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Czytaj książkę: «Der Pastor von Ashbourn», strona 31

Czcionka:

X.
Was sich in dem vermauerten Zimmer befand

Trotz des Unterschiedes unserer Stellungen senkten sich unsere Blicke zu gleicher Zeit bis in den Hintergrund des Zimmers.

Die Läden waren verschlossen, und da mit Ausnahme einiger Oeffnungen, durch welche der zerstörende Zahn der Zeit zu dringen schien, kein Loch das Licht von außen hereinfallen ließ, so blieb das Zimmer dunkel.

Das wenige Licht, welches durch die erbrochene Thür eindrang, genügte jedoch, in dem Halbschatten eine alte, zwischen den beiden Fenstern stehende Truhe, ein altes, der Truhe gegenüberstehendes Bett, einige wackelnde Stühle und einige wurmstichige, hie und da auf dem Boden zerstreute Schemel zu erkennen.

Plötzlich rief ich ans, indem ich die Hand ausstreckte und erbleichte:

– Die graue Dame! die graue Dame!

Mary hörte nicht mehr, und indem sie auf die Treppe zustürzte, ging sie fünf bis sechs Stufen hinab.

Alsdann wandte sie sich um.

Als sie nun sah. daß ich, statt wie sie zu fliehen, mich auf dem Vorplatze an demselben Ort niedergesetzt hatte, wo ich mich befand, die Hand immer noch nach dem von mir angedeuteten Gegenstand ausgestreckt, faßte sie wieder Muth, und indem sie mich fragte: »Wo denn? wo denn?« schritt sie langsam die Stufen eine nach der anderen wieder hinauf, kam wieder zu mir, und indem sie ohne Zweifel in ihrem Schrecken den Abstand vergaß, der zwischen uns Beiden bestand, da sie die Magd war und ich der Herr, lehnte sie sich vertraulich auf meine Schulter.

– Nun aber was haben Sie denn gesehen, Herr Bemrode?. . . aber so sprechen Sie doch!

Ich weiß nicht warum, ich schwieg beharrlich; es lag zuverlässig in diesem Schweigen weder Eigensinn noch Geringschätzung. Zwei oder drei Male versuchte ich zu sprechen, aber die Stimme blieb in der Kehle stecken, vox faucibus haesit, ohne ein Wort hervorbringen zu können.

Aber ich zeigte auf den Gegenstand, den ich auf den ersten Blick für die graue Dame gehalten hatte, und der jetzt vor meinem allmählig immer mehr an die Dunkelheit gewöhnten Blicke die Gestalt eines weiblichen, neben dem Bette aufgehängten Kleidungsstückes mit einer Haube darüber annahm. Durch eine zerbrochene Fensterscheibe und eine Oeffnung des Ladens drang aber der Wind in das Zimmer, und hatte, indem er diese Kleider leicht bewegte, einem regungslosen und leeren Kleidungsstücke den Schein von Leben und Bewegung verliehen.

– Nun! was? fragte Mary.

Ich fuhr fort, mit dem Finger auf den Gegenstand zu zeigen, der mich erschreckt hatte.

– Dort? flüsterte Mary, dort?

Und sie streckte die Hand in derselben Richtung mit der meinigen aus. Ich machte eine Anstrengung: ein Wort machte sich Lust.

Freilich bestand dieses Wort nur aus einer Sylbe.

– Ja. antwortete ich.

– Ah so! aber Sie sehen also nicht, daß das, was Sie mir da zeigen, ein altes, an der Wand aufgehängtes Kleid ist?

Was für eine sonderbare Sache ein solches Blendwerk ist, mein lieber Petrus, und wie mir das die berühmte Luftspiegelung erklärt, welche die Reisenden in der Wüste täuscht, sie an sich zieht, und wenn sie an dem Saume eines eingebildeten Waldes oder See’s angekommen sind, plötzlich verschwindet!

Bei dieser einfachen Aeußerung Marr/s hörte die Täuschung auf, die graue Dame verschwand, und die Gegenstände, welche ich vor den Augen hatte, erschienen mir in ihrer wahren Gestalt.

– Ah! rief ich aus, indem ich über mich selbst lachte, und dann vielleicht auch ein wenig aus Zufriedenheit darüber, daß wir statt mit der Todten nur mit ihren Kleidern zu thun haben würden, ach! eine schöne Geschichte!

Ich versuchte wieder aufzustehen, aber wie Sie wissen, mein lieber Petrus, bringt das Lachen eine solche Abnahme der Kräfte hervor, daß es mir anfangs nicht gelang, und daß ich wieder zurücksank.

– Eine schöne Geschichte, wenn Sie wollen, Herr Bemrode, rief Mary aus; aber ich nenne das einen schlechten Spaß. . . Jesus mein Gott! weil Sie keine Furcht haben, weil Sie tapfer wie Judas Maceobäus sind, ist das ein Grund, eine arme Frau vor Furcht sterben zu lassen?. . . Ach! fuhr sie fort, indem sie in das Zimmer trat, im ersten Augenblicke habe ich mich anführen lassen . . . aber wissen Sie, Herr Bemrode, daß Sie für einen Geistlichen ein wenig zu sehr Spaßvogel sind?

Bei diesen Worten war sie bis an den Fuß des Bettes gegangen. Dort angekommen, wandte sie sich nach mir um und sagte:

– Nun, kommen Sie doch!

Unterdeß war ich wieder aufgestanden.

– Nun, wiederholte sie, Sie kommen nicht?

– Meine liebe Freundin, sagte ich ihr, diese Fenster sind vielleicht seit drei Jahren nicht aufgemacht gewesen, das Zimmer muß gräßlich dumpf riechen, und die schlechten Gerüche sind mir unerträglich . . . Machen Sie zuerst die Fenster auf, und nachher werde ich eintreten.

– O! das ist richtig, Herr Bemrode, sagte die gute Mary; es ist wahr, daß das Zimmer Luft nöthig hat. . . warten Sie, ich will es lüften.

Und sie trat an die beiden Fenster, deren ganz verfallene Läden sie aufstieß. Das Licht erfüllte das Zimmer und drang in dasselbe, wie das Wasser in einen Teich durch eine aufgezogene Schleuse fällt, das heißt in Wogen und in Strömen.

Ich habe nichts Traurigeres auf der Welt gesehen, als dieses Zimmer, in welchem Alles ein lebendiges Beispiel von dem Grundsatze des Evangeliums schien: »Von Staub bist Du genommen und zu Staub wirst Du werden!« In der That, Alles schien nur die Berührung eines materiellen und festen Körpers zu erwarten, um zu verfallen. Die Tapete hing in Fetzen herab; die Gurten des Bettes hatten sich abgelöst, und die Matratzen fielen auf den Boden; die den Fußboden bildenden Steinplatten waren mit einem halben Zoll dicken Staub bedeckt, der sich seit drei Jahrhunderten aufgehäuft zu haben schien; ein Spiegel, der noch immer das Kamin schmückte, schien durch Einsamkeit und Dunkelheit die Gabe verloren zu haben, die Gegenstände wiederzugeben; endlich – was meine Einbildungskraft ganz besonders erregte, – lagen mehrere Stricke auf dem Fußboden zerstreut, wie als ob die Person, welche die Wahl unter ihnen getroffen, einen davon genommen, und die anderen verächtlich hätte liegen lassen.

Als diese allgemeine Musterung beendigt, richteten sich meine Augen wieder besonders auf gewisse Gegenstände, je nachdem sie mehr oder weniger meine Aufmerksamkeit zu verdienen schienen.

Der erste dieser Gegenstände war die Auswahl von Kleidern, die sich an dem Kopfende des Bettes an einem Nagel aufgehängt schaukelten, die augenscheinlich keine Hand berührt, seitdem man aller Wahrscheinlichkeit nach die Leiche der grauen Dame fortgeschafft hatte.

Diese Anzahl von Kleidern, die ich für die graue Dame selbst gehalten, und die mir einen so großen Schrecken verursacht hatten, daß mir die Beine den Dienst versagten, – was ich Ihnen jetzt wohl gestehen kann, mein lieber Petrus, wo ich Dank der Willenskraft, die mich charakterisirt, dieses Zimmer betreten und es ebenso muthig durchsucht habe, als es der tapferste Mann der drei Königreiche gethan hätte, – diese Auswahl von Kleidern bestand aus einer Haube, einem Busenschleier, wie gegen die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts die Frauen des Mittelstandes sie trugen, einem Unterrocke, der weiß gewesen und grau geworden, und einem grauen Kleide, das schwarz geworden war.

Wir erkannten diese verschiedenen Gegenstände, indem ich sie der Reihe nach aufhob, denn Mary weigerte sich mit einer Schüchternheit, die ich übrigens ihrem Geschlecht verzeihe, durchaus, sie von dem Nagel abzunehmen und sie genauer zu betrachten, obgleich ich ihr diese Kleider zum Geschenk anbot. Freilich muß ich sagen, daß ich ihr da ein sehr geringes Geschenk machte! Ein Trödler hätte zuverlässig für das Ganze keine zwei Pence gegeben, so sehr war Alles entweder durch die Wirkung der Zeit verdorben, welche seit dem Aufhängen dieser Kleider verflossen war, oder durch den Gebrauch der Person, welche sie getragen hatte, und sie ablegte, um in die Ewigkeit zurückzukehren, aus der sie hervorgegangen war.

Aber das war der Grund nicht, den Mary geltend machte; sie antwortete ganz einfach, daß es nicht allein Unglück brächte, die Kleider eines Gestorbenen anzuziehen, sondern auch, sie bloß zu berühren.

Sie werden wohl begreifen, daß ich bei der Darlegung eines solchen Aberglaubens in Gelächter ausbrach, und um der armen Frau meine ganze Verachtung desselben zu beweisen, streckte ich die Hand nach diesen Kleidern aus.

Aber kaum hatte ich sie berührt, als der ohne Zweifel von dem Rost verzehrte Nagel brach und die ganze Anzahl von Kleidern, mit einem schauerlichen Rauschen längs der Wand hinabgleitend, auf den Boden fiel, und um sich herum jenen widrigen Staub emporwirbeln ließ, wie er aus der Tiefe ausgetrockneter Gräber aufsteigt.

– O! Herr Bemrode, rief Mary aus, Sie haben die Kleider der grauen Dame berührt, das wird Ihnen Unglück bringen!

So lächerlich die Prophezeihung auch war, so muß ich Ihnen doch sagen, mein lieber Petrus, daß ich durch die überzeugungsvolle Stimme Marn’s, durch den Ort. an welchem diese Worte ausgesprochen wurden, endlich durch die Verhältnisse, in denen wir uns befanden, einen Schauder durch meine Adern rieseln fühlte.

Dann stieg ein anderer Gedanke in mir auf, der nicht geeignet war, den Eindruck des ersten zu verringern: nämlich daß die Kleider, die ich angetastet hatte, und die so schnell bei der Berührung meiner Hand niedergefallen waren, vielleicht die wären, welche die graue Dame anlegte, wenn sie erschien.

In diesem Falle hätte ich nicht allein die Kleider einer Gestorbenen, sondern sogar die eines Gespenstes berührt, was noch bei Weitem schlimmer war!

Ich entfernte mich daher mit Grausen von diesen Kleidern, die ich an dem Orte ließ, wohin sie gefallen waren.

Hierauf begann ich die Schränke zu durchsuchen.

Mit Ausnahme dessen, der sich neben dem Kamine befand und einige Küchengeschirre enthielt, welche bewiesen, daß «die graue Dame ihre Küche selbst und zwar in ihrem armseligen Zimmer besorgte, fanden sich in den andern nur einige Lumpen alter Tisch- oder Leibwäsche.

Von Manuskripten, von Papieren, die irgend eine Auskunft über diese grausige Geschichte geben könnten, war keine Rede.

Wir trieben in dieser Beziehung die Nachforschungen bis auf die vollständigste Genauigkeit, indem wir nicht einen Wandschrank ungeöffnet ließen, jeden Rahmen aufhoben, und sogar hinter diesen getrübten Spiegel blickten, der wie das gläserne und todte Auge dieses traurigen Zimmers aussah, um zu sehen, ob dort nicht irgend ein Fetzen beschriebenen Pergaments oder gedruckten Papiers verborgen wäre.

Ich wiederhole Ihnen, mein lieber Petrus, wir fanden nichts.

Ein Gefühl von Besorgniß, das Sie begreifen werden, ließ mich diese Nachforschung beschleunigen.

Ich wollte nicht, daß die Thür offen und die Mauer während der Nacht unverschlossen bliebe; es wäre zu leicht für die graue Dame gewesen, ihren nächtlichen Spaziergang zu machen.

Ich beschloß daher, indem ich verzweifelte, irgend etwas zu finden, was mich über das Geheimniß aufklären könnte, die Thür wieder zu verschließen und die Mauer wieder so schnell als möglich auszuführen.

Die Thür wieder zu verschließen, schien mir nach der Untersuchung der Verwüstung, die ich daran angerichtet hatte, gänzlich unausführbar.

Der Theil der Mauer, an welchen die Krampe des Schlusses gehörte, war abgerissen worden.

Ich hätte Schlosser und Maurer zugleich nöthig gehabt.

Das Vermauern des Loches, das ich gemacht hatte, war weniger schwer.

Ich brauchte dazu nur einen Trog Kalk und außer den Trümmern der Mauer noch einige Backsteine zum Ersatz derjenigen, welche durch den Meißel oder das Brecheisen zerbrochen worden waren.

Einen Augenblick lang wollte ich Mary von dem Maurer einen Trog Kalk und eine Maurerkelle holen lassen, und während dieser Zeit das Haus bewachen; aber ich fürchtete, daß sie in der Verwirrung, in der sie sich nach unserm Unternehmen natürlich befinden mußte, das Gewünschte nicht richtig zu fordern wissen werde, und ich zog es vor, sie in der Wohnung zu lassen und selbst zu dem Maurer zu gehen.

Dem zu Folge theilte ich ihr meinen Entschluß mit, und forderte sie auf, nach dem Erdgeschosse oder in den ersten Stock hinunterzugehen, falls sie sich fürchtete, in dem zweiten zu bleiben; aber sie antwortete mir ruhig:

– Beunruhigen Sie sich nicht über mich, Herr Bemrode; gehen Sie, Ihren Trog Kalk und Ihre Maurerkelle zu holen, ich werde während dieser Zeit fortfahren, nachzuforschen, ob ich nicht irgend eine Auskunft über diese unstäte Seele finde, welcher der Herr die Jahre des Fegefeuers schenken möge, die sie noch auszuhalten hat.

– Es ist gut, Mary, antwortete ich; ich hatte Lust zu bleiben und Sie zu dem Maurer zu schicken, aber da Sie keine Furcht haben . . .

– Verzeihung! Herr Bemrode, sagte Mary, wünschen Sie, daß ich hingehe, und daß Sie bleiben? In diesem Falle. . .

– Nein, nein, nein, sagte ich zu ihr, da es so verabredet ist, so möge es dabei bleiben.

Und ich eilte die Treppe von vier zu vier Stufen hinab, indem ich die unerschrockene Mary bei ihrer Nachforschung ließ.

Ich habe gesagt, die unerschrockene, denn, mein lieber Petrus, obgleich der Muth dieser Frau zuverlässig von der geringeren Bildung herrührt, welche gemeine Personen verhindert, die Eindrücke mit derselben Schärfe und Feinheit aufzufassen, wie begabtere Personen, so kann ich mich dennoch nicht enthalten, mit Rücksicht auf diese geringere Bildung der Unerschrockenheit dieser Frau Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Ich bin in Allem, wo nicht der Gerechte des Dichters Horaz, doch wenigstens der Unparteiische des Apostels Paulus.

XI.
Die wichtige Neuigkeit

Eine Viertelstunde nachher war ich mit den Gegenständen zurückgekehrt, die ich hatte holen wollen.

Indeß hatte ich mich wohl gehütet, dem Maurer zu sagen, zu welchem Zwecke ich seinen Trog und seine Maurerkelle von ihm borgte und ihm seinen Kalk abkaufte.

Er hätte mir vielleicht seinen Kalk nicht verkaufen, und mir seinen Trog und seine Maurerkelle nicht borgen wollen.

Ich gab als Vorwand eine an der Mauer meines Hofes zu machende Ausbesserung an.

Wer wußte denn, sobald die Thür des Pfarrhauses zugemacht war, welche Mauer ich ausbesserte?

Ich verschloß die Thür, und ging mit meiner Maurerkelle und meinem Troge Kalk in den zweiten Stock hinauf.

Mary hatte während der ganzen Zeit meiner Abwesenheit nachgesucht, aber nichts gefunden.

Es war augenscheinlich, daß, wenn irgend eine Auskunft über diese ganze Katastrophe noch vorhanden war, man sie anderswo, als in dem Zimmer der grauen Dame, suchen müßte.

Uebrigens hatte das große Werk, das ich ausgeführt, wenigstens das Ergebniß, mich über einen Punkt zu beruhigen, nämlich, daß das Zimmer vollkommen leer sei.

Kein Phantom, kein Gespenst, keine Erscheinung hatte sich der genauen Untersuchung widersetzt, die wir daselbst angestellt hatten.

Das Zimmer, vor welchem ich die Mauer wieder herstellte, war also verödet.

Wer konnte nun aber künftig hin aus diesem Zimmer kommen, da es nicht einmal das enthielt, was ich einen Augenblick lang darin anzutreffen befürchtet hatte – eine Leiche?

Ich befahl daher Mary, die Fenster zuzumachen, was ganz natürlich war, da sie dieselben aufgemacht hatte.

Mary that das übrigens ohne Bedenken.

Hierauf ging sie hinaus.

Sie hatte wohl einige Lust, nach Haus zurückzukehren, um das Mittagessen ihres Gatten zuzubereiten, aber ich hatte einen Handlanger nöthig und hielt sie zurück.

Da Sie mich nur als Gelehrten und Philosophen kennen, mein lieber Petrus, werden Sie vielleicht an meiner Geschicklichkeit in der Arbeit zweifeln, die ich unternommen hatte; aber glücklicher Weise hat mein Vater, der aus mir den Mann gemacht hat, als den Sie mich kennen, mich noch mehr ausgebildet, als Sie es glauben, indem er mich gewissermaßen eine Art von Uebersicht aller Handwerkskünste lehrte.

Das rührte von dem Gedanken her, den er anfangs gehabt hatte, mich Seefahrer werden zu lassen. Das Lesen Robinson’s war dem zu Folge die Lieblingslectüre meiner Jugend gewesen. Nun aber hatte mein vortrefflicher Vater gewollt, daß ich für den Fall, wo ich, wie der Held Daniel Foe’s, auf einer öden Insel landen sollte, gleich ihm in mir selbst alle die Hilfsquellen finden könnte, welche der Gebieter Freitag’s so erfinderisch auf die Verbesserung seines einsamen Daseins verwendete.

Ich war daher ein wenig Maler; ich habe den Beweis davon in der Ausschmückung von Jenny’s Zimmer geliefert. Ich war ein wenig Zimmermann, ein wenig Schreiner, und endlich ein wenig Maurer.

Jetzt galt es, mich der Arbeiten meiner Jugend zu erinnern, welche darin bestanden, Hundehütten, Hühner und Kaninchenställe zu bauen.

Ich muß Ihnen jetzt auf Veranlassung Robinson’s eine scharfsinnige Bemerkung mittheilen, welche, ich wage es zu sagen, vor mir Niemand gemacht hat.

Sie werden mir sagen, daß das, was bereits jetzt aus der englischen Nation das bewunderungswürdige schifffahrttreibende Volk, und aus England die Königin der Oceane zu machen anfängt und in der Zukunft unzweifelhaft machen wird, seine Lage mitten in dem Meere ist?

Nein, mein lieber Petrus.

Das bewirkt der Zufall, oder vielmehr die Vorsehung, die ihm den unterhaltendsten Reiseroman schenkten, den es jemals gegeben hat.

Jedes Kind Großbritanniens lernt in dem Robinson Crusoe lesen, oder liest ihn, wenn es lesen kann.

Trotz seines Schiffbruchs, trotz seiner Einsamkeit, trotz der Beschwerden, die er empfindet, trotz der Gefahren, die er läuft, will jedes Kind Robinson Crusoe sein.

Um das zu können, hat jedes Kind das Verlangen, Seemann zu werden.

Also nach dem Meere, dem Ocean, dem Unendlichen sind die Augen von drei Viertel der männlichen Generation vom zwölften bis zum achtzehnten Jahre gerichtet.

Wie sollte dieses Volk, für welches die Marine nicht allein ein Stand, sondern auch ein Ehrgeiz ist. nicht eines Tages das erste schifffahrt- und handeltreibende Volk der Welt sein?

Ich habe alle diese Betrachtungen angestellt, während ich Ihnen schreibe, mein lieber Petrus, und deshalb schreibe ich sie nieder; aber ich muß sagen, daß ich bei dem Ausführen meiner Mauer an etwas ganz Anderes dachte.

Das Verschließen der Fenster hatte dem Zimmer, indem es ihm seine erste Dunkelheit wiedergab, von Neuem einen phantastischen Anblick verliehen. Je mehr ich in meiner Arbeit vorrückte, desto später wurde es auch am Tage, und obgleich ich mir nicht so viel Zeit genommen, um zu Mittag zu essen, und es Mary gleichfalls nicht erlaubt hatte, kam die Nacht doch rasch herbei. Glücklicher Weise nahm meine Geschicklichkeit in dem Gewerbe, das ich für den Augenblick ausübte, mit jedem Augenblicke zu; zuletzt fügten sich die Backsteine unter meiner Hand so schnell, wie sie es unter der Hand eines wirklichen Maurers gethan haben würden. Orpheus hätte mit seiner Lyra niemals rascher gebaut, als ich mit meiner Maurerkelle! Jedoch schienen mir, während das Loch sich verkleinerte, die in dem Zimmer enthaltenen Gegenstände sich entweder zu beleben, oder entsetzliche Gestalten anzunehmen. Einen Augenblick kam es mir vor, als ob ich die Stricke auf dem Fußboden sich bewegen und sich wie Schlangen winden sah; es schien mir, als ob die Thüren der Schränke, die wir offen gefunden und die Mary sorgfältig wieder verschlossen hatte, sich knarrend wieder öffneten; endlich glaubte ich diese Gruppe von Kleidern, deren Herabfallen ich verursacht hatte, und bei deren Zusammensinken sich der widrige Staub erhob, längs der Wand wieder zu ihrer frühern Höhe aufsteigen, und unter der Gestalt einer stehenden Frau, die bereit war. auf mich zuzuschreiten, den Platz wieder einnehmen zu sehen, an dem sie sich in dem Augenblicke befand, wo ich in das Zimmer getreten war.

Ich machte alle diese Bemerkungen, ohne daß ich es wagte, sie Mary mitzutheilen, denn ich fürchtete, daß sie mich als Träumer behandelte, und vielleicht war es auch ein Traum.

Indessen, mein lieber Petrus, war ich überzeugt, daß ich die Stricke sich auf dem Fußboden winden, die Schränke sich wieder öffnen, und die Kleider wieder an der Wand hatte emporsteigen sehen.

Und ich war so überzeugt davon, daß ich vielleicht, um mich dessen zu versichern, die ganze Arbeit wieder eingerissen hätte, die ich so eben gemacht, obgleich eine Kelle Kalk hinreichte, um sie zu beendigen, als ich das Rollen eines Wagens hörte und mehrere Schläge an der Thür des Pfarrhauses erschallten.

Ich warf den Kalk gegen die Mauer, fuhr mit der Kelle darüber, um ihn gleich zu machen, und ging rasch hinunter, um die Thür zu öffnen.

Als ich sie aufmachte, stieß ich einen Freudenschrei aus: ich befand mich Jenny gegenüber.

Sie warf sich in meine Arme; dann sagte sie vor allen Dingen:

– Mein Freund, sei glücklich! Ich überbringe Dir die Nachricht selbst, die ich Dir melden sollte: der Heu hat geruht. Deinen und meinen theuersten Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen: ich bin schwanger!

Ich stieß einen zweiten Schrei aus; aber wie damals, als die Thür der grauen Dame sich unter dem Drucke des Brecheisens geöffnet hatte, kann ich nicht sagen, ob es ein Schrei der Freude oder des Schreckens war.

Sie werden leicht begreifen, mein lieber Petrus, daß diese Nachricht, die unter allen anderen Umständen und in jedem andern Augenblicke meine glühendsten Wünsche erfüllt hätte, mir in der gegenwärtigen Lage im Gegentheile die lebhaftesten Befürchtungen einflößte.

In der That, Sie werden es zugeben, mein Freund, wie sonderbar dieses Zusammentreffen des Wirklichen mit dem Phantastischen war!

Meine große Ruhe in Bezug auf die graue Dame, der Muth, den ich in allen den Fällen entfaltet hatte, wo ich ihn nöthig gehabt, rührten besonders von der Ueberzeugung ihrer Machtlosigkeit her, da die graue Dame nur Gewalt über die Kinder hat, die in dem Pfarrhause auf die Welt kommen und zwar nur über Zwillinge.

Jenny reiste ab, ich benutzte ihre Abwesenheit, um die vermessenste That auszuführen, die vielleicht jemals ein Sterblicher, von Herkules an, der Theseus aus der Hölle befreite, von Orpheus an, der Eurydice vom Pluto zurückverlangte, vollbracht hat. Ich schöpfte meine Vermessenheit besonders aus der Ueberzeugung, daß Jenny unfruchtbar sei, und gerade in dem Augenblicke, wo unter meiner Hand die letzte Spur meines fast fabelhaften Ausfluges in das schauerliche Reich der Todten verschwand, kam Jenny an, und ihr erstes Wort war: »Sei glücklich, mein Freund! ich bin schwanger!«

Schwanger! . . . Arme Jenny! Du bist also jetzt wie die anderen Mütter der Möglichkeit der Erscheinungen der grauen Dame ausgesetzt!

Ich nahm mir daher auch fest vor, Jenny mit Allem, was sich zugetragen hatte, unbekannt zu lassen.

Es ist darum nichts destoweniger wahr, daß sie bei Mittheilung dieser Nachricht, welche das Herz einer Frau so gern in das Herz ihres Gatten ergießt, an der Verstörung meiner Züge bemerkte, daß diese Nachricht einen andern, als den erwarteten Eindruck auf mich hervorbrachte.

Aber mit ihrem so scharfsichtigen Verstande, oder vielmehr mit ihrem so verständigen Herzen, erfaßte sie auf der Stelle, was mich bei dieser glücklichen Nachricht erschreckte.

– Gut! sagte sie lachend, da denkt mein lieber Träumer an die graue Dame, und ich hoffte doch, daß er sie sich aus dem Sinne geschlagen, weil ich selbst sie vergessen habe!

– Ach, antwortete ich ihr, Du warst fern von hier, meine liebe Jenny, in unserer reizenden Gegend von Nottingham, während ich mich in diesen garstigen Bergen und in diesem traurigen Pfarrhause befand . . .

– Dieses traurige Pfarrhaus wird heiter, freundlich und lustig werden, sobald unser Kind, unser Williams oder unsere Jenny, es mit seinem Gelächter erfüllen und mit seiner Gegenwart beleben wird!

– Ja, flüsterte ich, wenn Gottes Güte zuläßt, daß nur ein Kind uns zukommt; aber wenn wir nun Zwillinge erhielten? . . .

Und ich trat mit einem schweren Seufzer in das Haus.