Ärger in Nastätten

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Ärger in Nastätten
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Ute Dombrowski

Ärger in Nastätten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

Ärger

in Nastätten

Der dritte Fall

Ute Dombrowski

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden.

Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Den neuen Kindergarten am Waldrand gibt es nicht.

1. Auflage 2019

Copyright © 2019 Ute Dombrowski

Umschlag: Ute Dombrowski mit www.canva.com

Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs

Satz: Ute Dombrowski

Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach

Druck: epubli

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

„Frau Müschler, da hinten liegt eine!“, rief Mira und ihre Wangen waren vom Rennen gerötet.

„Aber Mira, wer soll denn da liegen? Hast du auch richtig hingesehen?“

Mira stemmte empört die kleinen Fäuste in die Seite und nickte mit ihrer ganzen Energie.

„Eine Frau. Mit einem weißen T-Shirt. Komm!“

Die Fantasie der Kinder ging manchmal sonderbare Wege, wenn sie ein Rollenspiel begannen. Hanna, die seit einem Jahr im neuen Alternativ-Kindergarten am Waldrand zwischen Funkenmühle und Bundesstraße arbeitete, zog sich die Strickjacke fest um die Schultern und folgte Mira in das Spielgebüsch. Ein Vater hatte es innen beschnitten und somit eine wundervolle Höhle geschaffen, die für die Kinder eine besondere Welt offenbarte. Hier spielten sie Urzeit oder Überleben in der Wildnis, oder sie saßen einfach nur da und erzählen sich Gruselgeschichten.

Hanna bückte sich und stand im nächsten Augenblick vor zwei nackten, schmutzigen Füßen. Die Frau lag auf dem Rücken. Die langen Beine steckten in einer schmalen Jeans und das weiße T-Shirt, das knapp über dem Hosenbund endete, war ebenfalls schmutzig. Die langen blonden Haare lagen wie Sonnenstrahlen um den Kopf herum.

Hanna war sofort klar, dass die junge Frau tot war, aber sie behielt wie immer, wenn es um das Wohl der Kinder ging, die Nerven.

„Pssssst, Mira, komm wieder mit raus. Die Frau schläft noch und sie war sicher sehr müde, sonst hätte sie es noch in ihr Bett geschafft. Sei ganz leise. Kannst du gut schleichen?“

Mira nickte und folgte Hanna auf leisen Sohlen. Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen, als Paul und Jason angerannt kamen, um zu erkunden, was es zu sehen gab.

„Seid ganz leise, hier schläft jemand.“

Zu Hannas großer Erleichterung ließen sich die Kinder ohne große Fragen ins Haus schicken. Als alle bei Doreen im Gemeinschaftsraum angekommen waren, eilte sie ins Büro und rief die Polizei. Die ordnete an, dass die Kinder abgeholt werden mussten, aber die Polizistin am Telefon versprach, dass Streifenwagen und Notarzt ohne großes Getöse auftauchen würden.

Die Polizistin am Telefon war Jennifer Fonnach, sie schaute gerade entsetzt zu Reiner Nickich, der mit düsterem Blick in seiner Kaffeetasse rührte.

„Was ist denn passiert? Du guckst so merkwürdig“, brummte er.

„Tja, die Woche endet leider mit einer Leiche im Kindergarten.“

„Oh nein, so ein Mist. Also dann, auf!“

Als Reiner und Jennifer die Straße betraten, schlug ihnen die Hitze wie mit geballter Faust ins Gesicht. Reiner stöhnte, setzte sich ins Auto, öffnete alle Fenster und raste los. Gleichzeitig mit ihnen kamen die Kollegen von der Gerichtsmedizin an und kurze Zeit später bremste auch das Auto der Spurensicherung. Reiner begrüßte Dr. Lothar Jonn und Rudolf Gronker mit Handschlag, Jennifer nickte ihnen zu und ging ins Haus, um die Erzieherin zu holen.

Hanna Müschler hatte Tränen in den Augen, als sie die Kommissarin zum Opfer begleitete.

„Das ist die Erzieherin von Mira, die die Leiche entdeckt hat. Die Kinder sind bereits abgeholt worden.“

Reiner fragte: „Wie alt ist Mira?“

„Fünf.“

„Dann können wir sie nur mit den Eltern befragen.“

„Vielleicht können Sie lieber mich befragen?“

„Und wenn das Kind etwas Wichtiges gesehen hat?“

„Was denn?“

„Zum Beispiel jemanden, der in der Nähe war.“

Die beiden wurden von Dr. Jonn unterbrochen.

„Reiner, komm mal.“

Der Kommissar überließ die Erzieherin Jennifer und folgte dem Arzt in das Gebüsch.

„Also“, begann der, „sie ist, wie es aussieht, in der Nacht gestorben. Mehr nach der Obduktion. Aber, und da stimmt mir auch Rudolf zu, sie ist nicht hier gestorben.“

Rudolf ergänzte, während er mit einer Lupe einen abgeknickten Zweig untersuchte: „Es gibt unendlich viele Fußabdrücke, meist von Kindern. Aber da sind auch Schleifspuren. Das erklärt vielleicht die schmutzigen Füße. Jemand hat sie hier abgelegt. Der Doc wird sicher feststellen, dass sie schon tot war.“

„Ah ja, machst du jetzt schon meinen Job?“

Reiner zwinkerte.

„Was ist denn mit euch los? Zickenkrieg?“

„Nein, zu viel Hitze. Macht euch das nicht auch fertig?“, fragte Rudolf und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

„Doch, schon, da musst du dir eben ein paar kühle Gedanken gönnen.“

„Reiner, Reiner, seit du eine Frau hast, wirst du immer komischer. Wie geht es denn Undine?“

Reiner lächelte.

„Es geht ihr gut und sie wird heute Abend aus dem Krankenhaus entlassen.“

„Das ist schön für dich. Du wirst ja als der große Retter gefeiert. Aber sag mal, wird das nette, kleine Nastätten jetzt zu einer Mördergrube? Erst der Tote am Bucher Pfädchen, dann diese Drohbriefe, die Entführung und jetzt schon wieder ein Mord?“

Lothar lachte.

„Woher weißt du denn, dass es Mord war?“

„Aber hallo, wer legt schon ein Unfallopfer in den Busch eines Kindergartens?“

 

„Du hast ja recht, es sieht sehr nach Mord aus. Ihr Genick ist gebrochen. Packt sie ein!“

Dr. Jonn ließ die Leiche der jungen Frau in die Gerichtsmedizin bringen und Rudolf ging weiter seiner Arbeit nach. Reiner und Jennifer traten wieder zu Hanna und baten sie um Informationen. Die Erzieherin berichtete, was vorgefallen war. Sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.

„Als ob es nicht schon schlimm genug ist, dass die junge Frau tot ist, da legt ihr Mörder sie auch noch in einen Kindergarten. Das ist abartig.“

Jennifer reichte ihr ein Taschentuch.

„Ich finde es auch sehr ungewöhnlich. Bitte rufen Sie uns an, wenn Ihnen noch etwas einfällt oder wenn die Kinder noch etwas erzählen.“

2

Reiner sprang aufgeregt aus dem Auto und lief ins Krankenhaus. Er hatte versucht, pünktlich Feierabend zu machen, war aber trotzdem spät dran. Undine wartete schon auf ihn, denn er hatte versprochen, sie am Tag ihrer Entlassung abzuholen. Die Rosen sahen noch aus wie neu und so war Undine gerade dabei, sie in eine Zeitung zu rollen.

„Da bist du ja endlich. Ich warte schon eine halbe Stunde.“

„Danke, ich freue mich auch dich zu sehen.“

Der Kommissar grinste und küsste Undine auf die Wange.

„Geht es dir gut?“

„Ja, es ist alles in Ordnung. Die Ärzte sagen, dass ich Glück hatte, weil mich mein Held vor den Flammen bewahrt hat.“

„Ich hätte es nicht überlebt, wenn dir etwas zugestoßen wäre.“

„Heißt das jetzt, dass alles wieder passt zwischen uns?“

„Hm, ich denke schon. Aber …“

„… ich soll mich in Zukunft aus deinen Ermittlungen raushalten.“

Reiner schlang die Arme um Undine, küsste sie sanft und sah sie streng an.

„Das ist mein voller Ernst. Du siehst ja, wohin das führen kann. ICH bin die Polizei, vergiss das nicht immer wieder.“

„Jawohl, Herr Kommissar, ich habe es kapiert. In Zukunft werde ich für dich kochen, deine Socken stopfen, dich verwöhnen, dir zuhören und nichts fragen, was mich nichts angeht.“

„Das mit den Socken kannst du lassen, aber der Rest …“

Undine knuffte ihn in die Seite, drückte ihm ihre Tasche in die Hand, nahm die Rosen und schob ihn aus der Tür. Im Sponheimer Hof angekommen warteten Jasmin, Karla, Jennifer, Lene und Herbert auf die Freundin. Sie hatten sich in einem Halbkreis aufgestellt und klatschten in die Hände, als Undine vor ihnen stand. Herbert hatte einen Blumenstrauß in der Hand und hielt ihn ihr jetzt mit gestrecktem Arm entgegen. Er lächelte schüchtern, als Undine ihn umarmte.

Die Frauen waren munterer und hießen die Hobbydetektivin herzlich willkommen. Undine setzte sich an den gedeckten Tisch und seufzte.

„Ich war zwar nur kurz weg, aber ihr habt mir gefehlt. Danke für den netten Empfang. Ich nehme gerne eine Tasse Kaffee, das Gebräu im Krankenhaus konnte man nicht trinken.“

Sie tranken Kaffee, aßen selbstgebackenen Hefezopf und redeten über das aufregende Ereignis, das die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte.

„Dein alter Freund aus Kindertagen … das kann man kaum glauben“, murmelte Jasmin und hatte eine Träne im Augenwinkel.

Jennifer nickte: „Und ich dachte, er ist ein richtig guter Mann. Beinahe hätte ich mich in ihn verliebt. Nie wieder Männer!“

Sie hob die Tasse und wartete, dass die anderen mit ihr anstießen, aber außer Karla wollte keine der Frauen mitmachen. Reiner und Herbert schüttelten nur den Kopf.

„Weiber“, flüsterte der Kommissar dem Feuerwehrmann zu.

„Das habe ich gehört“, sagte Undine streng. „Du kannst froh sein, dass du in meinem Leben einen Platz bekommen hast. Vor ein paar Monaten hätte ich noch energisch mit Jennifer angestoßen. Aber jetzt mal was anderes. Was gibt es Neues? Was habe ich verpasst?“

Alle Augen richteten sich auf Reiner, der zuckte mit den Schultern. Er sah Jennifer böse an, als sie etwas sagen wollte, woraufhin die Kommissarin schwieg. Es hatte jedoch keinen Sinn, denn jetzt meldete sich Lene zu Wort.

„Stimmt es, dass es eine Leiche gibt?“

„Woher weißt du das denn schon wieder? Die haben wir doch erst heute früh gefunden!“

„Lieber Herr Kommissar“, begann die Schriftstellerin lachend. „In Nastätten weiß jeder immer alles. Das solltest du nun langsam begriffen haben.“

„Aber …“

„… wir halten uns raus!“, riefen die Frauen und Herbert im Chor.

„Genau das wollte ich sagen. Wenn hier ein Mörder unterwegs ist, ist es …“

„…deine Aufgabe ihn zu finden.“

Jetzt musste auch Reiner lachen, denn die Menschen um ihn herum wussten anscheinend ganz genau, was er sagen wollte.

„Dann sind wir uns ja einig. Prost!“

Er hob die Tasse und trank sie in einem Zug leer.

„Wer ist denn die Tote?“, fragte Karla. „Kennen wir sie?“

Reiner kniff die Augen zusammen und niemand wagte es zu antworten. Geschickt lenkte Jennifer von Thema ab.

„Ich habe noch eine Neuigkeit.“

Alle Blicke gingen in Jennifers Richtung. Die Kommissarin sah Karla an und als sie deren Nicken sah, holte sie tief Luft.

„Also … ihr wisst ja, dass ich in einer winzigen Bude hause, die alles andere als gemütlich ist. Als Karla mich mal besucht hat, ist ihr eine fabelhafte Idee gekommen. Sie hat in ihrem großen Haus eine Gästewohnung und die ist jetzt fertig renoviert. Ich werde dort einziehen.“

Einen Moment herrschte undurchdringliche Stille, dann brachen alle in Jubel aus, drückten die beiden Frauen und freuten sich ehrlich über diese Entwicklung. Karla wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„So fühle ich mich in dem großen Haus nicht mehr so verloren und wenn uns mal langweilig ist, setzen wir uns zusammen. Außerdem bekomme ich ein bisschen Geld als Miete und zusätzlich kommt auch Jennifer aus ihrem Loch heraus.“

„Wann ist der Umzug und wo soll ich anpacken?“, fragte Reiner.

Die anderen versprachen ebenfalls zu helfen und so wurde der Umzugstermin auf das kommende Wochenende gelegt. Jennifer beruhigte die Freunde.

„Viel Kram habe ich nicht und ihr könnt froh sein: Ich habe kein Klavier.“

„Aber die Treppen kannst du nicht schönreden.“

„Naja, das fällt bei Karla aber weg. Also dann danke ich euch schon mal für die Unterstützung und fahre jetzt heim. Ich muss anfangen zu packen. Bis morgen, Chef.“

Sie umarmte die Freundinnen, winkte Reiner und Herbert zu und verließ fröhlich pfeifend Undines Hof.

Diese lehnte sich zufrieden zurück.

„Das ist ja mal eine frohe Botschaft. Wenn du deinen Fall dann mal schnell löst, können wir einem schönen Herbst entgegensehen.“

Jetzt verabschiedeten sich auch Karla, Lene und Herbert. Jasmin ging in ihre Wohnung, Undine und Reiner räumten den Tisch ab. Schweigend setzten sie sich in die Küche und Undine sah dem Kommissar in die Augen.

„Wie geht es denn mit uns weiter?“

„Was meinst du?“, fragte Reiner mit einem Stirnrunzeln.

„Sind wir Freunde oder ein Paar? Müssen wir telefonieren und uns verabreden, um uns zu treffen oder überraschst du mich spontan? Gehen wir jetzt ständig fein essen und schenkst du mir freitags Blumen? Töpferst du mit mir?“

„Also du bist mir schon eine“, entgegnete er lachend. „Gerne lade ich dich mal zum Essen ein, aber ständiges Ausgehen kann ich mir nicht leisten, außerdem bin ich schon alt und muss am Feierabend ruhen. Ich würde gerne dein Freund, aber auch dein Partner sein. Wenn du Überraschungen magst, dann sollst du sie bekommen, aber ich würde auch einfach so hier auftauchen, wenn ich dich sehen möchte. Und wenn du mir jetzt noch erklärst, warum ich dir ausgerechnet freitags Blumen schenken soll, dann ist auch das geklärt.“

„Freitags stimmen wir uns auf das Wochenende ein und ein schöner Mann mit einem Blumenstrauß hebt die allgemeine Vorfreude sehr.“

„Da werde ich aber arm, es sei denn, ich klaue ab und zu mal eine Rose in deinem Garten.“

„Wenn Jasmin dich erwischt, holt sie die Polizei.“

„Liebe Undine, du vergisst, dass …“

„… du die Polizei bist. Wie könnte ich das vergessen.“

Undine rutschte neben ihn auf die Bank, lehnte sich in den Arm, den er jetzt um sie legte und grinste.

„Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt ein Häufchen Asche. Danke, dass du zur richtigen Zeit am rechten Ort warst.“

Statt einer Antwort küsste Reiner sie zärtlich und machte sich danach auf den Heimweg.

3

Am nächsten Morgen saß Bea Klümpert mit Silke Rösbert vor der Apotheke, wo sie sich zufällig getroffen hatten, auf der Bank. Der Mord an der jungen Frau war in aller Munde.

„Es soll Natalie sein“, flüsterte Bea.

„Welche Natalie?“

„Das Au-pair-Mädchen von den Krambachs.“

„Nein!“

„Doch. Ich habe sie auch schon eine Weile nicht gesehen.“

„Hast du mit den Krambachs gesprochen?“

„Nein, was denkst du denn? Die sind sicher durch den Wind. Das war doch erst gestern.“

„Und ich dachte immer, Nastätten ist friedlich und nicht gefährlich.“

Ein weißer Transporter bremste und fuhr schwungvoll und schräg in die Parklücke. Eine Frau mit Kinderwagen, die nicht mehr vorbei konnte, begann zu schimpfen. Jetzt öffnete sich die Tür und Günther Betzberger sprang heraus. Er hatte einen Arm in der Schlinge und war schlecht gelaunt.

Die Frau mit Kinderwagen fauchte ihn an, aber Günther blieb unbeeindruckt.

„Fahr wo anners lang!“

„Na hören Sie mal!“

Bea und Silke wurden Zeugen einer heftigen verbalen Schlacht, nach der die Frau kopfschüttelnd den Kinderwagen um das Fahrzeug herumschob, immer der Gefahr des laufenden Verkehrs ausgesetzt. Wie zur Bekräftigung hupte es laut.

„Der Günther, tz, tz …“

Bea und Silke kannten den Künstler nicht anders. Er pochte stets auf das Recht, aber nur so, wie es ihm in den Kram passte. Der große Mann war in der Apotheke verschwunden. Als er wieder herauskam, entdeckte er die beiden Frauen.

„Na, da habt ihr ja gleich wieder was zum Tratschen. Moin Bea, Silke.“

„Günther“, sagte Silke freundlich, „was hast du denn mit deinem Arm gemacht?“

„Ich habe mir die Schulter ausgerenkt. Bin von der Leiter gefallen. Die hat sicher jemand manipuliert.“

„Wer sollte denn so etwas tun?“

„Dieselben Typen, die immer rummeckern. Meinen lieben Nachbarn passt es nicht, wenn ich arbeite. Aber das ist mir egal. Und wenn sie noch so viele Anschläge planen, mich kriegen die nicht klein. Aber jetzt mal raus mit der Sprache, warum hockt ihr hier herum und tratscht?“

„Hast du noch nichts von dem Mord gehört?“

„Nein, was denn für ein Mord?“

Bea erklärte: „Ich kann es nicht beschwören, aber jemand hat das französische Au-pair-Mädel von den Krambachs umgebracht.“

„Welche Krambachs?“

„Die mit den Drillingen - drei Jungs, du meine Güte, und dann alle auf einmal. Also wenn du mich fragst, das war keiner von hier?“

„Was? Wer soll der Frau denn sonst die Kinder gemacht haben?“

„Ach Günther, das meine ich doch gar nicht. Der Lutz ist natürlich der Vater von den Kindern, ich meine doch den Mörder. Der ist nicht von hier.“

„Sag sowas nicht. Der letzte Mörder war auch von hier. Schade um den Henner. War ein guter Mann.“

„Wie bitte?“, fuhr Silke Günther jetzt an. „Du spinnst wohl, von wegen guter Mann. Er hat seine Frau und die Kinder misshandelt, alles schön hinter der sauberen Fassade. Und dann hat er einen Menschen getötet.“

„Papperlapapp! Die haben das selbst herausgefordert. Das Mädel, das jetzt tot ist, hat bestimmt einen kurzen Rock angehabt und die Kerle um den Verstand gebracht. Eine Französin … das sagt doch alles.“

Bea und Silke waren wütend, aber als Silke weiterschimpfen wollte, legte ihr Bea eine Hand auf den Arm.

„Lass, das hat keinen Sinn, den Sturkopf bekehrst du nicht mehr. Geh mal was schaffe, Günther. Wir müssen jetzt auch los.“

„Schaffe, schaffe! Mit der Schulter kann ich nichts schaffe.“

An seine schmerzhafte Schulter erinnert, machte er sich wütend auf den Heimweg. Bea und Silke beschlossen, Undine einen Besuch abzustatten.

Die Keramikerin saß vor ihrem Brennofen und schaute mit fachmännischem Blick in die Flammen. Sie erkannte an der Farbe, welche Temperatur der Ofen hatte. In der Nacht hatte sie noch einen Satz des Geschirrs, dass sie vor dem Krankenhausaufenthalt zum Trocknen aufgestellt hatte, entdeckt und wollte ihn heute noch brennen.

 

„Hallo, Undine!“, riefen die beiden Besucherinnen gleichzeitig.

„Oh, wie schön, setzt euch, ich wollte eben eine Pause machen.“

Als sie im Tisch vor der Remise saßen, berichtete Bea von ihrem Zusammentreffen mit Günther. Wortreich machte sie ihrem Unmut über die unhöfliche Art des Holzkünstlers Luft.

„Wenn der Günther jetzt nichts zersägen kann, macht das seine Laune um tausend Prozent schlechter. Aber lassen wir das Thema, es gibt etwas, das spannender ist.“

Die beiden schauten Undine an und nickten.

„Ich musste Reiner versprechen mich herauszuhalten. Wisst ihr schon, dass es eine neue Leiche gibt?“

Silke sagte: „Ja, das arme Mädchen. Bea wusste, dass es Natalie ist, das Kindermädchen von den Krambachs. Wie alt war sie nochmal? Weißt du das?“

„Einundzwanzig. Ich hatte sie mal beim Einkaufen getroffen und da erzählte sie mir ganz stolz, dass ihre Großmutter immer gesagt hat, dass man erst mit einundzwanzig richtig erwachsen ist. Sie ist in Formerie bei ihrer Großmutter aufgewachsen, weil ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz umgekommen waren. Das arme Mädchen, sie kam nach Deutschland, um die Sprache zu verbessern und wollte im Herbst wieder zurück.“

„Woher weißt du das alles?“

„Im letzten Jahr, als sie kam, hatten mich die Krambachs um Unterstützung bei den ersten Sprachbarrieren gebeten. Das hat ganz gut funktioniert.“

„Ich bewundere das Mädel. Mit drei aufgeweckten Jungs zurecht zu kommen, ist eine großartige Leistung.“

„Ach Silke“, sagte Bea leise, „wenn man Kinder mag, dann klappt das, egal, wie viele es sind.“

Die Frauen schwiegen, während Bea ihren Gedanken nachhing. Sie dachte beim Thema Kinder immer wehmütig daran, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie ihr Kind nicht verloren hätte.

„Was sagt denn Reiner?“, wollte Silke wissen.

Jetzt lauschte auch Bea wieder neugierig, aber Undine konnte nichts Aufregendes berichten.

„Tja, ich muss mich heraushalten, sonst ist Reiner sauer. Aber …“

„Aber?“

„Ich könnte ja mal die Krambachs besuchen und ihnen meine Hilfe anbieten.“

Die Freudinnen grinsten.

„Dagegen kann er nichts sagen, das ist hilfsbereit.“

„Wie geht es dir denn? Kannst du ruhig schlafen?“

Undine zuckte mit den Schultern.

„Ich wurde gerettet und irgendwie konnte ich dem Kerl nicht mal böse sein. Er tat mir leid. Es ist immer furchtbar, wenn man ein schlimmes Schicksal aushalten muss. Das kann einen Menschen schon irre machen.“

„War er denn offiziell irre?“

„Nein, er war ganz klar und hatte alles lange geplant. Er wollte die Menschen bestrafen, weil sie nicht geholfen haben. Allerdings wusste er nicht alle Fakten und so ist eigentlich alles falsch gewesen.“

„Wie gut, dass du überlebt hast, meine Liebe!“, rief Bea.

Sie verließen den Hof und Undine wendete sich wieder dem Feuer im Brennofen zu.