Moon Dance

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Z serii: Blutsbundnis #1
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Moon Dance
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Table of Contents

  Prolog

  Kapitel 1

  Kapitel 2

  Kapitel 3

  Kapitel 4

  Kapitel 5

  Kapitel 6

  Kapitel 7

  Kapitel 8

  Kapitel 9

  Kapitel 10

  Kapitel 11

  Kapitel 12

  Kapitel 13

“Moon Dance”

Blutsbündnis-Serie Buch Eins

Amy Blankenship, RK Melton

Überarbeitet von Tracy Murray

Übersetzt ins Deutsche von Martina Hillbrand

Copyright © 2012 Amy Blankenship

Zweite Auflage herausgegeben von TekTime

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

Angeles National Forest ist das Zuhause von gefährlichen Pumas und importierten Jaguaren, die sich in dem riesigen Forst herumtreiben. Manchmal, in klaren Nächten, nehmen ihre Zahlen ein wenig zu, wenn die Wer-Tiere, oder Formwandler, wie sie im Volksmund bekannt sind, mit ihren entfernten Verwandten durch das ungezähmte Land streifen. Es sind diese Nächte, wo die echten Tiere sich in ihren Bauen verstecken, während die Raubtiere aus der Stadt ihr Territorium lang genug belagern, um zu jagen, oder seltener, um Kämpfe auszutragen, die im Gebiet der Menschen nicht ausgefochten werden können.

Es gibt nichts Wilderes, als wenn diese Formwandler kämpfen, und wenn einer von ihnen verletzt wird, dann werden sie für Menschen ebenso gefährlich wie für ihre tierischen Pendants. Um die Menschen, unter denen sie leben, zu schützen, werden Auseinandersetzungen zwischen Formwandlern wann immer möglich außerhalb der Reichweite dieser Menschen ausgetragen, und der beste Ort dafür ist tief in ihren ursprünglichen Jagdgründen.

Heute Nacht wurde der Forst gespenstisch still, als die beiden Besitzer des größten Nachtclubs der Stadt den Urwald betreten und sich ihrer Kleider entledigen, um die Bestien in ihrem Inneren freizulassen. Heute Nacht gingen sie auf Jagd nach dem Grab eines Vampirs, der sie beide zerstören könnte.

Tief im Wald, wo keine Menschen sie hören konnten, sprintete Malachi, der Anführer eines kleinen Jaguar-Klans, durch die Dunkelheit auf seinen Gegner zu… einen Mann, dem er nie mehr vertrauen hätte sollen als seinem besten Freund. Sein Ziel war ein anderer Formwandler, dieser mit Pumablut in seinen Adern, Nathaniel Wilder… sein Geschäftspartner seit 30 Jahren.

Malachi brach durch den Wald und kam auf die Lichtung, wo er Nathaniel in menschlicher Gestalt auf ihn wartend vorfand. Als er ein paar Schritte vorwärts machte, war es, als würde er in eine andere Gestalt gehen, als Malachi sich wieder in seine menschliche Form verwandelte. Sie beide waren tödlich, egal in welche Gestalt sie sich verwandelten. Als Menschen waren sie beide athletisch mit Muskeln wie Stahl, die unter ihrer weichen Haut angespannt waren. Formwandler altern nur langsam, und so sahen beide Männer aus wie Mitte dreißig, obwohl sie die fünfzig schon weit hinter sich gelassen hatten.

Wenn dies ein Hollywood-Film gewesen wäre, hätte es mehrere Minuten gebraucht, um dies grundlegend zu ändern, aber es war die Wirklichkeit und es gab auf der Lichtung keine sabbernden Monster. Nacktheit hatte für einen Formwandler keine Bedeutung und der Mond leuchtete wie ein Scheinwerfer durch ein Loch in den Gewitterwolken über ihnen.

„Es braucht nicht so weit zu kommen“, sagte Nathaniel während er hoch aufgerichtet dastand und versuchte, seinen Freund zur Vernunft zu bringen. „Hör mir zu! Es war vor dreißig Jahren, und die Dinge haben sich verändert… ich habe mich verändert.“

„Lügen von dreißig Jahren!“, donnerte Malachi, wobei seine Stimme über die ganze Lichtung schallte. Sein Blick wanderte zu dem Punkt, wo er Kane beerdigt hatte, und er fühlte, wie das Stechen von Feuchtigkeit sich in seinen Augen sammelte. „Wegen dir habe ich Kane im Dreck eingegraben… wegen dir habe ich ihn dreißig Jahre lang im Stich gelassen.“

„Ich kann nicht zulassen, dass du ihn ausgräbst, Malachi! Du weißt, was geschehen wird, wenn du es machst.“ Nathaniel beobachtete Malachi nervös, wie dieser sehnsüchtig auf das Grab des Mannes, der einst sein bester Freund gewesen war, schielte. Er hatte es nie verstanden. Kane war ein Vampir und gefährlich.

Kane war außerdem eines der beiden Dinge gewesen, die einer Partnerschaft zwischen den Jaguaren und den Pumas im Weg gestanden hatten… Kane und Malachis schöne, hinterlistige, fremdgehende Frau Carlotta. Nathaniel hatte sie zuerst geliebt. Er hatte nicht gewollt, dass es so kommen würde. Schlussendlich hatte Nathaniel das Problem in einem eifersüchtigen Wutausbruch gelöst… wobei er zwei Fliegen auf einen wilden Schlag tötete.

„Er war mein bester Freund, und er hat mich nie betrogen! Du warst derjenige, der mir in den Rücken gefallen ist!“ Malachi blinzelte die Tränen seiner Wut weg, als er seine Hand hob und den Ohrring, den er trug, berührte… Kanes Ohrring. Was hatte er getan? Als er Kane gefunden hatte, wie er sich über seine tote Frau gebeugt hatte, hatte er verwirrt inne gehalten, bis Nathaniel bestätigt hatte, dass Kane der Mörder war.

Sie war genau hier auf diesem Feld gestorben, also hatte er es für richtig gehalten, Kane an dieses Land zu binden… in diesem Boden einzuschließen. Er hatte sogar Kanes Zauberspruchbuch gestohlen und es zur Rache gegen ihn verwendet.

Ja, in einer Sache hatte Nathaniel recht. Die meisten Vampire waren böse, aber es gab einige Ausnahmen, und Kane war eine davon gewesen. Aber nichts war schlimmer, als das, was er selbst getan hatte. Dieser Zauber konnte nur durch Kanes Seelenfreundin rückgängig gemacht werden.

Malachi hatte damals gedacht, dass das lustig war, denn Kane war alterslos gewesen, und hatte doch noch nie eine Seelenfreundin getroffen. In der Vergangenheit hatten er und Kane oft Scherze darüber gemacht, dass so eine Frau nie geboren werden würde. In seinem Kopf blitzten Erinnerungen von Kanes Lächeln auf, als er gesagt hatte: 'Gott müsste Sinn für Humor haben, um jemals eine Frau zu erschaffen, die sich mit mir und einigen meiner Angewohnheiten abgeben würde.'

„Er ist schon zu lange da unten“, warnte Nathaniel. „Mit dieser Art von Blutdurst und Verrücktheit, von der er besessen ist… wenn du Kane jetzt befreist, wird er uns nur töten.“

Malachis Kopf hob sich ruckartig und er starrte böse auf Nathaniel. „Er wird nur mich umbringen müssen, denn du wirst schon tot sein.“

Nachdem die Drohung ausgesprochen war, nahmen beide Männer wieder ihre tierische Gestalt an.

*****

Am Rande des Campingplatzes, der dem riesigen Wildtierpark am nächsten war, saß Tabatha King, oder Tabby, wie sie alle zu nennen schienen, auf den Stufen des großen Wohnwagens ihrer Eltern und schaute hinauf in die Sterne, die durch die dicken Wolken blinzelten. Sie blies sich ihre Stirnfransen aus ihren Augen, froh darüber, dass es endlich aufgehört hatte zu regnen.

Es war das erste Mal, dass sie Campen war, und das Allerletzte, was sie wollte, war, die ganze Zeit im Wohnmobil eingeschlossen zu sein. Sie war so aufgeregt gewesen, über den Ausflug, und sie hatte sich sogar noch mehr gefreut, als ihre Eltern erlaubt hatten, dass sie den kleinen Familienhund Scrappy mitbringen konnte. Es hatte lange gedauert, aber nach viel Bitten und Betteln, und nachdem sie versprochen hatte, sie würde sich um ihren kleinen besten Freund, einen kleinen Yorkshire Terrier-Welpen, kümmern, hatte sie ihre zögernden Eltern endlich überzeugen können.

Scrappy war gerade damit beschäftigt, die Dunkelheit zu verbellen, wobei er an seiner Leine zerrte und wartete, dass er die Schatten jagen durfte, die seine Aufmerksamkeit erregt hatten. Das kleine Mädchen schrie leise auf, als Scrappy sich plötzlich von seiner Leine losriss und weglief. Sie stand von den Metallstufen auf, als der Welpe durch ein kleines Loch in dem Zaun, der den Campingplatz vom Wildtierpark trennte, kroch.

„Scrappy, nein!“, rief Tabby und rannte hinter dem Hund her. Ihre Eltern hatten darauf vertraut, dass sie ihn nicht verlieren würde. Am Zaun stehenbleibend atmete sie unsicher ein, als sie hinaus in die Dunkelheit der Bäume blickte. „Ich bin kein Feigling.“ Sie biss entschlossen auf ihre Unterlippe, ehe sie auf ihre Knie sank, um die Öffnung im Zaun zu inspizieren.

Mit nur wenigen Kratzern schaffte sie es, sich durch dasselbe Loch zu zwängen und rannte davon in den Wald, wobei sie dem Geräusch von entferntem Hundegebell folgte. „Du wirst mich noch in Schwierigkeiten bringen“, flüsterte sie rau, dann begann sie, mit ihrer Zunge zu schnalzen, wissend, dass der Welpe oft auf dieses Geräusch reagierte.

 

„Tabby, wo bist du?“

Hinter sich hörte Tabatha ihre Mutter rufen, aber sie war mehr darauf konzentriert, ihren Hund zurück zum Campingplatz zu bringen. Scrappy war ihr Hund, und sie musste auf ihn Acht geben. Also, anstatt ihrer Mutter zu antworten oder nach dem Welpen zu rufen, schwieg sie und folgte dem Geräusch von Scrappys schrillem Gebell.

Es dauerte nicht lange, dann musste Tabatha kurz stehenbleiben, um wieder zu Atem zu kommen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum und stützte ihre Hände auf ihre schmutzigen Knie, schwer atmend lauschte sie den Geräuschen des Waldes. Sie hatte schon immer einmal mitten im Wald stehen wollen, und einfach zuhören, so wie die Indianer das in Fernsehfilmen machten.

Die Regenwolken, die sich für kurze Zeit geöffnet hatten, kamen wieder zurück und das helle Mondlicht verschwand plötzlich. Ihre Augen weiteten sich, als sie erkannte, dass sie die Lichter des Campingplatzes nicht mehr sehen konnte.

Sie machte einen zögerlichen Schritt nach vorne und blickte wild um sich, aber alles, was sie sehen konnte, waren Dunkelheit, kaum erkennbare Baumstämme und noch dunklere Schatten. Sie winselte leise, als etwas in der Ferne hinter ihr knurrte. Sie entschied, dass ihr jene Richtung nicht gefiel und rannte in die entgegengesetzte Richtung, ohne sich noch einmal umzusehen.

Nach einiger Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, hörte sie Scrappy wieder bellen und lief in diese Richtung, hoffend, dass, was auch immer geknurrt hatte, sie nicht verfolgte. Sie hörte ein weiteres Knurren, aber diesmal kam es von irgendwo vor ihr.

Indem sie ihre Fersen in den Boden stemmte, versuchte sie, stehenzubleiben, aber durch den Regen war der Waldboden bedeckt mit feuchtem Laub und Schlamm. Anstatt stehenzubleiben, rutschte sie sogar noch weiter zur Seite, ehe sie über eine kleine Anhöhe hinunter kullerte.

Die Luft blieb ihr weg, als ihr Körper einen Baum traf, der ihre Rutschpartie beendete. Das Erste, was ihr auffiel, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, war, dass Scrappy nicht mehr bellte. Sie hörte wieder das Knurren und begann, den Hügel wieder hoch zu krabbeln, als sie ein leises Winseln hörte. Sie drückte sich hoch auf ihre Knie, schielte über den Baumstamm und sah eine kleine Lichtung, auf die der Mond gerade herunter leuchtete.

Gleich dort, in der Mitte war Scrappy und winselte so, als wäre er gerade von dem Hund zu Hause, am Ende der Straße, verprügelt worden. Der Welpe lag flach am Boden und krabbelte rückwärts. Tabathas blaue Augen wurden groß, als sie sah wieso. Zwei Tiere kamen auf der Lichtung langsam aufeinander zu und Scrappy befand sich genau in der Mitte zwischen ihnen.

„Dummkopf“, zischte Tabby leise.

Sie erkannte die Tiere von Bildern, die ihr Vater ihr gezeigt hatte, bevor sie auf Urlaub fuhren. Eines war ein Puma, und das andere erkannte sie vom Fernsehen… ein Jaguar. Sie liebte es, Tiersendungen zu sehen, und sie war nicht so empfindlich wie ihre Mutter, wenn die Tiere im Fernsehen einander angriffen. Aber das hier war anders… es war echt und es war etwas beängstigend.

Sie waren Katzen, die dich fressen konnten, und große noch dazu. Die eleganten Tiere umkreisten einander, während sie tief in ihren Kehlen knurrten, ihre Augen glänzten wie goldene Medaillons. Die tödlichen Geräusche wurden vom leichten Wind zu Tabatha geweht, die mit nervöser Ehrfurcht zusah.

„Komm schon, Scrappy“, flüsterte sie, hoffend, dass die riesigen Katzen sie nicht hören würden. „Komm her bevor einer von ihnen auf dich tritt.“ Sie wollte eigentlich 'dich frisst' sagen, aber sie wollte den armen Welpen nicht noch mehr verängstigen, als er es ohnehin schon war.

Die Katzen schrien plötzlich, sodass Tabatha sich mit den Händen die Ohren zuhielt, weil es so laut war und so beängstigend klang. Sie rannten mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Lichtung, sodass Scrappy seinen Schwanz zwischen die Beine einzog und vor Angst kreischte.

Als sie den traumatisierten Welpen so sah, kletterte Tabatha über den Baum und rannte so schnell sie konnte zu Scrappy. Sie war Scrappy näher als die Katzen und warf sich auf ihn, sodass sie seinen kleinen Körper mit ihrem bedeckte, gerade als die beiden Tiere nach vorn sprangen, und in der Luft genau über ihr aufeinander prallten.

„Bitte, verletzt meinen Hund nicht!“, schrie sie.

Sie schrie noch einmal auf, als scharfe Krallen ihren Arm zerkratzten, und weitere Krallen über ihren Rücken streiften. Die Katzen fielen mit einem markerschütternden Krachen auf den Boden direkt hinter ihr, knurrten und schrien einander an. Sie blieb über Scrappy gekauert, der noch immer zitterte und leise winselte, wagte es nicht, sich nach den Tieren umzusehen, die nur einen Meter hinter ihr kämpften.

Tabatha hatte Angst sich zu bewegen und hielt den Hund so fest sie konnte in ihren Armen. Ihre Augenlider waren aufeinander gepresst und sie begann Scrappy zuzuflüstern, dass er laufen und Hilfe holen sollte, wenn eine der Katzen auch sie erwischte. Etwas feuchtes Warmes platschte auf ihren Rücken, aber sie bewegte sich noch immer nicht. Schließlich endete der Kampf und sie wagte es, über ihre Schulter zu schielen.

Sie begann zu zittern und zu weinen, als sie zwei Männer hinter ihr liegen sah, über und über mit Blut verschmiert. Tabatha kam langsam auf ihre Knie hoch, Scrappy in ihren Armen, und begann sich rückwärts von ihnen zu entfernen. Wo waren der Puma und der Jaguar hin? Hatten sie die Männer angegriffen und waren dann weggerannt? Wieso hatten die Männer keine Kleider an?

Nathaniel öffnete plötzlich seine Augen und fletschte sehr scharfe Zähne in ihre Richtung.

Tabatha stolperte rückwärts und wäre beinahe umgefallen, aber konnte gerade noch ihr Gleichgewicht wiederfinden. Scrappy kreischte wieder, als das Knurren des Mannes so klang, wie das eines Pumas, und riss sich aus Tabbys Armen los. Er rannte weg in den Wald, bellend vor Angst.

Malachi zuckte während Blut aus seiner Brust strömte. Er öffnete den Mund und knurrte ein Wort in die Richtung des kleinen Mädchens.

„Lauf!“ Seine Stimme verendete mit dem ohrenbetäubenden Schrei eines Jaguars.

Tabatha ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie drehte sich um und rannte von der Lichtung weg, ohne sich noch einmal umzusehen. Es war ihr egal, wohin sie ging, sie wollte nur weg von dem fürchterlichen, blutverschmierten Mann.

*****

„Danke, und hier sind die Lokalnachrichten. Heute Abend hatte eine Familie Grund zum Feiern. Ihre Tochter, Tabatha, konnte endlich ziellos durch den Angeles National Forest wandernd gefunden werden, nachdem sie vor drei Tagen von einem Campingplatz nahe des Crystal Lake verschwunden war, um ihren Hund zu suchen. Scheinbar hatte sich der Hund von der Leine losgerissen und war in den Wald gerannt. Die Siebenjährige verfolgte den Hund mutig und konnte bis heute Vormittag nicht gefunden werden. Leider fehlt von dem Hund immer noch jede Spur. Laut offiziellen Angaben befindet sie sich im Bezirkskrankenhaus und erholt sich von ihrem Schock, da es scheint, dass sie den Angriff eines Pumas überstanden hat. Die kleine Tabatha erzählte den Park-Rangern immer wieder von zwei verletzten Männern im Wald, aber eine gründliche Suche auf einer Fläche von fünftausend Quadratkilometern blieb erfolglos. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.“

Kapitel 1

10 Jahre später…

Laute Musik schallte rhythmisch aus dem Club, sein großes, violettes, Neon-beleuchtetes Reklameschild wechselte die Farben synchron mit dem Rhythmus. Das Licht warf einen gespenstischen Schein auf das Gebäude gegenüber. Am Dach jenes Gebäudes stand ein Mann mit kurzem, hellblondem Haar mit einem Fuß an der Kante. Er beugte sich nach vorne, einen Ellbogen auf sein angewinkeltes Knie gestützt, während er eine Zigarette rauchte.

Kane Tripp senkte seinen Kopf leicht und fuhr mit der Hand durch die kurze Igelfrisur. Es hatte ihn geschmerzt, es abzuschneiden, er vermisste sein langes Haar noch immer. Er konnte sich noch an das seidige Gefühl erinnern, wenn es seinen Unterrücken streichelte. Er hob die Zigarette zu seinen Lippen hoch und nahm einen tiefen Zug, wissend, dass er eine Menge Dinge vermisste, wie die Zigaretten, die er früher geraucht hatte, bevor er lebendig begraben und wie tot zurückgelassen worden war.

Vor vierzig langen Jahren war er unvorbereitet auf Malachi, den Anführer des Jaguar-Klans getroffen, und beschuldigt worden, die Partnerin des Formwandlers ermordet zu haben. Vor jener Nacht hatte Kane sich mit den Jaguaren gut verstanden, und ihr Anführer war einer seiner besten Freunde gewesen. Kanes Lippen wurden schmal, als er daran dachte. Malachi hatte ihn angeklagt, über ihn gerichtet und das Urteil vollstreckt, alles in einem großen Wutausbruch.

Mit einem Zauber aus dem Buch, von dem Kane gedacht hatte, dass er es so sorgfältig versteckt gehabt hatte, hatte Malachi ihn mit einem Fluch gefesselt, der es ihm unmöglich machte, sich zu bewegen oder zu sprechen… ihn unfähig machte, sich zu verteidigen. Dann hatte er Kanes Blutstein-Ohrring weggenommen, der es ihm ermöglichte, sich im Tageslicht zu bewegen. Die Blutsteine hatten einst dem ersten Vampir, Syn, gehört.

Kane hatte einmal gefragt, wie es einen ersten Vampir geben konnte, und die Antwort hatte ihn überrascht.

Syn war alleine in diese Welt gekommen, verletzt und am Verhungern. Ein junger Mann hatte ihn gefunden, und da er schon fast verhungert war, hatte Syn sein Blut genommen. Der Vampir hatte schnell gelernt, dass die Menschen in dieser Welt sehr zerbrechliche Kreaturen waren, deren Seele sie verlassen würde, wenn er sein Blut teilte, in der Hoffnung auf diesem Planeten eine Familie zu gründen. Aber wenn ihre Seelen einmal weg waren, waren sie für ihn nutzlos und wenig mehr als Monster.

Während seines endlosen Lebens hatte Syn nur drei solche Menschen gefunden, die ihre Seele behalten hatten… seine Kinder geworden waren. Der einzige Unterschied war, dass, als sie erst einmal verwandelt worden waren, die Sonne sie verbrennen würde… sodass sie, und ihre Monster-Geschwister, sich vor dem Tageslicht verstecken mussten. Auf Syns Planeten war das wegen dem Blutstein nie ein Problem gewesen.

Die breiten Armbänder, die Syn getragen hatte, waren von seiner Welt gekommen, und waren aus dem Blutstein gefertigt. Er schnitt drei Stücke der Armbänder ab und machte damit einen Ring, eine Halskette und einen einzelnen Ohrring. Kane hob wieder die Hand und berührte den Ohrring, den er trug.

Während der Blutstein ihm ein halbwegs normales Leben ermöglicht hatte… war es Syns Zauberspruchbuch gewesen, das Kanes Niedergang bedeutet hatte. Syn hatte es seinem Auserwählten überlassen, um weise verwendet zu werden, während er schlief. Darin fand sich der Zauber für den Fluch, mit dem seelenlose Kinder außer Gefecht gesetzt werden konnten, wenn sie zu einem zu großen Risiko für die Menschen wurden.

Als der Zauber ihm selbst auferlegt worden war, konnte Kane nur zusehen und mit dunklen, regungslosen Augen seinen einstigen Freund betrachten, wie er die schwarze Erde mit dem Spaten auf ihn warf. Das Letzte, was er gesehen hatte, war der Anblick des Sternenhimmels über dem Wald.

Die Dunkelheit hatte alles eingehüllt und es war so still gewesen. Der Fluch hielt ihn bewegungslos, aber er konnte Dinge fühlen, die in der Erde über ihn krabbelten. Winzige, sterbliche Kreaturen, die es nicht wagten, sein untotes Fleisch zu fressen, aber unwissend an seiner Seele nagten.

Als die Zeit verging, war er sicher geworden, dass er verrückt geworden war, und dann hatte er begonnen, immer wieder Geräusche zu hören… Stimmen. Er hatte sich darüber in seinem Gefängnis gefreut, und er hatte sich danach gesehnt, mehr zu hören. Manchmal hörte er ganze Familien, andere Male hörte er nur Erwachsene.

Manchmal hatte er versucht, sich gegen den Fluch zu wehren, nach Hilfe zu rufen oder auch einfach mit sich selbst zu reden. Der Zauber hielt ihn fest, machte ihn völlig hilflos. Er kannte den Zauber… er hatte ihn an Monstern verwendet. Es war ein komplexes Stück Magie, das des Blutes eines Geliebten bedurfte, um ihn zu befreien. Ein Liebeszauber, der so stark war, dass nur die Seelenfreundin des Opfers ihn brechen konnte.

 

An den seelenlosen Vampiren hatte es immer funktioniert, denn man musste eine Seele haben, um eine Seelenfreundin zu rufen. Er hatte den Zauber mehr als nur einmal verwendet, um die Welt von seinen dämonischen, mordenden Geschwistern zu befreien, die nur ihren Blutdurst kannten.

Kane lachte boshaft über die unvergessliche Erinnerung, zu wissen, dass er dem Schicksal ausgeliefert war… denn er hatte keine Seelenfreundin. Zumindest hatte er ein solches Wunder nie getroffen. Und wenn er eine hatte, dann war es unwahrscheinlich, dass sie einfach zufällig über sein Grab stolperte, und dabei noch blutete. Malachi war am Boden zerstört gewesen… er hatte seine Frau so sehr geliebt, dass er wollte, dass Kane die Tiefe einer solchen Liebe kennenlernte, und sich danach sehnte.

Und wie er sich danach gesehnt hatte. Oft hatte er Tränen vergossen, jeden Gott, der ihm zuhören wollte, angefleht, seine Seelenfreundin zu ihm zu bringen, damit er seine Freiheit wiedererlangen konnte. Wenn er wirklich die Frau seines Freundes ermordet hätte, dann wäre es eine gerechte Strafe gewesen. Aber er hatte sich einer solchen Tat nicht schuldig gemacht.

Eines Nachts, lange nachdem er jede Hoffnung aufgegeben hatte… hatte er es gehört. Das eindeutige Geräusch von Malachis Brüllen unterbrach seinen wahnsinnigen inneren Monolog, begleitet von einem weiteren tierischen Wutgeschrei. Dann, zu seinem Schrecken, hatte er die Stimme eines kleinen Mädchens direkt über ihm gehört, die schrie, dass sie ihren Welpen nicht verletzen sollten.

Der Laut ihrer leisen, ängstlichen Stimme hatte etwas in ihm berührt, sodass er sich danach sehnte, frei zu sein, damit er das Mädchen vor dem Monster der Nacht beschützen konnte.

'Malachi wird deinen Welpen nicht verletzen, Kleines“, hatte Kane in Gedanken geflüstert.

Und es war wahr. Malachi würde niemanden verletzen, außer wenn man ihm auf irgendeine Art ein schweres Leid antat… besonders nicht ein Kind. Mit dem Wissen, dass sein Freund irgendwo über ihm gewesen war, hatte Kane einen Funken Leben in sich zurückkehren gefühlt. Er war wütend geworden, als das Mädchen noch einmal geschrien hatte und er gehört hatte, wie etwas schwer am Boden gelandet war. Blut… er hatte frisch vergossenes Blut gerochen, das durch die weiche Erde auf ihn zu gesickert war.

Es war das Schönste gewesen, was ihm je zugestoßen war. Der Geruch war in seine Gedanken eingedrungen und hatte ihn beinahe noch mehr um den Verstand gebracht, da er gewusst hatte, dass er nicht danach greifen konnte. Er war so schwach gewesen dadurch, dass er so viel Zeit ohne auch nur einmal zu trinken verbracht hatte… verdurstend doch ohne je zu sterben. In jenem Moment hatte er gefühlt, wie einer seiner Finger zuckte.

Kane hatte sich darauf konzentriert und alles, was noch von seinem Verstand übrig war, darauf gerichtet, sich zu bewegen. Er hatte gefühlt, wie die Tage vergingen, urteilend nach der Wärme, die er vom Boden über ihm gefühlt hatte. Der Geruch des Blutes hatte ihn inzwischen umgeben und hatte ihn vorwärts getrieben. Schließlich hatte er es geschafft, langsam seine Arme zu bewegen und mit dem langwierigen Prozess, sich selbst aus seinem eigenen Grab auszugraben, begonnen.

Weitere Tage waren vergangen, und als seine Hand endlich zur Oberfläche durchgestoßen war, hatte er buchstäblich Freudentränen vergossen. Nachdem er sich aus dem Dreck gezogen hatte, hatte Kane seine Augen geöffnet und nach oben gestarrt, lachend wie ein Wahnsinniger, als er den schwarzen Himmel und die Sterne über sich erblickte. Als er wieder zurück zum Boden gesehen hatte, hatte er ein Stück Stoff gesehen, auf dem kleine Bluttropfen eingetrocknet waren. Er hatte es hoch zu seiner Nase gehoben und genüsslich den Geruch des Blutes eingeatmet, das ihn befreit hatte.

Das Erinnerungsstück an seine Retterin fest mit den Fingern umklammert, hatte er den Rest seines Körpers aus dem Boden gewuchtet. Malachi und der Formwandler, der der wahre Mörder der Frau des Jaguars war, hatten tot wenige Meter von seinem Grab entfernt gelegen.

Als er an ihnen vorbei in den Wald hinein geschaut hatte, hatte er gewusst, dass das Mädchen längst weg war, aber Kane war überzeugt davon gewesen, dass das Kind seine Seelenfreundin war. Wer sonst hätte den Fluch brechen können, den Malachi ihm auferlegt hatte?

Zu schwach um sich auf die Suche nach dem Mädchen zu machen, war Kane hinüber zu Malachi gekrabbelt und hatte scheinbar die Wange des Mannes sanft gestreichelt. Als er sein Gesicht zu ihm herum gedreht hatte, hatte Kane vor Verwirrung zischend ausgeatmet. Malachi hatte seinen Blutstein-Ohrring getragen. Seinen Ohrring!

In einem Augenblick der Rage und mit einer Bewegung, die zu schnell war, um sie zu erkennen, war Kane aufgestanden, den Ohrring fest in der Hand. Während er hinüber geblickt hatte zu Nathaniel, dem Mann, der ihm seinen Mord in die Schuhe geschoben hatte, hatte Kane die Dunkelheit wie einen Mantel um sich gesammelt und war in der Schwärze der Nacht verschwunden.

Kane atmete aus und sah zu, wie der Rauch durch die Luft schwebte, sich vor ihm aufspulte, ehe er vom leichten Wind verweht wurde. Er hatte die letzten zehn Jahre damit verbracht, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent zu reisen und alles in Erfahrung zu bringen, was er in den dreißig Jahren seiner Gefangenschaft verpasst hatte.

Langsam hatte er seine Kraft wieder aufbauen können, angefangen mit einem kleinen Yorkshire Terrier-Welpen, den er in jenem Wald zusammengekauert in einem hohlen Baumstumpf gefunden hatte. Es war jemandes Haustier gewesen, und er hatte sich dafür geschämt, eine solche Sache zu machen, aber die Notwendigkeit, sich zu ernähren, war zu dem Zeitpunkt stärker gewesen als die Reue.

Erst nachdem er getrunken hatte, war ihm klar geworden, dass der Hund dem Kind gehörte, das ihn befreit hatte. Nachdem er noch immer einen kleinen Lebensfunken in dem kleinen Fellknäuel gefühlt hatte, hatte er das Dümmste getan. Indem er sich selbst in sein Handgelenk biss, förderte er ein paar Bluttropfen zu Tage und ließ sie auf dessen rosa Zunge fallen, dann legte er den Welpen auf den Boden und fragte sich, was zum Teufel er eigentlich machte. Es konnte nie funktionieren… oder?

Sie hatte ihn zweimal gerettet, und wusste es nicht einmal. Die Erinnerung an ihre verängstigte Stimme konnte ihn aus dem tiefsten Schlaf reißen. Er wünschte sich, dass er sie gesehen hätte… Nur ein einziges Bild, das zu der Stimme gehörte, die ihn verfolgte.

Er griff in seine Hosentasche und zog das kleine Halsband heraus, starrte auf die knochenförmige Marke, die daran hing. Er wusste den Namen der Familie, aber die Adresse darauf stimmte nicht mehr… schon seit Jahren. Als er endlich gelernt hatte, Computer zu verwenden, hatte er sie gesucht, aber die Eltern des Mädchens waren tot und das Haus war verkauft worden. Die Tochter, von der er sicher war, dass sie diejenige war, die ihn befreit hatte, war spurlos verschwunden.

Kane warf seine Zigarette neben seinen linken Fuß und trat sie aus. Nachdem er nach Los Angeles zurückgekehrt war, war er sofort zu dem Club gegangen, den Malachi einst besessen und wo er gelebt hatte, nur um herauszufinden, dass er verkauft worden war, und seine Kinder umgezogen waren. Das neue Lokal war früher nur eine verlassene Lagerhalle gewesen, aber die Jaguare hatten sie kürzlich renoviert und in einen modernen Nachtclub umgebaut. Malachis Kinder leiteten den Betrieb jetzt.

Er schüttelte den Kopf und fragte sich, wie Malachi sich selbst dazu bringen hatte können, noch einmal zu heiraten, denn er wusste, wie sehr Malachi seine erste Frau geliebt hatte. Sie war seine Seelenfreundin gewesen und obwohl Formwandler für ihre sexuellen Gelüste bekannt waren, war es beinahe unmöglich, dass sie eine andere lieben konnten, nachdem sie einmal ihre Seelenfreundin gefunden hatten.

Als Kane es nachgeforscht hatte, hatte er gesehen, dass Malachis neue Frau ihm vier Kinder geboren hatte, und dann bei der Geburt ihres jüngsten Sohns, Nick, gestorben war.

Malachi war in der Nacht gestorben, als er von unter der Erde sein Brüllen gehört hatte, aber Kane fühlte immer noch Rachegelüste, die an ihm nagten. Fast alle Vampire werden aus der Dunkelheit geboren, und vielleicht hatte Syn falsch gelegen, als er dachte, dass er so anders war als seine bösen Geschwister. Vielleicht war durch dreißig Jahre lang den Verstand verlieren so viel Schaden angerichtet worden, dass er nun auch keine Ausnahme mehr war. Sein Geist war noch immer an dem dunklen Ort, wo Malachi ihn hingebracht hatte.