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Czytaj książkę: «Der Fatalist», strona 5

Czcionka:

XII

Ich brachte einen unruhigen und langweiligen Tag zu. Tegleff kam weder zum Mittag- noch zum Abendessen. Meinen Bruder erwartete ich nicht einmal. Gegen Abend verbreitete sich wieder ein dichter Nebel, noch dichter als der gestrige. Ich legte mich ziemlich früh nieder. Ein Klopfen an’s Fenster weckte mich.

Die Reihe zusammenzufahren kam an mich! Das Klopfen wiederholte sich, und zwar so deutlich und energisch, daß an seiner Wirklichkeit zu zweifeln unmöglich ward. Ich stand auf, öffnete das Fenster und erblickte Tegleff. In seinen Mantel eingehüllt, die Mütze tief über die Stirn gezogen, stand er unbeweglich da.

»Wie, Ilia Stepanitsch!« rief ich, »sind Sie es? Wir haben lange auf Sie gewartet. Kommen Sie herein!l Oder ist die Thüre zu?«

Tegleff schüttelte den Kopf. »Ich will nicht hineingehen,« sagte er dumpf, »ich wollte Sie nur bitten, morgen diesen Brief dem Batterie-Chef zu übergeben.«

Er reichte mir einen großen, mit fünf Siegeln verschlossenen Brief. Ich war überrascht – doch mechanisch nahm ich das Schreiben. Tegleff entfernte sich sofort bis zur Mitte der Straße. »Warten Sie, warten Sie!« rief ich ihm nach. . . »Wohin gehen Sie? Sind Sie jetzt erst gekommen? Was ist das für ein Brief?«

»Sie versprechen mir doch, ihn an seine Adresse zu befördern?« fragte Tegleff, einige Schritte zurückthuend.

Der Nebel machte bereits seine Gestalt undeutlich.

»Sie versprechen es?«

»Ich verspreche es . . . doch sagen Sie zuerst . . .«

Tegleff entfernte sich noch mehr . . . und wurde zu einem länglichen, dunklen Fleck . . . »Leben Sie wohl,« hörte man seine Stimme. »Leben Sie wohl, Riedel! Gedenken Sie meiner nicht im Bösen. . . Vergessen Sie Semen nicht! . . . « Auch der Fleck verschwand.

Das wurde mir zu viel. »Verdammter Phrasenmacher!« dachte ich. »Du mußt doch stets auf den Effect hin arbeiten!«

Doch bekam ich Angst. Unwillkürlicher Schreck machte mir die Brust beklommen. Ich warf meinen Mantel um und lief auf die Straße.

XIII

»Da war ich – doch wohin sollte ich mich wenden? Der Nebel umhüllte mich von allen Seiten. Auf fünf, sechs Schritte war er noch durchsichtig – doch weiter hin stand er da wie eine Mauer – flockig und weiß wie Baumwolle. Ich bog links auf der Straße des Dorfes ein, das hier auch aufhörte; unser Haus war das vorletzte in dieser Richtung; daran schloß sich das öde, nur stellenweise mit Strauchwerk bewachsene Feld an; hinter dem Felde, etwa fünfhundert Schritte hinter dem Dorfe, befand sich ein Birkenwäldchen, durch welches sich dasselbe Flüßchen zog, das weiter unten um das Dorf floß. Dies Alles wußte ich im Allgemeinen, da ich es häufig am Tage gesehen – doch jetzt sah ich nichts – und konnte · nur aus der größeren Dichtigkeit und Weiße des Nebels schließen, wo der Boden sich senkte und das Flüßchen vorbeirann. Am Himmel stand, wie ein bleicher Fleck, der Mond – doch sein Licht war, wie die Nacht vorher, nicht im Stande, den festen Rauch des Nebels zu durchdringen, und senkte sich von oben wie ein breiter, mattgoldener Vorhang eines Baldachins. Ich erreichte das Feld – und horchte . . . kein Ton war zu hören, nur pfiffen die Wasserschnepfen.

»Tegleff!« rief ich,– »Ilia Stepanitsch! Tegleff!«

Meine Stimme erstarb in meiner Nähe ohne Antwort; es schien, als ob der Nebel sie nicht weiter »dringen ließ . . . »Tegleff !« – wiederholte ich.

Niemand antwortete.

Ich ging auf’s Gerathewohl vorwärts. Ein paar Male stieß ich auf einen Zaun, wäre beinahe einmal in einen Grenzgraben gefallen . . . stolperte fast über ein am Boden liegendes Bauernpferd . . . »Teg leff! Tegleff!« schrie ich.

Plötzlich hörte ich dicht hinter mir eine leise Stimme: »Da bin ich . . . Was wollen Sie von mir?«

Ich wandte mich rasch um.

Vor mir stand mit herabhängenden Händen, mit unbedecktem Kopfe – Tegleff. Sein Gesicht war bleich, doch schienen die Augen lebhafter und größer als gewöhnlich . . . Er athmete tief und anhaltend durch die weit geöffneten Lippen.

»Gott sei Dank!« rief ich in einem Anfall von Freude und ergriff ihn an beiden Händen . . . »Gott sei Dankt Ich verzweifelte bereits, Sie zu finden! Und Sie schämen sich nicht, mich so zu erschrecken! . . . Da hört ja Alles auf, Ilia Stepanitsch!«

»Was wollen Sie von mir ?« wiederholte Tegleff.

»Ich will . . . ich will vor Allem, daß Sie mit mir nach Hause gehen. Und zweitens will ich, verlange ich von Ihnen, wie von einem Freunde, daß Sie mir sofort erklären, was Ihre . . . Ihre Handlungsweise – und dieser Brief an den Hauptmann bedeuten sollen? Ist Ihnen in Petersburg etwas Unerwartetes zugestoßen?«

»Ich habe in Petersburg das, was ich erwartet, gefunden,« antwortete Tegleff, sich nicht vom Platze rührend.

»Das heißt: Sie wollen sagen . . . Ihre Freundin, Marie . . .«

»Sie hat sich das Leben genommen,« rief schnell und ärgerlich Tegleff . . . »vor drei Tagen hat man sie beerdigt! Sie hat mir nicht einmal einige Zeilen hinterlassen . . . sie hat sich vergiftet.«

Tegleff stieß diese schrecklichen Worte schnell aus – und stand immer regungslos, wie versteinert da.

Ich schlug die Hände zusammen. – »Ist es möglich? Welch’ Unglück! Ihre Ahnung ist zugetroffen. . . Das ist schrecklich!«

Verwirrt wie ich war, hielt ich inne. Tegleff kreuzte langsam und wie im Triumphe die Hände auf der Brust.

»Uebrigens,« begann ich wieder, »was stehen wir hier? Gehen wir nach Hause!«

»Gehen wir,« sagte Tegleff, »doch wie finden wir in diesem Nebel den Weg?«

»In unserem Hause scheint Licht durch die Fenster . . . wir wollen uns darnach richten. Gehen wir!«

»Gehen Sie voran,« antwortete Tegleff. »ich folge Ihnen.«

Wir machten uns auf den Weg. Wir gingen schon etwa fünf Minuten und das Licht, das unser Wegweiser sein sollte, zeigte sich nicht; endlich blitzten vor uns zwei röthliche Punkte auf. Tegleff folgte mir in gemessenen Schritten. Ich sehnte mich innigst, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und von ihm alle Einzelheiten über seine unglückliche Fahrt nach Petersburg zu erfahren. Niedergeschlagen durch seine Mittheilung, gestand ich ihm in einem Anfall von Reue und einer gewissen abergläubischen Angst, noch ehe wir das Haus erreicht hatten, daß das gestrige geheimnißvolle Klopfen von mir herrührte . . . und welche tragische Folge sollte jener Streich haben . . .

Tegleff beschränkte sich zu bemerken, daß ich dabei keine Schuld trüge daß meine Hand durch etwas Anderes geführt worden – und daß es nur beweise, wie wenig ich ihn kenne. Seine sonderbar ruhige und gleichmäßige Stimme tönte dicht an meinen Ohren . . . »doch Sie werden mich kennen lernen,« fügte er hinzu. »Ich habe gesehen, wie Sie gestern gelächelt haben, als ich von Willensstärke sprach. . . Sie werden mich kennen lernen und meiner Worte gedenken!« . . .

»Die erste Hütte des Dorfes tauchte wie ein dunkles Wunderding aus dem Nebel vor uns auf . . . da zeigte sich auch unser Haus . . . mein Jagdhund bellte, wahrscheinlich mein Kommen spürend.

»Ich klopfte an’s Fenster. – »Semen!'· rief ich den Diener Tegleffs, »he, Semen, öffne uns schnell die Gartenthür!«

Die Thür ging mit Geräusch auf; Semen trat über die Schwelle. »Ilia Stepanitsch, kommen Sie herein!« rief ich und wandte mich um . . .

Von einem Ilia Stepanitsch keine Spur! Tegleff war verschwunden, wie in die Erde versunken.

»Fast sinnberaubt trat ich in’s Haus.

XIV

Aerger über Tegleff, über mich selbst verscheuchte bei mir jenes Erstaunen, das mich Anfangs überfallen hatte.

»Dein Herr ist verrückt,« drang ich aus Semen ein, »ganz und gar verrückt! Er fährt nach Petersburg kehrt zurück – und läuft jetzt umher. Ich fand ihn und brachte ihn bis zur Gartenthür – und sieh da! da ist er wieder fortgelaufen! In einer solchen Nacht nicht zu Hause zu bleiben! Er hat sich eine schöne Zeit zum Spaziergang ausgesucht!«

Doch warum habe ich seine Hand losgelassen!« warf ich mir vor.

Semen blickte mich schweigend an, als ob er mir was sagen wolle – doch nahm er nur eine andere Stellung ein, nach Art der damaligen Diener.

,Wann ist er weggefahren ?« fragte ich streng.

»Um sechs Uhr Morgens!«

»Und wie – schien er bewegt, traurig zu sein?«

Semen stutzte. »Mein Herr,« fing er an, »ist ein Sonderling; wer soll ihn verstehen? Als er nach der Stadt fuhr, ließ er sich die neue Uniform geben – und brannte sich Locken.«

»Wie, Locken ?«

»Ja, brannte sich die Haare. Ich habe noch die Zunge glühend machen müssen.

Das hatte ich allerdings nicht erwartet! – »kennst Du,« fragte ich Semen, »ein Fräulein . . . die Freundin von Ilia Stepanitsch, sie heißt Marie?«

»Wie sollte ich Marie Anempodistowna nicht kennen? Es ist ein gutes Fräulein!«

»Dein Herr ist in diese Marie . . . und so weiter, verliebt?«

Semen seufzte. »Dieses Fräuleins wegen wird mein Herr noch zu Grunde gehen. Denn lieben thut er sie schrecklich – sie zu heirathen aber entschließt er sich nicht – und von ihr lassen kann er auch nicht. Immer wegen seines Kleinmuthes! Er liebt sie eben zu sehr.«

»Warum denn? Ist sie denn so hübsch?« examinirte ich weiter.

Seinen machte ein ernstes Gesicht. – »Die Herrschaften lieben solche . . .«

»Und nach Deinem Geschmack ?«

»Für mich ist sie unpassend – ganz und gar.«

»Weßhalb?«

»Sie ist mir zu mager!«

»Wenn sie stirbt,« fing ich wieder an, »wird sie, nach Deiner Meinung, der Herr überleben können?«

Semen seufzte wieder. »Das kann ich nicht sagen – das geht die Herrschaft an – nur ist mein Herr allerdings ein Sonderling.«

Ich nahm den großen und ziemlich dicken Brief vom Tische, den Tegleff mir gegeben und drehte ihn ein paar Mal in den Händen um. Die Adresse: »Seiner Hochwohlgeboren dem Herrn Batierie-Chef, Hauptmann und Ritter«, war mit Angabe des Tauf-, Vater- und Familien-Namens sehr deutlich und gewissenhaft geschrieben. An der oberen Ecke des Couverts befand sich der Vermerk »sehr wichtig« zweimal unterstrichen.

»Höre, Semen,« fing ich an, »ich habe Angst um Deinen Herrn. Er hat, glaube ich, etwas Schlimmes vor. Man wird ihn durchaus aufsuchen müssen.«

»Zu Befehl,« antwortete Semen.

»Draußen ist allerdings ein solcher Nebel, daß man nicht drei Schritte weit sehen kann; aber einerlei, versuchen maß man’s doch. Wir wollen Jeder eine Laterne nehmen und an jedem Fenster ein Licht brennen lassen – für jeden Fall!«

»Zu Befehl,« rief Semen, zündete die Laternen und Lichter an – und wir gingen hinaus.