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Czytaj książkę: «Der Graf von Bragelonne», strona 105

Czcionka:

Die Geberde mit der Drohung verbindend, machte Anna von Oesterreich zwei Schritte gegen die Beguine.

»Lernt die Treue, die Ehre, die Verschwiegenheit Eurer von Euch verlassenen Freunde kennen,« sprach die Bequine und riß plötzlich ihre Larve ab.

»Frau von Chevreuse!« rief die Königin.

»Mit Eurer Majestät die Einzige, die mit dem Geheimniß vertraut ist.«

»Ah!« murmelte Anna von Oesterreich, »kommt und umarmet mich. Herzogin.«

»Ach! es heißt seine Freunde tödten, so mit ihrem schmerzlichsten Kummer spielen.«

Und ihren Kopf aus die Schultern der alten Herzogin stützend, ließ die Königin ihren Augen eine Quelle bitterer Thränen entströmen.

»Wie jung seid Ihr noch!« sagte die Herzogin mit dumpfem Tone, »Ihr weint!«

III.
Zwei Freundinnen

Die Königin schaute Frau von Chevreuse stolz an und sagte:

»Ich glaube, Ihr habt, von mir redend, das Wort stolz ausgesprochen. Bis jetzt, Herzogin, hielt ich es für unmöglich, es könnte sich ein menschliches Geschöpf minder glücklich finden, als die Königin von Frankreich.«

»Madame, Ihr seid in der That eine Schmerzensmutter gewesen, aber neben dem erhabenen Unglück, von dem wir so eben gesprochen, wir durch die Bosheit der Menschen getrennte alte Freundinnen, neben diesem königlichen Mißgeschick habt Ihr, allerdings wenig fühlbare, aber von dieser Welt sehr beneidete Freuden gehabt.«

»Welche?« fragte Anna von Oesterreich bitter. »Wie könnt Ihr das Wort Freude aussprechen, Herzogin, Ihr, die Ihr so eben anerkanntet, es bedürfe der Heilmittel für meinen Leib und meinen Geist?«

Frau von Chevreuse sammelte sich einen Augenblick und murmelte dann:

»Wie fern sind doch die Könige von den andern Menschen!«

»Was wollt Ihr hiermit sagen?«

»Ich will hiermit sagen, sie seien so weit vom großen Haufen entfernt, daß sie für die Anderen alle Nothwendigkeiten des Lebens vergessen, wie der Bewohner des afrikanischen Gebirges, der im Schooße seiner grünen, durch die Schneebäche erfrischten Plateaux nicht begreift, daß der Bewohner der Ebene vor Durst und Hunger inmitten durch die Sonne verbrannter Ländereien stirbt.«

Die Königin erröthete leicht, sie hatte begriffen.

»Wißt Ihr, daß es schlimm ist, daß man Euch hilflos gelassen hat?« sprach sie.

»O! Madame, der König hat, wie man sagt, den Haß geerbt, den sein Vater gegen mich hegte. Der König würde mich wegweisen, wenn er mich im Palais-Royal wüßte.«

»Ich sage nicht, der König sei gut für Euch gestimmt,« erwiederte die Königin; »doch ich, ich konnte . . . insgeheim . . . «

Die Herzogin ließ in ihrem Gesicht ein verächtliches Lächeln hervortreten, das Anna von Oesterreich beunruhigte.

»Uebrigens habt Ihr wohl daran gethan, zu kommen,« fügte sie rasch bei.

»Ich danke, Madame.«

»Und wäre es nur, um uns die Freude zu bereiten das Gerücht von Eurem Tod Lügen zu strafen.«

»Man hat in der That gesagt, ich sei todt?«

»Ueberall.«

»Meine Kinder trugen doch keine Trauer.«

»Oh! Ihr wißt, Herzogin, der Hof reist häufig. Wir sehen sehr wenig die Herrn d’Albert de Luynes, und viele Dinge entgehen uns in der Unruhe, in der wir beständig leben.«

»Eure Majestät hätte nicht an das Gerücht von meinem Tod glauben sollen.«

»Warum nicht? ach! wir sind sterblich, seht Ihr nicht, daß ich, die jüngere Schwester, wie wir einst sagten, mich schon dem Grabe zuneige?«

»Hatte Eure Majestät geglaubt, ich sei todt, so mußte sie sich wundern, daß sie keine Kunde von mir erhalten.«

»Der Tod überrascht zuweilen sehr schnell, Herzogin.«

»Oh! Eure Majestät, die mit Geheimnissen wie das, von dem wir vorhin sprachen, beladenen Seelen haben immer das Bedürfniß des Ergusses, das zuvor befriedigt werden muß. Unter die Zahl der Stationen für die Reise in die Ewigkeit rechnet man die, aus welcher man seine Papiere in Ordnung bringt.«

Die Königin bebte.

»Eure Majestät wird aus eine sichere Weise den Tag meines Todes erfahren,« sagte die Herzogin.

»Wie dies?«

»Eure Majestät wird am andern Tag unter vierfachem Umschlag Alles erhalten, was von unsern so geheimnißvollen kleinen Correspondenzen von einst entkommen ist.«

»Ihr habt das nicht verbrannt!« rief die Königin voll Angst.

»Oh! theure Majestät,« erwiederte die Herzogin, »die Verräther allein verbrennen eine königliche Correspondenz. Ja, allerdings, oder vielmehr sie geben sich den Anschein, als verbrennten sie dieselbe, behalten oder verkaufen sie aber.«

»Mein Gott!«

»Die Getreuen vergraben im Gegentheil dergleichen Schätze sorgfältig, dann suchen sie eines Tags die Königin auf und sagen zu ihr: »»Madame, ich werde alt, ich fühle mich krank; es ist Todesgefahr für mich, Gefahr der Enthüllung für das Geheimniß Eurer Majestät vorhanden; nehmt also dieses gefährliche Papier und verbrennt es selbst.«

»Ein gefährliches Papier! Welches?«

»Ich, was mich betrifft, habe allerdings nur eines, doch es ist sehr gefährlich.«

»Oh! Herzogin, sprecht, sprecht!«

»Es ist das Billet, datirt Dienstag d. 2. August 1844, worin Ihr mich nach Noisy-le-Sec gehen hießet, um das theure unglückliche Kind zu sehen. Es steht dies von Eurer Hand geschrieben: »»An das theure unglückliche Kind.««

In diesem Augenblick trat ein tiefes Stillschweigen ein; die Königin sondirte den Abgrund, Frau von Chevreuse stellte ihre Falle.

»Ja, unglücklich, sehr unglücklich,« murmelte Anna von Oesterreich, »welch ein trauriges Leben hat es geführt, das arme Kind, um zu einem so grausamen Ende zu gelangen!«

»Es ist gestorben!« rief rasch die Herzogin mit einer Neugierde, deren aufrichtigen Ausdruck die Königin gierig auffaßte.

»Gestorben an der Abzehrung, vergessen gestorben, verwelkt gestorben, wie jene Blumen von einem Geliebten geschenkt, die die Geliebte in einer Schublade verscheiden läßt, um sie vor aller Welt zu verbergen.«

»Gestorben!« wiederholte die Herzogin mit einer Miene der Entmuthigung, die die Königin erfreut hätte, dar sie nicht durch eine Beimischung von Zweifel gemäßigt worden . . . »Gestorben in Noisy-le-Sec?«

»Ja, in den Armen seines Erziehers, eines guten, ehrlichen Dieners, der das Kind nicht lange überlebte.«

»Das läßt sich begreifen: es ist so schwer, eine solche Trauer und ein solches Geheimniß zu tragen!«

Die Königin gab sich nicht die Mühe, die Ironie dieser Bemerkung aufzugreifen. Frau von Chevreuse fuhr fort:

»Nun wohl! Madame, ich erkundigte mich vor einigen Jahren in Noisy-le-Sec selbst nach dem Schicksal des so unglücklichen Kindes. Man sagte mir, man halte es nicht für todt; deshalb hatte ich mich nicht sogleich mit Eurer Majestät betrübt. Oh! wenn ich das gewußt hätte, nie würde eine Anspielung aus dieses beklagenswerthe Ereigniß die so gerechten Schmerzen Eurer Majestät wiedererweckt haben.«

»Ihr sagt, man habe das Kind in Noisy nicht für todt angenommen?«

»Nein, Madame.«

»Was sagte man denn?«

»Man sagte . . . ohne Zweifel täuschte man sich.«

»Sprecht es immerhin aus.«

»Man sagte, eines Abends im Jahre 1645 sei eine schöne und majestätische Dame, was man trotz der Larve und des Mantels, die sie verbargen, wahrnahm, eine Dame von Stand, von sehr hohem Stand ohne Zweifel, in einem Wagen an die Verzweigung der Straße gekommen, Ihr wißt dahin, wo ich aus Nachrichten vom jungen Prinzen wartete, als Eure Majestät wich dorthin zu schicken die Gnade hatte.«

»Nun?«

»Der Erzieher habe das Kind zu der Dame geführt.«

»Weiter?«

»Am andern Tag haben Erzieher und Kind die Gegend verlassen.«

»Ihr seht wohl! es ist Wahres hieran, da das Kind wirklich an einem von den Donnerschlägen starb, denen zu Folge, nach der Aussage der Aerzte, das Leben der Kinder bis zum siebenten Jahr an einem Faden hängt.«

»Oh! was Eure Majestät sagt, ist ganz richtig. Niemand weiß dies besser, als Ihr, Madame z Niemand glaubt es mehr, als ich. Doch bewundert die Seltsamkeit . . . «

»Was gibt es noch weiter?« dachte die Königin.

»Die Person, die diese Umstände mitgetheilt, die sich nach der Gesundheit des Kindes erkundigt hatte, diese Person . . . «

»Ihr vertrautet eine solche Sorge Jemand? Oh, Herzogin!«

»Jemand, der stumm wie Eure Majestät, wie ich selbst; nehmt an, ich sei es gewesen; dieser Jemand, sage ich, kam einige Monate nachher in die Touraine . . . «

»In die Touraine?«

»Erkannte den Erzieher und das Kind, verzeiht, glaubte sie zu erkennen. Beide lebten heiter und glücklich, der eine in seinem grauen Alter, das andere in seiner blühenden Jugend. Urtheilt hiernach, wie es mit den Gerüchten ist, die im Umlauf sind; glaubt an irgend Etwas von dem, was in der Welt vorgeht. Doch ich ermüde Eure Majestät. Oh! das ist nicht meine Absicht, und ich werde von ihr Abschied nehmen, nachdem ich sie wiederholt meiner ehrfurchtsvollen Ergebenheit versichert habe.«

»Haltet, Herzogin; sprechen wir ein wenig von Euch.«

»Von mir, oh! Madame, senket Eure Blicke nicht so tief.«

»Warum denn? Seid Ihr nicht meine älteste Freundin? Grollt Ihr mir, Herzogin?«

»Ich! mein Gott, aus welchem Grunde? Wäre ich zu Eurer Majestät gekommen, wenn ich Ursache hätte, ihr zu grollen?«

»Herzogin, das Alter erfaßt uns, wir müssen uns gegen den Tod, der uns droht, anschließen.«

»Sure Majestät beglückt mich mit süßen Worten.«

»Nie hat mich Jemand so geliebt, mir so gedient, wie Ihr, Herzogin.«

»Erinnert sich Eure Majestät dessen?«

»Stets. Herzogin, einen Beweis der Freundschaft.«

»Ah! meine Seele, mein ganzes Wesen gehört Eurer Majestät.«

»Gebt mir den Beweis.«

»Welchen?«

»Verlangt etwas von mir.«

»Verlangen?«

»Ah! ich weiß, daß Ihr die uneigennützigste, die größte, die königlichste Seele seid.«

»Lobt mich nicht zu sehr, Madame erwiederte die Herzogin unruhig.

»Ich werde Euch nie so sehr loben, als Ihr es verdient.«

»Mit dem Alter, mit dem Unglück ändert man sich ungemein, Madame.«

»Gott höre Euch, Herzogin.«

»Wie soll ich dies verstehen?«

»Ja, die Herzogin von einst, die schöne, die stolze, die angebetete Chevreuse hätte mir undankbar geantwortet: »»Ich will nichts von Euch.«« Segnet also das Unglück, wenn es Euch getroffen, da Ihr Euch geändert haben werdet, und mir vielleicht antwortet: »»Ich nehme an.««

Die Herzogin milderte ihren Blick und ihr Lächeln, sie stand unter dem Zauber und hörte aus, zurückhaltend zu sein.

»Sprecht, meine Liebe, was wollt Ihr?« sagte die Königin.

»Ich soll mich also erklären?«

»Ohne zu zögern.«

»Nun wohl! Eure Majestät kann mir eine unbeschreibliche, eine unvergleichliche Freude machen.«

»Sprecht,« sagte die Königin, durch die Besorgniß etwas kalt geworden. »Vor Allem aber, meine gute Chevreuse, erinnert Euch, daß ich unter der Gewalt des Sohnes bin, wie ich einst unter der des Gatten war.«

»Ich werde Euch schonen, theure Königin.«

»Nennt mich Anna, wie einst; es wird dies ein süßes Echo der schönen Jugend sein.«

»Wohl! meine verehrte Gebieterin, meine geliebte Anna . . . «

»Kannst Du noch Spanisch?«

»Gewiß.«

»Verlange also in spanischer Sprache von mir.«

»Erweist mir die Ehre, einige Tage in Dampierre zuzubringen.«

»Das ist Alles?« rief die Königin ganz erstaunt.

»Ja.«

»Nichts, als dieses?«

»Guter Gott! solltet Ihr den Gedanken haben, ich erbitte mir von Euch nicht die unermeßlichste Wohlthat? Wenn dem so ist, so kennt Ihr mich nicht mehr! Willigt Ihr ein?«

»Von ganzem Herzen!«

»Oh! meinen Dank!«

»Und ich werde mich glücklich fühlen, wenn meine Gegenwart Euch zu etwas nützlich ist,« fuhr die Königin mißtrauisch fort.

»Nützlich!« rief die Herzogin lachend, »oh! nein, angenehm, süß, kostbar, ja, tausendmal ja; das ist also versprochen?«

»Beschworen.«

Die Herzogin warf sich aus die so schöne Hand der Königin und bedeckte sie mit Küssen.

»Sie ist im Grund eine gute Frau und großmüthigen Geistes,« dachte die Königin.

»Wird Eure Majestät die Gnade haben, mir vierzehn Tage zu bewilligen?« fragte die Herzogin.

»Gewiß; warum?«

»Weil mir, da man mich in Ungnade wußte, Niemand die hundert tausend Thaler borgen wollte, deren ich bedarf, um Dampierre wiederherstellen zu lassen. Wenn man aber erfährt, daß ich sie brauche, um Eure Majestät zu empfangen, so werden mir alle Gelder von Paris zufließen.«

»Ah!« versetzte die Königin, sanft den Kopf bewegend; »hundert tausend Thaler! Ihr braucht hundert tausend Thaler, um Dampierre wiederherstellen zu lassen?«

»Gerade so viel.«

»Und Niemand will sie Euch borgen?«

»Niemand.«

»Ich werde es thun, Herzogin, wenn Ihr wollt.«

»Oh! ich würde es nicht wagen . . . «

»Ihr hättet Unrecht.«

»Wahrhaftig?«

»Bei meinem königlichen Wort . . . Hundert tausend Thaler, das ist wirklich nicht viel.«

»Nicht wahr?«

»Nein! Oh! ich weiß, daß Ihr Euch Eure Verschwiegenheit nie zu ihrem ganzen Werth habt bezahlen lassen. Herzogin, rückt mir diesen Tisch vor, daß ich Euch die Anweisung auf Herrn Colbert schreibe; nein, auf Herrn Fouquet, der ein viel galanterer Mann ist.«

»Bezahlt er?«

»Wenn er nicht bezahlt, so werde ich bezahlen, doch es wäre das erste Mal, daß er es mir abschlüge.«

Die Königin schrieb, gab die Anweisung der Herzogin und entließ sie, nachdem sie die alte Freundin heiter geküßt hatte.

IV.
Jean la Fontaine macht seine erste Erzählung

Alle diese Intriguen sind erschöpft; so vielfach in seinen Darstellungen konnte sich der menschliche Geist nach Wohlgefallen in den drei Rahmen, die ihm unsere Erzählung geliefert hat, entwickeln.

Es handelt sich vielleicht in dem Tableau, das wir vorbereiten, abermals um Politik und Intriguen, doch die Federn werden so verborgen sein, daß man nur die Blumen und die Malereien sieht, gerade wie in jenen Theatern, wo auf der Scene ein Koloß erscheint, der unterstützt durch die kleinen Beine und die mageren Arme eines Kindes, das in seinem Gerippe verborgen ist, einherschreitet.

Wir kehren nach Saint-Mandé zurück, wo der Oberintendant, seiner Gewohnheit gemäß, seine auserlesene Gesellschaft von Epikurären empfängt.

Der Gebieter ist seit einiger Zeit aus harte Proben gestellt worden. Jeder fühlt die Folgen der Beklemmung des Ministers. Keine große, tolle Gesellschaften mehr. Die Finanzen waren für Fouquet ein Vorwand gewesen; doch nie hat es, wie Gourville so geistreich sagte, einen betrüglicheren Vorwand gegeben: von Finanzen kein Schatten.

Herr Vatel sinnt auf Mittel, um den Ruf des Hauses aufrecht zu erhalten. Die Gärtner, welche ihre Beiträge zu den Küchen liefern, beklagen sich über eine zu Grunde richtende Verzögerung. Die Lieferanten der spanischen Weine schicken häufig Anweisungen, die Niemand bezahlt. Die Fischer, die der Oberintendant in der Normandie besoldet, berechnen, wenn sie bezahlt würden, könnte das Eingehen der betreffenden Summen ihnen gestatten, sich ans Land zurückzuziehen. Die Fluth, welche später den Tod von Vatel veranlassen sollte, kommt gar nicht.

Am gewöhnlichen Empfangstag finden sich indessen die Freunde von Herrn Fouquet zahlreicher, als sonst ein. Gourville und der Abbé Fouquet plaudern von den Finanzen, der Abbé Fouquet entlehnt nämlich einige Pistolen von Gourville. Pelisson, der mit gekreuzten Beinen aus einem Stuhl sitzt, endigt die Declamation einer Rede, mit der Fouquet das Parlament wieder eröffnen soll.

Und diese Rede ist ein Meisterwerk, weil sie Pelisson für seinen Freund macht, das heißt, weil er Alles darein legt, was er sicherlich für sich selbst nicht sagen würde. Ueber die leichten Reime streitend, kommen bald vom Hintergrunde des Gartens Loret und la Fontaine herbei.

Die Maler und die Musiker nehmen ihre Richtung nach dem Speisesaal. Wenn es acht Uhr schlägt, wird man zu Nacht speisen.

Der Oberintendant läßt nie auf sich warten.

Es ist halb acht Uhr; der Appetit kündigt sich ziemlich artig an.

Sobald alle Gäste versammelt sind, geht Gourville gerade aus Pelisson zu, weckt ihn aus seinen-Träumereien aus, und führt ihn mitten in den Salon, dessen Thüren er geschlossen hat.

»Nun,« sagte er, »was gibt es Neues?«

Pelisson hob seinen verständigen, sanften Kopf in die Höhe und erwiederte:

»Ich habe fünf und zwanzig tausend Livres von meiner Tante entlehnt, hier sind sie in Kassenanweisungen.«

»Gut,« sagte Gourville, »es fehlen mir nur noch hundert und fünf und zwanzig tausend Livres für die erste Zahlung.«

»Die Bezahlung, von was?« fragte la Fontaine in dem Ton, in dem er etwa gefragt hätte: »habt Ihr Baru gelesen?«

»Da« ist abermals mein Zerstreuter,« versetzte Gourville. »Wie! Ihr habt uns mitgetheilt, das kleine Gut Corbeil sollte von einem Gläubiger von Herrn Fouquet verkauft werden, Ihr habt uns die Bereinigung aller Freunde Epikurs vorgeschlagen, Ihr habt gesagt, Ihr würdet einen Winkel Eures Gutes in Chateau-Thierry verkaufen, um Euren Beitrag zu liefern, und heute kommt Ihr und fragt: »Die Bezahlung von was?«

Dieser Ausfall wurde mit einem allgemeinen Gelächter ausgenommen und machte la Fontaine erröthen.

»Verzeiht, verzeiht,« sagte er, »es ist wahr, ich hatte es nicht vergessen; oh! nein, nur . . . «

»Nur erinnerst Du Dich dessen nicht mehr,« versetzte Loret.

»Das ist die Wahrheit. Der hat in der That Recht. Zwischen vergessen und sich nicht mehr erinnern ist ein großer Unterschied.«

»Ihr bringt also den Obol, den Preis des verkauften Winkels von Eurem Gute?« fragte Pelisson.

»Verkauft! nein.«

»Ihr habt also das Stückchen Land nicht verkauft?« rief Gourville erstaunt, denn er kannte die Uneigennützigkeit des Dichters.

»Meine Frau wollte nicht,« erwiederte der letztere.

Neues Gelächter.

»Ihr habt Euch aber doch zu diesem Behuf nach Chateau-Thierry begeben?« entgegnete man ihm.

»Gewiß, und zwar zu Pferde.«

»Armer Jean!«

»Acht verschiedene Pferde! ich war gerädert.«

»Vortrefflicher Freund! . . . Und dort habt Ihr ausgeruht?«

»Ausgeruht! Ach! ja wohl. Ich hatte dort viele Geschäfte.«

»Wie so?«

»Meine Frau hatte Coquetterien mit Herrn gemacht, an welchen ich das Gut verkaufen wollte; er nahm sein Wort zurück und ich forderte ihn zum Duell.«

»Sehr gut, und Ihr habt Euch geschlagen?«

»Es scheint, nein.«

»Ihr wißt also nicht« davon?«

»Nein, meine Frau und ihre Eltern mischten sich darein. Ich hatte eine Viertelstunde lang den Degen in der Hand, wurde aber nicht verwundet.«

»Und der Gegner?«

»Der Gegner auch nicht; er war nicht aus den Kampfplatz gekommen.«

»Das ist bewunderungswürdig!« rief man von allen Seiten; »Ihr mußtet zornig werden?«

»Bedeutend; ich bekam den Schnupfen; ich kehrte nach Hause zurück und meine Frau schalt mich aus.«

»Ganz einfach?«

»Ganz einfach! Sie warf mir einen Brodlaib an den Kopf, einen großen Brodlaib!«

»Und Ihr?«

»Ich stürzte ihr den ganzen Tisch auf ihren Leib und auf den ihrer Gäste, dann stieg ich wieder zu Pferde und hier bin ich.«

Niemand wäre im Stande gewesen, seinen Ernst bei Auseinandersetzung dieser komischen Herolde zu behaupten. Als sich der Orkan des Gelächters gelegt hatte, sagte man zu la Fontaine:

»Das ist Alls«, was Ihr zurückgebracht habt?«

»Oh! nein, ich hatte einen vortrefflichen Gedanken.«

»Sprecht.«

»Habt Ihr bemerkt, daß in Frankreich viele scherzhafte Poesien gemacht werden?«

»Ja,« antwortete die Versammlung.

»Und daß man sehr wenige davon druckt?« fuhr la Fontaine fort.

»Die Gesetze sind allerdings hart.«

»Die seltene Waare ist eine theure Waare, dachte ich. Aus diesem Grund componirte ich ein kleines äußerst freies Gedicht.«

»Ho! ho! lieber Dichter!«

»Ungemein munter.«

»Ho! ho!«

»Außerordentlich cynisch.«

»Teufel! Teufel!«

»Ich habe Alles angebracht, was ich an galanten Worten finden konnte,« fuhr der Dichter kalt fort.

Jeder krümmte sich vor Lachen, während der ängstliche Poet das Schild für seine Waare ausstellte.

»Und,« sprach er, »ich bemühte mich, Alles zu übertreffen, was Boccaccio, Aretino und andere Meister in diesem Genre gemacht hatten.«

»Guter Gott!« rief Pelisson, »er wird verurtheilt werden!«

»Ihr glaubt?« fragte la Fontaine naiv; »ich schwöre Euch, daß ich das nicht für mich, sondern einzig und allein für Herrn Fouquet gemacht habe.«

Dieser überraschende Schluß befriedigte die Anwesenden im höchsten Maße.

»Und ich habe das Werkchen um achthundert Livres für die erste Auflage verkauft,« rief la Fontaine sich die Hände reibend. »Die Andachtsbücher kosten um die Hälfte weniger.«

»Es wäre mehr werth gewesen, wenn Ihr zwei Andachtsbücher gemacht hättet,« entgegnete Gourville lachend.

»Das dauert zu lange und ist nicht belustigend genug,« erwiederte la Fontaine ruhig; »meine achthundert Livres sind in diesen Säckchen, ich biete sie an.«

Und er legte in der That seine Opfergabe in die Hände des Säckelmeisters der Epikuräer.

Dann kam die Reihe an Loret, der hundert und fünfzig Livres gab; die Anderen erschöpften sich aus dieselbe Weise. Es waren, als man rechnete, vierzig tausend Livres in der Bügeltasche beisammen.

Nie klangen großmüthigere Pfennige in den göttlichen Wagschalen, worin die Liebe die guten Werke und die guten Absichten gegen die falschen Münzen der bigotten Heuchler abwiegt.

Die Thaler klangen noch, als der Oberintendant in den Saal eintrat oder vielmehr schlüpfte. Er hatte Alles gehört.

Man sah diesen Mann, der in so vielen Millionen gewühlt, diesen Reichen, der alle Freuden und alle Ehren erschöpft hatte, dieses unermeßliche Herz, dieses fruchtbare Gehirn, welches wie zwei gierige Schmelztiegel die moralische und die materielle Substanz des ersten Königreichs der Welt ausgezehrt hatte, man sah Fouquet mit Augen voll Thränen über die Schwelle schreiten, und seine weißen, zarten Finger in das Gold und in das Silber tauchen.

»Armes Almosen,« sprach er mit innigem, bewegtem Ton, »du wirst in der kleinsten von den Falten meiner leeren Börse verschwinden, aber Du hast bis an den Rand das gefüllt, was nie ein Mensch erschöpfen wird, mein Herz; ich danke Euch, meine Freunde, ich danke Euch.«

Und da er nicht Alle umarmen konnte, die ihn umgaben und wohl auch ein wenig weinten, so sehr sie Philosophen waren, so umarmte er la Fontaine und sagte zu ihm:

»Armer Junge, der sich für mich von seiner Frau hat schlagen und von seinem Beichtvater hat verdammen lassen!«

»Das ist nichts,« erwiederte der Dichter, »Eure Gläubiger mögen zwei Jahre warten, und ich habe hundert andere Erzählungen gemacht, die, jede zu zwei Auflagen, die Schuld bezahlen werden.«

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Data wydania na Litres:
10 grudnia 2019
Objętość:
2641 str. 19 ilustracje
Właściciel praw:
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