Czytaj książkę: «Wer bin ich?», strona 5

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1.4.5.2. Die Leidenschaften im Einzelnen

In diesem Abschnitt werden die Leidenschaften im Einzelnen behandelt. Zum besseren Vergleich der beiden Standpunkte (Evagrios/Enneagramm) werden dazu die entsprechenden Eigenschaften von beiden vorgestellt. Deshalb wird jede Abhandlung einer Leidenschaft mit der Definition jener Leidenschaft im Enneagramm eingeleitet. Als Hauptquelle dienen dabei die Definitionen bei Riso und Hudson.187

1.4.5.3. Völlerei/Gier/Unmäßigkeit

Riso/Hudson: „Mit Gier ist das Bedürfnis, möglichst viel zu erleben, gemeint. SIEBENEN versuchen das Gefühl innerer Leere dadurch zu überwinden, dass sie sich aufregenden Gedanken und Aktivitäten zuwenden. Sie können aber nie genug davon bekommen.“188

Evagrios: Sowohl Grüns als auch Sinkewicz’ Kommentar über die Völlerei spricht dafür, dass es dabei nicht um ein Übermaß des Essens geht, sondern um den Gedanken, aus Sorge um die eigene Gesundheit nicht fasten zu wollen, oder um die Unlust, wenn es keine Abwechslung beim Essen oder in der Lebensgestaltung gibt. Die Gedanken sind so raffiniert, dass alle Gründe vernünftig erscheinen und daher alle dahinter stehenden tieferen Gründe verborgen bleiben.

In Sinkewicz’ Übersetzung von De vitiis quae opposita sunt virtutibus des Evagrios beschreibt er die Völlerei folgendermaßen:

There is gluttony then, the mother of fornication, nourishing […] the thoughts with words, the relaxation of fasting, the muzzling of ascesis, terror over one’s moral purpose, imagining of foods, picturer of condiments, a dissolute fawn, unbridled madness, a receptacle of disease, envy of health, an obstruction of the throat, a groaning of the innards, the extremity of insults, a fellow initiate in fornication, pollution of the intellect, weakness of the body, wearisome sleep, gloomy death.189

Und weiter: “A glutton’s soul rejoices at the commemoration of the martyrs; that of the abstinent person imitates their lives.”190 Die Völlerei freut sich über Leichtigkeit; das Ernste wird, soweit es geht, vermieden.

1.4.5.4. Wollust/Unzucht/Schamlosigkeit

Riso/Hudson: „Hier ist nicht nur sexuelle Lust gemeint. ACHTEN sind insofern ‚Wollüstige’, als sie dauernd von einem Bedürfnis nach Intensität, Selbstbehauptung und Macht angetrieben werden. Alles soll nach ihrem Willen gehen – auch wenn dabei manchmal die Fetzen fliegen.“191

Evagrios: In Sinkewicz’ Übersetzung von Evagrios´ Werk De vitiis opposita sunt virtutibus beschreibt er das Laster der Wollust wie folgt: “Fornication is a conception of gluttony, that which softens the heart in advance, […] a furnace of lustful burning, an arranger of marriages with idols, unnatural activity, […] dishonouring of prayer, shame of the heart, guide to ignorance.”192 Die Wollust ist besonders schwierig, weil die Befriedigung der Herzenswünsche unterschiedliche Gestalten annimmt. Wenn es der Person nicht gelingt, das Verlangen nach Befriedigung zu beherrschen, wird sie von Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit überschattet. Denn es herrscht die Überzeugung, dass mit persönlichen Mitteln das Verlangen nicht gestillt werden kann. Wenn es so weit kommt, dann haben die ‚Dämonen’ ihr Ziel erreicht, nämlich, dass der Mönch sein asketisches Leben aufgibt.193 Eine Annäherung an die Einordnung von Muster ACHT zum Bauchzentrum finden wir bei A. Grüns Kommentar zum Dämon der Wollust bei Evagrios, nämlich, „dass der Dämon der Unzucht direkt in den Leib fährt und ihn in Brand steckt.“194

1.4.5.5. Geiz/Habsucht

Riso/Hudson: „FÜNFEN glauben, dass sie über knappe innere Rücklagen verfügen und eine zu intensive Auseinandersetzung mit anderen sie ihres letzten Halts beraubt. Diese Leidenschaft bringt FÜNFEN dazu, sich vor der Welt zurückzuziehen. Sie schrauben ihre Bedürfnisse zurück und klammern sich an Altbewährtes.“195

Evagrios: Auch beim Laster des Geizes geht es darum, dass der Dämon Gründe (Kopfzentrum) vorbringt, die zeigen, wie übel es sein könnte, wenn die Person arm wäre. Diese Angst vor Verarmung führt dazu, dass die Person weniger bereit ist, etwas abzugeben – sei es Materielles, sei es Geistiges. Am besten soll alles behalten werden, denn das, was man schon hat, kann mit einer gewissen Sicherheit für eine längere Zeit erhalten bleiben. Auf der anderen Seite ist es für die habgierige Person sicherer, wenn sie mehr bekäme.196 So kommt es dazu, dass der Dämon der Habgier zu einem ‚Sammler und Bewahrer’ wird.

In De vitiis quae opposita sunt virtutibus steht Folgendes über die Habsucht:

“Avarice is the parsimony of idols, the prophecy of the crowd, a vote for stinginess, a hoarding mentality, a wealth of captivity, a race of injustice, an abundance of illnesses, a diviner of many years, an enchanter of industriousness, a counsellor of sleeplessness, poverty of the belly, meagreness of foods, insatiable madness, a wickedness of many cares.”197

Im obigen Zitat wird deutlich, dass sich die Habsucht dafür interessiert, dass es dem Menschen um jeden Preis gut geht. Sorge um Gesundheit, Reichtum, Sicherheit usw. wird zum Beweggrund jedes Unternehmens. Evagrios warnt vor dem Dämon der Habgier besonders bei älteren Mönchen, die von der Sorge besessen sind, für sich selbst nicht sorgen zu können, wenn sie physisch und psychisch nicht mehr dazu imstande sind. Solche Menschen schämen sich hinsichtlich der Vorstellung, von anderen versorgt werden zu müssen.198

So zeigt sich der Dämon der Habsucht dadurch, dass jeder möglichst viel für sich ansammeln will (Materialismus), aber nichts mit dem anderen zu tun haben möchte (Egoismus).

1.4.5.6. Neid/Traurigkeit

Riso/Hudson: „Neid beruht auf dem Gefühl, dass einem etwas Grundlegendes fehlt. Sie bringt VIEREN dazu zu glauben, andere hätten Vorzüge, die ihnen selbst abhanden gekommen sind. VIEREN befürchten, etwas zu verpassen, und merken dabei nicht, wie viele Segnungen ihnen schon zuteil wurden.“199

Evagrios: “Sadness is one who dwells over loss, who is familiar with frustrated acquisition, […] remembrance of family, a deputy of want, a kinsman of acedia, a complaint of exasperation, a reminder of insult, and darkening of the soul, […] a cloud of form, a worm in the flesh, sadness of thoughts, a people in captivity.”200 So beschreibt Evagrios die Traurigkeit. Es heißt mit anderen Worten, dass jemand etwas will, was gerade nicht erfüllt werden kann. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmt oder Unerlässliches fehlt, führt zur Annahme, dass es Anderen wesentlich besser geht als einem selbst. Zwangsläufig führt dieses Gefühl zu Neid – Neid, dass andere vollkommener und glücklicher, freier und spontaner sind als man selber und alles Erstrebenswerte besitzen. Daher die Ähnlichkeit der Traurigkeit und des Neids.

Nach Evagrios sind die Gedanken, die mit dem Gefühl der Traurigkeit gekennzeichnet sind, die schlimmsten. Sie können den Menschen geradezu vernichten, sodass der einzige Fluchtweg die Extirpation aller anderen Gedanken ist. Denn die Traurigkeit wird durch andere Gedanken genährt.201

Evagrios unterteilt die Dämonen der Traurigkeit in zwei Kategorien. Das bedeutet, dass man erkennen soll, warum das Gefühl der Traurigkeit gerade vorhanden ist. Macht die Traurigkeit den Menschen unglücklich, wenn es keinen Grund für Traurigkeit gibt, dann ist das ein Werk von Dämonen der Traurigkeit. Hingegen ist Traurigkeit aus Reue kein Laster. Es ist ein Ausdruck der Erkenntnis der Sündhaftigkeit des Menschen und Bereitschaft zu einem neuen Anfang.202

Neid ist das Laster, das Evagrios zum neun-zähligen Katalog der Leidenschaften in seinem Werk De vitiis quae opposita sunt virtutibus hinzugefügt hat. In Evagrios’ Beschreibung des Lasters des Neids ist deutlich zu erkennen, dass die Beschreibung der Eigenschaften des Neids mehr oder weniger die der Traurigkeit und Ruhmsucht ergänzen. Zum Beispiel schreibt Evagrios über den Neid: “Jealousy is the garment of pride, the disrobing of humility, the root of slander, the coveting of cheerfulness, the feigning of friendship, treachery in confidence, hatred of love, envy of people highly esteemed, tumult of the steadfast, disparagement of the famous, alteration of the eyes, friend of curiosity.”203

1.4.5.7. Zorn/Groll

Riso/Hudson: „Auf diese Leidenschaft träfe besser die Bezeichnung Groll zu, da Zorn eigentlich kein Problem darstellt. EINSEN unterdrücken ihren Zorn, was dazu führt, dass sie mit sich selbst und der Welt dauernd unzufrieden sind.“204

Evagrios: Der Groll ist ein insoweit gefährliches Laster, weil er mit Beziehungen zu tun hat. Der Groll zerstört nicht nur die Beziehung zum Nächsten, sondern auch zu Gott. Denn nach Evagrios können sich Gedanken des Grolls selten an Gott richten. Durch den Groll kann der Mensch keine innere Stille (hesychia) erlangen; Begegnungen mit anderen Menschen können Nährboden für Jähzorn sein. Bei Evagrios wird dem Problem des Zorns wegen seines potentiellen zerstörerischen Ausmaßes in Gemeinschaften eine größere Aufmerksamkeit gewidmet.205 Bunge kommentiert Evagrios’ Lehre über den Zorn folgendermaßen: „Der Zorn blendet, weil er seinem Wesen nach individuelle Zertrennung, Vereinzelung und Bruch jener Gemeinschaft zwischen Ich und Du ist, die die Liebe herstellt.“206 Für die Person unter der Kontrolle des Zorns ist es nicht möglich, sich verloren/unterlegen zu geben. Manchmal ist die einzige Alternative die Rache, sei es ausdrücklich oder verborgen. Wenn dies nicht möglich ist, dann entsteht Groll, der von einer unerklärlichen, mürrischen betrübten Aura bestimmt wird. Bei solchen Gedanken gibt es keinen Raum für Humor.207

In De vitiis quae opposita sunt virtutibus beschreibt Evagrios den Groll folgendermaßen: “Anger is a plundering of prudence, a destruction of one’s state, a confusion of nature, form turned savage, a furnace for the heart, an eruption of flames, a law of irascibility, a wrath of insults, a mother of wild beasts, a silent battle, an impediment to prayer.”208

1.4.5.8. Trägheit

Riso/Hudson: „Trägheit darf nicht mit Faulheit verwechselt werden, da NEUNEN ziemlich aktiv und erfolgreich sein können. Im Grunde geht es bei der Trägheit um den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden. Das ist der Unwille, aus sich herauszugehen und sich dem Leben voll und ganz zu stellen.“209

Evagrios: „Der Dämon der Acedia [Trägheit] ist für die alten Mönche der gefährlichste. Er enthält in sich fast alle Anfechtungen und Gedanken. Während die anderen Dämonen nur einen Teil der Seele berühren, besetzt der Mittagsdämon die ganze Seele.“210 An der gleichen Stelle beschreibt Grün wie der Dämon der Trägheit den Verstand erstickt, wie er die Seele in einen Zustand der Machtlosigkeit versetzt worauf diese jeder Aktivität mit einer ausgesprochenen Lustlosigkeit begegnet.211 Im übertragenen Sinne heißt es nun, dass der Dämon der Trägheit ein ‚Feind’ des Lebens ist. Denn Leben ist Bewegung, sei es geistig oder motorisch. Ohne Bewegung lebt nichts und entsteht nichts. Für den Mönch heißt dies, dass er das monastische Leben zu anstrengend findet und es schließlich aufgibt. Seine Aufgaben erscheinen ihm banal. Er ist unzufrieden in seiner Zelle oder bei spirituellen Übungen. Er kann sich weder bei der Arbeit noch beim Beten konzentrieren. Im gegenwärtigen Augenblick kann er nicht verweilen; d.h., er ist in sich zerrissen.212 Die amerikanische Professorin für Moraltheologie und Kirchengeschichte Jeri Holladay begann eine ihrer Fastenzeitansprache mit einem Zitat der englischen Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers (1893-1957): Nach ihr ist Acedia “a sin that believes in nothing, cares for nothing, seeks to know nothing, interferes with nothing, enjoys nothing, hates nothing, finds purpose in nothing, lives for nothing, and remains alive because there is nothing for which it will die.”213 Und in einer Reihe von Attributen beschreibt Evagrios das Laster der Trägheit folgendermaßen:

Acedia is an ethereal friendship, one who leads our steps astray, hatred of industriousness, a battle against stillness, stormy weather for psalmody, laziness in prayer, a slackening of ascesis, untimely drowsiness, revolving sleep, the oppressiveness of solitude, […] hatred of one´s cell, an adversary of ascetic works, an opponent of perserverance, a muzzling of meditation, ignorance of scriptures, a partaker in sorrow, a clock for hunger.214

1.4.5.9. Täuschung/Ruhmsucht

Riso/Hudson. „Mit Täuschung ist gemeint, dass wir uns einreden, unser kleines Ego wäre das Wichtigste. Wenn wir das glauben, richten wir unsere Bemühungen nicht auf die Entfaltung unserer wahren Natur. Wir könnten diese Leidenschaft auch Eitelkeit nennen, den Versuch, das Ego aufzuwerten, ohne uns unseren spirituellen Wurzeln zuzuwenden.“215

Auf der Liste der sieben Todsünden in der herkömmlichen Lehre der Kirche gibt es das Laster der Täuschung nicht. Typ DREI des Enneagramms wird mit dem Laster der Täuschung, Lüge oder Ruhmsucht bezeichnet. So wie die Täuschung wurde auch das Laster der Angst im Enneagramm durch Oscar Ichazo ergänzt.216 Rohr/Ebert äußern die Vermutung, dass die Klassifizierung des Lasters der Täuschung aus der Tradition der Sufis komme, weil im Westen die Täuschung nie als Sünde gesehen worden sei. Das ist umso überraschender, so Rohr/Ebert, weil gerade dieses Laster eines der Hauptlaster unserer Gesellschaft sei. Nach den Sufis sei die Täuschung gefährlicher, weil sie von uns nicht unbedingt gesehen werde. Das geschieht, weil man die eigene Sünde nur schwer wahrnehmen könne.217

Evagrios: Außer seiner Beschreibung der Eigenschaften der Ruhmsucht zeigt Evagrios, wie nahe der Stolz, der Neid und die Ruhmsucht beieinander liegen. Interessanterweise liegen die drei Laster im Enneagramm ebenfalls beieinander und sind die Herzenstypen des Enneagramms. So beschreibt Evagrios in De vitiis quae opposita sunt virtutibus:

Vainglory involves fantasizing about social encounters, a pretence of industriousness, the contrary of the truth, author of heresies, desire for privilege, the ultimate title, slavery to praises, a spirit of many forms, a beast with many teeth; the mean of vainglory is entwined with pride and jealousy which are found within one another218.

Der Dämon der Ruhmsucht will sich als etwas Besonderes präsentieren. Die Ruhmsucht will sich erfolgreich sehen und versucht, dieses Image beizubehalten. Um das zu erreichen, greift sie zu verschiedenen Tricks, die ihre Ziele begünstigen. Hier schleichen sich die Lüge und die Täuschung ein, so wie der Typ DREI im Enneagramm. Das größte Problem der Ruhmsucht besteht darin, dass das eigene Ich in den Vordergrund gestellt wird. Alles passiert im Dienst des Ichs. Und Grün weiter: „Es geht um eine Verherrlichung des Ich, nicht um Auslieferung an Gott.“219

1.4.5.10. Stolz/Hochmut

Riso/Hudson: „Mit Stolz ist die Unfähigkeit oder der Unwille zur Anerkennung des eigenen Leids gemeint. [ZWEIEN]220 wollen anderen ‚helfen’ und gestehen sich dabei nicht ihre eigenen Bedürfnisse ein. Diese Leidenschaft könnte man auch als Hochmut, Stolz auf die eigene Tugend, bezeichnen.“221

Evagrios: Nach Evagrios entsteht der Stolz, wenn das Laster der Ruhmsucht die Oberhand über die Person gewonnen hat. Man erreicht alles, hat alles, kann alles. Andere haben nichts mehr zu sagen, ja, alles habe ich mit meinem eigenen Können erreicht. Ich brauche keine Hilfe von niemandem, nicht einmal von Gott. Niemand kann mir etwas sagen. Nur ich habe das Sagen. ´Nur ich weiß besser, kann besser beraten, kann besser helfen. Die anderen werden benutzt zum eigenen Vorteil. Es ist eine heimliche Selbstliebe. Leider sperrt diese Selbstliebe die Liebe Gottes aus.222 Im gleichen Sinne beschreibt Evagrios in seinem Schreiben an Eulogios (De vitiis quae opposita sunt virtutibus): “Pride is opposition to God […] wicked jealousy, […] insolence in one’s attitude, conceit of the flesh, false love of esteem, […]. Humility is a thankful acknowledgement of God, a true recognition of one’s nature”223. Der Stolze verneint sein Menschsein.

Weiter schreibt Evagrios über die Hilfe/Freundschaft des Stolzen: Wenn solche Leute Andere bei sich empfangen, wollen sie, dass jeder sieht, dass sie die Gastgeber sind.224 Der Stolze hält sich nicht zurück, wenn er die Gelegenheit hat, sich zu präsentieren. Rohr/Ebert bezeichnen den Stolz als „Ausdruck eines ‚aufgeblasenen Selbst’, eines ‚inflationären Egos’.“225 Das wahre Selbst wird in einer Scheinwelt gefangen gehalten. Der einzige Weg, sich aus dieser Gefangenschaft zu befreien, sei „die Ehrlichkeit sich selbst [und Gott] gegenüber“226, so Grün.

1.4.5.11. Angst/Furcht

Riso/Hudson: „Auf diese Leidenschaft träfe besser die Bezeichnung Ängstlichkeit zu, da es eigentlich darum geht, dass man sich fürchtet, ohne dazu einen konkreten Anlass zu haben. SECHSEN machen sich um zukünftige Ereignisse Sorgen und trauen nichts und niemandem so schnell über den Weg.“227

Furcht bei Evagrios: Treffend für die Bezeichnung der Furcht als eines der Laster bei Evagrios ist der Kommentar in Sinkewicz’ Übersetzung von Evagrios’ Schrift „Über die Acht Gedanken“: Hier nimmt er Evagrios’ Beschreibung des Verhaltens der Dämonen auf, wenn sie einen Mönch nicht dazu bringen kann, sich unter die Macht der Gedanken zu begeben. Der Mönch wird von den Dämonen heimgesucht, und zwar in einer ungenierten, aggressiven Weise. “When the demons cannot turn the monk’s thoughts to wickedness, they will seek to instil terror and panic through horrible nightmares or daytime hallucinations, all with the purpose of moving the solitary to abandon his monastic commitment.”228 Ferner bedeutet bei Evagrios die Furcht, dass die Person keine Hoffnung mehr im Kampf gegen die Laster hat. Man gibt auf.229 Die Beschreibung der Furcht bei Evagrios bedeutet genau das, wozu die Dämonen den Menschen versuchen zu bringen, nur auf sich zu schauen und Gottes Führung nicht zu beachten. Genau hierin besteht der Unterschied zwischen einer gottbedingten und Dämon-bedingten Furcht. Jemand der die Gottesfurcht hat, „meidet Gott nicht, sondern sucht gerade bei Gott Rettung. Die Furcht Gottes hat dann einen ausdrücklich erlösenden Charakter. Sie verwandelt sich in Glauben, Vertrauen und Liebe“230, so Kasimir Romaniuk.

1.4.6. Symbole und Zahlen bei Evagrios

Ein anderes Element, das sich bei Evagrios mit dem Enneagramm in Verbindung bringen lässt, ist die Nutzung von Symbolen und Zahlen. Rohr/Ebert weisen zwar auf die Nähe des ‚heutigen’ Enneagramms mit den Eigenschaften von Evagrios’ Lehre hin, machen aber deutlich, dass es wesentliche Unterschiede gebe231

Zahlen spielen bei vielen Völkern und in allen Zeiten eine wichtige Rolle. Zum Teil haben die Zahlen und Symbole nicht nur einen kulturellen, sondern tief religiösen Sinn.232 In seiner Verteidigung gegen die Vorwürfe eines Tritheismus geht Evagrios von der Bedeutung der Zahl aus zur wahren Natur der Zahl und was sie für eine tiefere Gotteserkenntnis bedeuten kann.233 Daher „waren […] Zahlen für Evagrius alles andere als zufällig, vielmehr verbarg er darin symbolische Hinweise, die wir heute nicht mehr alle zu entschlüsseln vermögen.“234

Die Zahl ist nicht das Sein, aber sie veranschaulicht es. Die Zahl kann nie dem Sein gleich, aber Mittel zum Seins-Verständnis und zum Umgang damit sein. In diesem Zusammenhang finden wir Zahlen, denen eine tiefgehende Bedeutung zuerkannt wird. So ist auch die Heilige Schrift voll von Zahlensymbolik, die nicht ohne die Kulturtraditionen der nahe liegenden Völker zu denken ist. So war zum Beispiel in Babylonien „Vierzig“ eine schicksalshafte Zeit, eine Zeit der Erwartung und Geduld.235 Dass die Sprache der Bibel Symbole und Zahlen enthält, kann für Christen ein Zugang zu einer Wertschätzung der Dynamik der Zahlen und Symbole im Enneagramm sein. Die christliche Sprache ist voll von bedeutsamen Zahlen: 40 Tage, Trinität, 12 Apostel, 7 Tage etc.. Augustinus hält z.B. die Zahlen in der biblischen Sprache nicht nur für mystisch, sondern sogar für heilig.236

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9783429062040
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