Tabu Liebe verlässt dich nie

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Z serii: Tabu #4
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Tabu Liebe verlässt dich nie
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Ute Dombrowski

Tabu Liebe verlässt dich nie

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

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Tabu

Liebe verlässt dich nie

Ute Dombrowski

1. Auflage 2017

Copyright © 2017 Ute Dombrowski

Umschlag: Ute Dombrowski

Titelfoto: Lisa Kabel

Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs

Satz: Ute Dombrowski

Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach

Druck: epubli

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Sonne schien am Samstag wie auf Bestellung herrlich. Es wehte eine leichte Brise. Daniel war um acht Uhr zu Thea und Richard gefahren. Die beiden hatten ihn die ganze Fahrt über mit Fragen gelöchert, aber Daniel hatte geschwiegen. Er war gespannt wie ein kleiner Junge auf die Reaktion seiner Eltern, die heute ihren Hochzeitstag hatten.

Thea und Richard waren für ihn das Traumpaar schlechthin. Es hatte nie gravierenden Streit gegeben. Selbst wenn sie einmal nicht einer Meinung waren, hatten sie die Sache mit Anstand ausdiskutiert. Für Thea gab es keinen besseren Mann als Richard, sie hatten das gelebt, was sie auch Daniel mitgegeben hatten: In dieser Familie werden die Frauen geliebt und verwöhnt.

Richard war mit seiner Thea in dreißig Jahren Ehe immer glücklich gewesen. Sie stand hinter ihm und seinen Entscheidungen und in den wichtigen Momenten des Lebens hatte sie ihm den Rücken freigehalten. Im Weingut hatte sie sich direkt mit eingebracht und immer hart gearbeitet.

An ihrem Ehrentag sollten sie nun einmal die sein, die verwöhnt wurden. In der Villa wurden sie von Marie, Katja und Karim mit großer Freude begrüßt und umarmt. Sie setzten sich zu einem Glas Champagner auf die Terrasse.

„Liebe Eltern“, begann Daniel feierlich, „wir gratulieren euch recht herzlich zu eurem Hochzeitstag. Dreißig Jahre Liebe, das ist auch mein Ziel. Ich bin sehr froh, dass ich euer Sohn bin. Heute wollen wir euch einen ganz wunderbaren Tag bereiten.“

Karim setzte fort: „Zuerst fliegen Daniel und ich mit euch nach Fréjus, wo es ein ganz besonderes Geschenk geben wird. Danach geht es weiter nach Nizza. Tante Marie hat Joshua beauftragt, euch mit der Jacht dorthin zu schippern, wo ihr hin möchtet. Ihr könnte an Bord exzellent speisen und euch verwöhnen lassen.“

Marie ergänzte: „Am Abend bringt euch Joshua nach Toulon, wo ich euch abhole. Später kommen wir hier für einen gemütlichen Ausklang zusammen.“

Katja erklärte zum Abschluss: „Wir werden mit euch feiern, bis der Tag vorbei ist und ich fahre euch heim in euer Bettchen. Jetzt wünschen wir euch viel Spaß! Auf euer Wohl!“

Thea hatte Tränen der Rührung in den Augen, als sie sich bedankte. Richard war ganz still geworden, er lächelte versonnen. Sie erhoben ihre Gläser und stießen auf das Wohl von Thea und Richard an.

Danach küsste Daniel Katja und sagte: „Bis nachher, mein Engel. Ich liebe dich sehr und ich hoffe, wir sind mehr als dreißig Jahre glücklich.“

„Auf jeden Fall.“

Sie zog ihn noch einmal zu einem innigen Kuss heran.

Auch Karim schaute ihr zum Abschied tief in die Augen und küsste zärtlich ihre Wange. Er musste daran denken, dass sie auch seine Frau hätte sein können. Katja umarmte ihn.

Dann winkten Thea und Richard fröhlich und stiegen zu Karim und Daniel in den Helikopter. Katja eilte zu Marie und Francoise in die Küche. Es gab viel zu tun.

*

Thea und Richard hielten sich im Helikopter an den Händen, so glücklich waren sie und voller Stolz auf ihre Familie, die ihnen so einen schönen Tag schenken würden. Richard liebte das Meer und hatte schon länger bereut, dass er nicht wenigstens den Bootsführerschein gemacht hatte. Dann hätte er sich ein Boot gekauft und wäre mit Thea um die Welt gefahren. Deshalb war die Bootstour für ihn eine ganz besondere Freude.

Kurz nach dem Abflug hatten Daniel und Karim sich abgeklatscht und über den gelungenen Plan gefreut. Jetzt ratterte der Helikopter dem Chateau in Fréjus entgegen.

Als sie landeten, wurden sie schon von Sharya erwartet. Sie umarmten sich, an der breiten Treppe kam ihnen der Rest der Familie Heise entgegen und gratulierte. Thea und Richard waren sehr gespannt, was für ein besonderes Geschenk hier wohl auf sie warten würde. Nun ging Sharya mit ihnen um das Haus herum und öffnete die Tür zum Weinkeller.

Daniel lief voraus, Karim war am Helikopter geblieben. Thea und Richard hielten sich an den Händen, als sie die Treppe hinabstiegen. Auf einem Tisch mit weißem Tischtuch stand ein Rosenstrauß. Daneben hatte Sharya eine der Flaschen aufgestellt, die extra für heute vorbereitet waren. Diese Flasche zeigte sie nun den beiden und Daniel erklärte, dass sie den Wein schon einmal getrunken hatten.

„Oh ja!“, rief Thea. „Das ist der Wein von unserer Hochzeit. Ach, Schatz, mein lieber Mann, das ist wunderbar.“

Schon wieder liefen ihr Tränen der Rührung über die Wange. Richard nahm seine Frau in den Arm und küsste sie. Sharya öffnete die Flasche und goss allen ein Glas ein. Sie stießen an und freuten sich gemeinsam über dieses Geschenk. Daniel strahlte und war glücklich, dass er so viel Liebe in den Gesichtern seiner Eltern sah.

 

Thea erzählte von der Hochzeit vor dreißig Jahren. Richard betrachtete das Hochzeitsbild auf dem Etikett und schmunzelte.

Er sagte zu Thea: „Du siehst noch genauso toll aus wie damals und ich liebe dich genauso sehr.“

„Ja, mein Schatz, die Liebe hält einen eben jung.“

Jetzt drängte Daniel zur Eile. Er und Richard nahmen je eine Kiste Wein, die dritte fassten Thea und Sharya zusammen an. Karim verstaute den Schatz im Helikopter und sie verabschiedeten sich herzlich von der Familie Heise.

Karim flog an der Küste entlang. Die roten Felsen des Esterel-Gebirges, das sich bei Saint-Raphaël erhob und auf einer Landzunge ins Meer hineinwuchs, waren besonders auffällig und sehenswert. Der höchste Gipfel war über sechshundert Meter hoch. Rechterhand glitzerte das Meer in der Sonne. Zwei Jachten lagen wie Spielzeugschiffe in Küstennähe vor Anker.

Als sie um die Landspitze des Pointe de l’Esquine de l’Ay herum an den Bergen entlang flogen, erfüllte plötzlich ein kratzendes, knatterndes Geräusch den Helikopter. Karim und Daniel sahen sich unsicher an. Karim zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf die Instrumente, aber es schien alles in Ordnung. Daniel hatte ein Gefühl der Angst gepackt. Er fror trotz der Wärme und bemerkte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Karim blickte immer wieder unruhig auf die Instrumente und spürte, wie schwerfällig die Maschine wurde.

Plötzlich wurde der Helikopter heftig zur Seite gerissen. Karim versuchte mit aller Kraft, die unkon­trollierte Bewegung abzufangen, aber es gelang ihm nicht. Mit Entsetzen sah er, wie einer der Rotorflügel an ihnen vorbei in die Tiefe stürzte. In dem Moment wusste er, dass sie sterben würden.

„Nein, bitte nicht“, flehte er leise.

Thea schrie und alle versuchten sich irgendwo festzuklammern.

Mit einer wilden Drehung driftete der Helikopter in Sekundenschnelle nach links ab und schlug mit voller Wucht ins Felsmassiv ein. Er explodierte sofort und wurde in einem Meer aus Flammen in Stücke gerissen. Unendlich viele brennende Teile stürzten wie ein Feuerregen in die Tiefe.

Dann herrschte undurchdringliche Stille.

*

Die Personen auf den beiden aneinander befestigten Jachten hatten dem Helikopter zugeschaut. Eine Frau hatte gewunken. Ihr Mann hatte ihr einen Vogel gezeigt und gesagt, dass die Leute dort oben sie sowieso nicht sehen würden. Was sie danach beobachtet hatten, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.

Der Helikopter hatte einen heftigen Schlenker gemacht. Kurz danach war einer der Rotorflügel einfach abgerissen und weggeflogen.

Die Menschen auf den beiden Booten hatten vor Angst und Entsetzen zu schreien begonnen. Einen Moment später krachte der Helikopter in die Felsen und explodierte. Die Frauen weinten, nur einer der Männer blieb ruhig und ging direkt ans Funkgerät.

Er informierte die Polizei über den Absturz und löste damit eine große Aktion aus. Drei Rettungshubschrauber kreisten über der Absturzstelle, Retter seilten sich ab und versuchten, an der Unglückstelle noch ein Fünkchen Leben zu finden.

Vergebens.

Brennende oder verkohlte Wrackteile lagen über eine riesige Fläche zwischen den Bergen verteilt. Von den Menschen im Helikopter war nur Asche geblieben. Mühevoll suchte man nach Spuren, aber das Feuer hatte alles, was nicht bei der Explosion zerrissen worden war, vernichtet. Die Polizei kam mit einem kleineren Schiff zu den beiden Jachten und befragte die Menschen an Bord. Die Frauen waren erschüttert und konnten kaum reden, der Kapitän der „L’amour de ma vie“ aber schilderte ausführlich und relativ gefasst, was er gesehen hatte.

Überall, an Land, auf dem Wasser und in der Luft kommunizierten die Polizisten und Rettungskräfte per Funk miteinander. Sie fanden heraus, wem der Helikopter gehörte, wer an diesem Tag damit geflogen war und dass sie von Sanary-sur-Mer aus aufgebrochen waren nach Nizza, mit einem Zwischenstopp in Fréjus. Sie fanden heraus, dass sich an Bord des Helikopters vier Personen befunden hatten: Karim al Garegh, der Pilot, außerdem Daniel Hardeg, Thea Hardeg und Richard Hardeg.

Zwei Polizisten machten sich auf den Weg nach Sanary-sur-Mer, um die Hinterbliebenen von dem traurigen Ereignis in Kenntnis zu setzen, gleichzeitig mit ihrem Fahrzeug kam ein Notarzt mit einem Rettungswagen in der Villa an.

*

Katja und Marie hatten sich in der Küche an die Arbeit gemacht. Francoise war noch einmal losgefahren, um die restlichen Lebensmittel abzuholen, die Marie bestellt hatte.

Katja hatte einen Hefeteig mit Oliven und Tomaten geknetet, um daraus ein Brot zu machen. Plötzlich beschlich sie ein ungutes Gefühl der Unruhe. Sie konnte nicht genau sagen, woher es kam, aber es breitete sich unaufhörlich in ihr aus. Es war, als würde irgendwo etwas passieren, was nicht richtig war.

Sie schüttelte sich und schob den Gedanken weg.

Am Mittag schaute Katja auf die Uhr über dem Küchenschrank. Eigentlich hätten Karim und Daniel längst zurück sein müssen. Die Unruhe trieb sie vor die Tür. Sie horchte in die Luft. Nirgends war das Geräusch des Helikopters zu hören. Eine unbe­stimmte Angst griff mit einer kalten Hand nach ihrem Herzen.

Katja dachte: Hoffentlich ist ihnen nichts passiert.

Sie ging wieder ins Haus und fragte Marie, was sie davon hielt.

Marie überlegte und sagte: „Wer weiß? Vielleicht sind sie noch woanders hingeflogen. Du kennst doch Karim: Fliegen ist sein Leben. Die beiden Männer haben sicher noch etwas Schönes entdeckt. Sie wissen ja, dass sie heute Abend wieder hier sein müssen, sonst gibt es Ärger.“

Katja atmete tief ein und aus und hoffte, ruhiger zu werden. Nun war sie gerade einmal ein paar Stunden von Daniel getrennt und machte sich schon Sorgen. Sie war froh, dass sie ihn auf den beiden Reisen begleiten würde. Wer weiß, wie schlecht es ihr sonst in der Zeit gehen würde ohne Daniel.

Am Nachmittag hörten Marie und Katja ein Auto in die Einfahrt kommen. Francoise war schon heimgegangen, alles war fertig, aber sie erwarteten keinen Besuch. Katja und Marie schauten sich an und zuckten mit den Schultern. Marie stand von der Sonnenliege auf und ging vor das Haus, um nachzuschauen, wer da angekommen war. Als sie das Fahrzeug der Polizei sah und gleich danach der Rettungswagen ankam, musste sie sich am Zaun festhalten. Sie dachte: Oh mein Gott, bitte lass nichts Schlimmes passiert sein.

Die Gesichter der beiden Polizisten, die nun auf sie zukamen, beruhigten sie ganz und gar nicht. Entsetzen breitete sich in ihr aus und sie fror trotz der Hitze.

Katja war neugierig geworden, als Marie nicht zurückkam und lief ihr hinterher in die Einfahrt. Da sah sie die Polizisten, einen Mann und eine Frau, und den Arzt, die mit Marie redeten. Sie war in sich zusammengesunken und drehte sich zu Katja um, als sie Schritte gehört hatte. Das, was Katja in ihren Augen sah, ließ sie zusammenzucken. Tränen waren in Maries Augen getreten. Sie kam auf Katja zu und nahm sie in den Arm.

„Nein“, flüsterte Katja. „Nein. Nein, bitte sag nicht, dass etwas passiert ist.“

Marie konnte nicht sprechen. Sie schob Katja vor sich her ins Wohnzimmer auf die Couch. Dann sank sie selbst im Sessel zusammen. Katja saß kreidebleich und kerzengerade dort und schaute die Polizisten an. Die Frau setzte sich zu Katja.

Sie erklärte in vollendetem Deutsch: „Es tut mir so unendlich leid, Frau Hardeg. Der Helikopter ist heute Vormittag nach einem technischen Defekt, so sieht es im Moment aus, im Esterel-Gebirge zwischen Saint-Raphaël und Cannes abgestürzt. Ihr Mann und die anderen drei Personen waren sofort tot. Es tut mir so leid.“

Katja war aufgestanden und ans Fenster getreten. Sie starrte hinaus, ohne etwas zu sehen.

Nach einer unendlichen Minute sagte sie: „Nein, Sie müssen sich irren. Mein Mann ist mit seinen Eltern und unserem besten Freund unterwegs hierher. Wir feiern gleich zusammen. Sie irren sich. Bestimmt irren Sie sich. Karim ist ein guter Pilot. Er würde niemals abstürzen. Nein … nein … nein … nein … nein …“

Sie stand kopfschüttelnd am Fenster und sagte immer wieder dieses eine Wort. Nach unendlich langer Zeit drehte sie sich um, schaute in die tränengefüllten Augen von Marie und in diesem Moment traf die Erkenntnis, dass alle tot waren, sie mit einem groben, harten Schlag.

Katja sackte zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Notarzt trat eilig zu ihr. Marie weinte unaufhörlich. Sie konnte sich nicht bewegen und auch nicht sprechen, der Schmerz hatte sie stumm gemacht.

Die Sanitäter hoben Katja auf die Trage und brachten sie vorsorglich in die Klinik nach Toulon. Marie wurde am Arm hinausgeführt und ebenfalls zur Kontrolle dorthin mitgenommen. Als sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, wollten die Polizisten, die im Krankenhaus bei ihnen geblieben waren, besprechen, was nun alles zu erledigen war und was auf sie zukam.

Marie bat sie, dieses Gespräch noch zu verschieben.

„Ich muss nach Katja sehen. Ihr Zustand macht mir große Sorgen.“

Die nette Polizistin nickte. Sie sprach so gut Deutsch, weil sie vor Jahren hier ihre Liebe gefunden und geheiratet hatte. Sie war erschüttert, denn der Gedanke daran, dass sie ihren Mann verlieren könnte, war auch für sie schwer zu ertragen. Sie griff in ihre Tasche und reichte Marie ihre Karte.

„Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie bereit sind. Dann helfen wir Ihnen“, sagte sie mitfühlend.

*

Katja war in der Nacht zu sich gekommen und schaute sich um. Sie lag in einem Bett in einem kleinen Zimmer mit hübschen, fröhlichen Bildern an den Wänden. Draußen war es dunkel, über dem Nachttisch brannte ein kleines Nachtlicht. Neben ihrem Bett saß Marie zusammengesunken auf einem Stuhl und strich ihr sanft übers Haar, als sie bemerkte, dass Katja wach war.

Katja dachte nach, warum sie hier war.

Da kam die Erinnerung mit aller Macht zurück. Sie begann zu weinen. Marie setzte sich zu ihr auf das Bett und hielt sie im Arm. Ihre rechte Hand klingelte nach der Ärztin. Katja zitterte am ganzen Körper. Die Tränen, die am Nachmittag noch nicht herauswollten, bahnten sich nun ihren Weg.

Sie sagte tonlos: „Marie, sag mir, dass alles nur ein böser Traum ist.“

„Ich wünschte, es wäre so … aber wir müssen es irgendwie begreifen. Daniel, Karim … Thea, Richard … sie sind …“

Sie konnte nicht weitersprechen, es zerriss ihr das Herz.

Die Ärztin kam und setzte sich ans Bett. Sie fühlte den Puls von Katja, leuchtete ihr in die Augen und strich ihr liebevoll über den Arm.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte sie vorsichtig.

Katja schaute sie an. Ihr Blick war eindeutig, es bedurfte keiner Worte, um zu sagen, wie es ihr ging. Trauer, Entsetzen, Machtlosigkeit standen ihr ins Gesicht geschrieben. Die Tränen liefen unaufhörlich über ihre Wangen. Die Ärztin nickte Marie zu und verließ das Zimmer wieder.

Katja war ins Kissen zurückgesunken. Marie hielt ihre Hand fest.

„Wie konnte das passieren?“

Marie erzählte: „Es war wohl ein technischer Defekt. Alles ging so schnell. Es gab für niemanden eine Chance. Karim war immer so vorsichtig. Oh mein Gott … es muss jetzt so viel überlegt und erledigt werden. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen und wo ich anfangen soll.“

Ihr ratloser Blick beruhigte Katja nun noch weniger, aber sie hatte gegen Morgen einen klaren Moment. Ihr war nur einer eingefallen, der ihr jetzt helfen würde.

Sie rüttelte an Maries Hand. Die kam zu sich, reckte ihren schmerzenden Rücken und schaute Katja fragend an.

„Schatz, was ist los? Brauchst du irgendetwas?“, fragte sie voller Sorge.

„Nein, Marie. Aber rufe doch bitte Dr. Froehdes an. Er soll sofort kommen und alles in die Wege leiten. Wir beide schaffen das auf keinen Fall alleine. Ich … kann … nicht … denken ohne Daniel.“

Wieder brach sie in Tränen aus.

Wie würde sie je wieder einen klaren Gedanken fassen können ohne Daniel? Eine eiskalte Klammer legte sich um ihr Herz. Mit den vier Menschen war auch etwas in ihr gestorben. Sie würde nie wieder glücklich sein. Nie wieder. Dann verlor sie das Bewusstsein und mit ihrer Wahrnehmung versank ihr Schmerz ins Nirgendwo.

 

Die Ärztin war ins Zimmer geeilt, nachdem Marie geklingelt hatte.

„Der Schock sitzt tief und reißt Frau Hardeg immer wieder aus dem Bewusstsein“, erklärte sie der aufgeregten Marie. „So versucht ihr Körper, die Seele vor dem Schmerz zu schützen. Wir müssen viel Geduld haben. Es ist wichtig, dass Sie sich jetzt um die an­stehenden Angelegenheiten kümmern. Frau Hardeg wird dazu nicht in der Lage sein. Haben Sie jemanden, der Ihnen dabei hilft?“

„Ja, ich werde jetzt unseren Familienanwalt in Deutschland anrufen, der muss herkommen. Ich weiß nicht, was zu tun ist und wo mir der Kopf steht. Die Sorge um Katja macht es nicht einfacher. Wir haben jetzt nur noch uns.“

Sie weinte wieder und die Ärztin sagte: „Wir tun hier unser Bestes für Frau Hardeg. Haben Sie Vertrauen. Das Organisieren wird Ihnen helfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Wenn Sie Hilfe benötigen, treten Sie an mich heran. Kommen Sie mit, Sie können in meinem Büro telefonieren. Eine Schwester wird hierbleiben, falls Frau Hardeg zu sich kommt.“

Sie rief Schwester Amelie und begleitete Marie zum Büro. Dort setzte sie sich in den Sessel am Schreibtisch und wählte die Nummer des Anwalts, die Katja seit dem Vorfall mit Eva immer bei sich trug. Unter Tränen schilderte sie alles noch einmal.

Der Anwalt war geschockt, aber er versprach, mit dem ersten passenden Flug zu kommen. In der Zwischenzeit würde er auch Bea und Cora informieren.