du, daß ich eher einen Kanal lege von Trier bis
nach Köln, ehe du deinen Bau vollendest? Einen
Kanal, mittelst dessen dieser guten Stadt reines Trinkwasser
nicht minder als auch edler Moselwein zufließen
kann, und meine ich fast, solcher Kanal wäre der
Stadt nützer als noch eine Kirche zu den vielen, die
Köln schon hat. – Was soll ich wetten? fragte der
Baumeister. – Wir wetten, daß der von uns sein begonnenes
Werk alsbald einstelle, es sei vollendet, so
weit es wolle, wenn das des andern als vollendet erscheint.
Ich das meine, wenn du die höchsten Kronen
auf die Spitzen deiner Domtürme setzest, du das
deine, wenn von Trier das Wasser in meinem Bau geflossen
kommt und in deinen ausmündet. – Der Dombaumeister
ging diesen Vertrag ein, und beide gingen
an ihr Werk. Hoch und höher wuchs der Dombau, nah
und näher rückten von Trier aus die Säulen einer gewaltigen
Wasserleitung, ein stolzes Werk, wie nur die
Kunst der alten Römer aufzuführen vermocht hätte.
Da – als die Domtürme die Höhe des Krans erreicht
hatten, da stand der Baumeister oben auf dem Gerüste
und blickte hinab und sahe zu seinem Schrecken das
Werk vollendet, der Kanal war bis an den Dom herangerückt,
noch war er wasserleer, da schien in der
Ferne ein weißer Punkt sich zu bewegen, näher und
immer näher – und da kam das Wasser brausend geschossen,
und auf dem Wasser schwamm eine weiße
Ente. Als der Baumeister so sich überwunden sah,
stürzte er sich von der Höhe des Turmes und des Baugerüstes
in die Tiefe herab, und sein treuer Hund, der
ihm auf das Gerüste gefolgt war, sprang ihm nach.
Nimmer konnte der Dom vollendet werden, aber auch
jene Wasserleitung brach die mächtige Hand der Zeit.
Das Volk nennt ihre Trümmer die Teufelskralle. Zum
Überfluß und als Siegeszeichen warf der Teufel einen
Stein durch das Dach im Chor über der Heiligen-
Dreikönigs-Kapelle, davon ein drei bis vier Fuß weites
Loch blieb. Späterer Aufschrift zufolge soll es der
Wind gewesen sein, der den Stein herabwarf; der
Stein aber lag oder liegt noch auf dem Pflaster bei der
Kapelle, die Leute nennen ihn den Teufelsstein, man
sieht auf ihm eine Marke wie eine Hahnenkralle, die
von der Teufelskralle eingebrannt ward. Da die Leiber
der heiligen drei Könige gen Köln kamen, welche der
Erzbischof Reinold II., ein Graf von Dassel, vom
Kaiser Friedrich Barbarossa für Köln erbat, da dieser
Mailand, allwo diese heiligen Leiber früher aufbewahrt
wurden, hatte schleifen lassen, trug ein Kameel
die werte Last, und es neigete sich, die Reste der Weisen
zu ehren, ein Turm gegen sie und blieb in geneigter
Stellung. Das Tor am Rhein, durch das sie gebracht
wurden, ward alsbald vermauert, damit es nie
wieder entweiht werde. Zahllose Wunder erzählt man
von diesen Heiligen, deren drei Kronen die Stadt in
ihrem Wappen führt. Einst kam aus Ungarland, wo
wegen zu großer anhaltender Dürre merkliche Hungersnot
entstanden war, eine Menge Volkes nach
Köln und wollte die heiligen drei Könige um Regen
anflehen. Kaum war das erste Gebet erklungen, als
der Himmel sich trübte und heftiger Regen niederströmte
zum Gnadenzeichen, und es hat dann im Ungarlande
im Überfluß geregnet. Zum Danke dafür
sind aller sieben Jahre Abgesandte aus Ungarn gen
Köln gefahren, haben die heiligen drei Könige verehrt
und ihre Kapelle und Priester begabt, und der Magistrat
hat sie vierzehn Tage gespeist und getränkt und
geherbergt.
115. Albertus Magnus
Es war ein berühmter Mönch und hochgelahrter Doktor
des Namens Albertus Magnus, vordessen Bischof
zu Regensburg und hernachmals zu Köln am Rheine
gestorben und begraben. Er war in allen hohen Künsten
erfahren, ja auch ein Baumeister. Manche sagen,
daß Albertus Magnus den Grundplan des Kölner
Doms erfunden und aufgezeichnet habe, und das Chor
der vormaligen Dominikanerkirche habe er auch erbaut.
In dieser Kirche ruhten seine Gebeine, kamen
aber in St. Andreas' Kirche, als jene der Dominikaner
ihre Zerstörung fand.
Im Jahre 1248 kam Kaiser Wilhelm von Holland,
Kaiser Friedrich des Zweiten Gegenkaiser, mit ziemlichem
Hofstaate gen Köln, und zwar am Tage der heiligen
drei Könige, den bat, samt seinem Hofe, Albertus
in seinen Klostergarten zu den Predigern zu Gaste.
Es war große Kälte eingetreten und fiel ein starker tiefer
Schnee, da meinten die Räte und vornehmen
Dienstmannen, der Mönch möge wohl sein Gehirn erfroren
haben, daß er zu solcher Jahreszeit zu einem
Gartenvergnügen einlade, und rieten dem Kaiser,
ihrem Herrn, der Einladung keine Folge zu geben.
Aber der Kaiser ließ sich dazu nicht bewegen, hieß
vielmehr die Seinen ihm folgen, und kamen zu dem
Predigerkloster, wurden auch alsobald in den Garten
geleitet. Da lagen alle Bäume und Sträucher dick voll
Schnee, und waren alle Wege verschneit, und alles
Laub und Gras war bedeckt, unter den Bäumen aber
standen die Tafeln mit kostbaren Gedecken und Aufsätzen
und herrliche Sessel und schmucke Diener zur
Aufwartung. Dem Kaiser machte das Seltsame solcher
Anordnung eine Lust, und setzte sich auf den für
ihn bereiten Stuhl, da mußten die andern sich auch
setzen, und die Tafel hub an. Da klärte sich der Himmel
auf, und trat lieblicher Sonnenschein herfür, und
verging der Schnee wie ein Dunst, und hoben sich
Gras und Laub frischgrün zu Tage, und kamen Blumen
aus dem Boden hervorgesproßt, und die Bäume
alle trieben Laub und Blüten. Auch Vöglein kamen
geflogen und sangen gar lieblich, und wurde sehr heiß
allmählich, so daß der Bäume Blüten abfielen und die
Fruchtkeime schwollen und die Früchte reiften. Und
der Kaiser tät seine winterliche Pelzschaube ab, weil
ihm allzu warm wurde, und die andern auch die ihrigen.
Da nun die Mahlzeit mit großen Freuden geendet
war, obschon niemand wußte, wer und von wannen
die zierlichen und willfährigen Diener waren und wo
die Speisen alle zubereitet wurden, da verloren sich
die Diener, und die Vögel sangen nicht mehr und entflohen,
die Blumen blühten ab, die Bäume wurden
fahl, es ward kühl, dann kalt, die Winterschauben
wurden wieder umgehangen, der Kaiser hob die Tafel
auf, die Sonne verschwand, der Himmel ward grau,
und auf Bäumen, Laub und Gras lag wieder Schnee.
Alles eilte in das Kloster, um im warmen Refektorium
vor der Kälte gesichert zu sein. Kaiser Wilhelm aber
pries seinen kunstfertigen Wirt und begabte ihn und
den Konvent mit Gütern reichlich und erlebte nie wieder
solch wunderseltsames Gastmahl.
116. Herr Gryn und der Löwe
Zu Köln saß auf dem geistlichen Herrscherstuhle Erzbischof
Engelbert, der hatte viel Streitens mit der
Bürgerschaft, das bis zum blutigen Kampf gedieh.
Dieser Bischof hatte einen Löwen, den hatten ihm
zwei Domherren aufgezogen. Gegen den Bischof
stand im steten Streite der Bürgermeister der Stadt,
Herr Hermann Gryn, und hielt zur Gemeinde und verteidigte
deren Rechte, doch war er mit den Domherren
gleichwohl persönlich nicht verfeindet. So luden die
zwei, welche des Erzbischofs enge Freunde waren,
eines Tages – es soll im Jahre 1266 sich zugetragen
haben – den Bürgermeister zu sich ein zu einem Gastmahl
und brachten das Gespräch auf den Löwen, den
sie heimlich hatten fasten und sehr hungrig werden
lassen, und erboten sich, vor dem Essen ihm den
Löwen sehen zu lassen. Sie führten Hermann Gryn an
die Pforte des Löwenzwingers, öffneten diese und
stießen ihn unversehens hinein, worauf sie die Türe
zuschlugen und vermeinten, der Löwe werde ihn alsobald
zerreißen. Der Löwe, als er den Mann sah, riß
den Rachen mit den scharfen Zähnen weit auf, schlug
einen Schweifring und legte sich nach Katzenart zum
Sprunge; Herr Hermann Gryn aber, wie er sah, was
ihm drohte, schlang rasch seinen Mantel um den lin-
ken Arm und faßte seine Gugel, die er in der Hand
hielt, fest und zog sein Schwert und wartete nicht, bis
der Löwe sprang, sondern stürzte sich auf ihn mit gezücktem
Schwerte, fuhr ihm mit dem linken Arm in
den Rachen hinein und durchstieß ihn mit dem
Schwerte. Dann gewann er einen Ausgang und ging,
ohne gegessen zu haben, seinem Hause zu. Dieses
Mittagessen bekam aber den beiden Domherren gar
übel, denn der Bürgermeister sandte seine Häscher
unversehens und ließ sie greifen und aufhenken an
einen Balken gleich am Tore des Chorherrenhauses
neben dem Dom, das nannte man seitdem das Pfaffentor.
Darauf wurde zum Andenken solchen Mutes das
Bild Gryns mit noch dreien andern Löwenbändigern
in Gesellschaft in Stein ausgeführt und zur Zier über
dem Pfeilerbogengang am Rathaus angebracht, da
sieht man die Mär von Herzog Heinrich dem Löwen,
Simsons Löwenkampf und Daniel in der Löwengrube
dem Kölner Löwensieger beigesellt. –
117. Die Pferde aus dem Bodenloch
Zu Köln nahe dem Eingange der Kirche zu den heiligen
zwölf Aposteln war ein Gemälde zu schauen, das
stellte eine gar absonderliche Geschichte dar. Es war
ein Bürgermeister daselbst, hieß Richmuth von
Andocht, dem starb sein Eheweib und ward begraben,
und da man am Grabe den Sarg nochmals öffnete, wie
es sonst üblich war, und über der Leiche betete, so
sahe der Totengräber, daß die Frau einen großen goldnen
Ring am Finger hatte, mit Edelsteinen wohl geziert.
Da wurde in dem Totengräber die Gier lebendig,
zur Nacht das Grab wieder zu öffnen und der Leiche
den Ring zu stehlen. Aber wie er das tat, drückte die
Leiche ihm die Hand zusammen, denn sie war nicht
tot, sondern lebend begraben, und wollte sich aus dem
Sarge helfen. Eilend entfloh voller Schreck der Totengräber,
die Begrabene aber wickelte sich aus den
Grabtüchern los, trat aus dem Grabe und ging auf ihr
Haus zu, klopfte und befahl dem Diener, zu öffnen,
sie sei es. Der Diener vermeinte ein Gespenst zu
sehen und zu hören und lief eilend zu seinem Herrn,
ihm die Begebenheit zu melden, und stammelte: Ach
Herr! Unsere Frau – drunten vorm Hause steht sie
leibhaftig und will, daß ich ihr auftue. – Du bist ein
Narr, antwortete der Bürgermeister, Herr Richmuth
von Andocht. Ebenso wahr könntest du sagen, meine
Schimmel stünden droben auf dem Heuboden. –
Kaum hatte er das Wort ausgeredet, so erhob sich von
unten nach oben ein grausamer Tumult, und als der
Diener nachsah, so standen schon die sechs Kutschenpferde
oben, ohne die andern, die noch nachkamen.
Der Bürgermeister war ganz starr vor Schreck und
glaubte nun, und die Frau ward eingelassen und ihrer
mit warmen Tüchern und Arzeneien wohl gepflegt,
daß sie sich wieder erholte. Am andern Tage schauten
zu jedermanns Verwunderung die Pferde aus den Bodenlöchern
heraus, und man mußte große Gerüste und
Maschinen anwenden, um sie nur wieder herunter in
den Stall zu bringen. Darauf wurden einige Pferde
ausgestopft, die mußten zum Andenken auch fürder
oben herausschauen. Und die Frau lebte noch sieben
Jahre lang und spann und webte einen schönen großen
Vorhang von weißem Linnen, den sie in die Apostelkirche
verehrte.
Solche Sage ist an mehr als einem Orte gangbar,
unter andern auch in der vormaligen alten Reichsstadt
Schweinfurt, wo die Frau des Syndikus Albert Angetraute
war, die als Wöchnerin beerdigt worden, und
die der Totengräber durch seine Raubsucht erweckte,
doch lebte sie samt ihrem Kindlein nicht lange, und
ihr Grabmal wird noch auf dem Schweinfurter Gottesacker
gezeigt.
118. Umrittener Wald
Nicht gar weit von Dören, zwischen Köln und Aachen,
liegt ein Dorf, das führt den Namen Arnoldsweiler,
und denselben Namen führt es von einem
frommen Sänger, der am Hofe Kaiser Karl des Großen
lebte und sein Liebling war. Da forderte einst der
große Kaiser von Arnold, seinem Sänger, derselbe
möge sich einen Lohn erbitten für seine vielen und
schönen Lieder, und der Sänger bat, Karl wolle ihn
mit einem Stück Wald begaben, so viel, als Arnold
werde umreiten können in der Zeit, wo Karl sein
Mahl halte. Das ward ihm gewähret; Arnold hatte
aber schon von Strecke zu Strecke, so weit ein Roß
im gestreckten Lauf aushalten konnte, ausgeruhte
Rosse, die seiner harrten, aufgestellt und damit eine
Waldstrecke vom Bürgelwald umstellt, die ein Mann
kaum in eines Tages Länge umschritten hätte. Darauf
begann er, als der Kaiser sein Mittagmahl begann,
sein Jagen, bezeichnete und bestreute allenden, wo er
vorbeisauste, durch Schwerthiebe in die Äste seinen
Weg mit grünen Brüchen von Eichen- und Buchenlaub
und kam schon wieder und trat vor den Kaiser,
bevor dieser noch sein Mahl beendet, dieweil er noch
beim Äpfelessen verweilte. Da sprach Karl: Du hast
dir gewißlich ein zu kleines Stück erritten, da du so
bald wiederkehrest. – Arnold aber antwortete: Mitnichten,
ich umritt ein großes Stück, das ein Mann
wohl kaum in Tageslänge umwandeln kann. – Da fiel
auf den Sänger ein ernster Blick seines Herrn, welcher
bei sich dachte, daß im Bürgelwald für Arnold die
Blume der Bescheidenheit wohl nicht gewachsen sei,
und der Kaiser schwieg. Da nahm aber Arnold das
Wort und sprach: Du zürnest mir, mein hoher kaiserlicher
Herr! Zürne nicht! Nicht für mich umritt ich
deinen Bürgelwald. Sieh, alle den Dörfern von Dören
bis Bredburg und von Jülich bis Bergheim gebricht es
an Holz. Für sie habe ich den Wald, den du mir zu
schenken angeboten, umritten. – Da freute sich Kaiser
Karl über seines Sängers Biederherzigkeit und sagte
ihm gern die ganze Waldstrecke zu.
119. Kaiser Karls Apfelschnitze
Der große Kaiser und König Karl hatte eine Gewohnheit
an sich, daß er allewege nach dem Essen am Tische
sitzenblieb und einen Apfel aß, den er selber
schälte. Einmal standen seine drei Söhne neben seinem
Stuhl, da wollte er sie bewähren, wie gehorsam
sie seien, und rief dem Ältesten, der hieß Karl, wie er
selber, und sprach: Komm zu mir und tue deinen
Mund auf und empfahe einen Apfelschnitz von mir.
Karl aber sprach: Herr Vater, es wäre eine Schande,
sollt' ich von Euch einen Apfelschnitz empfahen; ich
kann wohl selbst einen Apfel schälen und auch essen.
Da rief der Vater den andern Sohn, der hieß Pipin,
und sprach: Komm, empfahe du den Apfelschnitz von
mir in deinen Mund. Pipin sprach: Vater, was Ihr befehlt,
dem bin ich gehorsam, und ging hin und kniete
nieder und empfing den Apfelschnitz in seinen Mund,
und der Vater sprach dazu: Ich mache dich zum
König über Gallia und Italien. Und rief darauf den
dritten Sohn, der hieß Ludwig, und sprach: Komm
und empfahe den Apfelschnitz. Und Ludwig gehorchte
gleichermaßen, da sprach der Vater: Dir gebe ich
Lothringen und Burgund, und das ganze Deutsche
Reich soll dein sein, wenn ich sterbe. Da kam Karl
nun auch und sprach: Sieh, Vater, ich tue meinen
Mund auch auf, gebt mir auch einen Apfelschnitz.
Aber der König antwortete ihm: Mein Sohn, du bist
zu spät gekommen. Ich gebe dir weder Apfelschnitz,
noch Land, noch Leute. Darnach ist in diesen Landen
ein Sprüchwort aufgekommen: Karle, du hast zu spät
aufgeginnet.
120. Dom zu Aachen
Da der Dom zu Aachen erbauet ward, hehr und prächtig,
drohte es zu gehen wie beim Dombau zu Köln; es
gebrach an Geld, der Bau konnte nicht fortgeführt
werden, und unvollendet stand das herrliche Münster.
Da erschien vor dem hohen Rat ein reicher Fremder,
der sagte, er habe wohl Geldes die Fülle, wolle das
auch geben zu dem Dombau, damit er vollendet
werde, aber ein hoher Rat müsse ihm auch etwas versprechen.
Als nun der Rat den Fremden fragte, was es
denn sei, das er begehre, da antwortete jener: Nicht
viel, nur die Seele des Ersten, der nach der Vollendung
den Dom betreten wird, verlange ich zu eigen.
Muß damals eine fromme Menschheit gelebt haben,
daß sich's einer so viel kosten ließ, um einer Seele
habhaft zu werden, hat sie später schockweise billiger
haben können – der Rat aber merkte nun, daß der
Fremde der Teufel sei – schauderte, zauderte, bedachte
sich lange, sagte aber doch zu, unter dem Beding,
daß der Pakt geheimgehalten werde. Und ward nun
mit besonderer Kunst und Hülfe das Münster schnell
und herrlich ausgebaut, ward aber auch das Geheimnis
ruchtbar unter den Leuten, und wollte niemand in
den Dom gehen, weder Pfaffen noch Laien. Der Teufel
lauerte Tag auf Tag auf die erste arme Seele, und
ward ihm schier Zeit und Weile lang, es kam niemand,
und da bedräute er den hohen Rat, daß er bald
genug einen aus seiner Mitte holen werde, wenn er
nicht bald einen ersten Kirchengänger schaffe. Da
ward dem Rat bange, sann auf eine List, ließ im Gebirg
einen Wolf fangen, diesen an das Haupttor des
Domes bringen, ließ die Glocken lauten, wie zum
hohen Feste, und stieß, nachdem das Portal geöffnet
war, den Wolf ins Gotteshaus, wo der Teufel schon so
lange lauerte, da es noch nicht geweiht war. Alsbald
fuhr der Teufel zu und packte mit einem Griff den
armen Wolf, daß ihm alsbald die Seele aus dem Halse
fuhr. Wie aber der Teufel sah, daß er nur eine
schlechte Wolfsseele erlangt hatte, fuhr er mit Gebrüll
aus dem Tempel und schlug die eherne Türpforte so
heftiglich zu, daß sie borst und sich spaltete, und ist
der Spalt noch heute zu sehen. Der Rat aber war froh,
daß er des Teufels ledig war, und ließ den Wolf und
dessen arme Seele in Erz gießen und im Dome befestigen.
Die Seele hält das Mittel zwischen einer Artischocke
und einem Tannenzapfen.
Andere erzählen diese Sage anders, und zwar also.
Der Rat zu Aachen hatte just, als der Teufel seine Bedingung
machte, eine arme Sünderin in seinem Gewahrsam,
die schon zum Tode verurteilt war, und
deren Seele verloren gegeben wurde. Diese Verurteilte
nun ward in die Kirche hineingestoßen und ihre Seele
vom Teufel in Empfang genommen, der aber deshalb
aus Ärger die Tür zuwarf, daß sie borst, weil des
Weibes Seele ohnehin schon sein gewesen wäre. Hernachmals
goß man das eherne Bild und stellte den
Teufel selbst in Gestalt eines unreinen Tieres, des
Wolfes, dar, welcher bemüht ist, die Seele in Form
eines Tannenzapfens in seinen Rachen hinabzuschlingen.
121. Der Teufel im Ponellenturm
Zu Aachen in der Stadtmauer steht ein starker Turm,
heißt der Ponellenturm, dahinein haben sie einen Teufel
gebannt, daß er nimmermehr wieder heraus kann,
darin höret man ihn öfters wild rumoren, plärren, an
die Glocke schlagen, auch äfft er sonderlich die Vorübergehenden,
aber heraus kann er nicht, der gebannte
Teufel, ehe denn der Jüngste Tag kommt. Daraus ist
ein Sprüchwort im Volke von einem Ding der Unmöglichkeit,
oder wenn einer eine Sache, die ein anderer
als nahe in Aussicht stellt, bezweifeln will, so
sagt er: Ja, das wird kommen, wenn der Teufel von
Aachen kommt – das ist so viel als nimmermehr.
122. Vom Loosberg über Aachen
Als der Teufel mit der Wolfsseele arg betrogen worden
war, ergrimmte er heftiglich über die Stadt Aachen
und fuhr auf Sturmwindsflügeln bis zum Meeresstrande
im Niederland, sah da die weißen Dünen
im fahlen Lichte schimmern und brütete einen Rachegedanken
aus. Mit einer ganzen breiten Düne belud er
sich, die hing ihm über die Schultern, wie einem
Bauer der Querchsack, und nun ging es mit Teufelsgewalt
auf Aachen los; schon war er über die Maas
und gelangte an das Soerstal, da erhob sich ein starker
Wirbelwind, der schmiß ihm aus der Düne vielen
Sand in die Augen, und da hätte der Teufel sich fast
verirrt. Da begegnete ihm ein altes Weib, das kam des
Wegs von Aachen her, und der Teufel fragte es: Wie
weit ist's noch bis Aachen? – Die Alte sah ihren
Mann an, erkannte ihn am Pferdefuß, zeigte ihm ihren
Schuh und sagte: Schauet, Herr! Die Schuhe zog ich
zu Aachen neu an, und jetzt sind sie zerschlissen – so
weit habt Ihr noch. Darob ergrimmte der Teufel, denn
er war müd und matt und hatte die Schlepperei und
den Sand in den Augen satt, und rief: Ins Teufels
Namen, liege hier, Lausesand! – Und warf die ganze
Düne hin, daß es krachte und stäubte, und hub sich
von dannen. Das sind die beiden Berge, der Loos-
oder Luisberg und neben ihm, niedriger, St. Salvatorsberg,
und in Aachen sagen sie, entweder sei der
Loosberg nach dem losen Sinn, mit dem das alte
Weib den Teufel betrogen, und weil ein alt Weib
loser sein kann wie der Teufel selbst, genannt, oder
nach des Teufels Wort und Namengebung.
In Aachen aber ward das Münster herrlich geweiht
durch den Papst und Kaiser Karl den Großen, im Beisein
vieler Bischöfe und allen Volkes. Auf den einen
Sandhügel ließ Karl der Große eine Kapelle und ein
Kloster erbauen und weihete sie dem Erlöser, weil die
Stadt Aachen von der ihr durch den Bösen drohenden
Gefahr erlöst worden, das ist die Kapelle St. Salvator.
Als Aachens Münster geweiht wurde, sollten so
viele Bischöfe dasselbe weihen helfen, als das Jahr
Tage zählt, es kamen aber deren nur
dreihundertunddreiundsechzig zusammen. Da erhoben
sich zwei gestorbene Bischöfe aus Maastricht aus
ihren Gräbern, dienten mit und legten sich dann wieder
nieder zur ewigen Ruhe.
123. Schlangenring
Kaiser Karl der Große, da er in Zürch im Hause
»Zum Loch« genannt wohnte, ließ eine Rügesäule
aufrichten mit einer Glocke und einem Seile daran
und gebot, wer Recht begehre, das ihm irgend geweigert
werde, der solle an diesem Seile ziehen und diese
Glocke läuten, es sei, wenn es sei, und selbst wenn
der Kaiser am Mittagmahle sitze. Nun geschah es
eines Tages, daß die Glocke erklang und des Kaisers
Diener an die Säule eilten, da fanden sie niemand.
Bald aber erschallte von neuem die Glocke, und fort
und fort, und der Kaiser sandte abermals hin. Da fanden
die Diener eine große Schlange, die hatte das Seil
im Rachen gefaßt und läutete. Wie die Diener dieses
Wunderbare dem Herrn überbrachten, erhub er sich
alsbald und wollte auch dem Tiere Recht sprechen, so
dieses solches begehre. Und siehe, der Wurm neigete
sich vor dem Kaiser und wandelte von der Säule fort
hinab zum Rand eines Wassers; dort fanden sie das
Schlangennest, und auf den Eiern der Schlange saß
eine übergroße Kröte, die wollte nicht herab. Alsbald
gebot der Kaiser, ein Feuer zu schüren, die Kröte mit
Zangen zu packen und zu verbrennen. Als dieses geschehen
war und der Kaiser eines Tages bei Tische
saß, ringelte sich dieselbe Schlange ins Gemach,
kroch zur Tafel hinan, hob von einem Pokal den Dekkel
und ließ einen Ring mit einem kostbaren Edelstein
aus ihrem Munde hineinfallen, verneigete sich gegen
den Kaiser und schlüpfte schnell von dannen. Kaiser
Karl nahm den Ring und schenkte ihn seiner Gemahlin
Fastrada, die er sehr liebte und nun noch mehr
liebte, denn es lag in dem Schlangenring ein heimlicher,
wundersamer Zauber. Auch gebot der Kaiser, an
dem Orte, wo er der Schlange Recht gesprochen, eine
Kirche zu erbauen, dieses geschah, und hieß man dieselbe
Wasserkilch.
124. Kaiser Karl kehrt heim
Im Dome zu Aachen steht ein Stuhl, der ist elfenbeinern,
daran ist uraltes Bildwerk zu erschauen, und das
ist der Stuhl Kaiser Karl des Großen. Als zu einer
Zeit der starke Held auszog in das Heidenland, die
Heiden zum Christentum zu bekehren, schied er sich
von seinem Ehegemahl und gab seiner Hausfrauen
auf, seiner in Züchten zu harren zehen Jahre lang,
käme er dann nicht zurück, so wäre sein Tod gewiß.
Werde er aber ihr einen Boten senden mit seinem Ringelein,
das er ihr wies, dann solle sie dem alles vertrauen
und tun, was er ihr entbieten ließ.
Neun Jahre und viele Monden darüber stritt und
siegte Kaiser Karl im Ungarlande gegen die Heiden,
und daheim hielten sie ihn für tot, und weil das Land
keinen Zuchtherrn hatte, erhob sich um Aachen und
gegen den Rhein eitel Raub und Mord und Brand, und
traten die Räte zu der Herrin, Karls Gemahlin, und
lagen ihr an, einen andern Herrn und König zu erkiesen,
damit das Land nicht zugrunde gehe. Lange weigerte
sich die Frau, weil ihr noch kein Wahrzeichen
gesendet war, aber endlich, da die Herren und Räte
allzumal heftig in sie drangen, ließ sie es zu, daß ihre
Vermählung mit einem reichen König anberaumt
wurde, und kam die Zeit heran, daß nur noch drei
Tage waren vor der Hochzeit, welche festlich begangen
werden sollte. Da sendete Gott der Herr einen seiner
Boten ins Lager nach dem Ungarland, der sagte
Kaiser Karl an, was sich daheim begebe, und sprach
zu ihm: Rüste dich und reite heim, binnen dreien
Tagen ist Hochzeit! – Wie soll ich reiten, fragte Karolus,
in dreien Tagen hundert Tagereisen weit und darüber?
– Reite, und Gott wird mit dir sein! sprach der
himmlische Bote, und da gewann der Kaiser ein gutes
Roß, damit ritt er an einem Tag aus Bulgarien bis gen
Raab, und am andern Tag von Raab bis gen Passau.
Dort gewann er ein frisches Roß und kam gen Aachen
vor das Burgtor, und Gott war mit ihm. Ganz Aachen
war schon ein Sang und ein Schall von eitel Hochzeitglanz
und Klang, denn andern Tages sollte die Hochzeit
sein, und die Trauung früh im Dom. Da ging Kaiser
Karl bei guter Zeit, da es noch Nacht war, in den
Dom, setzte sich auf seinen elfenbeinernen Stuhl und
legte sein großes Schwert quer über seine Kniee, saß
allda ganz ruhig wie ein Steinbild und ruhete von seinem
weiten Ritt. Da kam zuerst der Mesner in den
Dom, der trug die Bücher vor und beschickte die Altäre
und steckte Kerzen auf, und mit einem Male sah
er auf dem Königsstuhle einen greisen Mann sitzen,
in ernster Stille und mit blankem Schwert, da kam
ihm ein Grauen an, und ging und sagte es den Domherren
an. Die wollten solche Mär nicht glauben, denn
auf dem Stuhle durfte niemand sitzen, er wäre denn
König, kamen daher mit Licht, und der Kühnste unter
ihnen nahte dem Stuhle unerschrocken. Aber als er
den Mann darauf sitzen sah so still und wie steinern,
entfiel der Leuchter seiner Hand, und er zitterte und
entwich aus der Kirche und sagte dem Bischof von
dem Ereignis. Der Bischof nahm sogleich zwei Kerzenträger
der Kirche, ließ die vorangehen mit brennenden
Kerzen und folgte ihnen hin zum Kaiserstuhle.
Da sah er den Greisen sitzen und hub bänglich an zu
sprechen: Sag an, wer bist du Mann, und durch wessen
Gewalt unterfängst du dich, diesen Stuhl zu behaupten?
Weißt du nicht, daß dies der Sessel ist unsers
Herrn und Kaisers? – Darauf erwiderte der Kaiser:
Wie du sagst, so ist es, da ich noch König Karl
hieß, war ich euch allen wohlbekannt, da durfte keiner
diesen Stuhl mir wehren! – Und erhob sich und stand
vor dem Bischof in seiner stattlichen Größe, eines
Kopfes höher als der größte Mann, und der Bischof
rief frohlockend aus: Seid gottwillkommen, mein königlicher
Herr! Segen sei mit Eurer Wiederkunft. –
Da läuteten von selbst alle Glocken, des erschraken
die Hochzeitgäste und zogen eilend von dannen, und
der Bischof bat für die Königin und sagte, daß sie gedrungen
worden sei, da verzieh ihr Karolus gerne und
gab ihr seine Huld zu erkennen, denn er liebte sie unabänderlich
und konnte nimmer von ihr lassen.
125. Fastradas Liebeszauber
Mit einer unsterblichen Liebe liebte Kaiser Karl sein
Ehegemahl Fastrada, bis sie erkrankte und starb. Dies
geschah zu Frankfurt am Main, von wannen ihr
Leichnam erhoben ward und gen Mainz geführt, ihn
allda zu bestatten. Aber der Kaiser wich nicht von der
Verstorbenen und duldete nicht, daß man sie von ihm
entferne, denn es fesselte ihn ein Zauber, wie vorher
an die Lebende, so jetzt an die Tote. Das ward des
Kaisers Umgebung auf die Länge ganz unerträglich,
fort und fort den Stank der Verwesung zu atmen, und
endlich ahnete der weise Turpin, des Kaisers Ohm
und Bischof von Mainz, daß ein Zauber hier walte,
suchte und fand im Munde der Toten, oder nach andern
in ihr Haar geflochten, den Ring mit dem Edelstein,
den damals zu Zürch die Schlange in des Königs
Becher gesenkt, und nahm den Ring an sich. Alsbald
wich der Zauber von Fastradens Leichnam, die
dem Kaiser bislang noch immer schön und frisch und
blühend, wie eine Schlafende, erschienen war, deshalb
er sie auch nicht zu bestatten erlaubte – und er
erbebte jetzt vor ihrem Anblick und wollte sie nicht
mehr sehen. Also ward Fastrada bestattet, aber nun
wandte sich Karls ganze Liebe dem Erzbischof zu,
der nun schon wußte, woher diese Neigung stamme.
Und als Erzbischof Turpin im Gefolge des Kaisers
gen Aachen zog, da sah er unterm Frankenberge einen
schönen See, der war still und tief und heimlich.
Dahinein warf Turpin den Schlangenring. Alsobald
entwich die Zauberliebe aus Karols Herzen und
wandte sich nun zu diesem See, wollte nimmer von
ihm scheiden. Ließ ein Schloß zur Wohnstätte auf den
Berg über dem See bauen, da weilte er nun immerdar
und hatte seine Augen stündlich auf den See gerichtet
und verordnete, daß man ihn bei seinem Absterben
allda in seinem Münster zu Aachen begraben solle,
befahl auch, daß alle seine Nachfolger zu Aachen vor
ihrer Krönung sich sollten salben und weihen lassen,
welches auch also geschehen ist in langer Reihe deutscher
Kaiser bis nahe heran an die neue Zeit, da man
nicht mehr deutsche Kaiser zu salben und zu krönen
hatte und das Reich ein Ende genommen.
126. Karl des Großen Tod und Grab
Als es mit Kaiser Karl dem Großen zum Sterben kam,
verordnete der Held, wie es mit seinem Begräbnis geschehen
solle, und geschahen zugleich große Wunderzeichen
am Himmel und auf Erden, welche des mächtigen
Kaisers Absterben vorausverkündigten. So
stürzte der bedeckte Gang ein, der von der Kaiserpfalz
auf den Markt zum Münster führte. Und da Karolus
nun verstorben war, da ward er beigesetzt im
rechten Sinn, in eine neue wohlverwahrte Gruft, auf
einem Stuhl von Marbelstein aufrechtsitzend, auf seinem
Haupt die Krone und in der einen Hand den
Szepter, in der andern das Evangeliumbuch, und ward
dann über ihm die Gruft geschlossen und vermauert.
Das geschahe gleich am zweiten Tage nach dem Tode
des großen Herrschers, und kam nach wenigen Wochen
Ludwig der Fromme, sein Sohn, und übernahm
das Erbe des Reiches. Der sahe seinen Vater nicht
mehr, und kein Mensch sah ihn mehr, bis man das
Jahr Eintausend schrieb. Da trug des Reiches Krone
Kaiser Otto III. vom Sachsenstamme, dem gelüstete
zu einer Zeit, den Leichnam Karl des Großen zu
schauen, ging zum Grabe dar, geleitet von zwei Bischöfen
und einem Grafen, und ließ eine Öffnung in
die Gruft brechen. Da saß der nun seit fast zwei Jahr-
hunderten beigesetzte Kaiser noch hoch und hehr, wie
ein steinern Heldenbild, auf seinem Marbelstuhl, die
Krone noch auf dem Haupte, das Szepter in der behandschuhten
Hand und das Buch auf den Knien,
schier dräuend und schrecklich. Alle beugten sich ehrfurchtvoll
vor dem großen Toten und befanden, daß
die Nägel fortgewachsen waren durch die Handschuhe
hindurch, und daß die Fäule nur erst die Nase ergriffen.
Die ließ Kaiser Otto von Gold ergänzen, schnitt
dem Leichnam mit goldner Schere die Nägel ab und
kleidete ihn in ein weißes Gewand. Dann entnahm er