend, welche in den Gräben waren und das Feuer ihrer Büchsen nicht erwidern konnten.

Der kühne Handstreich der Spanier war also verfehlt. Er konnte nur gelingen, wenn der Angriffspunkt wirklich von Vertheidigern entblößt gewesen wäre, wie man zu bemerken geglaubt hatte. Doch Gabriel war hier und vereitelte die Ueberrumpelung. Die Belagerer hatten sich nur zurückzuziehen, was sie auch aufs Eiligste thaten, doch nicht ohne eine Anzahl von Todten zurückzulassen und viele Verwundete mitzunehmen.

Die Stadt war noch einmal gerettet und wieder durch Gabriel.

Sollte aber das dem König geleistete Versprechen erfüllt sein, so mußte sie noch vier lange Tage festhalten.

XIII.
Eine glorreiche Niederlage

Der unerwartete Schlag, den sie erhalten, hatte zuerst bei den Belagerern eine Entmuthigung zur Folge, und sie schienen einzusehen, daß sie sich der Stadt nur bemächtigen würden, nachdem sie eines nach dem andern die Widerstandsmittel, die man ihnen entgegenstellen konnte, vernichtet hätten. Drei Tage lang versuchten sie keinen neuen Sturm; doch alle ihre Batterien donnerten, alle ihre Minen spielten ohne Ruhe und ohne Rast. Durch einen übermenschlichen Geist belebt, schienen ihnen die Leute, welche den Platz vertheidigten, unbesiegbar; sie griffen die Mauern an und diese waren minder fest, als die Brust der Streiter. Die Thürme stürzten ein, die Gräben füllten sich der ganze Gürtel der Stadt fiel Stück für Stück.Vier Tage nach ihrem nächtlichen Ueberfall wagten, die Spanier wieder einen Sturm. Dies war der achte und letzte Tag, den Gabriel von Heinrich II. verlangt hatte. Scheiterte der Angriff der Feinde auch diesmal, so war sein Vater wie die Stadt gerettet; wenn nicht, so wurde seine ganze Mühe und Anstrengung vergeblich; der Greis, Diana und Gabriel selbst waren verloren.

Es ist nicht möglich zu schildern, welchen wüthenden Muth er an diesem äußersten Tag entwickelte. Man hätte nicht glauben sollen, es könnten sich in der Seele und in dem Körper eines Menschen so viel Macht und Thatkraft finden. Er sah weder die Gefahren, noch den Tod, er dachte nur an seinen Vater und an seine Braut und ging Piken, Musketen, und Kanonenkugeln entgegen, als wäre er unverwundbar. Ein Stück von einem Stein traf ihn an die Seite, eine Lanzenspitze an die Stirne, doch er fühlte seine Wunden nicht und schien trunken vor Tapferkeit; er ging umher, er lief, er schlug, er ermahnte durch die Stimme und das Beispiel. Man sah ihn überall wo die Gefahr dringend war. Wie die Seele den ganzen Körper belebt, so belebte er diese ganze Stadt: er war zehnfach, er war zwanzigfach, er war hundertfach. Und bei dieser wunderbaren Exaltation verließen ihn die Kaltblütigkeit und Klugheit nicht. Mit einem Blicke rascher als der Blitz bemerkte er die Gefahr und erschien auf der Stelle dabei. Wenn die Angreifenden zurückwichen, wenn die Franzosen, elektrisiert durch diesen ansteckenden Muth, offenbar den Vortheil wieder errangen, eilte er zu einem andern bedrohten Posten.

Dies dauerte sechs Stunden, von ein Uhr bis sieben Uhr.

Um sieben Uhr wurde es Nacht und die Spanier zogen sich auf allen Seiten zurück. Hinter einigen Mauerhügeln, mit ein paar in Trümmern liegenden Thürmen und einigen decimirten und verstümmelten Soldaten hatte Saint-Quentin um einen Tag, vielleicht auf mehrere Tage seinen glorreichen Widerstand verlängert.

Sobald der letzte Feind den letzten angegriffenen Posten verließ, fiel Gabriel erschöpft von Müdigkeit und Freude in die Hände seiner Umgebung.

Man trug ihn im Triumph nach dem Rathhause.

Seine Wunden waren indessen leicht und seine Ohnmacht konnte nicht lange anhalten. Als er wieder zu sich kam, stand der Admiral Coligny ganz strahlend an seiner Seite.

»Herr Admiral,« war das Erste, was Gabriel sprach, »nicht wahr, ich habe nicht geträumt? Es hat heute ein furchtbarer Sturm stattgefunden, den wir glücklich zurückgeschlagen?«

»Ja, Freund, und zum Theil haben wir dies Euch zu verdanken,« erwiderte Gaspard.

»Und die acht Tage, die mir der König bewilligt, sind abgelaufen!« rief Gabriel. »Oh! Dank, Dank, mein Gott!«

»Und, um Euch vollends zu stärken, bringe ich Euch vortreffliche Nachrichten,« sprach der Admiral. »Durch unsere Vertheidigung von Saint-Quentin beschützt, organisiert sich, wie es scheint, die Vertheidigung des ganzen Gebiets; einer meiner Spione, der den Connétable sehen und heute während des Tumults herein konnte, gibt mir hierüber die besten Hoffnungen. Herr von Guise ist mit dem Heere von Piemont in Paris angekommen und bereitet im Einklang mit dem Herrn Cardinal von Lothringen Städte und Menschen zum Widerstand vor. Entvölkert und seiner Mauern beraubt, kann Saint-Quentin dem ersten Sturme nicht widerstehen, doch sein Werk und das unsrige ist vollbracht, und Frankreich ist gerettet, mein Freund. Ja, Alles bewaffnet sich hinter unseren, getreuen Wällen; der Adel und alle Stände des Staates erheben sich Recruten erscheinen im Ueberfluß, an freiwilligen Gaben regnet es, zwei deutsche Hilfscorps sind angeworben worden. Hat der Feind mit uns ein Ende gemacht, was leider nicht mehr lange ausbleiben kann, so wird er wenigstens hinter uns zu thun bekommen. Frankreich ist gerettet, Gabriel!«

»Ah! Herr Admiral, Ihr wißt nicht, wie sehr ihr mir wohlthut. Doch erlaubt mir eine Frage: ich richte sie nicht aus bloßer Eitelkeit an Euch, Ihr kennt mich nun zu gut, um dies zu glauben, nein, meine Frage hat einen ernsteren, tieferen Beweggrund. Sagt mir mit zwei Worten, Herr Admiral, glaubt Ihr, daß meine Gegenwart hier seit acht Tagen etwas zu dem glücklichen Erfolge der Vertheidigung von Saint-Quentin beigetragen hat?«

»Alles, Freund, Alles!« erwiderte der Admiral, mit edler Offenherzigkeit. »Am Tage Eurer Ankunft wich ich ohne Euren unerwarteten Dazwischentritt, wie Ihr gesehen, ich beugte mich unter der furchtbaren Verantwortlichkeit, mit der man mein Gewissen belastete, ich übergab, selbst den Spaniern den Schlüssel dieser Stadt, die der König meiner Obhut anvertraut hatte. Vollendetet Ihr nicht am andern Tage Euer Werk dadurch daß Ihr in diese Stadt eine allerdings schwache Hilfe führtet, welche jedoch genügte, die Geister der Belagerten wieder zu beleben? Ich spreche nicht von den vortrefflichen Rathschlägen, die Ihr den Minirern und Ingenieure, gegeben. Ich spreche nicht von dem glänzenden Muthe, den Ihr stets und überall bei jedem Sturme entwickeltet. Doch wer hat vor vier Tagen die Stadt von dem nächtlichen Ueberfall gerettet? Wer hat heute mit unerhörter Kühnheit noch einmal einen Widerstand verlängert, den ich fortan selbst für unmöglich hielt? Ihr, immer Ihr, Freund, der Ihr überall gegenwärtig und allzeit fertig auf der ganzen Linie unserer Wälle die Gabe der Allgegenwart der Engel zu theilen schienet, so daß unsere Soldaten Euch nicht mehr anders als den Fünfhundert nennen! Gabriel, ich sage es mit einer aufrichtigen Freude und einem tiefen Danke, Ihr seid der erste und einzige Retter dieser Stadt, und folglich Frankreichs.«

»Oh! empfangt meinen Dank, Herr Admiral, für Eure gütigen und nachsichtigen Worte! Doch verzeiht, würdet Ihr nicht die Gewogenheit haben, sie vor Seiner Majestät zu wiederholen?«

»Das ist nicht nur mein Wille, sondern es ist meine Pflicht, und Ihr wißt, daß Gaspard von Coligny sich nie gegen seine Pflicht verfehlt.«

»Welch ein Glück,« rief Gabriel, »und wie sehr werde ich Euch verbunden sein, Herr Admiral! Doch wollt Ihr dem noch einen Dienst beifügen? Sprecht mit Niemand, ich bitte Euch, nicht einmal mit dem Herrn Connétable, besonders nicht mit dem Herrn Connétable, von dem, was ich zu thun vermochte, um Euch in Eurer ruhmwürdigen Aufgabe zu unterstützen. Der König erfahre es allein. Seine Majestät wird daraus ersehen, daß ich nicht für den Ruhm und den Lärmen gearbeitet habe, sondern nur um eine ihr gegenüber eingegangene Verbindlichkeit zu erfüllen, und sie hat, um mich zu belohnen, wenn sie es wünscht, in ihren Händen einen Preis, der tausendmal beneidenswerther ist, als alle Ehren und alle Würden des Reiches. Ja, Herr Admiral, dieser Preis werde mir zugeschieden, und die Schuld von Heinrich II. gegen mich, wenn es eine Schuld gibt, ist hundertfach bezahlt.«

»Die Belohnung muß in der That herrlich sein,« sagte der Admiral. »Gott wolle, daß Euch die Dankbarkeit des Königs nicht täusche. Uebrigens werde ich nach Eurem Wunsche handeln, und obgleich es mich Mühe kostet, über Eure Verdienste zu schweigen, so will ich doch schweigen, da Ihr es von mir fordert.«

»Oh!« rief Gabriel, »wie lange habe ich keine Ruhe genossen, wie ich sie in diesem Augenblick empfinde! Wie gut ist es doch, zu hoffen und ein wenig an die Zukunft zu glauben! Nun werde ich ganz heiter auf die Wälle gehen, ich werde mit leichtem Herzen kämpfen und, wie es scheint, unbesiegbar sein. Würden es das Eisen oder das Blei wagen, einen Menschen zu berühren, welcher hofft?«

»Verlaßt Euch nicht zu sehr darauf,« erwiderte Coligny lächelnd. »Schon kann ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Gewißheit des Sieges uns trügen wird. Die Stadt ist nunmehr beinahe offen, ein paar Kanonenschüsse werden leicht vollends die letzten Bruchstücke ihrer Mauern und ihrer Thürme niedergeschmettert haben. Es bleiben uns kaum noch kräftige Arme, und die Soldaten, welche so muthig bis jetzt die Wälle ersetzten, werden uns ebenfalls fehlen. Der nächste Sturm wird den Feind zum Herrn des Platzes machen, darüber wollen wir uns nicht täuschen.«

»Kann uns Herr von Guise nicht Entsatz von Paris schicken?« fragte der Vicomte d’Ermès.

»Herr von Guise wird seine kostbaren Mittel nicht für eine zu dreivierteln eingenommene Stadt bloßstellen, und daran thut er wohl. Er behalte seine Mannschaft im Herzen Frankreichs, dort ist sie nothwendig. Saint-Quentin ist aufgegeben. Das Sühneopfer hat lange genug gekämpft. Gott sei Dank! es bleibt ihm nichts mehr zu thun übrig als edel zu fallen, und dazu werden wir ihm abermals helfen, nicht wahr, Gabriel? Der Triumph der Spanier vor Saint-Quentin muß sie mehr kosten als eine Niederlage. Wir schlagen uns nicht mehr, um uns zu retten, sondern um uns zu schlagen.«

»Ja, für das Vergnügen, für den Luxus,« sagte Gabriel heiter, »ein Heldenvergnügen, Herr Admiral, ein Luxus Eurer würdig! Nun, so belustigen wir uns damit, daß wir die Stadt noch zwei, drei, vier Tage behaupten, wenn wir können. Halten wir Philip II., Emanuel Philibert, Spanien, England und Flandern vor diesen paar Steintrümmern im Schach. Dadurch wird immer ein wenig Zeit für Herrn von Guise gewonnen, und wir bekommen ein Schauspiel, das sich komisch ansieht. Was sagt Ihr dazu?«

»Ich sage, daß Ihr eine erhabene Scherzhaftigkeit habt, und daß sich der Ruhm sogar in Euren Augen findet,« antwortete Coligny.

Der Zufall unterstützte Gabriel und Coligny nach Wünschen. Wüthend, so lange vor einer Stadt aufgehalten zu werden und zehn Stürme vergebens unternommen zu haben, wollten Philipp II. und sein General Emanuel Philibert keinen elften versuchen, ohne diesmal des Sieges sicher zu sein. Sie griffen, wie sie es schon vorher gethan hatten, drei Tage lang nicht an, und ersetzten ihre Soldaten durch ihre Kanonen, weil in der heldenmüthigen Stadt die Mauern entschieden minder hart waren, als die Herzen. Der Admiral und der Vicomte d’Ermès ließen während dieser drei Tage, so weit es thunlich war, den Schaden der Batterien und der Minen durch ihre Arbeiter immer wieder ausbessern; aber leider fehlte es an Armen. Am 26. August Mittags war kein Mauerflügel mehr übrig. Die Häuser waren entblößt wie in einer offenen Stadt, und die Soldaten hatten sich dergestalt gelichtet, daß sie nicht mehr eine Linie von zwei Mann neben einander auf den Hauptpunkten bilden konnten.

Gabriel mußte es selbst zugestehen; ehe nur das Zeichen zum Stürmen gegeben; war die Stadt schon genommen.

Man nahm sie wenigstens nicht bei der Bresche, welche Gabriel vertheidigte. Hier befanden sich mit ihm Herr du Breuil und Jean Peuquoy, und alle drei fochten so gut und vollbrachten so wunderbare Heldenthaten, daß sie die Angreifenden dreimal zurücktrieben. Gabriel besonders arbeitete mit freudigem Herzen, und Jean Peuquoy war so sehr erstaunt über die mächtigen Schwertstreiche, die er rechts und links austheilte, daß er beinahe, durch sein Erstaunen zerstreut, getödtet worden wäre, und daß Gabriel wiederholt seinem Bewunderer das Leben retten mußte.

Jean Peuquoy schwur auch auf dem Platz seinem Retter ewige Verehrung und Ergebenheit. Er rief sogar in seiner Begeisterung, er beklage seine Vaterstadt etwas weniger, weil er eine andere Zuneigung hegen müsse; Saint-Quentin habe ihm zwar das Leben gegeben, der Vicomte d’Ermès aber habe es ihm erhalten.

Trotz dieser edlen Anstrengungen konnte die Stadt nicht mehr länger Widerstand leisten: ihre Wälle waren nur eine fortlaufende Bresche, und Gabriel, du Breuil und Jean Peuquoy schlugen sich noch, während hinter ihnen die Feinde, Herren von Saint-Quentin, schon die Straßen füllten.

Doch die muthige Stadt wich der Gewalt nur nach siebenzehn Tagen und elf Stürmen.

Es waren zwölf Tage seit der Ankunft von Gabriel vorüber, und er hatte das dem König geleistete Versprechen um viermal vierundzwanzig Stunden überschritten.