Czytaj tylko na LitRes

Książki nie można pobrać jako pliku, ale można ją czytać w naszej aplikacji lub online na stronie.

Czytaj książkę: «Der Pastor von Ashbourn», strona 29

Czcionka:

VI.
Während des Tages

Als der Tag gekommen, verschwand das Blendwerk.

Sobald ich erwacht war, sprang ich aus dem Bette, eilte die Läden aufzumachen und ließ einen freundlichen Sonnenstrahl in das Zimmer fallen.

Indem dieses schöne goldige Licht eine Menge lustiger Atome tanzen ließ, verscheuchte es vollends alle Träume der Nacht.

O liebliches Tageslicht! warmer Hauch des Herrn! lebendige, aus seinem göttlichen Blicke ausgegangene Flamme! niemals warst Du einem Sterblichen so willkommen, als Du es mir an dem Morgen warst, der dieser schrecklichen Nacht folgte.

Sagen Sie mir, mein lieber Petrus, mein großer Philosoph, wie kommt es denn, daß unsere Seele, diese unsterbliche Tochter Gottes, ihre Empfindungen auf eine so verschiedene Weise auffasst, je nachdem sie dieselben in Mitte der Finsterniß oder der Helle des Tages empfängt?

Es schien mir, als ob alle meine Gemüthsbewegungen der Nacht ein finsterer Traum, ein abscheuliches Alpdrücken gewesen; ich hätte daran gezweifelt, daß ich jene Gefühle im wachenden Zustande empfunden hätte, wenn ich nicht den Feuerstein, den ich Von dem Kamine gestoßen, wiedergefunden und auf der Commode meine erloschene Lampe gesehen hätte.

Ich verließ das Zimmer und erhob dreist die Augen bis zum obern Ende der Treppe.

Ich erblickte die Linie, die das neue Mauerwerk andeutete, mit welchem die Thür des verfluchten Zimmers verschlossen war.

Am Tage vorher war ich dort vorübergegangen, indem ich den Kopf senkte.

Ich zuckte die Achsel bei der Erinnerung an meinen eigenen Schrecken; ich hätte vor einem Spiegel stehen mögen, um nach dem Ausdruck meiner Züge die große Verachtung zu beurtheilen, die ich gegen mich selbst hegte.

Ich ging hinab und lächelte bei diesem Krachen der Treppe, das mich am Abend vorher so sehr erschreckt hatte. Dann kehrte ich in mein Arbeitszimmer zurück.

Dort waren die Spuren meines Schreckens noch weit deutlicher als überall anderswo. Einer der Stühle, an dem ich mich gestoßen, als ich nach der Thür ging, war umgeworfen, und was meine Gemüthsbewegung noch weit mehr andeutete, war der Brief, den ich Ihnen schrieb, mein lieber Petras, und der, bei dem Anfange der zweiten Erzählung unterbrochen, durch seine zittrige Schrift und seine mit Schweiß befleckten Blätter verrieth, unter der Herrschaft welches unendlichen Schreckens die letzten Zeilen geschrieben worden waren.

Ich hatte einen Augenblick lang die stolze Versuchung, die beiden letzten Seiten zu zerreißen, sie von Neuem anzufangen und Ihnen kein Wort von meinem albernen Schrecken zu sagen; aber Sie haben die Wahrheit von mir verlangt, mein lieber Petrus, ich habe sie Ihnen versprochen; ich bin sie Ihnen schuldig, und gebe sie Ihnen.

Wenn man die Wahrheit versprochen hat, so ist sie eine nicht weniger geheiligte Schuld, als andere Schulden.

Erlauben Sie mir, Ihnen nur eine Bemerkung zu machen. In dem großen Werke, das sie über die Menschheit schreiben, ist es unnöthig, daß Sie sagen: »Der Herr Pastor Williams Bemrode that bei einer solchen Veranlassung, oder empfand bei einem solchen Umstande Folgendes,« u. s. w.; begnügen Sie sich damit zu sagen, ohne daß Sie mich nennen: »Unter diesen Umständen, bei dieser Veranlassung empfand oder handelte ein Mann, aus dessen Wahrheitsliebe ich vollkommen rechnen kann, folgendermaßen.« u. s. w.

Mein Name wird der Wichtigkeit der Thatsachen nichts hinzufügen, und könnte mir, wenn ich bekannt wäre, irgend einen Nachtheil in der Meinung der Halbphilosophen oder der Halbgläubigen bringen, denen ich in der Welt vielleicht begegne.

Ich beschloß daher, Alles in dem Status quo zu lassen, aber um Ihnen zu beweisen, in welchem Grade ich von diesen albernen Befürchtungen abgekommen war, und um Ihnen den geringen Einfluß zu zeigen, den sie jetzt auf mich hatten, setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch und setzte die Erzählung auf demselben Blatte fort, indem ich sie gerade an demselben Punkte wieder aufnahm, wo ich sie abgebrochen hatte.

Aus der Verschiedenheit der Handschriften können Sie die Verschiedenheit der Empfindungen ersehen, und ich hoffe, daß Sie mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu sagen, daß sie jetzt eben so fest ist, als die vorhergehende zitternd war.

Nach dem Frühstücke, das mir meine Aufwärterin anrichtete, das aber weit davon entfernt war, so gut zu sein als das von Jenny mir gewöhnlich zubereitete, welches ich aber nichts destoweniger verschlang, so sehr hatten die Gemüthsbewegungen der Nacht mir den Magen hohl gemacht, beschloß ich, den Garten des Pfarrhauses in seinen einzelnen Räumlichkeiten zu besuchen, was ich noch nicht gethan hatte.

Aber vorher stattete ich der Nachbarin einen Besuch ab, welche die graue Dame zuerst gesehen hatte; dann, unter dem Vorwande, die Breite ihres Gartens zu messen, um sie mit der des meinigen zu vergleichen, ging ich in diesen Garten und schritt bis aus die Rabatte vor, über welcher die Wäsche aufgehängt war, welche die gute Frau abzunehmen im Begriffe stand, als ihr die graue Dame erschien.

Dort angelangt blieb ich stehen, und blickte entschlossen nach der Thür des Pfarrhauses, durch welche die graue Dame hinausgegangen war.

Die Thür blieb verschlossen.

Ich wartete fünf Minuten.

Es war vergebens: wie es scheint, hatte die graue Dame noch mehr Furcht vor dem Lichte, als ich Furcht vor der Nacht gehabt hatte.

Ich lächelte über all meinen kindischen Schrecken.

Indem ich hierauf wieder durch das Haus der Nachbarin ging, ohne ihr etwas über den Grund zu sagen, der mich in ihren Garten geführt hatte, kehrte ich in das Dorf zurück, machte die Runde um das Pfarrhaus, und schlug den Fußpfad nach der Grube ein. auf welchem der Bergmann zur Zeit der zweiten Erscheinung des Phantoms ging.

Ich hatte mir zehn Male den Platz zeigen lassen, wo er stehen geblieben war.

Ich blieb gleichfalls dort stehen.

Je weiter ich in meinem Unternehmen vorging, desto mehr fühlte ich mich wieder fest.

Freilich sendete die Sonne glühende Feuerstrahlen von dem Himmel herab, die Vögel sangen, indem sie in den Gebüschen hüpften, die Grillen zirpten in dem hohen Grase, die ganze festliche Natur hatte das Kleid des Lebens wieder angelegt, und ihr Herz schlug zugleich in den Elementen, in den Thieren und in den Menschen.

Wie dieses Leben mich daher auch überströmte! wie mein Herz, ein von diesem allgemeinen Herzen abgelöstes Atom, freudig in meiner Brust schlug!

Ich fühlte mich eben so stark und eben so kühn, als ich die Nacht schwach und schüchtern gewesen war.

Ich begnügte mich nicht damit, die graue Dame zu erwarten; ich forderte sie mit den Augen heraus, ich rief sie mit der Geberde, ich beschwor sie mit der Stimme.

Ich hoffte, daß sie, obgleich es elf Uhr Morgens, und dies nicht die Zeit ihres Erscheinens war, von ihren Gewohnheiten abweichen und mir erscheinen würde.

Wenn sie eine solche Unvorsichtigkeit beginge, so konnte sie sich darauf gefaßt machen, gehörig empfangen zu werden!

Während ich in der Stillung eines Beschwörers dastand, schien es mir, als ob ich die regungslose Thür sich bewegen sähe; ich irrte mich nicht; die Thür drehte sich langsam auf ihren Angeln und ging auf.

Hatte die graue Dame meine Stimme gehört? Erschien mir die graue Dame? Sollte ich mich der grauen Dame gegenüber befinden?

Ich that einen Schritt auf die Thür zu, obgleich mein Herz heftig klopfte.

Es erschien eine Frau . . . Aber, verzeihen Sie die getäuschte Erwartung, mein lieber Petrus, es war nicht die graue Dame, welche dem erschreckten Dorfe irgend ein neues Unglück zu melden kam.

Es war meine Aufwärterin, welche in den Garten kam, Gemüse für mein Mittagessen zu holen.

Ich beschloß nichts destoweniger ihre Anwesenheit zu benutzen.

– Mary! rief ich ihr mit fester Stimme zu.

Sie erkannte meine Stimme, erhob den Kopf und suchte mich mit den Augen.

Hierauf sagte sie, als sie mich erblickt hatte:

– Ah! Sie sind es, mein Herr, was machen Sie denn da?

– Bekümmern Sie sich nicht um das, was ich mache, antwortete ich majestätisch. Wenn ich Ihnen auch sagte, was ich mache, so würden Sie es doch nicht verstehen. . . . Ich beschwöre die geheimen Mächte der Nacht und der Hölle.

– Kommen Sie zu mir.

Sie blickte mich voller Erstaunen an; ich redete sie in einem befehlenden Tone an, den sie mich niemals hatte annehmen hören.

Sie kam zu mir, aber um schneller zu gehorchen, begann sie den Weg schräg abzuschneiden.

– Nein, sagte ich zu ihr, indem ich den Arm ausstreckte, um sie zurückzuhalten, nein, das will ich nicht. . . . Gehen Sie aus dem Wege in der Mitte, gehen Sie ernst, langsam; nehmen Sie den Schein an, eher zu gleiten als zu gehen; gehen Sie vor mir vorüber, indem Sie mir mit der Hand einen Wink geben, und setzen Sie,sich auf die steinerne Bank in den Schatten der Akazie. . . .

– O! sagte die arme Frau lachend, Sie machen sich zuverlässig lustig über mich!

– Thun Sie das, was ich Ihnen sage, Mary! antwortete ich in einem höchst befehlenden Tone.

– Aber, mein Herr, ich werde es niemals wagen.

– Warum nicht?

– Weil der Schatten dieser Akazie verflucht ist; weil die graue Dame sich aus diese steinerne Bank setzt. . . .

Ich antwortete durch eine geringschätzende Geberde.

– Sie fürchten sich also? fragte ich sie.

– Ja, ohne Zweifel fürchte ich mich.

– Sie fürchten sich! . . . Bin ich etwa nicht da? Bin ich etwa nicht ein Mann, der bereit ist, Sie zugleich durch zeitliche und geistige Mittel zu vertheidigen, da ich zugleich Mann und Priester bin?

– Es ist wahr; wenn der Herr mir sagt, daß nichts dabei zu fürchten ist . . .

– Ich sage es Ihnen.

– Dann bin ich bereit zu thun, was der Herr mir befehlen wird.

– Es ist gut . . . Schlagen Sie den Weg in der Mitte des Gartens ein.

Sie that es.

– Langsamer. . . Man sieht zu sehr, daß Sie ein menschliches Wesen sind . . . Gleiten Sie, statt zu gehen.

– Ah! es ist nicht leicht, zu gleiten; wenn es Winter wäre, und es Eis gäbe, so wollte ich nichts sagen.

– Dann langsamer, noch langsamer . . . Machen Sie eine Geberde mit der Hand, indem Sie bei mir vorüber kommen . . . Da . . . Verbieten Sie mir durch diese Geberde, Ihnen zu folgen . . . Es ist gut. – Ah! Du verbietest mir. Dir zu folgen, Geist der Hölle! rief ich aus, Du wirst sehen, wie ich Dir gehorche.

Und ich schickte mich an, über die Hecke zu steigen.

– Ah! mein Herr, sagte Mary, nehmen Sie sich in Acht, Sie werden Ihre Hose zerreißen!

– Schweig, Dämon! antwortete ich, und setze Deinen Weg fort. . . . Du siehst, was ich mir aus Deinen Drohungen mache!

Und ich stieg in der That auf die Gefahr dessen, was was mir prophezeiet war. hin über die Hecke, und, wie es der Bergmann während der Nackt des Sanct Gertrudistages auf den Sanct Michaelstag gemacht hatte, stürzte ich auf der Spur der grauen Dame fort.

Ich sage, der grauen Dame, weil ich mich am Ende in dem Grade in die Lage hineingedacht hatte, daß, wenn Mary die geringste drohende Geberde gemacht, das geringste Wort ausgesprochen hätte, ich sie bei der Kehle packte und sie erdrosselte!

Aber glücklicher Weise hatte sie die Vorsicht, zu der Rolle nichts hinzuzufügen, die ich ihr vorgeschrieben hatte; sie setzte sich ruhig in den Schatten der Akazie auf die Granitbank.

Und als sie dort war, fragte sie:

– So, ist es so recht, mein Herr?

– Ja, so ist es recht, phantastisches Wesen! antwortete ich ihr, auf diese Weise erschreckst Du die Anderen, aber mich erschreckst Du nicht, ich trotze Dir! ich fordere Dich heraus! ich verhöhne Dich! . . . Verschwinde, ich befehle es Dir!

– Ei! mein Herr, sagte Mary, mit Vergnügen; es ist hier an diesem Orte so feucht, daß man sich die Schwindsucht holen könnte, wenn man nur zehn Minuten da bliebe.

Und Mary wollte auf dem kürzesten Wege in das Haus zurückkehren, aber ich machte ihr mit der Hand eine dermaßen majestätische Geberde, daß sie einen Bogen beschrieb, in welchem ich ihr folgte, indem ich mich wie die Spitze eines Zirkels um mich selbst drehte, ohne nur eine Secunde den Blick von ihr abzuwenden.

Ich blieb in derselben Stellung, mit demselben Befehle in der Geberde, und derselben Drohung in den Augen bis zu dem Momente, wo Mary, nachdem sie ihr Gemüse gepflückt und mich zum letzten Mal voller Erstaunen angeblickt Hütte, durch die Hofthür verschwunden war.

– Und jetzt möge die graue Dame kommen, rief ich aus, so werde ich sie behandeln!

Hierauf setzte ich mich gleichfalls in den Schatten der Akazie auf die Granitbank, indem ich sagte:

– Arme Frau! sie hatte Furcht!

VII.
Das hitzige Fieber

Sie werden wohl begreifen, mein lieber Petrus, daß ich nicht ohne eine gewisse Ueberspannung zu diesem Grade des Heldenmuthes gelangt war.

Während dieser Ueberspannung faßte ich einen Entschluß.

Diese r Entschluß bestand dann, durch den Maurer die Mauer niederreißen zu lassen, die er aufgeführt hatte, durch den Schlosser die verschlossene Thür aufmachen zu lassen, und das Zimmer der grauen Dame zu besichtigen.

Wenn irgend wo eine bestimmte Auskunft vorhanden sein konnte, so war es in diesem Zimmer.

Wenn ich gegen meine Erwartung keine Auskunft darin fände, so würde das Niederreißen der Mauer, das Oeffnen der Thür und das Durchsuchen des Zimmers der grauen Dame wenigstens beweisen, wie wenig Wichtigkeit ich auf sie legte.

Nach einer solchen Herausforderung zweifelte ich, daß sie wagen würde, Händel mit mir zu suchen, da sie sah, mit wem sie es zu thun hätte.

Einstweilen kehrte ich in das Pfarrhaus zurück, denn, wie Mary gesagt hatte, war der Platz kühl und ich fing an mich zu erkälten.

Meine Absicht war, den Stier bei den Hörnern anzugreifen, wie die Spanier sagen. Ich ging daher auch geraden Weges in den zweiten Stock hinauf, und, ich muß es gestehen, nach einem Augenblicke des Zögerns versetzte ich der Mauer an dem Orte, wo sie eine Zusammenfügung andeutete, einen Faustschlag, der bei einer Belagerung, wenn es sich darum gehandelt hätte, eine Citadelle zu schleifen, vortheilhaft den Stoß des Mauerbrechers der Vorzeit ersetzt hätte.

Die Wand ertönte dumpf.

Sie mußte wenigstens doppelte Backsteindicke haben.

Um eine solche Mauer einzureißen, hatte ich augenscheinlich die Haue meines Freundes, des Bergmanns, nöthig.

Außerdem war es nicht meine Absicht, sie selbst und auf der Stelle einzureißen.

Als ich mich dieser Thür wieder gegenüber befand, sagte ich mir, daß das eine Handlung sei, die Ueberlegung verdiene.

Ich muß Ihnen sagen, mein lieber Petrus, daß selbst am hellen Tage der Vorplatz vor dem Zimmer der grauen Dame ziemlich dunkel ist, da er sein Licht nur durch das Fenster des ersten Stockes erhält.

Da ein zu langes Verweilen auf diesem Punkte eine traurige Aenderung in einem Entschlusse herbeiführen konnte, den ich für gut hielt, so beeilte ich mich, die Thür des Speichers und die der Waschkammer aufzumachen.

Durch diese beiden Thüren fiel ein doppeltes Licht wie durch zwei auf den Vorplatz geöffnete Augen.

Ich ging sowohl in den Speicher, als in die Waschkammer, welche das Zimmer der grauen Dame auf beiden Seiten begrenzten.

Ich hoffte immer einen Eingang zu finden, der mit diesem geheimnißvollen Zimmer in Verbindung stand.

Eine genaue Untersuchung der Wände bewies mir, daß es keinen gäbe.

Während dieser Untersuchung fühlte ich mich immer mehr erkalten; bald konnte ich mir nicht mehr verhehlen, daß ein ungewöhnliches Unwohlsein sich meiner bemächtigt habe.

Ich ging hinunter, und obgleich es mitten im Sommer war, ließ ich mir ein Feuer anzünden; aber trotz dieses Feuers, an das ich mich so nahe als möglich in einen großen Sessel, in meinen Winterschlafrock gehüllt, gesetzt hatte, vermochte ich mich nicht wieder zu erwärmen.

Am Abend nahm dieses Unwohlsein zu; sei es nun Schwäche des Geistes oder des Körpers, ich sah die Nacht voller Besorgniß hereinbrechen.

Meine Schrecken während der vorigen Nacht und meine Tapferkeit während des Tages lieferten sich in meinem Kopfe einen sonderbaren Kampf.

Ich fühlte das Fieber kommen, mit dem Fieber das Phantasiren, und mit dem Phantasiren die phantastischen Erscheinungen, welche das Bett eines Fieberkranken um^ geben.

Glücklicher Weise bot Mary, welche die Bedenklichkeit sah, die mein Unwohlsein annahm, mir von selbst an. die Nacht bei mir zuzubringen.

Ich hätte es für einen Verrath an mir selbst, für eine Schwäche meines Herzens gehalten, sie darum zu bitten; aber sobald sie sich anbot, meine Wärterin für die Nacht zu sein, nahm ich es mit Freuden an.

Ich habe einige Begriffe von der Arzneikunde: ich konnte daher selbst beurtheilen, daß mein Zustand nicht frei von einer gewissen Gefahr sei.

Die Symptome, welche ich empfand, waren die einer Gehirnentzündung. Bevor das Uebel größere Fortschritte gemacht hatte, verordnete ich mir selbst die Getränke, die mir nothwendig waren, und Mary beeilte sich, sie meinen Vorschriften gemäß zuzubereiten.

Da es aber bei der Behandlung der Gehirnentzündung Fälle giebt, welche die Kunst des Wundarztes erheischen, wie den Aderlaß, das mehr oder weniger günstige Auflegen von Eis auf die Stirn und auf die Schläfen. von Senfpflastern auf die Füße und auf die Waden, so benachrichtigte ich Mary von der Notwendigkeit, einen Arzt von Milfort holen zu lassen, wenn ich während der Nacht vom Phantasiren befallen würde.

Alles ereignete sich ganz so, wie ich es vorausgesehen hatte, so unfehlbar ist die Wissenschaft!

Gegen elf Uhr verdoppelte sich das Fieber.

Nun stellten sich mir alle die unzusammenhängenden Gedanken der vergangenen Nacht als Thatsachen vor.

Obgleich sich zwei angezündete Kerzen und eine Lampe in dem Zimmer befanden, bildete ich mir ein, daß ich in der vollständigsten Dunkelheit wäre.

Diese Dunkelheit beunruhigte mich sehr, wie es scheint.

Ich rief aus allen meinen Kräften:

– Zündet die Kerzen an, zündet die Lampe an die Mitternachtsstunde wird schlagen . . . die graue Dame wird kommen! . . .

Vergebens wiederholte mir die arme Mary:

– Aber. Herr Bemrode, sind Sie denn närrisch? aber Herr Bemrode, sind Sie denn blind? aber, Herr Bemrode, sehen Sie denn nicht, daß hier eine vollständige Erleuchtung stattfindet? Alles, was wir an Kerzen und an Lampen haben, ist angezündet!

Ich fuhr nichts destoweniger fort, aus vollem Halse zu rufen:

– Zündet die Kerzen an, zündet die Lampe an; die Mitternachtsstunde wird schlagen . . . die graue Dame wird kommen! . . .

Mary erwartete daher auch mit großer Furcht den Augenblick, wo die Uhr schlagen würde.

Es war keine Möglichkeit, mich zu verhindern, daß ich sie hörte: die Glocke schlug gerade über meinem Kopfe. Außerdem horchte ich mit offenem Auge, gespanntem Ohre, mit allen Kräften meines Herzens und meines Geistes.

Sobald der erste der zwölf Schläge erschallte, rief ich aus.

– Still, da schlägt es Mitternacht. . . jetzt kommt die graue Dame! . . .

Und in dem Maße, als die zwölf Schläge erschallten, folgte ich der grauen Dame, indem ich sagte:

– Jetzt macht die graue Dame oben die Thür auf . . . jetzt geht die graue Dame durch die Mauer . . . jetzt schreitet die graue Dame die Treppe hinab . . . jetzt bleibt die graue Dame stehen . . . jetzt entschließt sich die graue Dame, hier einzutreten, statt sich unter die Akazie zu setzen . . . jetzt tritt die graue Dame ein . . . jetzt schreitet die graue Dame auf mein Bett zu . . . jetzt will sich die graue Dame neben mich legen. . . . Warte! warte! warte! Du wirst sehen! . . .

Es scheint, mein lieber Petrus, daß bei alle dem eine Mischung von Täuschung und von Wirklichkeit obwaltete. Es war nicht die graue Dame, welche auf Mich zuschritt: es war Mary; sie wollte sich nicht in mein Bett legen, sie wollte mich einen beruhigenden Trank nehmen lassen.

Aber da ich mich zugleich über ihre Person und über ihre Absicht irrte, so packte ich sie bei der Gurgel, warf sie zu Boden und würde sie wahrscheinlich erdrosselt haben, wenn nicht glücklicher Weise ihr Gatte, nach dem von mir selbst gegebenen Befehle, sich zu erkundigen kam, ob er nach Milfort gehen müßte, ihr Angstgeschrei hörte, die Treppe hinaufeilte, und in dem Augenblicke in das Zimmer stürzte, wo die arme Frau den Athem verlor, und sogar anfing zu glauben, daß sie das Leben verlieren würde.

Wie es scheint, dauerte der Kampf zwischen mir und dem Neuangekommenen lange. In meinem Phantasmen war ich überzeugt, daß es die graue Dame selbst wäre, mit der ich zu thun hätte, und da ich sie in meiner Gewalt hatte, so war ich entschlossen, mit einem Male mit ihr fertig zu werden.

Endlich gelang es der falschen grauen Dame, sich aus meinen Händen loszumachen, und während ich mich in den Armen ihres Gatten sträubte, beeilte sie sich. Hilfe bei dem Maurer und bei dem Schlosser zu suchen, die herbeieilten.

Es bedurfte nichts Geringeren als der vereinigten Anstrengungen dieser drei Männer, um mich zu überwinden. Ich kämpfte wie ein Verzweifelter. Endlich schritt man dazu, mir die Hände und mich in meinem Bette festzubinden.

Als das beendigt war, eilte einer meiner Wächter nach Milfort, um den Arzt zu holen.

Mit Tagesanbruch kam der Arzt an.

Er ließ mir zweimal reichlich zur Ader, was mich ein wenig beruhigte, legte mir Senfmehl auf die Füße und Eis auf den Kopf, schrieb eine Verordnung und entfernte sich mit dem Versprechen, am folgenden Morgen wiederzukommen.

Am folgenden Morgen und die folgenden Tage kehrte er in der That mit vieler Gefälligkeit und Pünktlichkeit zurück.

Während fünf bis sechs Tagen blieb ich zwischen Leben und Tod.

Endlich trugen meine Jugend, die Kraft meiner Constitution, mein vortreffliches Temperament den Sieg davon und meine Genesung begann.

In der Zwischenzeit war ein Brief von Jenny angekommen.

Jenny hatte die Ueberfahrt zur See und die Reise zu Lande ohne irgend einen Unfall zurückgelegt: sie hatte ihren Vater und ihre Mutter in einem Augenblicke überrascht, wo die wackeren Leute es am wenigsten erwarteten; sie überließ es mir, die Wonne und das Glück zu ermessen, welche ihre Gegenwart in dem Hause verbreitet hatte.

Alles hatte sie zu erkennen und wie eine Freundin zu begrüßen geschienen: ihre Hühner, ihre Vögel und selbst ihre Blumen.

Sie hatte ihrem Vater die zwölf Pfund Sterling zurückgezahlt, der sie durchaus nicht annehmen wollte und erst dann sich dazu verstand, als er erfahren, daß diese Zurückzahlung uns in keiner Weise in Verlegenheit setzte.

Am folgenden Tage ging sie mit ihrer Mutter nach Nottingham, um unserem Wirthe, dem Kupferschmied, die fünfundzwanzig Pfund Sterling zu überbringen.

Sie schloß ihren Brief, indem sie mir eine angenehme Nachricht für ihre Rückkehr versprach.

Sie machen sich keinen Begriff, mein lieber Petrus, wie wohl mir dieser Brief that. Er war inmitten meines hitzigen Fiebers, welches Alles, was mich umgab, in eine Feuerwüste verwandelt zu haben schien, eine auf die frische Oase der Vergangenheit geöffnete Thür! Er war eine Rückkehr auf einen der Ruhepunkte der Tage meines Glückes! Ich sah dieses reizende kleine Pfarrhaus von Wirksworth mit seiner hohen dreifarbigen Mauer, seinem freundlichen, wie ein lächelnder Mund auf das Feld geöffnetem Fenster, seinem Gürtel von Hagedorn, von Hollunder, von Flieder, seinen hohen, sich wie bewegliche Thürme schaukelnden Pappeln, seinem belebten und lebendigen Hofe, feinem Garten voller Wohlgerüche, Blumen und dem Gesange der Vögel, und an dem Ende dieses Gartens, neben dem Gebüsche, in welchem sich das Nest der Schwarzköpfchen befand, die auf die dunkele Wiese gehende Thür, den längs der Weiden hinführenden Weg, die den Bach beschattenden Weiden wieder; dann die Wiese mit ihren wohlriechenden Heuschobern und ihren Büscheln so frischen, so durchsichtigen, Nieswurzes. daß man hätte glauben können, es seien Blumen von Glas, die zwischen den Fingern zerbrechen würden.

Ich schloß die Augen; ich legte diesen Brief auf meine Stirn und versetzte mich in Gedanken an das Ufer dieses kleinen Baches zu dem Tage zurück, an welchem ich Jenny meine Liebe gestand. . . .

O mein Gott! warum ist denn immer die Vergangenheit die Zeit des Glückes, und die Gegenwart die der Betrübniß? . . .