Seewölfe Paket 27

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

8.

Der Waldschrat war aus dem Traumland zurück und glotzte. Da er mit dem Rücken zum Bug an den Mast gefesselt war, hatte er freie Aussicht auf den Achteraussektor, wo sich die eine Schaluppe schlicht auf die Steuerbordseite legte und abblubberte, während triefende Gestalten bei der anderen Schaluppe an Bord gehievt wurden. Da bekam er wieder seine glühenden Augen.

Nun hatte ihm der menschenfreundliche Carberry den Knebel abgenommen, um ihm ein besseres Atmen zu ermöglichen, denn sicher war der Kerl mächtig verschnupft. Er dankte es dem Profos mit einem Urschrei, der die Planken erzittern ließ, und einer rasselnden Folge holländischer Flüche, die gewiß nicht der Reinlichkeit heimatlicher Stuben entsprachen.

Vielleicht hatten die Mijnheers schon bei der Verfolgung der beiden Gegner festgestellt, wen die da eingefangen und an den Mast gebunden hatten. Aber jetzt brüllten sie gleichfalls auf der einen Schaluppe und schüttelten die Fäuste. Doch diese Drohgebärde galt wohl eher dem Gegner, der ihnen bisher so höllisch eingeheizt hatte.

Das war ganz klar keine Dankesbezeigung dafür, daß dieser Gegner keine Metzelei veranstaltet hatte, solange das Bergen der Schiffbrüchigen vonstatten ging.

Hasard nahm es gelassen hin.

Indessen tigerte der Profos zu dem Waldschrat und verklarte ihm, daß er das Maul zu halten habe, widrigenfalls sah er sich gezwungen, es ihm zu stopfen. Und er zeigte dem Waldschrat den Profoshammer, dieses Ding aus Eisen, das so spielerisch leicht durch die Luft fliegen konnte, aber beim Aufprall von zertrümmernder Gewalt und Wucht war.

Er hielt dem Waldschrat dieses Ding vor die Nase. Und was tat dieser Lümmel? Er spuckte drauf.

Carberry wischte die Spucke freundlich grinsend in den Pelzhut, streifte die Faust noch einmal am Hosenbein des Waldschrats ab, tunkte sie in eine Wasserpütz, um auch sicher zu sein, daß ihr keine Spucke mehr anhaftete, und dann war’s wieder mal soweit.

Es bumste zweimal. Beim ersten Mal, als Hammer und Kinn aufeinandertrafen, und das zweite Mal – einen Lidschlag später –, als der Schädel des Waldschrats an den Mast krachte.

Der Waldschrat schaute überkreuz, dann wurden seine Augen wieder glasig, und er nippelte ab – dies stehenden Fußes, da er ja fest an den Mast gewickelt war. Nur der Kopf sackte ihm nach vorn, wobei der Pelzhut auf die Planken fiel. Der Profos beförderte ihn mit einem Fußstoß, der wieder einmal eine Staubwolke erzeugte, außenbords.

„Schade“, sagte Hasard. „Ich hätte mich gern mit ihm verständigt, daß er seinen Leuten verklaren soll, hier ein für allemal abzuziehen.“

„Sir“, entgegnete der Profos, „dieser Mistkerl hätte dir was gehustet – oder er hätte dich auch angespuckt. Wetten?“

„Lieber nicht.“

Auf der Gegner-Schaluppe kletterte der letzte Schiffbrüchige an Bord – der Hackklotz. Das Bad hatte ihn keineswegs abgekühlt. Er brüllte deren Kapitän an, als sei der schuld, daß auf der Führer-Schaluppe die Drehbasse auseinandergeflogen war.

„Wir greifen an!“ rief Hasard zu Don Juan hinüber. „Aber von zwei Seiten! Ich gehe nach Westen!“

Don Juan zeigte verstanden, ließ die Fock bakhalten und fiel auf Südkurs ab. Hasard kreuzte nach Westen auf und ging dann ebenfalls auf Südkurs. Auch die Schaluppe segelte diesen Kurs. Die Kerle hatten wohl eingesehen, daß ihre Chancen, dem Gegner einzuheizen, mit dem Verlust einer Schaluppe erheblich vermindert waren. Die Situation hatte sich gewandelt. Jetzt waren sie nicht mehr Jäger, sondern Gejagte.

Hasard und Don Juan holten mit ihren Schaluppen auf, Hasard westwärts des Gegners, Don Juan ostwärts. Aber es war ein Rennen gegen den sinkenden Tag. Die Sonne stand über dem westlichen Horizont, in diesem Fall der Bergkette, die sich tiefer im Land von Süden nach Norden hinzog und bis nach oben zur Nordküste von Mindanao reichte.

Hasard erkannte, daß es ein totes Rennen werden würde. Sie würden erst auf Schußweite heran sein, wenn die Dunkelheit anbrach. Und dann wurde die Situation unübersichtlich. Er ging auf Südostkurs, kreuzte das Kielwasser der Gegner-Schaluppe und ließ Carberry einen Musketenschuß in die Luft abfeuern.

Don Juan wandte den Kopf, und Hasard stieß den Arm nach Osten, um anzudeuten, daß sie sich dort treffen sollten. Don Juan verstand und fiel vor den Wind ab.

Die Kerle grölten, und dieses Grölen drückte Erleichterung aus. Sie hatten schon mächtig geschwitzt.

Don Juan wartete, bis Hasard zu ihm aufgeschlossen hatte und längsseits glitt. Die Dämmerung lag jetzt über dem Golf von Davao. Die Bergkette im Westen schimmerte noch rot.

„Na?“ fragte Don Juan lächelnd. „Hatte keinen Zweck mehr, wie?“

Hasard nickte. „Ich wollte ein Nachtgefecht vermeiden und schlage folgendes vor: einer von uns bleibt hier und hält die Kerle ein bißchen in Trab – mit der gebotenen Vorsicht, versteht sich, aber so, daß sie keinen Spaß an der Nachtruhe und noch weniger am Bäumefällen haben. Der andere segelt nach Davao, alarmiert die Arwenacks und lotst die ‚Santa Barbara‘ hierher, das heißt, an einen Punkt nördlich des Lagers, wo der größte Teil der Mannen an Land gesetzt wird, um das Lager aufzurollen und den Kerlen Manieren beizubringen.“

„Einverstanden. Wer bleibt hier, wer segelt nach Davao?“

„Du hast unseren Scharfschützen an Bord“, erwiderte Hasard grinsend, „und sonst bist du ja auch ziemlich scharf.“

„Das heißt, ich bleibe hier?“

„Du mußt nicht, bewahre! Ich übernehme das genauso gern, mein Guter!“

„Nein, nein!“ sagte Don Juan hastig.

„Na also. Braucht ihr noch was? Essen oder was zum Gluckern? Munition?“

Al Conroy meldete sich: „Drehbassenkugeln und Pulver, Sir!“

„Geht klar.“

Und so wurde Hasards Schaluppe um das Gewünschte geleichtert, und Carberry reichte Al Conroy eine Buddel „Zielwasser“ übers Schanzkleid, da kannte er nichts, da war er heroisch.

„Sag mal, Ed“, fragte Hasard, „wie viele Rumbuddeln hast du hier eigentlich an Bord geschleppt?“

„Ich?“ Der Profos tat sehr erstaunt. „Das war Mac Pellew, Sir, mein Freund und Blutsbruder.“

„Wie viele?“ bohrte Hasard.

„Äh!“ Der Profos kratzte sich im Genick. „Ich glaube, es sind sechs für jeden von uns eine, nicht? Und jetzt verzichte ich auf meine und hab sie Al gegeben, damit er sich etwas Gutes antun kann, und weil die Nächte immer so lausig sind, nicht?“

Hasard seufzte nur. Carberry war das Salz dieser Erde – und zugleich der letzte Sargnagel. Sechs Flaschen Rum für eine nachmittägliche Trimm- und Spähfahrt! Na ja, jetzt ging es in die Nacht.

„Habe ich nicht gut vorgesorgt, Sir?“ tönte prompt der Profos. „Denn wir werden uns ja auch die Nacht um die Ohren schlagen müssen, was, wie?“

„Das konntest du aber vorher nicht wissen, Ed“, sagte Hasard sanft. „Oder trittst du jetzt in Konkurrenz zu Old Donegal?“

„Das bestimmt nicht, Sir“, versicherte der Profos. „Aber schau mal, der Mister Tucker braucht immer leere Flaschen für seine Flaschenbomben, nicht? Und er hat mich gebeten, ihm zuzuarbeiten, was bedeutet, ihm leere Flaschen zu besorgen. Und ich ersehe es als meine Pflicht, seine Bitte getreulich zu erfüllen, woraus folgert, daß ich mich um das Leeren von Flaschen kümmern muß. Je schneller wir sie austrinken, desto früher kann Mister Tucker einen Vorrat an Flaschenbomben anlegen. Ist doch logisch, nicht?“

Da seufzte Hasard ein zweites Mal.

Carberry faßte das als Zustimmung auf, strahlte und sagte: „Siehst du, Sir, es hat alles seine Richtigkeit. Und was mein Zuarbeiten für Mister Tucker betrifft, da kannst du dich voll und ganz auf mich verlassen.“

„Das glaube ich“, sagte Hasard aus tiefster Überzeugung und mit dem gewissen Ton, den auch Carberry kannte, nämlich als Warnung, seinen Kapitän nicht für dumm zu verkaufen.

So wurde dieses Thema nicht weiter ausgesponnen. Die Dunkelheit war da, es wurde Zeit, sich zu trennen. Von der Küste drüben im Westen war nichts mehr zu sehen – nur ein roter Lichtpunkt, der andeutete, daß dort wieder ein Feuerchen brannte. Aber die Kerle würden nicht merken, daß eine Schaluppe nordwärts segelte und die andere zunächst weiter im Wind liegen blieb.

Hasard und Don Juan sprachen sich noch kurz ab, dann löste sich Hasards Schaluppe von der anderen und ging auf Nordkurs. Minuten später wurde ihr Schatten von der Dunkelheit verschluckt.

Don Juan war sich sicher, daß die Kerle nach allem, was bisher passiert war, scharf aufpassen und ihr Lager nach allen Seiten abschirmen würden, also auch zur See hin. Es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, davon auszugehen, daß sie ihr besonderes Augenmerk nach Norden richten würden, wo Davao lag und von wo die beiden Gegner-Schaluppen herangesegelt waren.

Daher ging er jetzt auf Südkurs in der Absicht, sich dann auch von Süden her an das Lager heranzupirschen und von Land her die Lage zu peilen, bevor er – nach einer Formulierung des Siri-Tong-Steuermanns Barba – „die Kuh fliegen ließ“. Er mußte wissen, ob sich südlich des Lagers ein Posten befand.

Als Gary Andrews vom Bug der Schaluppe aus weit voraus an Backbord den roten Lichtpunkt des Feuers sah und meldete, drehte Don Juan auf Land zu und ließ die Schaluppe in einer kleinen geschützten Bucht auf den Sand laufen. Sie warteten ab und lauerten. Der Küstendschungel wirkte wie eine dunkle schweigende Wand. Nur vom Lagerplatz her ertönten gedämpfte Geräusche – Männerstimmen, Klopfen und Hämmern. Es konnte sein, daß die Kerle den Mast der am Heck beschädigten Schaluppe auf die andere Schaluppe ummontierten und dort aufriggten. In unmittelbarer Nähe der kleinen Bucht tat sich nichts. Nur auf dem schmalen Sandstrand krabbelten hurtig ein paar Krebse mit rundem Rückenschild herum und verschwanden in winzigen Löchern.

 

Don Juan nickte Gary Andrews zu. Über den Bug stiegen sie an Land und schlichen nordwärts, wobei sie dicht am Strandbuschwerk blieben, das ihnen jederzeit Deckung bot, aber auch mit seinem Schlagschatten abschirmte. Sie gelangten lautlos voran, denn der Sand schluckte ihre Schritte. Dennoch verhielten sie immer wieder, lauschend und spähend.

Als sie sich bis auf etwa fünfhundert Schritte dem Lager genähert hatten, entdeckten sie den Kerl. Er saß auf einer vom Sturm entwurzelten Kokospalme, die schräg zum Strandverlauf lag. Er spielte Sitzdenkmal – bis auf den Kopf, der ihm ständig nach vorn fiel. Wenn ihn der Hackklotz kontrollierte, würde es Mord und Totschlag geben. Sich auf Wache hinzusetzen, war eine Einladung fürs Sandmännchen, aktiv zu werden.

Die Muskete hatte der Kerl neben sich an den Stamm gelehnt. Er saß so, daß er einen Überblick über den Sektor von Osten nach Süden hatte. Ohne seinen Kampf mit dem Sandmännchen hätte er die heransegelnde Schaluppe möglicherweise entdecken können, ganz bestimmt aber hätte er sie gesichtet, wenn sie an ihm vorbeigesegelt wäre – vorausgesetzt, er paßte auf.

Don Juan hatte richtig getippt. Die Kerle schirmten ihr Lager ab. Im vorliegenden Fall allerdings mit einer ziemlich trüben Tasse. Zwischenzeitlich schnarchte der Kerl sogar und erschreckte sich vor seiner eigenen Schnarche, wie an seinem Zusammenzucken zu bemerken war. Vom Lager her konnte er nicht gesehen werden. Da stand Buschwerk dazwischen.

Ein trautes Plätzchen hatte er sich ausgesucht.

Don Juan und Gary Andrews umgingen ihn und nahmen ihn von hinten an. Gary angelte sich die Muskete, Don Juan klopfte ihm den Pistolengriff aufs Haupt. Es war nicht pelzbemützt und so eisern wie beim Waldschrat. Der Kerl schnaufte nur schwach und kippte nach vorn in den Sand.

Gary und Don Juan flankten über den Stamm. Kurz darauf war der Kerl gefesselt und geknebelt. Die Fesseln brachten sie so an, daß er mit dem Stamm verbunden war und nicht wegkriechen konnte, es sei denn, er schleppte die Palme mit. Aber das brachte allenfalls der Waldschrat fertig.

Don Juan und Gary Andrews schlichen noch weiter auf das Lager zu und gingen unter einem Busch in Deckung. Überrascht stellten sie fest, daß nur die entmastete Schaluppe am Strand lag sowie jene, deren Heck zertrümmert war. Und deren Mast wurde tatsächlich der entmasteten Schaluppe verpaßt.

Die dritte Schaluppe fehlte. Und damit war klar, daß man sie als Vorpostenboot eingesetzt hatte. Wahrscheinlich hatte sie den Auftrag, das Lager von der Seeseite her nach Norden abzusichern.

Die Zelte waren inzwischen wieder aufgerichtet worden. Über dem Feuer, aber jetzt auf Astgabeln, hing ein anderer Kessel, kleiner als der durchgeschossene.

Was Gary und Don Juan jedoch mit Grimm konstatierten, das war die Tatsache, daß die Kerle ihre Lust auf das Roden von Muskatnußbäumen noch lange nicht verloren hatten. Denn gerade setzte sich ein Trupp mit Fackeln und geschulterten Äxten zu den Bäumen hin in Marsch. Der Hackklotz war dabei.

Gary und Don Juan hatten genug gesehen. Sie traten den Rückweg an, überprüften noch einmal den gefesselten und geknebelten Kerl und eilten zu ihrer Bucht zurück.

Nach kurzer Beratung beschlossen sie, zuerst dem Lager einen eisernen Gruß zu entbieten, speziell jener Schaluppe, die neu bemastet wurde. Das war Al Conroys Aufgabe, mit gehackten Ladungen sollten die Baumfäller bedacht werden. Bei der Streuung dieser Ladungen waren Treffer nicht auszuschließen.

Danach würde man sich der Vorposten-Schaluppe widmen. Da hieß es aber, scharf aufzupassen und sich keine Blöße zu geben. Notfalls würde man ausreißen, um eine günstigere Situation herbeizuführen. Daß ihre Schaluppe schneller segelte als die der Mijnheers, hatten auch Don Juan und seine Mannen erkannt. Und diesen Vorteil würden sie zu nutzen wissen.

Sie schoben die Schaluppe zurück ins Wasser, enterten auf und verließen die Bucht. Pete Ballie stand am Ruder. Bei halbem Wind über Steuerbordbug lief der Einmaster wieder gute Fahrt. Pete steuerte die Schaluppe so weit an den Strand heran, daß sie noch im Windbereich blieb und die Segel nicht abgedeckt wurden. Die unsichtbare Grenze zwischen Abdeckung und Windzone lag etwa fünfundzwanzig Yards vom Ufer entfernt. Diese Entfernung reichte zur Zielerkennung.

An der Bugdrehbasse stand Al Conroy. Die drei anderen Waffen bedienten Gary Andrews, Bob Grey und Don Juan. Mac O’Higgins – „Higgy“ – war für die Schoten zuständig. Notfalls konnte er an die achtere Drehbasse springen, die wie alle anderen Waffen feuerbereit war.

Sie passierten die Stelle, wo die entwurzelte Kokospalme lag. Der Kerl war kaum zu erkennen, zumal ihn Don Juan und Gary fast unter den Stamm geschoben hatten. Aber er war noch da und rührte sich nicht. Jetzt hätte er seine Horde alarmieren müssen.

Bei den Kerlen, die den Mast setzten, brannten ebenfalls Fackeln sowie Schiffslaternen. Somit war der Schauplatz illuminiert – ein nützlicher Effekt für die Arbeit, aber auch für die sich anpirschenden Wölfe, dies um so mehr, weil für die Mijnheers außerhalb des Lichtkreises nichts weiter als Schwärze war. Was das betraf, waren sie blind.

Von den Muskatnußbäumen drangen Axtschläge herüber. Sie hatten ihr schändliches Werk begonnen. Don Juan biß die Zähne zusammen. Gehackte Ladungen waren genau die richtige Antwort auf das, was diese Hundesöhne betrieben.

Pete Ballie ließ Higgy etwas die Schoten schricken, um die Fahrt zu verlangsamen und den Mannen an den Drehbassen das Zielen und Schießen zu erleichtern.

Von der Vorposten-Schaluppe war nichts zu sehen.

Don Juan gab keinen Feuerbefehl – jeder sollte nach eigenem Ermessen feuern, wenn er sein Ziel erfaßt hatte.

Al Conroy zündete. Der Lauf seiner Drehbasse hatte eine nahezu waagerechte Position – Kernschußweite! Die anderen Läufe mußten angekippt werden.

Don Juan schloß die Augen, um sich von dem Schußblitz nicht blenden zu lassen.

Ein schmetternder Krach – und unmittelbar darauf die Geräusche der Zerstörung, jener typische Laut des Aufpralls von Eisen auf Holz, Bersten, Brechen, Splittern, Zerreißen.

Aus schmalen Augen spähte Don Juan hinüber. Ja, Treffer, das Heck war zertrümmert! Don Juan atmete auf und nickte Al Conroy lachend zu.

Wutgebrüll an Land.

Gary Andrews zündete, dann Bob Grey. Zwei Feuerblitze, die gehackten Ladungen jaulten davon und rasten zwischen die Stämme der Muskatnußbäume. Es prasselte, als fege ein Hagelschauer durchs Gehölz. Die gellenden Schreie verrieten, daß Kerle getroffen worden waren. Einige taumelten zum Strand. Dann folgte Don Juans Schuß, der das Inferno verstärkte.

Pete Ballie fiel ab.

Al Conroy sprang nach achtern, richtete die Drehbasse auf die Zelte und feuerte. Die leichten Behausungen flogen davon, als habe sie ein Sturmwind gepackt. Die Aststützen brachen weg, der Kessel kippte ins Feuer.

Die Schaluppe Don Juans lief nach Osten ab und wurde von der Dunkelheit geschluckt. Aber auch an Land wurde es duster, denn dort löschten sie Fackeln und Laternen. Don Juan ging wieder auf Südkurs und steuerte erneut die kleine Bucht an, um von dort aus abzuwarten, ob die Vorposten-Schaluppe aufkreuzte. Denn die Kerle auf ihr mußten die Drehbassenschüsse gehört haben. Möglicherweise hatten sie auch die Schußblitze gesehen.

Don Juan und Gary Andrews tigerten wieder an Land, um nach den Mijnheers zu spähen und auch den Schnarcher zu besuchen. Der lag immer noch an derselben Stelle und war bewußtlos. Daß der Kerl als Ausguckposten versagt hatte, mußte dem Hackklotz eigentlich klar sein. Aber offenbar hatte er noch nichts unternommen, um ihn ablösen zu lassen und zur Rede zu stellen – wie das so seine Art war.

Doch etwas anderes passierte, und da begriff Don Juan, warum man sich um den Posten noch nicht gekümmert hatte.

Die Kerle waren alle in Deckung gegangen – und lauerten auf den nächsten Überfall der Gegner-Schaluppe. Sie hatten sogar Drehbassen ausgebaut und die Zapfen des Gabelgestells in umgelegte Baumstämme gerammt.

Außerdem waren sie wieder blind vor Wut, und so nahm ein weiteres Verhängnis seinen Lauf, das absurd genug war.

Als der Schatten einer Schaluppe aus Nordosten auf den Lagerplatz zuglitt, brüllte der Hackklotz einen Feuerbefehl, und schlagartig war die Hölle los. Die Kerle feuerten aus allen Läufen mit Musketen und Drehbassen. Ein Bleihagel raste der Schaluppe entgegen, deckte sie ein und takelte sie ab, daß es nur so splitterte, krachte und barst.

Die Kerle versenkten ihre letzte Schaluppe!

Sie soff auf ebenem Kiel ab, nur ihre Aufbauten ragten noch aus dem Wasser – und ein halber Mast.

Was sich dann abspielte, war eine Schau aus dem Irrenhaus. Denn als die Kerle erkannten, was sie sich da geleistet hatten, sprangen sie auf und hüpften kreischend, zeternd und fluchend herum und führten eine Art Veitstanz auf, als seien sie alle vom wilden Affen gebissen.

„Du meine Güte“, murmelte Don Juan. „Ist das noch zu fassen?“

Gary Andrews grinste und sagte: „Jetzt sitzen sie hier fest und können nicht vor und zurück. Sie müssen aufgeben.“

Doch das Spektakel setzte sich fort. Es war noch nicht zu Ende. Von Bord des Wracks sprangen Gestalten und wateten an Land. Sie glichen kampfwütigen Stieren, obwohl einige verletzt waren, aber das kümmerte sie nicht. Sie barsten vor Wut, und sie schwangen, was sie sich gerade hatten schnappen können oder greifbar gewesen war: Spaken, Riemen oder Bruchstücke von Planken.

Mit diesen Prügeln fielen sie über ihre Kumpane her, die auf sie geschossen hatten. Gleich, drei droschen den Hackklotz zusammen, der den Irrsinnsbefehl zum Feuern gegeben hatte, ohne abzuwarten, ob es sich um die eigene Schaluppe handelte.

Und dann blitzten Äxte, Messer und Degen.

Der Wahnsinn nahm erst sein Ende, als zwei Todesschreie über den Strand gellten und zwei Kerle röchelnd zusammensackten. Da brach die Ernüchterung über sie herein. Sie ließen voneinander ab und senkten die Waffen. Und sie stierten sich an, als seien sie Fremde, die sich noch nie gesehen hatten.

Einige setzten sich hin und ließen den Kopf hängen. Andere wateten ins Wasser und wuschen sich Schweiß, Blut und Dreck ab. Wieder andere gingen mit schleppenden Schritten zu den Kisten, wo ihre Vorräte lagerten, griffen sich Flaschen, schlugen die Hälse ab und soffen.

Zur Zeit waren sie nichts weiter als eine marode, verkommene und verluderte Horde, die sich selbst zerfleischt hatte. Wenn es überhaupt in ihren dumpfen Hirnen dämmerte, dann mußten sie erkennen, daß sie sich wie Irre aufgeführt und auch so gehandelt hatten.

Einer der Kerle bei den Kisten hatte seine Flasche ausgesoffen, schleuderte sie gegen einen Baum, wo sie zersplitterte, warf den Kopf in den Nacken – und lachte. Er lachte wie einer, dem gerade ein Witz eingefallen ist, ein zotiger, ordinärer Witz. Er fand das, was passiert war, unerhört witzig. Und er schüttete sich aus vor Lachen.

Es wirkte wie ein Funke. Plötzlich begannen auch die anderen zu lachen. Sie schlugen sich auf die Schenkel oder dem nächsten auf die Schulter. Sie wieherten und lachten, lachten, lachten.

Nur die beiden Toten konnten nicht lachen.

Gut drei Stunden nach Mitternacht kreuzte Don Juans Schaluppe etwa sieben Meilen nördlich des Lagers den Kurs der nach Süden segelnden „Santa Barbara“ und der anderen Schaluppe aus Davao, die jetzt Dan O’Flynn führte.

Hasard auf der „Santa Barbara“ ließ die Segel aufgeien und in den Wind gehen. Die beiden Schaluppen schoren längsseits und vertäuten an der „Santa Barbara“. Don Juan und Dan enterten an Bord. Don Juan berichtete, was sich ereignet hatte.

Sie hörten alle schweigend zu. Und als Don Juan endete, standen sie staunend da und konnten nur die Köpfe schütteln.

„Mein lieber Mann“, sagte Hasard und war nun doch erschüttert. „Soviel Irrsinn hätte ich den Kerlen weiß Gott nicht zugetraut. Die müssen von allen guten Geistern verlassen gewesen sein.“

„Von allen guten Geistern?“ fragte Don Juan. „Hatten sie die je?“

„Du hast recht“, meinte Hasard. „Wer so handelt wie die Mijnheers, dem fehlen die guten Geister. Was taten sie bei Abbruch eurer Beobachtungen?“

„Sie soffen.“

„Wein oder Schnaps?“

„Schnaps. Der Inhalt der Flaschen war hell.“

„Meinst du, daß sie sich solange besaufen, bis sie umfallen?“

 

Don Juan wiegte den Kopf. „Könnte sein, könnte aber auch nicht sein. Diese Kerle passen in kein Schema – wie Verrückte, deren Verhaltensweisen nicht abzuschätzen sind. Ich meine, wir sollten noch vorsichtiger als sonst sein. Du willst sie doch schnappen, oder?“

„Das habe ich vor“, sagte Hasard grimmig.

Kurz darauf gingen sie wieder auf Südkurs …

ENDE