Krisheena - Tor zum Abyss

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Zärtlich wanderte seine freie Hand über meinen Kopf, wie ein Kind, das für eine gute Tat gelobt wird. In seinen Augen fand ich die Befriedigung, die ich ihm hatte zukommen lassen wollen. Ich war zufrieden und so kosteten wir diesen intimen Moment mehrere Augenblicke lang aus.

Dann gab es aber keinen Aufschub mehr. Torvac musste seine Sachen zusammensuchen. Noch bevor der Mord bekannt wurde, verließen wir die Stadt bei den ersten Strahlen des neuen Tages.

3. Kapitel

Wir marschierten nach Süden, dem Lauf der Sonne entgegen, die sich schon bald hinter den gigantischen Gebirgszügen verbarg, den Schattenzinnen, die einen großen Teil des Kontinents auch am Tage in dämmriges Licht tauchte, obwohl ihre höchsten Gipfel weit im Westen lagen. Da ich mich überhaupt nicht mit der Wildnis auskannte und schmerzhaft mit Daunen gefüllte Kissen vermisste, verließ ich mich auf meine Begleiter. Für die tägliche Rast hatten wir mehrere Zelte dabei. Auch hier erwies sich Torvac als eine Bereicherung. Am Tag schleppte er einen Großteil der Ausrüstung und in der Nacht teilten wir eine Schlafstätte. Er hatte einen Besitzanspruch auf mich entwickelt, den ich zwar nicht teilte, aber seine schützende Nähe auch nicht missen wollte. Er lenkte zudem meine Gedanken von Laanas verheißungsvollen, unter der dunklen Kapuze aufblitzenden Lippen ab – zumindest vorerst.

Nach vielen Tagen der Wanderschaft wurde das Land karger und die Luft hatte einen muffigen Geruch angenommen, der schwer auf unseren Gemütern lag. Wie Wunden von gigantischen Krallen gleich zogen sich lange Schluchten durch eine Steppenlandschaft. Wir standen am Rand der Narbenlande. In meinem Bauch rumorte es, eine Aufregung, die ich noch nicht näher benennen konnte. Auch der Halbork schien unruhig, von einer inneren Stimme getrieben. Laana blickte mit ihren hellen, durchtrieben funkelnden Augen zum Himmel empor. Das Sonnenlicht war hinter einer dunstigen Trübung verschwunden. Ein kalter Wind überzog meine Haut mit feinen Eiskristallen. Ich fröstelte und war dankbar für die große Pranke des Minotauren, der meinen Rücken rieb.

»Wir müssen dort entlang«, erklärte Laana, die sich am besten auskannte, und deutete auf eine breite Schlucht, deren Ränder bald in eine ungewisse Dunkelheit führten.

Mit verkniffenen Augen rutschte ich eine leichte Böschung hinunter, wirbelte Staub und kleine Steine auf, bevor ich festen Stand erreichte und meine Lederrüstung enger schnallte.

Ich fühlte mich unbehaglich in dieser Kleidung, auch wenn mir das Leder gut stand. Leider hatte sich genug Staub darauf gesammelt, dass ich auf mehrere Schritt nur noch als einfache Menschenfrau durchging, wenngleich mit schmaler Taille und bis zum Gesäß reichenden, dicken Zopf. Wogar schenkte mir sogar ein Lächeln, als er hinter mir her rutschte. Moi’ra schien auf die bisherigen Entbehrungen mit einem Gleichmut zu reagieren, der Ignoranz sehr nahe kam.

Die blonde Schönheit in ihrer dunklen Kleidung stoppte kurz vor mir, ihre Lippen berührten fast die meinen und ich war geblendet von dem strahlenden Blau ihrer Augen.

»Pass auf, wo du hintrittst. Bei dem ganzen Lärm, den du erzeugst, überhören wir sonst, wenn dich eins der zahlreichen Monster in dieser Gegend verschluckt«, flüsterte sie und erzeugte einen kalten Schauer entlang meines Rückgrats. Noch bevor ich antworten, oder zumindest die mir eingejagte Furcht runterschlucken konnte, hatte sie ihre Zunge zwischen meine ängstlich geweiteten Lippen geschoben und befeuchtete meinen Gaumen so sanft, dass ich sinnlich die Augen schloss.

Ohne Vorwarnung drehte sie mich herum und schubste mich weiter. Benommen von ihrem Geschmack taumelte ich einige Schritte, bis ich wieder Fuß gefasst hatte und zu den anderen aufholen konnte. Aufgewühlt versuchte ich, das köstliche Prickeln auf meinen Lippen zu bewahren, wagte jedoch nicht, mich nach ihr umzudrehen. Sie blieb in meinem Rücken und ich konnte ihr schelmisches Grinsen spüren.

Zwischen den zehn Mann hohen Schluchtenwänden war es kühler und ein beständiger Lufthauch wehte in mein Gesicht. Am abgestandenen Geruch änderte das aber nichts. Je weiter wir gingen, je mehr roch es nach Tod.

Wir hatten mehrere Stunden Wegstrecke zurückgelegt, als Laana uns auf Geräusche aufmerksam machte, die sich aus der Richtung näherten, von der wir kamen. Anscheinend hatte man uns aufgelauert, passieren lassen und griff uns nun von hinten an.

Schon war über ein ganzes Dutzend kleinerer Gestalten heran. Sie reichten mir etwa bis zum Bauchnabel. Im Gegensatz zu meinem Nabel war der ihre hinter dreckigem Leder verborgen und ihr ungepflegter Geruch störte meine Nase. Ihr Fell hätte auch als dunkle, schmierige Haut durchgehen können. Sie schwangen primitive Waffen, deren Gefährlichkeit meine erworbenen kämpferischen Instinkte einzuordnen wussten. Mit beiden Händen umfasste ich den Griff meiner Streitaxt und machte in leicht gebückter Haltung einige Schritte rückwärts.

Ein ärgerlicher Aufschrei von der Seite zeigte eine neue Bedrohung auf. Wogar hatte ein Pfeil erwischt, dessen gefiederter Schaft aus seiner Schulter ragte. Ein schneller Blick hinauf enthüllte, dass sich zu beiden Seiten der Schlucht auf deren Plateau ebenfalls ein Dutzend dieser Gestalten befand und mit Bögen auf uns schoss.

Torvac brüllte und sprang zusammen mit Laana in die heran laufende Menge. Ich folgte Wogar und Moi’ra, um an den zerklüfteten Wänden hinauf zu klettern. Ein Pfeil bohrte sich schmerzhaft in meine Schulter, die Fleischwunde heilte sofort wieder, nur der Pfeilschaft behinderte mich beim Klettern. Moi’ra hatte ihre Ketten dazu genutzt, schnell an Höhe zu gewinnen, und hievte sich schwungvoll auf das erste Plateau. Wogar fluchte auf der anderen Seite. Aus ihm ragten schon drei Pfeile, was seinen Zorn nur weiter anfachte. Ich war mir sicher, dass mindestens ein Pfeil in seiner dicken Rüstung hängen geblieben war.

Für mich blieben nur noch zwei Gegner, an denen ich mein aufgestautes Adrenalin entladen konnte. Berauscht vom fließenden Blut lugte ich hinüber zur Kampftechnik des weiblichen Mönchs. Voller Anmut bewegte sie sich durch die verbliebenen Reihen, erahnte förmlich die Hiebe und Schläge um dann mit tödlicher Präzision ihre eigenen Treffer zu landen.

Am Boden der Schlucht sammelten wir uns wieder. Uns war nur eine kurze Verschnaufpause gegönnt, dann wackelte der Boden unter unseren Füßen. Etwas bewegte sich darin. Unsere Köpfe wandten sich zu einer Stelle, an der etwas Staub und Dreck absank, nur um dann in die Höhe zu schnellen und inmitten all des aufgewirbelten Gesteins sich der bräunliche Chitinpanzer eines Chakkragh mit seinen großen Mandibeln, den beiden Fühlern und sechs Klauenbeinen herausschälte. Schwarze Knopfaugen fixierten uns. Der langgezogene Körper verlief zu den Seiten und zum Ende hin flach und maß etwa zehn Fuß. Das Wesen war offensichtlich zum Graben geschaffen, nun wollte es seine Beute holen.

Wogar reagierte sofort, holte tief Luft und blies seinen feurigen Odem dem Wesen entgegen.

Leider stand ich ein Stück vor ihm und spürte seinen heißen Atem. Meine Haut bildete Blasen, ein Teil meiner Kleidung verschmorte und ich schrie schmerzhaft auf. Wütend trat ich gegen das Schienbein des Halbdrachen und wünschte, mehr Kraft zu haben, um ihm Schmerzen zuzufügen, die ihn in Zukunft zu mehr Vorsicht verleiteten.

So zuckte er nur mit den Schultern.

»Heilt doch wieder. Der ist platt«, grunzte er. Eine Feststellung, der ich nicht einmal widersprechen konnte.

»Pass demnächst gefälligst auf!«, schnauzte ich.

Meinen zornigen Blick hielt ich noch einige Minuten aufrecht, bis wir nach einer Biegung erneut vor einem Erdaufwurf standen. Wir schafften es gerade noch, uns so zu verteilen, dass der aus dem Boden hervor brechende Chakkragh von allen angegriffen werden konnte.

Ehe Moi’ra ihre Ketten einsetzen konnte, hatte sie die säurehaltige Spucke des Wesens am Körper. Kleine Rauchfäden verätzter Haut stiegen auf. In den Geruch mischte sich das Blut des sterbenden Chakkragh.

»Wir müssen weiter«, knurrte Wogar und setzte kraftvoll seinen Weg fort. Ein Blick von mir zu Moi’ra zeigte nur ihr Schulterzucken. Welch innerer Drang trieb den Orkkrieger zur Eile? Ich sollte es bald erfahren.

Noch bevor das Sonnenlicht sich senkte, knickte die Schlucht an einer Stelle ab, die einen Teil eines Torbogens freigab. Dunkel gähnte eine Öffnung in der Wand. Der Bogen stammte eindeutig von einem Gebäude. So viel ich wusste, entstanden die Narbenlande durch einen Krieg, der viele Umwälzungen mit sich brachte. Es war nicht auszuschließen, dass an der Stelle, wo wir standen, sich vor vielen Jahrhunderten eine Stadt oder eine Kultstätte befand. Der freigelegte Stein wies noch Reste von Verzierungen auf, vielleicht eine brennende Sonne.

Wogar hatte die Ohren gespitzt als lauschte er auf eine Stimme, die von weiter Ferne zu ihm sprach.

»Was ist, was hast du?«, fragte ich.

»Dieser Ort wurde entweiht«, betonte er, »wir müssen hineingehen!«

Er wusste sicherlich mehr, als seine knappen Worte preisgaben, aber ich war neugierig genug, es herauszufinden.

Sehr vorsichtig traten wir durch den Bogen. Zunächst nahm ich die Umrisse der Wände mit meiner Dunkelsicht wahr, in helle und dunkle Schattierungen gehüllt. Dann spürte ich genauso wie die anderen eine Präsenz und vernahm ein für mich unverständliches Stimmenwirrwarr. Es klang nach Beschwörungsformeln, alt und lange vergessen, selbst für meine Fähigkeit, intuitiv andere Sprachen zu verstehen und auch sprechen zu können.

Wir mussten nicht weit gehen, bis sich aus dem Felsen die Reste eines Ganges schälten, der in weit besserem Zustand war, als der Torbogen in der Schlucht. Ganz schwaches, rötliches Glimmen veränderte die Sichtbedingungen. Nun waren deutlich verblichene Verzierungen an den Wänden und auf dem Boden zu erkennen. Ich befand mich inmitten der Gruppe, Wogar trieb sie voran und sah wohl als erster die zwei in Flammen gehüllten Gestalten, die um ein Becken mit Feuer wanderten und einer uns unbekannten Gottheit huldigten. Sie befanden sich in einem weitläufigen Raum, von dem weitere Gänge abgingen und der von einer schwarzen Sonne auf dem Boden dominiert wurde.

 

Die Krieger stürzten sich auf die vermeintlichen Priester, die schnell bezwungen wurden.

Unser Weg führte weiter und endete vor einer Schlucht, einem Riss im Boden, der weiter in die Tiefe führte, als unsere Sicht reichte. Ein Raum wurde so getrennt. Etwa dreißig Schritte entfernt befand sich ein Podest mit leuchtendem Kristall, in dessen Innerem ein Schwert schwebte. Wogars Augen leuchteten bei dem Anblick. Ich sah auch die beiden Steinfiguren mit ihren teuflischen Fratzen neben dem Podest. Golemwächter. Bewegungslos starrten sie aus steinernen Augen in unsere Richtung. Aber das würde sich bestimmt schnell ändern.

Während die anderen über aneinander geknüpfte Seile spekulierten, sah ich Wogar ernst an.

»Ist es das Schwert dort, was du willst? Ist es das?«

»Ja!« Seine Antwort kam voller Inbrunst, aber er schien mich nur von Ferne zu hören. Jemand sprach mit ihm, nur er konnte es hören. Sein Blick war ganz auf das Schwert gerichtet, so kam ich zu dem Schluss, dass der Krieger gerufen wurde.

»Ich werde dir das Schwert herbeiholen, Wogar. Aber dafür bist du mir etwas schuldig, hast du mich gehört?«

Mit verklärtem Blick sah er nun zu mir. »Hol es, wenn du es kannst!«

Lächelnd löste ich die Bänder meiner Lederrüstung, zog sie aus und gab sie Wogar.

»Halt das«, erklärte ich ihm und machte dann fortscheuchende Bewegungen mit meinen Händen.

»Macht mir ein wenig Platz!«

Dann sah ich wieder zu Wogar, konzentrierte mich auf meine natürliche Gestalt, gab meinem Willen Kraft und meinem Körper Form. Zunächst kippte ich den Kopf zur Seite. Die Muskelstränge am Hals traten hervor. Mein Oberkiefer zog den Kopf nach hinten, weitete meinen Mund und mit einem Fauchen schoben sich meine Fangzähne hervor. Ich spürte das Brennen in meinen Augen, wie die violette Iris in Feuer entflammte, dem Feuer des Abyss. Krampfartig zogen sich meine Finger zusammen, wuchsen meine Fingernägel zu Klauen, lang, geschmeidig, tödlich. Aus meinem Steiß schoss der lange Dämonenschwanz mit seiner gezackten Spitze hervor. Dann breitete ich die Arme aus, beugte mich vor und musste einen keuchenden Laut von mir geben, während sich aus meinem Rücken die ledrigen Flügel schoben, knackend Knochen eine neue Form annahmen und mir so die Fähigkeit verliehen, zu fliegen.

Ich spannte meine fledermausartigen Schwingen zur vollen Größe aus, drehte mich zum Orkkrieger und nahm sein Kinn in die Hand. Seine Augen waren staunend weit geöffnet.

»Zeit für Überraschungen. Ich freue mich schon auf unsere gemeinsame Nacht!«, triumphierte ich und küsste ihn.

Dann machte ich einen Satz, fühlte den Wind über meine Haut streifen und sich unter den Schwingen sammeln. Muskeln zogen sich zusammen, stemmten sich gegen die Kraft der Luft, hoben mich an und gaben mir Auftrieb.

Nach wenigen Flügelschlägen war ich der gegenüber liegenden Raumseite sehr nahe und sah, was ich schon erwartet hatte: die steinernen Golemwächter erwachten zum Leben und erhoben sich dank ihrer Flügel in die Luft. Sie näherten sich mir, woraufhin ich umdrehte und zurück zu meiner Gruppe flog.

»Es ist nicht so einfach, wie ich mir das gedacht habe«, sagte ich an alle gewandt, »habt ihr vielleicht etwas dabei, was wir gegen die Viecher zum Einsatz bringen können?«

»Hm, mal sehen«, grummelte Torvac und alle kramten in ihrer Ausrüstung. Nachdem sich schon einige Gegenstände um uns verteilten, hörte ich Wogar überrascht grunzen.

»Hier, Crish«, sagte der Halbork und hielt mir mehrere Gefäße entgegen, »das ist Alchimistenfeuer. Ich wusste gar nicht, dass ich die noch in meinem Rucksack hatte.«

»Ohne Zündstoff nutzen sie uns nichts, aber mir kommt da gerade eine Idee. Wer von euch kann gut werfen? Moi’ra, du bist doch sehr geschickt. Meinst du, du triffst die Wesen von hier aus? Es reicht, wenn sich der Inhalt über sie verteilt.«

Sie überlegte kurz und nickte zustimmend. »Keine Sorge, aber was nutzt es, wenn die Flüssigkeit an ihrer Haut klebt? Wir haben keine Fackeln dabei.«

»Das lass mal meine Sorge sein«, zwinkerte ich verschwörerisch und brachte mich in Startposition.

Ich flog wieder auf die andere Seite und scheuchte dadurch die Wächter auf. Moi’ra holte aus und warf die Flakons mit dem Alchimistenfeuer auf die Wesen. Die klebrige Flüssigkeit verteilte sich wie geplant auf der steingrauen Haut. Im Gleitflug sammelte ich meine geistige Energie, schnippte mit den Fingern und löste so mehrmals hintereinander kleine Flammen von meiner Klaue in Richtung der Wesen. Sie trafen und entzündeten so deren Leiber. Auch wenn wir sie nicht verbrennen konnten, so wurden sie durch die Hitze geschwächt. Mit der Kraft meines Geistes schärfte ich meine eigenen Klauen für kurze Zeit. Diese reichte, um wie eine Furie über die zwei Wächter herzufallen und sie zu vernichten. Ihre gemarterten Körper stürzten in die Dunkelheit.

Weil das Schwert eine so starke Anziehung auf Wogar ausübte, hatte ich Bedenken, die Waffe mit meinen Händen zu berühren. Während meiner Ausbildung hatte ich von Waffen gehört, die nur einem bestimmten Krieger dienten und allen anderen, die sie ergriffen, große Schmerzen zufügten oder sogar töteten. Daher befestigte ich vorsichtig ein Seil am Schwertknauf und zog es aus der leuchtenden Säule. Behutsam flog ich zurück und überreichte dem Halbork mein Geschenk. Ehrfürchtig nahm er die Klinge entgegen und hatte nur noch Augen für sie. Derweil sah ich mich auf der anderen Seite der Schlucht um.

Zu beiden Seiten der gegenüberliegenden Plattform ging jeweils ein weiterer Raum ab. Dort fanden sich interessante Gegenstände, vermutlich Beutestücke gescheiterter Abenteurer, die wir untereinander aufteilten. Ich behielt einen reichlich verzierten Krummsäbel, der mir sehr gefiel. Er lag leicht und elegant in meiner Hand. Von nun an nutzte ich ihn als meine Lieblingswaffe. Wie sich bald herausstellte, trug er eine Kampfverzauberung, was zudem die Klinge vor Witterungseinflüssen schützte, und hatte die Fähigkeit, eine magische oder klerikale Zauberwirkung aufzunehmen, die ich auf meinen geistigen Befehl hin auslösen konnte.

Ein rostfarbener Beutel wanderte ebenfalls in meinen Besitz. Im Volksmund wurde er Trickbeutel genannt. Aus ihm konnte ein kleines Wesen gezaubert werden, indem man eine kleine, haarige Kugel hinausnahm und sie zu Boden warf. Begeistert erprobte ich den Gegenstand und quietschte vergnügt, als sich das lebendig gewordene Fellknäuel über den Boden bewegte. Moi’ra schüttelte in Anbetracht meines kindischen Verhaltens nur abschätzig den Kopf.

Wir verließen den Tempel und wanderten durch die Dämmerung, bis wir bei Einbruch der Nacht die Schlucht hinter uns lassen konnten. Dort schlugen wir das Lager auf und Torvac musste diese Nacht auf mich verzichten – Wogar leistete seine Bezahlung, bis er sich nicht mehr rühren konnte.

4. Kapitel

Es wurde wieder dunkel, wie immer – schnell wurde es dunkel und kalt in den Narbenlanden. Entsetzlich kalt. Es schien, dass selbst die Natur hier widerlich war, auf eine seltsame Art und Weise, die sogar für Wesen des Abyss unangenehm war. Die Hitze war entweder schwülnass, so dass man kaum atmen konnte, oder so staubtrocken, dass der Hals vom Staub gereizt wurde und die Zunge am Gaumen klebte. Wenn der Wind aufkam, war er schneidend kalt und ich hatte das Gefühl, dass scharfe Messerschneiden über die Haut gezogen würden, oder so schwül, dass es mir den Atem nahm. Die Luft roch vergoren, verfault und verbraucht, verbrannt und verlebt. Das wenige Wasser, das wir finden konnten, schmeckte meist abgestanden oder faulig. Doch Laana schien ein Talent dafür zu haben, uns zu den richtigen Stellen zu führen, wo es frisches Wasser in ausreichenden Mengen gab.

Diese Frau war schon recht sonderbar, mit dem wunderschönen, wie in edlen Marmor gehauen wirkenden Gesicht und den schlanken, grazilen Fingern mit langen Nägeln, die sie sehr geschickt zu bewegen wusste. Den Rest ihres Körpers konnte ich nicht einmal erahnen, da er ständig unter einer langen, schwarzen Robe verborgen war. Aber die Erinnerung an den Kuss, den sie mir gegeben hatte, wallte hitzig durch meinen Körper und erzeugte in mir eine gewisse Vorfreude auf mehr. Er weckte meine Neugier, herauszufinden, welches fleischliche Geschenk wohl unter der Robe verborgen sein mochte.

Voller Ungeduld und Erregung erhob ich mich von meiner Schlafstätte und schlich hinüber zu ihrem Zelt, denn sie bestand darauf, ein eigenes zu benutzen. Langsam und vorsichtig öffneten meine Finger die Knöpfe ihres Zelteinganges. Ich hielt den Atem an – vor Aufregung klopfte mein Herz – und ich schlug die Zeltplane beiseite … doch das Zelt war – leer. Mit einem Fluch auf den Lippen begab ich mich zurück in mein Zelt und weckte Torvac, damit er meine tobende Lust stillte.

Auch am nächsten Tag warf sie mir verheißungsvolle Blicke mit ihren saphirblauen Augen zu und unsere Lippen fanden einander für ein heißes Zungenspiel, das meine Lust erneut entfachte. Doch auch in dieser Nacht war sie nicht in ihrem Zelt und kam auch nicht in meines, wie ich es in ihr Ohr gehaucht hatte. In dieser Nacht gelang es Torvac kaum noch, meine brennende Lust zu stillen und so beglückte ich noch Wogar, was mir aber auch kaum Abhilfe schaffte.

An diesem Tag strichen ihre Hände eine Gänsehaut verursachend über meinen Körper, während sie mich küsste, doch alle Berührungen meinerseits wehrte sie entschieden ab. Einmal konnte ich einen Blick auf eines ihrer perfekt geformten, makellosen Beine werfen, als sie einen ihrer schwarzen Stiefel nachschnürte. Meine Lust wurde brennendes Verlangen und nahm mit jeder Minute zu – und der Tag hatte noch viele Stunden. Ich konnte mich kaum auf meinen Weg konzentrieren. Endlich kam die Nacht, doch als ich von meiner Wache zurückkehrte und Moi’ra geweckt hatte, war Torvac nicht in meinem Zelt. Ich konnte es noch nicht ganz fassen, als ich auch schon Töne der Lust aus Laanas Zelt hörte. Zitternd vor Erregung begab ich mich zu ihrem Zelt, öffnete den Vorhang und sah die Rückseite von Torvac, der vor ihr zu knien schien, und seine von ihren Schenkeln umschlossenen Hüften, die im heftigen Rhythmus gegen sie pressten. Eine ihrer Hände hatte in seinem Nacken Halt gefunden und ich hörte, neben den brünstigen Lauten Torvacs, tiefes weibliches Stöhnen. Sie hob ihren Kopf an und ihre leuchtenden Augen fesselten meinen Blick. Die Hitze in meinem Unterleib begann zu kochen und meine Brustwarzen verhärteten sich. Mein ganzer Körper bebte vor Verlangen, als ich näher trat. Doch sie fauchte mir nur ein »RAUS!«, entgegen, dessen Bestimmtheit ich nicht widerstehen konnte. In ihrem Befehl lag eine nicht greifbare, aber spürbare Macht, die mich ängstigte, Gänsehaut erzeugte. Und zusätzlich erregte.

Sofort begab ich mich in Wogars Zelt, doch er konnte das tosende Begehren, das in mir wie ein Vulkan wütete, nicht stillen, er verstärkte es noch.

Als er sich nicht mehr rührte, begab ich mich in mein Zelt, doch an Schlaf war erst einmal nicht zu denken, denn die Laute vom Nebenzelt, vor allem ihr tiefes, dunkles Stöhnen, heizten mich weiter an. Irgendwann schlief ich vor lauter Erschöpfung ein. Meine Träume waren blutrot und nicht mehr als eine gewaltige Orgie, doch auch die konnte meine Lust nicht stillen.

Ein kalter Windhauch fuhr über meinen von Schweiß bedeckten Körper und ich spürte den Geschmack von Honig auf meinen vollen Lippen – ihre Lippen. Ich schlug meine Augen auf, doch sie schienen von einem weichen Tuch verbunden zu sein. Ich wollte meine Hände bewegen, doch die waren über meinen Kopf gefesselt und am Boden festgemacht. Ihr heißer Atem strömte gegen mein Gesicht und sie hauchte mir ins Ohr: »Heute Nacht werde ich dich von deiner Lust befreien, Schwesterchen.«

Erneut fanden sich unsere Lippen und ich gab mich einem innigen Zungenspiel hin. Dabei begann sie, gemächlich mit ihren Händen meinen Körper zu erkunden. Als sie mit einem Fingernagel meine rechte Brustwarze, die so hart wie noch nie zuvor war, berührte, heulte ich auf vor Schmerz und Wollust. Ihre Lippen lösten sich von den meinen und ich hauchte ihr noch ein begehrendes Stöhnen hinterher. Eine Hand glitt hinab zu meinen Beinen, spreizte sie leicht und begann, die Innenseite meiner Oberschenkel zu liebkosen. Die andere Hand streichelte indessen meinen Körper, während sie sich bedächtig mit ihrer Zungenspitze über meinen Hals zu meinen Brüsten bewegte. Der Tanz ihrer Zunge und das leichte Knabbern trieben mich fast in den Wahnsinn. Mit ihrer einen Hand, die meinen Körper erkundete, streichelte sie behutsam entlang meiner Seiten, während ihre Zunge meinen Bauchnabel fand. Mein Stöhnen wurde lauter als sie – leicht mit den Lippen saugend – ihre Zunge in meinem Bauchnabel kreisen ließ.

 

Mehr als eine Stunde heizte sie mich so immer weiter auf, bis mein verlangendes Stöhnen nur noch ein lustvolles Wimmern war. Doch mein Körper wollte mir die Erlösung nicht gönnen. Ihre Hände glitten an mir hinauf und ihre Zunge nahm die Reise wieder auf. Ihre eine Hand begann, meine Brüste zu massieren, die andere umspielte meinen Bauchnabel. Mein ganzer Körper zitterte und die Feuchte zwischen meinen Schenkeln und an meinen Oberschenkeln hatte das Zelt in wohligen Duft gehüllt, der sich mit dem süßen Aroma ihres eigenen Körpers und ihrer eigenen Lüsternheit vermischt hatte. Aufmerksam glitt ihre Zunge über meine kahl rasierte Scham und sie hob meine Schenkel über ihre Schulter. Langsam glitt ihre Zungenspitze hinab und streifte das erste Mal in dieser Nacht meinen Kitzler. Ein tosendes Brüllen der Wonne ging durch meinen Körper, doch der erlösende Orgasmus fand sich nicht ein. Behaglich fuhr ihre Zunge zwischen meine glühenden Schamlippen und fand den Eingang in mein Innerstes. Immer tiefer fuhr ihre Zunge mit zuckenden Bewegungen in mich hinein, ich glaubte nicht, dass Erregung an diesem Punkt noch weiter gesteigert werden konnte, doch das konnte sie …

Stunde um Stunde trieb sie mich weiter an, beflügelt durch mein lustvolles Wimmern. Mein Verstand war schon lange ausgeblendet und ich spürte nur noch pure Ekstase. Eine ihrer Hände fuhr hinab von meinen Brüsten und fand meinen Kitzler, die zweite unterstützte ihre zuckende Zunge und sie drang mit dem Mittelfinger in mich ein, streichelte das nachgiebige Gewebe, fand meinen G-Punkt und mit einem Mal färbte sich alles rot. Eine gewaltige Orgasmuswelle schlug über mich hinweg und wurde sofort von der nächsten abgelöst. Irgendwann sank ich in gnädige Ohnmacht …

Eine angenehme Brise hatte die Hitze des Tages verdrängt und gab der Dunkelheit eine friedvolle Atmosphäre. Ich war wieder allein. Im fahlen Licht der Sterne drängte es mich wieder zu ihr. Laana. Süße Versuchung und der Begierde Namen. Nicht eine Sekunde lang konnte ich unsere letzte gemeinsame Nacht vergessen. In all den Jahren meiner Existenz hatte ich noch niemanden gefunden, der mir solche Wonnen bereiten konnte. Lust wurde zur Sucht und nun litt ich an starkem Entzug. Meine Zunge behielt den Geschmack ihres Mundes in Erinnerung, doch wie es einem Gedanken anheim ist, begann er zu verblassen.

Neugierde war mein zweiter Antrieb, nackt aus dem Zelt zu schleichen, wo Torvac nach meinem angenehmen Ritt auf seinem ausfüllenden Geschlecht laut schnaufend schlief. Laana verbarg bislang ihren Körper und die Orgasmen, die sie mir schenkte, erfolgten ohne die Möglichkeit, einen aufreizenden Blick zu erhaschen. Ich nahm das Geschenk der Lust gerne an, doch ist es umso erquickender, Lust zu geben als zu nehmen. Ich wollte sie befriedigen wie sie mich vollends befriedigt hatte und allein bei dem Gedanken daran, wie meine Hände über ihre samtene Haut glitten, fuhr ein Kribbeln durch meinen Körper.

Tief in meine Gedanken versunken bemerkte ich den Schatten in der Dunkelheit erst, als er nahe neben mir stand. Schwarz in schwarz zeichnete sich ein Kapuzenmantel ab, ohne tiefere Einblicke auf Gesicht oder Körper zu gewähren. Wo immer der Unbekannte auch her kam, ich wollte ihm meine Unsicherheit nicht zeigen und reckte ihm gefasst mein Kinn entgegen.

»Was ist Euer Begehr?«

»Unser Ziel ist das gleiche, nur unsere Wege unterscheiden sich.« Seine Stimme war klar, erzeugte in meinem Kopf aber ein Echo, als wären seine Gedanken den Worten vorausgeeilt.

»Ihr wisst, wohin ich will?«, fragte ich verdutzt.

»Es ist nicht meine Aufgabe, Euren Willen zu kennen, aber ich spüre, wohin Eure Gedanken wandern. Und Füße folgen meist dem Denken. Laana ist Euer Ziel, und zu ihr will ich auch.«

»Ihr kennt sie?« Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch.

»So wahr ich hier stehe. Geht vor, ich folge Euch.«

Vorsichtig drehte ich mich um, setzte meinen Weg fort und hielt auf das Zelt meiner Begierde zu. Immer wieder lugte ich über die Schulter zu meinem düsteren Verfolger. Er schien über den Boden zu schweben. Ich fröstelte, obwohl die Luft sehr lau war.

Am Zelt angelangt lauschte ich, konnte aber keinen Laut ihres Körpers vernehmen. Ich schob den Stoff am Eingang zur Seite und sah aufmerksam in die Dunkelheit, durchdrang sie mit meinen abgründigen Augen – doch Laana war nicht da.

Überrascht spürte ich ihre warme Hand über meinen nackten Rücken gleiten und als ich mich umdrehte sah ich die Sterne in ihren Augen funkeln. Sie musste sich angeschlichen haben.

»Ich habe dich gesucht«, flüsterte ich, machte eine kleine Pause und wies auf meinen düsteren Begleiter. »Wir haben dich gesucht. Er wollte sich mir nicht vorstellen.«

»Das braucht er auch nicht«, deutete sie geheimnisvoll an. »Auch ich habe auf dich gewartet.«

»Was hat das Ganze zu bedeuten?«, fragte ich verwirrt.

»Hier ist nicht der Ort, um darüber zu reden«, sagte sie.

»Wenn nicht hier, wo sonst?«

»Bitte, nimm seine Hand. Wir werden uns an einen sicheren Ort begeben. Vertrau mir.«

»Was …?« Sie legte mir einen Finger auf die fragenden Lippen.

»Wir haben gleich viel Zeit, darüber zu reden. Komm.« Sie deutete auf den dunklen Boten. Er reichte mir seine in schwarzes Leder gehüllte Hand. Zögerlich, aber doch mit fester Absicht, ergriff ich sie. Kühl und glatt lag sie in meiner Hand. Einen Atemzug lang füllten sich meine Lungen noch mit der trockenen Luft der Narbenlande, dann erfasste mich ein drängender Schwindel. Ich wurde fester gefasst. Mein Kopf schmerzte. Sterne tanzten vor meinen Augen. Dann umgab mich gemauerter Stein, ein niedriger Raum ohne Fenster und Tür.

Ich war nicht allein, hielt immer noch die fremden Finger und erkannte in den grauen Schattierungen meiner Dunkelsicht das helle Haar meiner geheimnisvollen Gefährtin.

»Wo sind wir? Ein Gefängnis?« Ich wollte von ihr hören, dass meine Vermutung richtig war. Sie bestätigte meine Gedanken.

»Wir befinden uns in der Labyrinthstadt. Um genauer zu sein, unterhalb der Stadt.«

Nach einem sorgfältigen Blick über die Mauern fasste ich meine Folgerungen in Fragen.

»Die geheimen Räume der Schattenhand, nicht wahr? Ihr braucht keine Türen, keine Fenster, keine Treppen? Dann besitzt ihr andere Möglichkeiten der Fortbewegung?«

»Du bist sehr neugierig«, amüsierte sie sich. »Es wird Antworten geben. Aber darf ich dir zunächst meinen Gefolgsmann Zohreh vorstellen? Ihm verdanken wir den Wechsel an diesen Ort.«

Wir nickten einander zu. Sein Gesicht blieb unter der Kapuze verborgen. Ihn umgab etwas, das ich noch nicht deuten konnte, mich aber auf eine Weise berührte, die vertrauensvoll wirkte. Ich empfand auch Ehrfurcht, denn der Unbekannte hatte die Narbenlande durch Teleportation verlassen, was dem Salmagur Landru nicht möglich war, daher musste er entweder sehr mächtig sein – oder über eine besondere Gabe verfügen, die ihm diese Reisen durch die zerrissene Astralwelt ermöglichten.